Dr. Hans Morschitzky
Klinischer und Gesundheitspsychologe
Psychotherapeut
Verhaltenstherapie und Systemische Familientherapie
A-4040 Linz, Hauptstraße 77
Tel.: 0043 732 778601 E-Mail: morschitzky@aon.at
Telefonische Anmeldung täglich 17:00 - 17:30 (ansonsten Anrufbeantworter)
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Zur bestmöglichen Bewältigung von Versagensangst empfehle ich Ihnen meine Bücher über Versagens- und Prüfungsangst, die leider nur mehr antiquarisch erhältlich sind:
Morschitzky, H. (2013). Die Angst zu versagen und wie man sie besiegt. 6. Auflage. Ostfildern: Patmos Verlag. 225 Seiten. Dieses Buch beschreibt die verschiedenen Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen von Versagensängsten und bietet einen Selbsthilfe-Ratgeber in Form von 20 Schritten zum besseren Umgang damit.
Der folgende Text besteht aus dem Manuskript meines nicht mehr im Handel befindlichen Buches über Versagensangst.
Die Angst zu versagen
Leistungsängste
erfolgreich bewältigen
Inhalt
Vorwort
Teil I: Die Angst zu versagen hat viele Gesichter
Zwischen Motivation und Destruktion – Leistungsängste und ihre Wirkung
Angst und Leistung – auf die Dosis
kommt es an
Angst macht Karriere – wenn
Angst Flügel verleiht
Versagen und Selbstabwertung –
wenn Angst lähmt
Lebensbehindernde Angst – wenn Angst die Seele krank macht
Versagensängste erfassen den ganzen Menschen
Denken, Fühlen, Handeln,
körperliches Befinden – die vier Ebenen der Angst
Biologie der Angst – der Körper
steckt den Rahmen ab
Die Macht der Vorstellung – der
Geist entwickelt ein Bedrohungsbild
Leistungsblockaden durch Angst
– das sprichwörtliche „Brett vor dem Hirn“
„Ich schaff’ das nicht!“ – die Angst zu versagen in Ausbildung und Beruf
Prüfungsängste –
Versagensängste in Schule und Ausbildung
Existenzängste, soziale Ängste, Leistungsängste – Versagensängste im Beruf
Auch die Großen haben Angst –
Versagensängste bei Künstlern und Sportlern
Für andere nie gut genug – Versagensängste in Sozialbeziehungen
Ich nütze, also bin ich? – Selbstwert als Wert für andere
Als Mutter nie gut genug – Versagensängste in der Elternrolle
„Liebst du mich noch?“ – Versagensängste in der Partnerschaft
„Hoffentlich klappt es heute“ – die Angst vor sexuellem Versagen
„Alle schauen auf mich“ – Sprech- und Kontaktängste
„Die werden mich fertig machen!“ – Selbstbehauptungsängste
Teil II: Die Angst zu versagen – woher sie kommt, wohin sie führt
Ursachen von Versagensängsten
„Ich bin eine Null“ – geringes
Selbstwertgefühl und überhöhte Ansprüche
„Ich möchte beliebt sein“ – die
Sehnsucht nach Anerkennung
„Ich muss der Beste sein“ –
Überforderung von Kindheit an
„Das geht bestimmt schief!“ –
Misserfolgsorientierung macht Angst
„Verhalte ich mich richtig?“ –
übermäßige Selbstbeobachtung in Leistungssituationen
„Mir wird alles zu viel“ –
zunehmender Stress am Arbeitsplatz
Folgen von Versagensängsten
Inneres Davonlaufen –
aufschieben, vermeiden, ablenken
Alles richtig machen wollen –
wenn Perfektionismus zur Qual wird
Die Angst wird zugedeckt –
Missbrauch von Alkohol und Medikamenten
Wenn Körper und Seele leiden –
Angststörungen, Depressionen, Burn-out und psychosomatische Störungen
Teil III: Die Angst zu versagen bewältigen
Lernen Sie Ihre Versagensängste kennen
Ihre Versagensängste im Detail
Ursachen und Folgen Ihrer Versagensängste
Nach
welchen Maßstäben beurteilen Sie sich selbst?
Bewältigen Sie Ihre Versagensängste in zwanzig Schritten
Wollen statt müssen – wie Sie sich richtig motivieren können
Erfolgsorientiert vorgehen – erhoffen Sie Erfolg, statt Misserfolg zu fürchten
Realistische Ziele setzen –
stufenweiser Weg zum Erfolg
Positive Ziele formulieren –
Wünsche deutlich machen
Visualisieren Sie Erfolg – mentales Training wie im Spitzensport
Im Hier und Jetzt leben – im Augenblick verweilen
Konzentrieren Sie sich auf die Aufgabe – die Umwelt ausblenden
Lernen, Üben, Trainieren – Erfolg durch ein Trainingsprogramm
Erinnern Sie sich an Ihre Erfolge statt an die Misserfolge – nichts macht so
erfolgreich wie der Erfolg
Tolerieren Sie Versagensangst und Misserfolge – aus Fehlern können Sie lernen
Stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl – das ist der Schlüssel zu jedem Erfolg
Aktive Gestaltung statt
Opferrolle – handeln statt jammern
Aufbauende Selbstgespräche –
sich selbst ermutigen
Von der Konfrontation zur
Kommunikation – konstruktiver Dialog mit der Angst
Seien Sie echt statt eine Rolle zu spielen – spontan und authentisch
auftreten
Wechseln Sie Stress und Erholung ab – so hält Ihre Leistungsfähigkeit an
Körperliche Entspannung – lernen Sie rasch wirksame Techniken
Überhöhtes Anspruchsniveau berichtigen – Burn-out vorbeugen
Legen
Sie Überverantwortlichkeit ab – gesunder Egoismus statt Helfersyndrom
Verbessern Sie Ihre sozialen Fertigkeiten – treten Sie kompetent auf
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Vorwort
„Angst klopfte an. Vertrauen
öffnete. Keiner war draußen.“
Aus China
Haben Sie Angst, nicht das zu leisten, was von Ihnen verlangt wird? Den Erwartungen anderer nicht zu entsprechen? Die Angst, nicht gut genug zu sein, zeigt sich auf der Sachebene als Angst zu versagen und auf der Beziehungsebene als Angst, von den anderen abgelehnt zu werden. Die Angst zu versagen ist zu einem Grundgefühl unserer Zeit geworden.
Wir leben heute in einer
Leistungsgesellschaft. Erfolg und ständige Leistungsfähigkeit in jedem
erdenklichen Bereich unseres Lebens zählen zu den wichtigsten Werten und Zielen.
Ständig sollen wir gesellschaftlich vermittelten Leistungsansprüchen genügen.
Jeder von uns hat diese im Laufe der familiären und außerfamiliären
Sozialisation in spezieller Weise kennen gelernt und dann persönlich
ausgestaltet.
In der heutigen Lebens- und Arbeitsmarktsituation werden die Ängste immer größer, zu wenig zu leisten oder völlig zu versagen. Versagensängste führen bei vielen Menschen zu Horrorvisionen.
Wer die Leistungserwartungen im Beruf und im Privatleben nicht erfüllen kann, gilt als Versager, ist „out“ und wird ausgetauscht – als Arbeitnehmer ebenso wie als Partner.
Wer dem gesellschaftlichen Leistungsdruck nicht entspricht, verliert an
Sozialprestige und wird zum Außenseiter. Dies gilt sogar für unsere Freizeit:
Wir beurteilen Hobbys, Sport, Urlaub, Kleidung und Sexualität danach, ob wir
Leistungsstandards erfüllen oder nicht.
In unserer leistungsorientierten Gesellschaft zählen oft nur Werte wie Erfolg, Sieg, Karriere, Durchbruch, Prestige, Gewinn, Produktivität, Umsatzsteigerung – für das Gegenteil davon ist kein Platz.
Worte wie scheitern, verlieren, schief gehen, Fehler, Versagen, Misserfolg,
Niederlage, Schwäche, Unterlegenheit, Karriereknick, sozialer Absturz machen
Angst, weil die angesprochene Realität Angst erzeugt.
Vorbei sind die Zeiten, wo Leistung nur Aufstieg und Erfolg garantierte. Immer mehr Menschen befinden sich trotz Leistungsbereitschaft in einem Abwärtstrend oder gar bereits auf dem Abstellgleis.
Auf dem Buchmarkt gibt es unzählige populäre Sachbücher über den Weg zum Erfolg,
aber kaum Bücher, wie man mit befürchtetem oder realem Versagen umgehen lernen
kann.
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen Versagensängste – ihre Formen, Folgen,
Ursachen und Bewältigungsmöglichkeiten. Dieser Ratgeber wendet sich in erster
Linie an (noch) psychisch gesunde Menschen.
Ich erlebe als klinischer Psychologe und Psychotherapeut in der Nervenklinik Linz und in freier Praxis sowie als psychologischer Gutachter der Pensionsversicherungsanstalt in Oberösterreich immer häufiger, wie sehr befürchtetes oder reales Versagen Körper, Geist und Seele meiner Patienten bestimmt.
Während der Arbeit an diesem Buch habe ich fortlaufend analysiert, was meine
Patienten mit Angststörungen, Depressionen, Substanzmissbrauch,
psychosomatischen Störungen, Essstörungen und Schmerzstörungen miteinander
verbindet, auch zu einem früheren Zeitpunkt, als sie noch gesünder waren: Es ist
die Angst zu versagen.
Mit diesem Buch versuche ich, Ihnen neben einem Überblick über Versagensängste eine Fülle von Ratschlägen zu bieten, damit Sie Ihre Leistungsängste besser bewältigen können.
Ich möchte Ihr Vertrauen in Ihre eigenen Bewältigungsmöglichkeiten von
Leistungs- und Versagensängsten stärken und Ihnen helfen, das Auftreten
psychischer oder psychosomatischer Störungen zu verhindern und das Entkommen
daraus zu erleichtern.
Teil 1 beschreibt verschiedene Leistungs- und Versagensängste in Ausbildung,
Beruf und Sozialkontakten.
Teil 2 veranschaulicht ungünstige Bewältigungsstrategien und Auswirkungen und
beleuchtet verschiedene Erklärungsmöglichkeiten von Versagensängsten.
Teil 3 hilft Ihnen, Ihre Versagensängste zu analysieren, besser zu verstehen und
in Form von zwanzig Schritten zu bewältigen.
Die Angst zu versagen soll Sie nicht lähmen. Dieses Buch erfüllt seine Aufgabe,
wenn es Ihnen einen Ausstieg aus der Angstspirale „Immer funktionieren müssen –
Angst zu versagen – noch mehr leisten wollen – reale Angst vor Burn-out“
ermöglicht. Dies wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.
Zwei Hinweise sind mir besonders wichtig. Wegen der leichteren Lesbarkeit habe
ich durchgehend die männliche Form gewählt, jedoch immer auch an meine
weiblichen Leser gedacht. Schließlich hat eine Frau mein Manuskript zu jenem
Buch gemacht, das jetzt vor Ihnen liegt. Frau Mag. Anni Bürkl, freiberufliche
Autorin und Journalistin in Wien, danke ich dafür, dass sie meinen Text im
Rahmen einer sehr angenehmen Zusammenarbeit in eine leicht lesbare Form gebracht
hat.
Teil I: Die Angst zu versagen hat viele Gesichter
„Beherzt ist nicht, wer keine
Angst kennt;
beherzt ist, wer die Angst
kennt und sie überwindet.“
Khalil Gibran
Zwischen
Motivation und Destruktion – Leistungsängste und ihre Wirkung
„Ein
Champion, der sich nicht fürchtet, verliert.“
Lance Armstrong
Angst und Leistung – auf die Dosis kommt es an
Nur keine Panik: Angst gehört zum Leben; sie ist ein normales menschliches Gefühl. Angst ist eine nützliche Begleiterin des alltäglichen Lebens – genauso wie Freude, Ärger, Wut oder Traurigkeit. Gefühle motivieren uns dazu, etwas zu tun und uns zu verändern. Wir kommunizieren mit anderen Menschen über unsere Gefühle und beeinflussen damit deren Verhalten.
Emotionen wie Angst sollen
unseren Körper zu etwas bewegen. Im Wort Emotion steckt das lateinische
Wort motio (Bewegung), das sehr treffend den Handlungsantrieb bei
Angstzuständen bezeichnet.
Angst aktiviert unseren Körper und unseren Geist in bedrohlichen Situationen. Sie bewahrt unser Leben und unsere Gesundheit vor Gefahren und Selbstüberschätzungen.
Angst spornt unseren Körper zu Höchstleistungen an. Sie zwingt ihn, alles
aufzubieten, um einen Ausweg aus einer vermeintlich oder tatsächlich schädlichen
Lage zu finden. Sinnvolle Ängste stellen eine Schutzfunktion für jeden Menschen
dar. Sie verhindern das trügerische Gefühl einer Scheinsicherheit.
Absolute Angstfreiheit ist kein erstrebenswertes Ziel. Der Traum vom angstfreien Leben stellt eine gefährliche Illusion dar. Nur in Bezug auf krankheitswertige Ängste gilt ein angstfreier Zustand als Lebensideal.
Selbst für Spitzensportler gilt der Grundsatz: „Wer aufhört, sich zu fürchten, der lebt gefährlich.“ Im Anblick von Gefahr und Schrecken wird der Körper auf eine Rekordleistung vorbereitet. Angst ist eine Kraft – wenn wir sie zu nutzen wissen. Viele waghalsige Aktionen werden gerade wegen des damit verbundenen Nervenkitzels unternommen – aus einer gewissen Angstlust heraus.
Wer sich dabei jedoch überschätzt, verliert sein Leben, weil er den
Warncharakter der Angst nicht ernst genug genommen hat.
In diesem Buch geht es um einen Teilbereich von Ängsten: um die Angst zu versagen. Sie betrifft alle zentralen Lebensbereiche: Ausbildung, Beruf und zwischenmenschliche Beziehungen. Wir fürchten den Misserfolg, wenn wir uns angesichts bestimmter Aufgabenstellungen zu schwach und unfähig fühlen.
Wir entwickeln Versagensängste, wenn wir uns außerstande fühlen, verschiedene
Anforderungen zu bewältigen. Unsere Versagensangst steigt in dem Ausmaß, als wir
uns geistig, motorisch-körperlich oder sozial überfordert fühlen und uns dabei
gleichzeitig von den anderen beurteilt und kritisiert erleben.
Versagensangst ist dann behandlungsbedürftig, wenn die Angst vor dem Scheitern
unser Wissen, unsere Denkfähigkeit, unsere Kompetenzen und Fertigkeiten so
blockiert, dass sie unseren schulischen, beruflichen und sozialen Alltag
erheblich beeinträchtigt.
Viele Menschen haben leichtere Versagensängste, soziale Ängste oder Bewertungsängste, in den Augen anderer zu versagen. Diese sind normal und angemessen. Unsere Ängste drücken aus, was uns wichtig ist: Erfolg und Anerkennung durch andere Menschen.
Je wichtiger uns etwas ist, umso mehr Angst haben wir, es zu verlieren. Um
unsere Versagensängste zu verstehen, sollten wir unsere eigenen Werte,
Einstellungen und Lebensziele bedenken.
Angst machend sind unsere Denkmuster. Je schwieriger oder bedrohlicher wir eine Situation einschätzen, umso mehr werden wir uns davor fürchten. Schon der griechische Philosoph Epiktet wusste: „Nicht die Dinge an sich sind es, die uns beunruhigen, sondern die Art und Weise, wie wir sie sehen.“
Es gibt viele Untersuchungen
darüber, wie Angst das Leistungsverhalten beeinflusst. Darin bestätigte sich,
dass Angst in Prüfungssituationen das Erbringen von Leistung fördern oder
erschweren kann.
Bei einem mittleren Ausmaß an Angst verstärken wir unsere Anstrengungen. Unsere Konzentration erhöht sich in Situationen, in denen wir etwas leisten. Ein dosiertes Angstausmaß steigert unsere Aufmerksamkeit, unsere Wachheit, die Bereitschaft, intellektuell und motorisch etwas zu bewerkstelligen.
Übermäßige Ängste hingegen beeinträchtigen unser Denken, wir können uns
schlechter konzentrieren. Das kann so weit gehen, dass wir durch Angst in
unseren Fähigkeiten total blockiert sind.
Der Zusammenhang zwischen Angst und Leistung entspricht einer Kurve. Zu wenig
Angst und Erregung macht sorglos, der Antrieb fehlt. Zu viel Angst und Erregung
lässt uns ungeschickt und gehemmt werden, wir fühlen uns gelähmt und geistig
blockiert. Ein mittleres Angstausmaß – die angemessene und optimale
Prüfungsangst – motiviert und aktiviert uns hingegen zu Höchstleistungen.
Ein gewisses Ausmaß von Angst bewahrt uns vor Routine. Mit ihr sind wir echt und natürlich. Angst motiviert uns dazu, immer wieder unser Bestes zu geben. Das Lampenfieber von Schauspielern und Sängern ist nichts anderes. Künstler fühlen sich nicht so lebendig und echt, wenn sie vor ihrem Auftritt nicht nervös sind.
Premierenkarten im Theater und in der Oper sind auch deswegen so begehrt, weil
die Darsteller ein Stück beim ersten Mal mit größerem Engagement und höherer
Anspannung spielen als bei der hundertsten Vorstellung. Routine ohne einen
Schuss Angst birgt für Darsteller und Publikum die Gefahr der Langeweile in
sich, weil der „Biss“ fehlt. Der Pianist Arthur Rubinstein meinte einmal, dass
er ohne ein bisschen Lampenfieber sich und seine Zuhörer langweilen würde.
Dem Komponisten Chopin zufolge wollen wir bei Lampenfieber mehr zeigen, als wir
tatsächlich können. In diesem Sinn ist es wichtig, dass Musiker, Schauspieler,
Sportler und alle anderen Darsteller zu ihrem Können stehen, wenngleich sie
stets nach Besserem und Höherem streben sollen. In Lampenfiebersituationen
müssen wir die richtige Balance finden zwischen dem, was wir darbieten möchten,
und dem, was wir tatsächlich vorweisen können.
Sigmund Freud unterschied zwischen gesunder Realangst und krankhafter,
neurotischer Angst. Neurotische Angst ist eine unangemessene, übertriebene
Angst, die keinem Zweck dient. Nicht die Angst an sich, sondern ihr Ausmaß und
die Folgen der Angst bestimmen, ob Angst beschützt und aktiviert – oder
schädlich und blockierend ist. Man kann daher zwischen konstruktiver und
destruktiver Angst unterscheiden.
Angst macht Karriere – wenn Angst Flügel verleiht
Lassen Sie sich von Angst antreiben? In konstruktiver Form können Versagensängste der Motor für unseren individuellen Erfolg sein. Angst motiviert uns in individuellen und gesellschaftlich bedrohlichen Situationen zum Handeln. Sie begünstigt den persönlichen Reifeprozess und den gesellschaftlichen Fortschritt. Angst ist nützlich und steigert unsere Leistungen, wenn sie uns hilft, effizient zu handeln.
Wir beherrschen unsere Angst,
wenn wir sie als antriebssteigernde und schützende Energie zu unserem Vorteil
einsetzen.
Angst treibt uns an, kreative Lösungen zu entwickeln. Sie beflügelt unseren
Körper, ungeahnte Leistungen zu erbringen und unendliche Energien für
Spitzenleistungen bereitzustellen. Wir sind zu mehr Anstrengung in der
Ausbildung und im Beruf bereit, weil wir uns vor Beurteilung und deren Folgen
fürchten.
Viele bekannte Persönlichkeiten (Musiker, Dichter, Sänger, Schauspieler, Sportler, Politiker, Wirtschaftstreibende, Forscher) waren getrieben von der Angst, nicht gut genug zu sein bzw. nicht besser zu sein als die anderen.
Aus Angst davor, nicht geliebt zu werden, aus Angst vor Kritik, Versagen oder Mittelmäßigkeit steigerten sie ihre Leistungsfähigkeit durch intensives Training oder überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz.
Wirtschaftstreibende und Politiker vergrößern unter enormen Anstrengungen ihren
wirtschaftlichen Gewinn und ihren politischen Machtbereich, weil sie Angst
haben, nicht genug Geld, Vermögen und Macht zu haben und deshalb in der
Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Unsere Motivation ist, besser zu sein als andere. Wir wollen im sozialen Vergleich günstiger abschneiden. Wir möchten uns aufgrund von Karriere, Geld, Sozialstatus, Lebensstil und Wissen von anderen abheben.
Wir haben Angst, nicht dieselben schulischen Leistungen, beruflichen Ziele und
Einkommensverhältnisse wie andere erreichen zu können. Die Angst, schlechter
dazustehen als unsere Mitmenschen, mobilisiert uns zu Spitzenleistungen.
Fazit: Viele Menschen mit Versagensängsten haben ein hohes Bedürfnis nach
Perfektion, das sie zur Höchstform auflaufen lässt. Damit erreichen sie
einmalige Leistungen, die von allen bewundert werden.
Psychologen führen vier Gründe an, warum ängstliche Menschen oft schneller
Karriere machen als andere:
Sie sind sehr selbstkritisch, loben
sich selbst selten, versuchen ständig, einen Fehler zu finden und ihn zu
beheben.
Sie sind nie zufrieden mit dem, was
sie erreicht haben, sie wollen ständig etwas verbessern, immer etwas mehr
durchsetzen und ruhen sich nie auf ihren Lorbeeren aus.
Sie sind nicht in der Lage, passiv
eine Situation zu verfolgen, sie suchen vielmehr ständig den richtigen
Moment, um einzugreifen.
Sie brauchen chaotische Umstände und
nutzen Chaos wie eine Ressource; unüberschaubare Umstände behindern sie
nicht, sondern spornen sie an.
Versagen und Selbstabwertung – wenn Angst lähmt
Bewegen Sie sich in einem Teufelskreis aus Angst und Versagen? Versagensängste können so destruktiv werden, dass sie lähmend wirken. Destruktive Versagensängste verursachen genau das, wovor sich die Betroffenen fürchten: das Versagen bei einer wichtigen Aufgabenstellung.
Leistungs- und Versagensängste sind dann zerstörerisch, wenn sie unbegründet, zu stark ausgeprägt sind und zu lange andauern. Betroffene sehen sich außerstande, diese Ängste zu bewältigen. Sie erwarten ständig zu versagen und möchten am liebsten jede Herausforderung vermeiden. Destruktive Versagensängste verursachen großes Leiden und vermindern die Lebensqualität.
Menschen mit destruktiven
Versagensängsten schaffen oft tatsächlich ihre schulischen, beruflichen oder
sozialen Aufgaben nicht – und haben dann erst recht wieder einen Grund für ihre
Angst zu versagen.
Schlimm sind oft nicht Fehler und Misserfolge an sich, sondern die Einstellung
dazu: Wenn wir einen Fehler als schweres Versagen werten anstatt als Chance,
daraus etwas zu lernen.
Denken Sie an das Problem oder an dessen Lösung? Erfolgsorientierte und erfolgreiche Menschen lernen aus ihren Fehlern, bei Problemen denken sie an Lösungsmöglichkeiten.
Auf Misserfolg orientierte und oft erfolglose Personen werten Erlebnisse, bei denen sie versagt haben, als Beweise für ihre Unfähigkeit. Sie machen sich ständig Selbstvorwürfe, nehmen sich die Vorwürfe anderer zu Herzen. Sie beschäftigen sich angesichts von Schwierigkeiten vor allem mit den Folgen des erwarteten Versagens.
Während Erfolgsorientierte ihre Fehler schnell vergessen, beschäftigen sich
Misserfolgsorientierte ständig auf destruktive Weise mit ihren Fehlern. Kurz
gesagt: Erfolgsorientierte suchen nach einer Lösung, Misserfolgsorientierte
denken an das Problem und ihr Versagen dabei.
Versagensängste setzen eine Negativspirale in Gang, aus der ein Entrinnen oft
nur schwer möglich ist. Anfängliche Fehler verstärken die Angst zu versagen. Die
Betroffenen strengen sich in der Folge noch mehr an, überfordern sich, machen
weitere Fehler und sehen sich als Versager bestätigt. Die eigene Prophezeiung
erfüllt sich: Jede neue Aufgabenstellung macht die eigene Unfähigkeit für alle
sichtbar. Die Angst zu versagen begleitet die Betroffenen wie ihr eigener
Schatten.
Gehen Sie zu selbstkritisch mit sich um? Versagensängstliche Menschen
kritisieren sich selbst am schärfsten. Sie engen ihr ganzes Denken, Gefühlsleben
und Verhalten zunehmend auf ihre Angst zu scheitern ein. Sie werden hektisch,
manchmal aggressiv und vermeiden notwendige Aktivitäten. Sie verlieren die
Lebensfreude, können nicht mehr schlafen, bekommen psychosomatische Beschwerden
und neigen zu Alkohol- und Medikamentenmissbrauch.
Ängste, bei Präsentationen oder Vorträgen zu versagen, können auch fachlich
versierte, beruflich erfolgreiche und höher gestellte Personen belasten.
Dahinter steckt entweder die reale Angst, bei schlechter Darbietung tatsächlich
Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, oder ein übertriebener Ehrgeiz: Diese
Menschen haben Angst, nie gut genug zu sein, die anderen zu enttäuschen, sie
wollen jede Kritik vermeiden.
Man kann drei Arten von destruktiven Versagensängsten unterscheiden, die sich im
Einzelfall gewöhnlich überschneiden:
Kognitive Versagensängste.
Die Betroffenen leiden unter der Angst, in Leistungssituationen geistig und
fachlich zu scheitern, weil sie an ihren kognitiven Fähigkeiten und dem
Umfang ihres Wissens zweifeln. Diese Form von Ängsten tritt typischerweise
in Prüfungssituationen auf, wo Prüfungskandidaten Faktenwissen und
intellektuelle Fähigkeiten demonstrieren sollen, etwa schlussfolgerndes
Denken und Erkennen von logischen Zusammenhängen. Je bedrohlicher Prüflinge
ein eventuelles Scheitern subjektiv empfinden, umso stärker tritt die
Versagensangst zutage.
Motorische Versagensängste.
Diese Form der Angst tritt bei Tätigkeiten und Verhaltensweisen auf, wo
praktische Fertigkeiten gefordert werden, die man nicht zu haben glaubt. In
der Schule handelt es sich dabei vor allem um Ängste im Sport-, Zeichen-
oder Werkunterricht, im späteren Leben zeigen sich derartige Ängste bei der
praktischen Führerscheinprüfung, bei handwerklichen Leistungen im
Arbeitsleben oder bei bestimmten Berufsgruppen wie Musikern oder
Spitzensportlern in aktuellen Leistungssituationen.
Soziale Versagensängste.
Menschen mit sozialen Ängsten fühlen sich unsicher im Umgang mit anderen.
Ihre Unsicherheit belastet sie, sie sind ständig ängstlich darum besorgt,
bei anderen gut anzukommen und ja nicht lächerlich zu wirken. Ihr oberstes
Ziel besteht in sozialer Anerkennung. Jegliche Kritik wollen sie unbedingt
vermeiden. Auch wenn sie sich der eigenen Leistungsfähigkeit sicher sind,
können sie unter der Angst leiden, den Ansprüchen der anderen nicht zu
genügen und deshalb abgelehnt zu werden.
Betroffene erleben Versagensängste und reales Versagen umso negativer, je mehr bereits in früherer Zeit der Selbstwert und die soziale Anerkennung ausschließlich auf der persönlichen Leistungsfähigkeit beruht haben.
Die Angst zu versagen kann Körper, Geist und Seele so überaktivieren, dass die
maximal mögliche Leistungsfähigkeit nicht verfügbar ist. Tatsächliches
Leistungsversagen und weitere Versagensängste sind die Folge. Die Zuversicht in
die eigene Handlungseffizienz ist stark beeinträchtigt.
Lebensbehindernde Angst – wenn Angst die Seele krank macht
Die drei häufigsten psychischen Störungen (Depressionen, Angststörungen,
Alkoholprobleme) sowie einige andere psychische Erkrankungen haben oft eine
gemeinsame Grundlage: das Gefühl, die Überzeugung oder die Erfahrung zu
versagen, versagt zu haben und immer wieder zu versagen:
Menschen mit Depressionen verarbeiten
ihre vermeintlichen oder realen Schwächen auf krankhafte Weise. Sie
entwickeln permanente Versagensängste, zukünftig überhaupt nichts mehr zu
schaffen. Fast jeder Fünfte leidet im Laufe seines Lebens an einer
Depression, die meist mit Versagensängsten einhergeht. Nach den Vorhersagen
der Weltgesundheitsorganisation werden im Jahr 2020 depressive Störungen
nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit als zweithäufigste Ursache für
frühzeitige Arbeitsunfähigkeit gelten. Dies hängt sicherlich mit den
zunehmenden Leistungsanforderungen in unserer Gesellschaft zusammen.
Menschen mit Alkoholproblemen
versuchen, den Stress unserer Leistungsgesellschaft mit ihrer Droge besser
zu bewältigen und jede Schwäche und Selbstunsicherheit zu überspielen – bis
dadurch erst recht Leistungsprobleme auftreten. Mindestens jeder zehnte
Bürger entwickelt im Laufe seines Lebens ein Alkoholproblem, das
Versagensängste verstärkt statt abbaut – aufgrund der Folgen des chronischen
Alkoholkonsums steigt die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu machen und erst
recht zu versagen.
Menschen mit Angststörungen entwickeln und verschärfen ihre Symptome auf dem Boden einer gesellschaftlich bedingten und persönlich geprägten übermäßigen Leistungserwartung, wo Schwächen und vorübergehender Kontrollverlust keinen Platz haben. Alles im Griff zu haben gilt als oberstes Ziel. Wenn dies nicht gelingt, werden die Betroffenen von Panik überflutet. Sie entwickeln eine Panikstörung oder eine generalisierte Angststörung. Personen mit Sozialphobie betrachten ihre Versagensängste aus der Perspektive der sozialen Umwelt: Die Mitmenschen würden einen wegen vermeintlicher Schwächen kritisieren oder ablehnen. Je nach Studie und Land leidet jeder siebente bis vierte Durchschnittsbürger (15 bis 25 %) irgendwann in seinem Leben unter krankheitswertigen Ängsten. Aktuell weist fast jeder zehnte Deutsche (9 %) behandlungsbedürftige Ängste auf.
Menschen mit Zwangsstörungen und
zwanghaftem Perfektionismus glauben, sie müssten keine Versagensängste
haben, wenn alles perfekt wäre. Da es aber keine Garantie auf Perfektion
gibt, verstärkt dies den Teufelskreis der Zwanghaftigkeit. Rund 2,5 % der
Bevölkerung leiden im Laufe ihres Lebens unter einer Zwangsstörung, der ein
Kampf gegen mögliches Versagen zugrunde liegt.
Menschen mit psychosomatischen
Störungen leiden häufig unter der Befürchtung, in unserer
Leistungsgesellschaft körperlich und geistig-seelisch nicht (mehr) mithalten
zu können. Entsprechende Schwierigkeiten drücken sich in ihren Symptomen und
Beschwerden aus.
Menschen mit sexuellen
Funktionsstörungen haben ihre Befürchtung zu versagen aus einigen
deprimierenden Erfahrungen entwickelt. Bei Männern mit Potenzproblemen
bewirkt die Erwartung sexuellen Misserfolgs eine regelrechte Leistungsangst,
die eine spontane Erektion erst recht verhindert. Eine derartige
Verunsicherung in der männlichen Geschlechtsrolle setzt Vermeidungsverhalten
in Gang. Zahlreiche Frauen spielen dem Partner einen Orgasmus vor, um ihr
vermeintliches Versagen zu vertuschen. Sexualität wird somit auch bei Frauen
zunehmend auf Funktionieren oder Versagen reduziert.
Bei beruflich erfolgreichen Menschen mit Angststörungen verlaufen die Symptome häufig nach dem Muster: Sozialphobie – Panikattacken – Erschöpfungsdepression. Der Behandlungsanlass sind oft Panikattacken. Wenn die Betroffenen ein solches Zeichen für eine Überlastungsreaktion ignorieren, kann sich eine Erschöpfungsdepression entwickeln.
Häufig bildet eine Sozialphobie
den Hintergrund der Überlastungsreaktion: Die Betroffenen möchten alles
erstklassig machen, aus dem Bedürfnis heraus, durch Leistung anerkannt und im
eigenen Selbstwertgefühl bestätigt zu werden. Dies führt zu Überforderung und
verstärkt durch die überhöhten Ansprüche an sich selbst jenen Stress, der durch
die schulischen, beruflichen und familiären Umstände ohnehin gegeben ist.
Versagensängste
erfassen den ganzen Menschen
„Wer sich vor seinen Ängsten fürchtet, ist ihnen bereits hilflos ausgeliefert.“
Ernst Ferstl
Von normalem Lampenfieber bis hin zu krankhaften Versagensängsten gibt es unterschiedliche Formen, wie Menschen mit Leistungsanforderungen in Ausbildung, Beruf und Sozialbeziehungen umgehen.
Das Bild von Leistungs- und Versagensängsten kann von Person zu Person verschieden ausgeprägt sein, die erfolgreiche Bewältigung von Ängsten erfordert im Einzelfall die Berücksichtigung aller relevanten Aspekte.
Psychologen unterscheiden zwei Komponenten von Prüfungs- und Versagensängsten: Erregung, soweit es die körperlichen und emotionalen Aspekte betrifft, und Besorgtheit, soweit es die gedanklichen Aspekte betrifft.
Die Besorgtheit angesichts von subjektiv schwierigen Leistungssituationen ist das Hauptproblem. Die körperlichen Erregungssymptome entwickeln sich erst durch die Angst im Kopf.
Die Erregung verstärkt die Befürchtung zu versagen – ein Teufelskreis. Wenn die körperliche Erregung subjektiv zum Hauptproblem wird, beruht dies gewöhnlich auf dem unangenehmen Gefühl von dauernder körperlicher Anspannung.
Dagegen erhöht eine kurzzeitige Erregung die Aufmerksamkeit nutzbringend, sie
löst etwa bei einem Krimi sogar eine regelrechte Angstlust aus.
Leistungs- und Versagensängste
betreffen uns in unserer ganzen Persönlichkeit; sie prägen uns in vierfacher
Form auf der Ebene der Gedanken, Gefühle, körperlichen Befindlichkeit und
sichtbaren Verhaltensweisen.
Gedanken und Vorstellungen
Wenn wir uns vor dem eigenen
Versagen fürchten, hegen wir eine Fülle negativer Gedanken. Die „Klassiker“:
Wir zweifeln an unserer Kompetenz und
unseren Fähigkeiten, das Geforderte zu leisten („Das schaffe ich bestimmt
nicht“).
Wir machen uns ständig selbst herunter
(„Ich bin zu blöd zu allem“).
Wir erwarten, von anderen abgelehnt zu
werden („Niemand wird einen Versager wie mich mögen“).
Wir befürchten nachteilige Folgen,
sollten wir tatsächlich versagen („Dann muss ich die Ausbildung vorzeitig
beenden“).
Unsere Gedanken sind oft die Ursache für unsere Gefühle, Verhaltensweisen und körperlichen Reaktionsmuster. In sozialen Situationen machen uns in erster Linie nicht die unangenehmen Körpersymptome Angst, sondern wie wir diese bewerten.
Wir empfinden sie als Ausdruck
von sichtbarer Schwäche, großer Unsicherheit und peinlicher Betroffenheit. Wir
wollen solche inneren Zustände um keinen Preis vor anderen zugeben, sie müssen
unbedingt verborgen bleiben – denn wer will schon als nervenschwach dastehen?
Wir beurteilen uns oft vor, während und nach gefürchteten Situationen in negativer Weise und machen uns selbst damit Angst. Wir fürchten, was wir für bedrohlich halten. Bildhaft steht uns vor Augen, was wir alles falsch machen können und was dann passieren würde: „Was wäre, wenn...“ – ich diese Prüfung nicht schaffe, usw. Wenn wir uns furchtsam ein erwartetes Scheitern bildlich vorstellen, wirkt sich das verheerend auf unsere Leistungsfähigkeit aus.
Wenn wir ständig unser Versagen vor Augen haben, glauben wir immer weniger daran, eine bevorstehende Prüfung oder berufliche Aufgabe bewältigen zu können.
Ausufernde Katastrophenfantasien lenken uns von der konkreten Aufgabenstellung
dermaßen ab, dass unsere Aufmerksamkeit und Konzentration darunter leiden.
Unsere Gedächtnisleistungen und Denkfähigkeit nehmen tatsächlich ab.
Gefühle
Wir reagieren auf bevorstehende Aufgaben mit einer Bandbreite an starken Gefühlen. Wir erleben Angst, Panik, Unsicherheit, Scham, Unlust, Ärger, Wut, Reizbarkeit, Aggressivität, Stimmungsschwankungen, Weinen, Niedergeschlagenheit – aber auch Freude darüber, bald zeigen zu können, was in uns steckt.
Wir fühlen uns beklemmt, verlegen, minderwertig, mutlos, hilflos, gehetzt. Wir verstecken unsere Unsicherheit häufig hinter einer Maske aus Aggression. Wir ärgern uns, wenn wir etwas falsch gemacht haben, weil wir befürchten, die anderen Menschen könnten uns dann nicht mehr mögen.
Manchmal möchten wir vor Scham
über unsere Fehler am liebsten im Boden versinken. Vorfreude kommt dann auf,
wenn wir uns einer Sache gewachsen fühlen. Positive Gefühle wie Freude an einer
Tätigkeit erleichtern uns die Arbeit, negative Gefühle wie Angst oder Unlust
vermindern unseren Leistungseinsatz.
Körperliche Befindlichkeit
Unser Körper spiegelt wider, was wir denken und fühlen. Wir fürchten uns häufig weniger vor den körperlichen Reaktionen an sich, wie Rotwerden, Schwitzen oder Zittern. Vielmehr erleben wir diese Symptome als peinlich und beschämend, weil wir damit vor anderen Menschen als „Nervenbündel“ dastehen könnten.
Die körperlichen Beschwerden bei Leistungsängsten bestehen aus einer Fülle von sichtbaren und unsichtbaren Symptomen aus den Organbereichen Herz-Kreislauf, Atmung, Magen-Darm, Blase, Genitalregion, Haut und Muskelsystem.
Typisch sind vor allem: Erröten, Blässe, Schwitzen, Händezittern, Übelkeit,
Brechreiz, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Heißhungerattacken, flaues Gefühl im
Magen oder „Schmetterlinge im Bauch“, Blähungen, Aufstoßen, Bauchschmerzen,
nervöser Durchfall, Harndrang, Herzklopfen oder Herzrasen, unregelmäßiger
Herzschlag, Blutdruckveränderungen, erhöhte Temperatur, Fieber, Schüttelfrost,
kalte Hände, Schwächeanfall, rasche und flache Atmung, Atemnot, Druck- und
Engegefühl im Brustraum, Beklemmungsgefühl, Engegefühl im Hals, Mundtrockenheit,
Schluckbeschwerden, Kloß im Hals, Kopfschmerzen, Schwindel, muskuläre
Anspannung, Nackenverspannung, körperliche Erstarrung, weiche Knie, Müdigkeit,
Augenlidzittern, kribbelndes Gefühl auf der Haut oder in den Fingern,
Hautausschläge, Ein- und Durchschlafstörungen, Ohrensausen, Sehstörungen.
Sichtbares Verhalten
Angst und Nervosität können wir an einer Reihe verbaler und nonverbaler Verhaltensweisen erkennen. Auf Angst deutet hin, wenn wir zu viel reden, zu schnell oder unzusammenhängend, wenn wir ein Wort nicht finden oder beim Sprechen blockiert sind. Wir sprechen nicht flüssig, stottern, machen Pausen, wo sie nicht hingehören. Unsere Stimme wird monoton, zittrig, zu hoch oder zu leise.
Wir leiden unter Kurzatmigkeit, sichtbarer Unruhe und Fahrigkeit. Wir müssen uns häufig räuspern oder lachen unnatürlich. Der Blickkontakt fehlt. Wir kritzeln nervös oder spielen mit Gegenständen.
Die Körperhaltung verkrampft
sich, unsere Gesten wirken gehemmt und wenig ausgeprägt. Unsere Bewegungen sind
hektisch, wir gehen planlos auf und ab oder laufen davon.
Hektisches oder wie gelähmtes Verhalten hinterlässt bei anderen Menschen den
Eindruck starker Unsicherheit. Sozial ängstliche und schüchterne Menschen wirken
auf andere oft überheblich und arrogant. Tatsächlich weichen sie ihren
Mitmenschen aus, weil sie sich im Umgang mit anderen unsicher fühlen.
Wenn Menschen Angst haben zu versagen, können sie wegen ihrer inneren Unruhe häufig nicht einschlafen oder wachen immer wieder auf. Sie versuchen angstbedingte Anspannungen oft durch Beruhigungsmittel, Alkohol oder übermäßiges Essen loszuwerden. Sie flüchten sich in unwichtige Routinehandlungen, um sich abzulenken. Indem sie fällige Prüfungen aufschieben, versuchen sie sich vorübergehend zu entspannen und Unlust zu vermeiden.
Unterschiedliche Bewältigungsstrategien
Versagensängstliche Menschen
leiden unterschiedlich unter den gedanklichen, emotionalen, körperlichen und
verhaltensbezogenen Aspekten ihrer Angst. Bei den meisten stehen Gedanken an
Versagen, Schwäche, Unfähigkeit und soziale Ablehnung im Vordergrund. Nicht
wenige sind durch ihre körperlichen Symptome irritiert. Viele kommen eher mit
ihren Gefühlen wie ängstlicher Besorgtheit, Stimmungsschwankungen und großer
Unsicherheit nicht zurecht. Andere wiederum können ihr Verhalten nicht
kontrollieren und neigen zu Flucht und Vermeidung.
Es gibt Hoffnung: Sie können den Teufelskreis der Angst im Allgemeinen und der Versagensangst im Besonderen auf jeder der vier Ebenen unterbrechen
Ändern Sie Ihre Denkmuster! Reduzieren
Sie Ihre überhöhten Ansprüche. Erkennen Sie Angstsymptome als unangenehm,
aber ungefährlich.
Ändern Sie Ihr Verhalten! Harren Sie
in einer Angstsituation aus, statt zu flüchten.
Gehen Sie mit Ihren Gefühlen anders
um! Lassen Sie Ihre Versagensängste bewusst zu, statt sie zu unterdrücken.
Bewältigen Sie körperliche Beschwerden
in wirkungsvoller Weise.
Wenn Sie in einem der vier
Bereiche mit Ihrer Angst besser und konstruktiver umgehen können, ergeben sich
oft auch positive Veränderungen auf den anderen drei Ebenen – entweder spontan
oder durch Ihr fortgesetztes Bemühen.
Biologie der Angst – der Körper steckt den Rahmen ab
Wenn wir Angst haben, reagieren wir auf vier Arten, die sich im Rahmen der
Evolution entwickelt und bewährt haben:
Fluchtreaktion („Nichts wie weg“),
Kampfreaktion („Greife den Gegner an
und besiege ihn“),
Unterwerfung: Niederlage eingestehen,
Ergebenheit („Ducken, ruhig bleiben und den Mund halten“),
Bewegungsstarre bzw. Totstellreflex
(„Auf der Stelle starr werden, sich nicht bewegen“ – oder plötzlich in
Ohnmacht fallen, um nichts mitzubekommen, was rundherum passiert).
Diese biologisch sinnvollen Programme laufen nicht bei allen Menschen gleich und auch nicht unveränderlich ab. Wir können sie durch Verstand, Willen und Training bis zu einem gewissen Grad beeinflussen.
Genau dies macht das Menschliche der Angst aus: Wir werden in Gefahrensituationen durch biologische Programme weitgehend ohne unser Bewusstsein gesteuert.
Wir können jedoch durch Erfahrung und Lernen in unsere ererbten Verhaltensmuster eingreifen.
Wenn wir Angst bekommen, alarmiert unser Gehirn den ganzen Körper, um ihn auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. Geistig bewerten wir eine bestimmte Situation in der Gehirnrinde als gefährlich.
Das so genannte limbische System, namentlich der Mandelkern, stuft die Situation emotional als bedrohlich ein. Der Hypothalamus als oberstes hormonelles Steuerungssystem veranlasst daraufhin die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), den Botenstoff ACTH (adrenokortikotropes Hormon) in die Blutbahn abzugeben.
In Reaktion darauf werden in der Nebenniere das Kurzstresshormon Adrenalin und das Dauerstresshormon Kortisol freigesetzt. Im Hirnstamm wird Noradrenalin ausgeschüttet, das vor allem Herz und Kreislauf alarmiert. Unser Körper reagiert auf Angst und Panik mit erhöhtem Herzschlag und Blutdruck.
Es wird vermehrt Blut in die Muskeln gepumpt, die Muskeln spannen sich an, die Atmung beschleunigt sich, während gleichzeitig oft ein flaues Gefühl im Magen und ein lästiger Harn- oder Stuhldrang auftreten.
In dieser biologischen Notfallreaktion mobilisiert unser Körper alle Kräfte, um unser Leben zu sichern. Dermaßen alarmiert, fühlen wir uns in Leistungs- und Präsentationssituationen so angespannt wie in einem echten Überlebenskampf.
Wenn wir uns auf eine Prüfung vorbereiten, ist die körperliche Aktivierung – im Gegensatz zur Einstimmung auf einen Wettkampf – viel zu stark. Um geistige Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, benötigen wir nicht Muskelkraft, sondern Denkfähigkeit und Gedächtnisleistung.
Weniger bekannt ist, dass bei großem körperlichen und psychischen Stress auch das Stresshormon Beta-Endorphin im Gehirn ausgeschüttet wird. Beta-Endorphine lassen uns in Momenten erhöhter Gefahr ruhiger und gelassen werden, zudem spüren wir weniger Schmerzen.
Aus Angst vermeiden wir häufig Situationen, weil wir aus der körperlichen Erregung fälschlicherweise schließen, tatsächlich bedroht zu sein. Vermeidung führt jedoch zu nichts, da es aus lauter Angst nie zu positiven Erfahrungen kommt.
Unser Körper hat keine Chance, sich an die Angst machende Situation zu gewöhnen. Weil wir keine Fluchtmöglichkeit sehen, verharren wir in Leistungssituationen in einer unangenehmen Daueranspannung. Und das blockiert uns dann tatsächlich für konkrete Aufgaben.
Die Überaktivierung des Körpers bei Leistungsanforderungen wirkt für viele Menschen sehr belastend. Beta-Blocker, also Herz-Kreislaufmittel, sind im Spitzensport als Dopingmittel verboten, obwohl sie keine direkte Leistungssteigerung bewirken. Sie stellen jedoch eine unfaire Erleichterung im Umgang mit der hochgradigen Nervosität vor dem Wettbewerb dar.
Menschen reagieren auf chronische Angst- und Stresszustände mit jenen
Organbereichen am stärksten, wo sie aufgrund ihres Allgemeinzustands am
schwächsten sind. Fachleute unterscheiden drei Typen:
den Herz-Kreislauftyp mit
Herz-Kreislauf- und Atembeschwerden, Blutdruckschwankungen,
Schweißausbrüchen oder Schüttelfrost,
den Magen-Darm-Typ mit
Magenbeschwerden, Übelkeit, Brechreiz, Blähungen oder Durchfall,
den diffusen Erregungstyp mit innerer
Unruhe, allgemeiner Anspannung, zittrigen, weichen Knien, Zittern am ganzen
Körper, Hektik oder Schlafstörung.
Die Macht der Vorstellung – der Geist entwickelt ein Bedrohungsbild
Bildhafte Gedanken sind nicht Schall und Rauch, sondern starke Kräfte, die vieles zum Guten oder Schlechten bewegen können. Wie stark Vorstellungen die Realität miterzeugen, zeigen sich selbst erfüllende Prophezeiungen oder der Placebo-Effekt von eigentlich nicht wirksamen Medikamenten.
Angstpatienten hören oft: „Das bildest du dir alles nur ein“. Eine gute Vorstellungskraft wirkt sich bei Angstinhalten negativ aus. Als Begabung für künstlerisch-kreative Tätigkeiten ist sie jedoch unbedingt erforderlich.
Die Lektüre eines Romans wird ohne gute Vorstellungsfähigkeit bald anstrengend und langweilig. Wir fühlen uns unwohl in Leistungssituationen, weil wir uns mit Fantasie das schlechteste Ergebnis ausmalen.
Die Macht der Fantasie ist zugleich die Basis, um Leistungsängste erfolgreich bewältigen zu können.
Unsere Bewertungs- und Versagensängste sind umso ausgeprägter, je bildhafter wir uns unser mögliches Versagen vorstellen und je blassere Bilder wir vom Erfolg haben. Unser Gehirn kann in bestimmten Situationen nicht unterscheiden, ob wir uns ein negatives Ergebnis „einbilden“ oder tatsächlich erleben.
Unser Körper reagiert auf bedrohliche innere und äußere Wahrnehmungen in
gleicher Weise mit hochgradiger Aktivierung von Herzschlag, Blutdruck, Atmung,
Muskelanspannung und Stoffwechsel.
Der Carpenter-Effekt
Das Phänomen der so genannten Ideomotorik, des Zusammenhangs eines gedanklichen Bildes und einer körperlichen Bewegung, ist als Carpenter-Effekt bekannt. Der englische Arzt Carpenter beschrieb diesen Mechanismus 1874 erstmals. Ihm zufolge löst die Vorstellung einer Bewegung (z.B. einer angstbedingten Kampf- oder Fluchtbewegung) die Tendenz zu ihrer Realisierung aus.
Die Wahrnehmung oder Vorstellung einer Bewegung führt zu einer minimalen Mitbewegung des relevanten Körperteils. Die Tendenz, eine solche Bewegung tatsächlich auszuführen, ist umso größer, je intensiver und anschaulicher die jeweiligen Gedankenbilder sind.
Der französische Apotheker Coué
formulierte Ende des 19. Jahrhunderts das Gesetz der Gedankenverwirklichung,
wonach jeder Gedanke so weit als möglich seine Verwirklichung anstrebt.
Der amerikanische Physiologe Jacobson wies 1929 nach, dass die Vorstellung, an einem Marathonlauf teilzunehmen, zu einer minimalen Aktivierung der entsprechenden motorischen Nerven führt, was mit einer leichten Stimulierung der Beinmuskulatur einhergeht.
Der durch eine konkrete Vorstellung ausgelöste ideomotorische Prozess aktiviert
nicht nur die Willkürmuskulatur, sondern erhöht auch die Herzschlagfrequenz und
den Blutdruck, verstärkt die Schweißabsonderung, steigert die Ausschüttung von
Endorphinen und andere Vorgänge.
Wenn wir uns eine bestimmte Bewegung vorstellen, spricht dies vor allem die rechte Gehirnhälfte an. Die Bilder im Kopf führen über das limbische System (das Zentrum der Gefühle) und das motorische Rindenfeld zu Handlungsimpulsen und minimaler Anspannung der Muskulatur.
Geräte zur Messung der Muskelspannung können die bei der Wahrnehmung oder Vorstellung einer Bewegung entstehenden Bewegungsimpulse nachweisen. Der Gasstoffwechsel ist stärker, Atmung und Herzschlag sind beschleunigt, der Blutdruck erhöht, die peripheren Nerven stärker erregt.
Durch die innere Mitbewegung kommt es im Zentralnervensystem zur Ausbildung von
Spuren, die koordinierte Verhaltensmuster beschleunigen.
Messungen im Sport haben ergeben, dass 800 Millisekunden vor einer Reaktion der Muskulatur das Gehirn die Bewegungen des Körpers vorwegnimmt. Die Bewegung ist im Gehirn bereits vollzogen, bevor der Körper reagiert.
Elektrische Impulse bewirken eine Aufladung der Muskeln über das zentrale
Nervensystem, in dem die Bilder gespeichert sind. Ein systematisch
durchgeführtes Vorstellungstraining aktiviert die gleichen nervlichen und
muskulären Prozesse wie beim physischen Training im Sport.
Das Prinzip der Ideomotorik ist die Basis vieler Hypnosephänomene und des
mentalen Trainings im Sport. Die praktische Bedeutung des Carpenter-Effekts
zeigt sich beim Training von Spitzensportlern ebenso wie in der Rehabilitation
nach körperlichen Verletzungen. Ohne tatsächlich zu Bewegung in der Lage zu
sein, können wir Muskelpartien mental gezielt aktivieren.
Durch den Spitzensport ist mentales Training einem breiten Bevölkerungskreis
bekannt geworden und der Glaube an dessen psychologische Wirksamkeit gestiegen.
Menschen mit Ängsten können lernen, sich wie Spitzensportler auf gefürchtete
Situationen vorzubereiten.
Studien haben gezeigt, dass Angstpatienten eine höhere Hypnotisierbarkeit bzw. Suggestibilität haben als die Durchschnittsbevölkerung. Sehr fantasievolle Menschen denken intensiver über Ereignisse nach und werden deshalb eher angstkrank als andere.
Wenn wir nach dem Carpenter-Effekt auf Vorstellungen körperlich reagieren, wird auch verständlich, warum die Inhalte unserer Angst uns körperlich belasten. Möchten wir aus Angst vor einer bestimmten Situation am liebsten davonlaufen, wird unser Körper aktiviert.
Können wir jedoch aus einer Sitzung oder einem Zugabteil nicht wirklich
flüchten, entsteht eine unangenehme Muskelverspannung, die wir mangels Bewegung
nicht abreagieren können.
Leistungsblockaden durch Angst – das sprichwörtliche „Brett vor dem Hirn“
In Maßen verbessert Angst unsere Aufmerksamkeit und Denkfähigkeit. Bei übermäßiger Angst können wir uns jedoch schlechter konzentrieren, wir merken uns weniger und können geistig weniger leisten. Es kommt zum sprichwörtlichen „Brett vor dem Hirn“, zu Leere im Kopf, plötzlichem Black-out, Verlust des Fadens während des Redens, wenn Angst unseren Körper übermäßig aktiviert.
So können wir in neuen Situationen Probleme schlechter lösen, wir erinnern uns nur schwer oder gar nicht an sicher gespeichertes Wissen. Solche Leistungsblockaden lassen sich von der Art des Denkens, Fühlens und körperlichen Befindens her erklären:
Gedanklich drehen wir uns bei
Leistungsangst im Kreis unserer negativen und abschreckenden Bilder von
bestimmten Situationen. So lenken wir uns ungewollt von der momentanen
Aufgabe ab. Wir sind weniger aufmerksam und können uns nur schwer
konzentrieren. Plötzlich fühlen wir uns unfähig, klar zu denken. Wir erleben
ein gedankliches Black-out, in unserem Kopf herrscht scheinbare Leere. Wir
haben Mühe, die richtigen Worte zu finden. Wir gewinnen den Eindruck, uns
nichts merken zu können. Manchmal haben wir das Gefühl, neben uns zu stehen;
wir fühlen uns verwirrt, wie in Trance, und können Probleme haben, einen
einfachen Text zu lesen. Wir fürchten sich vor Misserfolg, statt auf Erfolg
zu hoffen. Wir halten uns durch negative Gedanken wie „Ich bin der geborene
Verlierer“, „Ich mache bestimmt einen Fehler“ oder „Mich mag ohnehin keiner“
in einer Angstspirale gefangen. Wir dramatisieren mögliches Scheitern und
sind dauernd körperlich und seelisch angespannt.
Bei Versagensangst entwickeln wir oft ausgesprochen starke Gefühlszustände. Unsere Gefühle überaktivieren unseren Körper, sodass wir ständig unter Druck stehen. So können wir die erwartete Leistung erst recht nicht erbringen, weil wir durch unsere Anspannung kaum klar denken können.
In Angstsituationen beobachten wir
liebend gern unsere körperlichen Symptome. Auch damit schränken wir unsere
Konzentration auf anstehende Aufgaben ein. Wir befurchten, dass andere
Menschen unseren körperlichen Erregungszustand erkennen; wir erleben uns wie
gläserne Menschen. Das wollen wir mit aller Macht verhindern: als „psychisch
angeschlagen“ gelten. Die körperlichen Merkmale unserer Angst dürfen auf
keinen Fall offenkundig werden.
Die Auffassung „Worunter ich leide, können andere sehen“ ist jedoch
unzutreffend. Eine solche Denkweise verstärkt unsere Angst aufzufallen – wir
meiden gefürchtete Situationen dann umso mehr.
Wir beschäftigen uns in Angst
einflössenden Leistungssituationen zu stark mit den möglichen Gedanken und
Reaktionen unserer Beobachter. Das wirkt sich erneut störend auf unsere
Konzentration aus, aber auch auf den Kontakt mit anderen Menschen. Wir gehen
von Anfang an in die Defensive und versuchen so, das Schlimmste zu vermeiden
– statt auf den Erfolg hinzuarbeiten. Wir fragen uns ständig: „Bin ich gut
genug? Was denken die Zuhörer über meine Worte und mein Verhalten? Was
halten die Zuseher von mir, wenn ich zittere, schwitze und rot werde?“ Wir
bemühen uns mit aller Kraft, diese uns peinlichen Körperreaktionen zu
unterdrücken, um keinen schlechten Eindruck zu machen. Durch die darauf
verschwendete Energie werden wir noch angespannter und unkonzentrierter. Die
Gefahr aufzufallen, erhöht sich oft erst dadurch.
„Ich schaff’
das nicht!“ – die Angst zu versagen in Ausbildung und Beruf
„Niemand weiß, was er kann, bevor er es versucht hat.“
Publius Syrus
Prüfungsängste – Versagensängste in Schule und Ausbildung
Frau Weber – Prüfungsängste von der Volksschule bis zur Führerscheinprüfung
Frau Weber ist 20 Jahre alt, single, und arbeitet als Verwaltungsangestellte. Sie möchte den Führerschein erwerben, fürchtet sich jedoch vor der Fahrprüfung. Es geht ihr gleich wie beim Tanzkurs, den sie aus Angst vor blamablem Verhalten abgebrochen hat.
In beiden Fällen immer die
gleichen Rückmeldungen: „Du kannst es“, doch sie traut sich dies nicht
öffentlich zu beweisen aus Angst, ausgelacht zu werden.
Die Angst zu versagen begleitet Frau Weber seit ihrer Volksschulzeit einmal mehr und einmal weniger. Wenn ihr etwas egal ist, hat sie weniger Angst. Was sie unbedingt erreichen will, erzeugt bei ihr Druck und Versagensangst.
Bei genauerer Analyse stellt sich heraus, dass sich Frau Weber bei Prüfungen weniger vor Wissenslücken fürchtet, sondern vielmehr vor auffälligem und peinlichem Verhalten. Seit der Kindheit bekommt sie vor und in Leistungssituationen vegetative Symptome wie Herzklopfen, Beklemmungsgefühle, Übelkeit, Magenschmerzen und feuchte Hände.
Doch diese Symptome belasten Frau Weber seit Jahren nicht mehr so stark wie jene
Symptome, die sie auffällig machen: ein Black-out, eine Leere im Kopf, die sie
als dumm ausweisen könnte, und eine motorische Verspannung, die sie auch noch
als ungeschickt erscheinen lassen könnte.
Wie in der Schule erlernt Frau Weber auch im späteren Leben alles relativ problemlos, sie kann ihr Wissen und Können jedoch unter dem Druck der Prüfung nicht optimal präsentieren. Wenn es möglich ist, wie etwa bei Freizeitaufgaben, verschiebt oder vermeidet sie Prüfungssituationen, um nicht unter ihrem Wert geschlagen zu werden.
Sie fürchtet sich schon vor der Dienstprüfung im kommenden Jahr und überlegt
sogar, deswegen den öffentlichen Dienst zu quittieren – um auf diese Weise einer
unausweichlichen Prüfung doch zu entkommen. Sie kann es einfach nicht vertragen,
in den Augen der anderen wie eine Versagerin zu wirken, wo sie doch weiß, dass
sie den Prüfungsstoff exzellent beherrscht.
Leistungsprüfungen sind ein unvermeidlicher Stress
Dass Leistung und Erfolg zusammenhängen, lernen wir von Kind auf. In der heutigen Leistungsgesellschaft hören wir immer wieder: „Kannst du was, dann bist du was. Bist du was, dann hast du was.“ Was wir beruflich erreichen, wie hoch unser sozialer Status ist, hängt von erfolgreich absolvierten Prüfungen ab.
Wer unter Versagensangst leidet, kann nicht zeigen, was in ihm steckt, und bleibt nach außen hin hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Prüfungsängste sind die zentralen Versagensängste in der schulischen und beruflichen Ausbildung. Je nach Alter und Schultyp haben 9 bis 25 % der Schüler und Schülerinnen Angst, bei Prüfungen zu scheitern.
Die Ängste werden ausgeprägter mit höherer Schulstufe. Jede vierte Schülerin und jeder sechste Schüler soll von Prüfungsängsten betroffen sein. Rund 40 % der Studierenden müssen mit starker Prüfungsangst fertig werden.
Prüfungsängste wirken sich auf zweifache Weise aus: Sie können der Antrieb sein, etwas für eine bevorstehende Prüfung zu lernen, sie können aber auch das Lernen und die Wiedergabe des Wissens blockieren.
Viele Schüler und Schülerinnen lernen erst aktiv, wenn sie Angst vor einem bedrohlich näher rückenden Prüfungstermin bekommen. Sie warten buchstäblich darauf, dass ihre Angst sie beflügelt. Das Gegenteil kann passieren: Unter Panik versagen viele Menschen bei Prüfungen noch eher.
Es ist eine Tatsache: Prüfungsergebnisse bestimmen den beruflichen Ein- und Aufstieg. Von ihnen hängen berufliches Fortkommen und der Erfolg im Leben ab, ebenso wie von persönlichem Auftreten und sozialer Kompetenz.
Wir können beobachten, wie sehr sich der Leistungsdruck in den modernen Industriegesellschaften verschärft. Die Gefahr zu versagen ist real. Es ist also kein Wunder, dass viele Menschen Angst haben, auf der Strecke zu bleiben.
Wir müssen immer mehr und immer Besseres leisten, um in Ausbildungen und Arbeitsstellen aufgenommen zu werden. Es gilt: „Wer die besten Noten im letzten Ausbildungssystem hat, wird in die neue Ausbildung aufgenommen“, „Wer den besten Schul- bzw. Studienabschluss hat, bekommt einen Job.“
Die Menschen stehen unter vermehrtem Druck, Überdurchschnittliches zu leisten und besser als die Konkurrenten zu sein.
Versagensängste sind umso realistischer, je weniger Ausbildungs- und Arbeitsstellen es gibt, und je mehr Bewerber mit guten Voraussetzungen vorhanden sind. Der Wettbewerb bei Auslese- und Bewerbungsverfahren ist unerbittlich.
Es gilt, jede Menge Hürden zu überwinden, um gegen die Konkurrenz erfolgreich zu sein. Die meisten Studierenden kennen diese Erfahrung: Bei bestimmten Prüfungen steht nicht die Freude am Wissenserwerb im Vordergrund, sondern die Angst, bei einer Selektionsprüfung durchzufallen.
Die Folgen des Versagens sind nicht eingebildet, sondern real: Als Konsequenz davon ist mindestens ein Semester verloren oder die Ausbildung unmöglich.
Angesichts der weiten Verbreitung schulischer Versagensängste darf auf ein Problem nicht vergessen werden: Kinder mit Talent und guten Noten fürchten sich oft, als Streber geschmäht zu werden. Viele leistungsfähige Schüler und Schülerinnen schöpfen aus Angst vor dem Strebervorwurf ihre Möglichkeiten nicht voll aus.
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung können nicht nur dauernde Misserfolge, sondern auch ständige Spitzenleistungen ängstlich und einsam machen. Wegen des Mottos „Wer herausragt, wird geköpft“ bleiben zahlreiche Schüler bei durchschnittlichen Leistungen, um nicht aufzufallen.
Das hat eine Aufsehen erregende Studie ganz eindeutig ergeben: Schulisches
Leistungsdenken mit dem Ziel guter Noten ist in Deutschland, verglichen mit
Kanada und Israel, eher negativ besetzt.
Prüfungsängste sind Bewertungsängste
Als Prüfung im weitesten Sinn empfinden wir alle Situationen, bei denen unsere Fähigkeiten beurteilt werden. Prüfungsängste beruhen auf der Angst vor der Bewertung des eigenen Wissens und Verhaltens. Man kann drei Bewertungsinstanzen unterscheiden: die soziale Umgebung (Zuhörer, Prüfer, Chef), frühere Bezugspersonen (Eltern, Lehrer) und die eigene Person.
Um eine kritische oder negative Beurteilung zu vermeiden, stellen viele Prüflinge überhöhte Ansprüche an sich selbst und überfordern sich damit pausenlos. Nicht selten geht ein solches Verhalten auf Kindheitserlebnisse in der Schule oder im Elternhaus zurück, bei denen unser Selbstwert einen Knacks bekommen hat.
Bewertungs- und Versagensängste entstehen bei mündlichen und schriftlichen Prüfungen in der Schule, auf der Universität bzw. Hochschule, in der beruflichen Aus- und Fortbildung (Lehrabschlussprüfung, Meisterprüfung), in der Erwachsenenbildung (Kursabschlussprüfungen), am Arbeitsplatz (Dienstprüfungen und Dienstbeurteilungen), beim Erwerb spezieller Fertigkeiten (Führerscheinprüfung, Abschlussprüfungen bei sportlichen oder künstlerischen Ausbildungen) und bei Qualifikationen im Rahmen von Freizeitaktivitäten.
Besondere Formen einer Prüfung sind Bewerbungsgespräche, Vorträge, Ansprachen, Sportwettkämpfe, Musik- und Theateraufführungen. In diesen Situationen sind wir einer oft sehr kritischen Beurteilung ausgesetzt. Bewertungsängste werden auch in zahlreichen anderen sozialen Situationen ausgelöst.
Wir fürchten uns davor, in der intimen Zweierbeziehung schlecht bewertet zu werden, in öffentlichen Begegnungen mit dem anderen Geschlecht, in privaten Gruppen oder bei beruflich notwendigen Kontakten mit Kunden und Geschäftspartnern.
Ausgeprägte Prüfungs- und Versagensängste mit erheblichen schulischen, beruflichen und sozialen Folgewirkungen sind oft als Variante einer Sozialphobie anzusehen. Besteht bei an sich guten sozialen Kompetenzen wirklich nur eine umschriebene Prüfungsangst, die subjektiv als sehr belastend erlebt wird, handelt es sich dabei um eine so genannte spezifische Sozialphobie.
Unsere Prüfungs- und Versagensängste sind umso stärker, je mehr wir hohe Ziele erreichen und Minderleistungen vermeiden wollen. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung: Um Prüfungsängste zu bewältigen, müssen wir konstruktiv mit Bewertungssituationen und Leistungsnormen umgehen lernen.
Ein gewisses Maß an Lampenfieber und Nervosität vor Prüfungen und Auftritten jeder Art ist normal. Bei totaler Gleichgültigkeit wäre uns das Gelingen egal. Körperliche Angstreaktionen in Leistungssituationen sind vor allem dann angemessen, wenn uns eine Prüfung oder Präsentation persönlich viel bedeutet. Vegetative Reaktionen des Körpers können wir in Zeiten hoher seelischer und geistiger Anspannung niemals völlig kontrollieren.
Das Ziel, bei einer Aufgabe völlig „cool“ zu bleiben, ist unrealistisch – und kann das Gegenteil bewirken. Wenn wir Angst und Anspannung überspielen oder unterdrücken wollen, kann das erst recht einen verkrampften und unnatürlichen Eindruck vermitteln.
Die meisten Menschen empfinden Prüfungen in der Schule und im Beruf als großen Stress. Prüfungen sehen wir kaum als Gelegenheit, unser Wissen und Können zu demonstrieren. Wir konzentrieren uns einseitig auf unsere Schwächen und Fehler – und denken zu wenig an unsere Stärken und Fähigkeiten.
Nur bestimmte Personen wie etwa Sportler brennen richtiggehend darauf, endlich zeigen zu können, was in ihnen steckt. Menschen, die gerne alles unter Kontrolle haben, fühlen sich in Bewertungssituationen besonders hilflos und ohnmächtig – einfach ausgeliefert einer fremden Beurteilungsinstanz. Sie erleben die Prüfungsfragen und den Prüfer als unberechenbar, ebenso wie ihre eigenen körperlichen Reaktionen. Ein Black-out aufgrund ihrer Erregung fürchten sie wie die Pest.
Bestimmte Umstände können die Prüfungsangst verstärken: mündliche Prüfungen, punktuelle Abschlussprüfungen, steigende Aufgabenschwierigkeit, unklare Instruktionen, großer Zeitdruck, Verhalten des Prüfers, ungünstige Umstände während der Zeit der Prüfungsvorbereitung.
Die meisten Menschen haben mehr Angst vor mündlichen Prüfungen und
Aufgabenstellungen, wo etwas demonstriert werden muss, als vor schriftlichen
Prüfungen. Warum? Bei mündlichen Prüfungen müssen wir auch sozial interagieren,
im Gegensatz zu Leistungsanforderungen in aller Ruhe und Stille.
Formen von Prüfungsangst
Wir können in zwei
unterschiedlichen Phasen durch Leistungsangst blockiert sein:
Leistungsblockierung in der
Prüfungsvorbereitung. Wir verspüren Prüfungsangst bereits lange vor der
Prüfung. Wir sind bei der Vorbereitung auf eine Prüfung oft nicht bei der
Sache, wir beschäftigen uns ständig mit dem Versagen und dessen Folgen. Aus
Angst vor der Schmach des Misserfolgs machen wir uns einen großen Druck, bei
der nächsten Prüfung auf jeden Fall erfolgreich zu sein. Unter dieser
Belastung können wir uns nur schwer auf das Lernen von neuem Wissen
konzentrieren. Wir denken ständig an alles Mögliche, das mit dem Lernen
nichts zu tun hat – und merken uns deshalb neues Wissen nur schwer.
Leistungsblockierung in der
Prüfungssituation. Wir können aufgrund von Angst und Aufregung im
Moment der Prüfung das gespeicherte Wissen nicht aufrufen. Unser Denken ist
blockiert. Wir möchten uns aus Angst vor dem Versagen und Vergessen den
Prüfungsstoff sicherheitshalber so einpauken, dass wir ihn wie ein auswendig
gelerntes Gedicht abspulen können. Bei Referaten versuchen wir die
Versagensangst dadurch zu bändigen, dass wir den Text Wort für Wort
auswendig lernen. Auf diese Weise bauen wir erst recht kein Vertrauen in
unsere Fähigkeit auf, in Prüfungssituationen spontan richtig zu denken und
zu handeln.
Fachleute unterscheiden im
Detail folgende Formen von Prüfungsangst:
Angst vor der Prüfungsvorbereitung. Wir halten uns für unfähig, uns auf das Lernen zu konzentrieren oder uns dazu zu motivieren. Wir fürchten, den Prüfungsstoff nicht in der vorgesehenen Zeit bewältigen zu können.
Angst vor der Prüfungssituation. Wir
fürchten uns während der Prüfung vor unseren nicht kontrollierbaren Ängsten
und deren sichtbaren körperlichen Symptomen. Wir schämen uns dafür, dass
unsere Panikzustände unser Denken blockieren. Wir stellen uns bildhaft vor,
wie wir kläglich versagen, alles falsch machen und auf den Prüfer oder die
Zuhörer einen jämmerlichen Eindruck machen.
Angst vor dem Prüfer. Wir fürchten uns
vor dem Prüfer, wenn wir Probleme im Umgang mit Autoritäten haben. Wir
schreiben dem Prüfer Furcht erregende Eigenschaften zu, wie unerbittlich,
streng, negativ-kritisch, unberechenbar, an Wissen weitaus überlegen zu
sein, ohne Verständnis für unsere Schwächen. Auch wenn der Prüfer gar nicht
so ist – wir übertragen auf ihn frühere Erfahrungen mit Eltern, Lehrern oder
anderen Personen. Wir machen uns zu sehr vom Verhalten des Prüfers abhängig.
Typischerweise fragen wir andere: „Ist er heute gut aufgelegt?“ Wir erleben
und verhalten uns selbst passiv und unterschätzen unsere Möglichkeiten einer
aktiven und selbstbewussten Rolle bei der Prüfung. Dadurch verstärken wir
unsere Versagensängste. Wir betrachten eine Prüfung als unberechenbaren
Horror und verzichten auf die Möglichkeit, die Beziehung zum Prüfer
mitzugestalten.
Angst vor den Folgen des Versagens bei
der Prüfung. Wenn wir eine wichtige Prüfung nicht bestehen, kann dies
unseren weiteren Bildungsweg und unser berufliches Fortkommen erheblich
beeinflussen und verschlechtern. Wir überschätzen jedoch meist die
tatsächlichen Folgen eines schlechten Prüfungsresultats. Wir geben uns
wirklichkeitsfremden Katastrophenfantasien hin. In der Angst vor dem
Versagen bei Prüfungen zeigen sich gewöhnlich unsere Ängste vor dem Verlust
der sozialen Anerkennung vonseiten der Eltern, Lehrer und Kollegen. Damit
einher gehen unsere Ängste vor einer Minderung unseres Selbstwertgefühls.
Wir befürchten eine unsterbliche Blamage. Wir projizieren unsere negativen
Gedanken in andere Menschen hinein und können uns nicht vorstellen, dass
diese uns dennoch liebenswert finden.
Angst vor den Folgen einer bestandenen
Prüfung. Wir verspüren nach erfolgreich abgelegten Prüfungen einen noch
größeren Erwartungsdruck vonseiten der Eltern und Lehrer. Wir entwickeln
Versagensängste, die anderen bei der nächsten Prüfung zu enttäuschen, wenn
diese nicht so gut gelingt. Manchmal haben wir vielleicht auch Angst vor den
Konsequenzen einer positiv abgeschlossenen Ausbildung. Wir fürchten uns vor
einem neuen Lebensabschnitt voller Veränderungen, wenn es etwa zum Studium
in eine andere Stadt geht oder der Berufseintritt nach einer längeren
Ausbildung bevorsteht.
Misserfolgsorientierte Prüfungseinstellungen
Schüler und Studierende mit negativ-pessimistischen Erwartungen betrachten Prüfungen als notwendiges Übel und fühlen sich in ihrem Selbstwertgefühl bedroht. Sie haben während der Prüfung ihr Scheitern und die Folgen vor Augen. Sie sind voller Selbstzweifel und erwarten negative Bewertungen durch andere („Was wird der Lehrer bzw. der Vater hinterher sagen?“).
Sie beurteilen ihr Verhalten in der Prüfungssituation kritisch und selbstabwertend („Ich schaffe die Prüfung nicht“, „Ich bin zu dumm, um das zu verstehen“, „Ich kann gar nichts“).
Menschen mit Prüfungsangst halten die Gefahr eines Misserfolgs für wahrscheinlicher, als sie es tatsächlich ist. Weil sie wenig Chancen auf Erfolg sehen, verstärkt sich ihre Angst vor der Prüfung. Das verringert ihre Motivation, sich beim Lernen anzustrengen.
Je weniger sie Hoffnung auf Erfolg hegen, umso eher fürchten sie sich vor Misserfolg und resignieren schließlich. Versagensängstliche Menschen erleben sich in der Prüfungssituation als Opfer der Umstände, ohne Einfluss auf das Prüfungsergebnis nehmen zu können. Sie trauen ihren Fähigkeiten nicht, stattdessen halten sie äußere Faktoren wie Zufall, Wohlwollen des Prüfers oder Leichtigkeit des Prüfungsstoffs für ausschlaggebend.
Schüler und Studierende, denen es vor allem um die Vermeidung von Misserfolg geht, schreiben ihre Fehler gewöhnlich sich selbst zu, die Erfolge dagegen meist anderen Umständen. Erfolgsmotivierte Schüler führen gute Noten auf ihre Leistungsfähigkeit, schlechte Beurteilungen dagegen auf andere Faktoren zurück.
Bei Prüfungsangst beobachten wir unsere körperlichen Angstsymptome und sehen darin unsere Unfähigkeit bestätigt („Weil ich so aufgeregt bin, bin ich unsicher“). Die körperlichen Symptome (Herzrasen, Atemnot, Übelkeit, Anspannung, Zittern) sind so stark, dass wir alle Aufmerksamkeit darauf lenken. Dies verstärkt unsere Angst und löst panikähnliche Symptome aus, die nicht nur unseren Körper überaktivieren, sondern auch unseren Geist blockieren und verwirren.
Negative Selbstgespräche, die Beobachtung des eigenen Körpers und die Beschäftigung mit den Folgen des vorweggenommenen Versagens führen in der Prüfungssituation zu einer geteilten Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit und Konzentration sind nicht mehr in vollem Ausmaß auf die Prüfungsvorbereitung bzw. auf die Aufgabenstellung gerichtet. Dadurch können wir tatsächlich weniger leisten, Flüchtigkeitsfehler passieren vermehrt, wir halten kürzer durch und fühlen uns bei komplexeren Aufgaben überfordert.
Weil unsere Gedanken durch die Angst blockiert sind, können wir den gelernten Prüfungsstoff schlechter abrufen. Es sieht aus, als hätten wir uns tatsächlich schlecht vorbereitet. Unser Gefühl eines „leeren Hirns“ entsteht durch ein kurzfristiges hormonelles Ungleichgewicht, das unser Langzeitgedächtnis blockiert.
Wenn sich die hormonelle Situation nach kurzer Zeit stabilisiert, funktioniert unser Gedächtnis wieder in vollem Umfang. Wir benötigen dazu die Fähigkeit, das Black-out durch Entspannung zu verkürzen statt durch anhaltende Panik zu verlängern.
Menschen mit Prüfungsangst haben häufig schlechtere Prüfungsnoten, als sie verdienen. Sie entwickeln immer größere Prüfungsängste, weil sie gerade durch die Angst und ihre Symptome versagen. Sie erleben sich als ohnmächtig und minderwertig – was in einem Teufelskreis wiederum die Prüfungsergebnisse verschlechtert. Eine Spirale von Versagensangst bis zum tatsächlichen Versagen kommt in Gang.
Die Betroffenen verspüren immer
weniger Bereitschaft und Motivation zu lernen. Schließlich halten sie
Prüfungsvorbereitungen für zwecklos. Damit ist das Scheitern vorprogrammiert –
weil sie keinen Erfolg erwarten.
Erfolgsorientierte Prüfungseinstellungen
Menschen mit positiven Erwartungen erleben Prüfungen als Herausforderung. Sie zeigen gern ihre Fähigkeiten und ihr Wissen. Angstzustände motivieren sie dazu, ihre Leistungen zu steigern und das Beste zu geben.
Sie gehen an die Prüfungssituation aktiv heran, erleben sich als „Täter“ im positiven Sinn. Sie sind in der Lage, das Prüfungsergebnis mitzugestalten durch ihr aktives Handeln. Sie konzentrieren sich auf die Prüfung und lassen alle anderen Faktoren, wie Prüfungsumstände oder sonstige Gedanken und Gefühle, außer Acht.
Erfolgsorientierte Menschen fühlen sich kompetent, sie erwarten ein positives Prüfungsresultat – das verhindert angstbedingte Leistungsblockaden. Angst motiviert diese Personen zu besseren Vorbereitungen auf eine Prüfung, statt sie zu lähmen. Die Angst stimuliert ihren Ehrgeiz, stärkt ihren Kampfeswillen.
Zuversichtliche Prüflinge mobilisieren ihre Energiereserven und setzen ihre Kenntnisse und Fertigkeiten besser um. Die Angst macht sie aktiv und aufmerksam. Ihnen passieren weniger Fehler, die Leistungsmenge steigt, ebenso die Ausdauer bei schwierigen Aufgabenstellungen.
Wenn wir an den Erfolg unseres Bemühens glauben, betrachten wir unsere körperliche Erregung vor Leistungssituationen nur als normales Lampenfieber, das uns hilft, alle Energiereserven zu mobilisieren. Wir brauchen nicht ständig darauf zu achten, ob unsere Angst schon abnimmt.
Unangenehme körperliche Anzeichen von Angst nehmen wir zwar wahr, wir verstärken sie jedoch nicht durch ständige Beobachtung. Damit haben wir den Kopf frei, um uns erfolgreich auf unsere Aufgaben und die geforderte Leistung zu konzentrieren.
Fazit: Wenn wir es schaffen,
unsere Einstellungen zu ändern, verringert sich unsere Prüfungsangst. So können
wir uns optimal auf eine Aufgabenstellung konzentrieren, und wir haben eine
berechtigte Chance auf Erfolg.
Existenzängste, soziale Ängste, Leistungsängste – Versagensängste im Beruf
Herr Müller – Angst vor beruflichem Out
Herr Müller ist 45 Jahre alt und verheiratet. Er hat zwei studierende Söhne zu versorgen. Als Alleinverdiener arbeitet er seit 20 Jahren in der Textilbranche als Techniker bei Maschinen, die demnächst vielleicht nicht mehr gebraucht werden.
Wurde vor einigen Jahren von der Firmenleitung noch überlegt, den Betrieb in einem osteuropäischen Billiglohnland anzusiedeln, fürchtet Herr Müller seit dem massiven Vordringen der chinesischen Textilindustrie mit spottbilligen, qualitativ hochwertigen Waren, dass sein Betrieb bald nicht mehr wettbewerbsfähig sein könnte und zumindest verkleinert oder gar geschlossen werden müsste.
Die Firmenleitung hat mit dem Betriebsrat bereits Gespräche über notwendige Personaleinsparungen eingeleitet. Herr Müller hat kein Vertrauen in die Arbeitnehmervertretung: Er ist überzeugt, dass diese alles akzeptiert, was die Geschäftsführung vorgibt, um wenigstens den Standort zu retten. Unter den Kollegen hat bereits das Mobbing eingesetzt. Keiner traut dem anderen als potenziellen Rivalen um den Arbeitsplatz.
Herr Müller rechnet sich aus, wegen seines höheren Gehalts eher auf der Kündigungsliste zu stehen als andere Arbeitnehmer. Vor lauter Grübeln über seine Situation hat er eine Einschlafstörung und eine körperliche Verspannung entwickelt. Er kann abends und am Wochenende einfach nicht abschalten und zur Ruhe kommen, auch wenn seine Frau ihn ermutigt, den Kopf nicht hängen zu lassen.
Es plagt ihn die Sorge, seine studierenden Söhne bald nicht mehr unterstützen zu
können. Herr Müller sieht sich bereits als Langzeitarbeitsloser, Teilnehmer an
unproduktiven Arbeitsamtskursen oder Pendler in eine entfernte Gegend, weil in
seiner Nähe überhaupt keine adäquaten Arbeitsplätze vorhanden sind.
Der Arbeitsplatz als zunehmender Angstfaktor
Immer mehr Menschen haben Angst, in ihrem Beruf zu versagen. Der Arbeitsplatz ist für viele Menschen nicht mehr ein Ort, an dem sie Erfolg haben und ihre materielle Existenz sichern. Bei beruflichen Ängsten fürchten wir uns letztlich davor, von anderen nicht mehr anerkannt zu werden und uns selbst in unseren Fähigkeiten nicht mehr bestätigen zu können.
Wenn wir uns nicht sicher und geborgen fühlen, machen sich zahlreiche Ängste breit. Wir sind zunehmend verunsichert im Beruf, in der Folge davon auch in unserem privaten Umfeld.
Angst am Arbeitsplatz beeinträchtigt uns besonders dann, wenn wir wenig Handlungsspielraum haben, aber gleichzeitig hohen Anforderungen entsprechen sollen.
Alles, was beengt, kann Angst machen; schließlich geht das Wort „Angst“ auf lateinische und indogermanische Wortwurzeln zurück, die „Enge“ bedeuten.
Experten unterscheiden drei Gruppen von beruflichen Ängsten, die sich
wechselseitig beeinflussen:
Existenzängste. Wir haben Angst vor Arbeitsplatzverlust, vor Verarmung, vor dem Alter und vor Krankheit. Sie bedrohen unser körperliches, berufliches und finanzielles Überleben.
Soziale Ängste. Dabei spüren wir Angst
vor Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern, vor offener Meinungsäußerung,
Kritik und vor Zuhörern. Wir sind besorgt um unseren Selbstwert und unseren
sozialen Marktwert.
Leistungsängste. Wir haben Angst vor
Beurteilungen und Prüfungen, vor betrieblichen Neuerungen, vor Beförderung
oder vor Versetzung. Wir sorgen uns, bei neuen Herausforderungen zu
versagen. Unsere Leistungsängste werden rasch zu sozialen Ängsten, wenn
andere Menschen unsere Leistungen beobachten können.
Existenzängste
Der Hintergrund für die ansteigenden Versagensängste im Beruf ist eine betrübliche wirtschaftliche Tatsache: Viele Firmen steigern ihre Gewinne, indem sie Arbeitsplätze einsparen.
Es überrascht nicht, dass viele Arbeitnehmer sich immer mehr existenzielle und berufliche Sorgen machen. Arbeitsplatzverlust kann jeden ständig treffen. Die Angst vor Arbeitslosigkeit, gefolgt von finanzieller Not und einem sozialen Abstieg, bestimmt unser Leben.
Wir fürchten uns, krank zu werden oder aufgrund unseres Lebensalters weniger leisten zu können – und deshalb unseren Arbeitsplatz zu gefährden.
Immer weniger Beschäftigte können sich darauf verlassen, bis zum normalen Pensionsalter einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Eine Umstrukturierung in Unternehmen löst die andere ab. Niemand kann voraussehen, wann sein Arbeitsplatz wackelt.
Viele nur mehr begrenzt leistungsfähige Arbeitnehmer gehen von der Arbeitslosigkeit (mit oder ohne Leistungsbezug) immer häufiger und länger in den Krankenstand über. Dann werden sie auf die Pensionsversicherung verwiesen, in der Hoffnung, dass sie bei höherem Lebensalter wegen ihrer Beschwerden früher eine Rente erhalten.
Doch zahlreiche Gutachter der Pensionsversicherungsanstalten sind genau damit beauftragt, aufgrund strenger Kriterien diesen Weg zu versperren. Daher können die Betroffenen nur vom Arbeitsamt oder vom Sozialamt eine finanzielle Unterstützung erwarten. Immer mehr (noch) beruftätige Frauen verdienen das einzige Einkommen für sich und ihre arbeitslosen älteren Männer.
Heutzutage gilt nicht einmal mehr die Regel, dass der Job sicher ist, wenn die Firma schwarze Zahlen schreibt. Die Existenz von Firmen ist zunehmend vom Kapital abhängig, das weltweit hin- und hergeschoben wird. Immer mehr Menschen fühlen sich in dieser globalen Entwicklung zunehmend ohnmächtig und der Situation ausgeliefert. Der steigende Arbeitsdruck vermehrt noch die Angst vor Versagen und Überforderung.
Die Angst, den Job zu verlieren, ist heute die häufigste berufsbezogene Angst. Diese Angst ist aufgrund der hohen Arbeitslosenraten in den Industriegesellschaften berechtigt.
Die zweithäufigste Sorge von Dienstnehmern ist die Angst vor Krankheit oder Unfall. Hinter diesen Befürchtungen steckt letztlich die Angst, unfähig zur Arbeit zu sein und dadurch den Arbeitsplatz zu verlieren.
Immer mehr Arbeitnehmer gehen heutzutage trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung in die Arbeit, weil sie sich vor Konsequenzen fürchten. Wir haben mehr Angst davor, gekündigt zu werden, als vor den Folgen, wenn wir eine Erkrankung übertauchen.
Unternehmen nützen die angespannte Lage am Arbeitsmarkt, um ihre Beschäftigten unter Druck zu setzen. „Ich kann mir krank sein in meiner Firma nicht leisten“ sagen immer mehr Arbeitnehmer zum Hausarzt, wenn dieser dringend zu einem Krankenstand rät.
Die Statistiken der Krankenkassen bestätigen diesen Trend durch die sinkende Zahl an Krankenstandstagen von einem Jahr zum nächsten.
Zu den Existenzängsten zählt neben den Ängsten vor Arbeitsplatzverlust, Verarmung, Krankheit und Unfall auch die Angst vor dem Alter. Alle Arbeitnehmer müssen immer länger arbeiten, bis sie eine Rente erhalten, obwohl ihre Leistungsfähigkeit mit den Jahren stetig absinkt.
Damit soll das Pensionssystem vor dem Zusammenbruch aufgrund der Überalterung der Bevölkerung bewahrt werden. Es besteht die Gefahr, dass durch diese Maßnahmen wiederum jüngere Menschen schwerer als früher einen Arbeitsplatz finden.
Die Grenzen des Sozialstaates, heißt es vielerorts, seien erreicht. Das Vertrauen in Rentensysteme und staatliche Fürsorgemaßnahmen im Alter ist zunehmend erschüttert. Ältere Arbeitnehmer, die viel zum Aufbau der heutigen Gesellschaft beigetragen haben, fühlen sich in ihren Hoffnungen auf das Alter betrogen.
Selbst jüngere Beschäftigte fragen sich, ob sie eine soziale Unterstützung vonseiten des Staates bekommen werden, wenn sie beruflich ausgelaugt sind und keine Chancen auf eine Rente wegen subjektiver Arbeitsunfähigkeit haben.
Beschäftigte über 45 Jahre haben im Vergleich zu jüngeren Beschäftigten mehr Angst, überflüssig zu sein. Ältere Arbeitnehmer verlieren zunehmend die Motivation, weil sie sich unterschätzt fühlen. Sie können nicht jene Leistungen erbringen, wozu sie sich in der Lage fühlen.
Andere Beschäftigte mit höherem Alter erleben sich dagegen den Anforderungen der modernen Arbeitswelt immer weniger gewachsen. Sie haben häufig Angst vor Überforderung, Veränderung und Umstellung am Arbeitsplatz.
Existenzangst kann das ganze Wirtschaftsleben eines Staates negativ beeinflussen. Der Liquiditätstheorie des englischen Ökonomen John Maynard Keynes zufolge schaukeln sich geringes Wirtschaftswachstum und hohe Arbeitslosigkeit gegenseitig auf. Dies macht den Menschen große Angst vor der Zukunft; sie schränken ihren Konsum ein, sparen ihr Geld für unsichere Zeiten und investieren nicht oder nur wenig in neue Produkte.
Durch „Angstsparen“ sinken Konsum und Wirtschaftswachstum – was wiederum die Arbeitslosigkeit erhöht. Die Versuche, diesem Teufelskreis von staatlicher Seite her mit Steuersenkungen oder Subventionen gegenzusteuern, führen nicht immer zum gewünschten Effekt.
Ängste, den Arbeitsplatz zu verlieren und keine neue feste Anstellung zu finden,
begleiten viele von uns in die nächsten Jahre. Wir fürchten uns davor,
finanziell immer schlechter gestellt zu sein, während wir immer geringere
staatliche Unterstützungen erwarten können: Selbstbehalte für medizinische
Leistungen steigen, während wir gleichzeitig immer länger arbeiten und unsere
Pensionen trotzdem geringer ausfallen.
Soziale Ängste
Viele Arbeitnehmer sind im beruflichen Alltag von sozialen Ängsten geplagt. Seien wir ehrlich: Wir fürchten uns vor Fehlentscheidungen und Kritik, haben Angst zu versagen und unsere Schwächen vor anderen sichtbar zu zeigen. Wir fürchten uns, von anderen beobachtet zu werden oder durch statistische Kennwerte verglichen zu werden.
Kollegen und aggressive Nachwuchskräfte erleben wir nicht selten als bedrohliche Konkurrenz. Wir zittern vor jüngeren, billigeren und leistungsfähigeren Arbeitskollegen. Der Verlust von Anerkennung und Bestätigung wirkt wie eine ständige Drohung auf uns. Wir fürchten beständig den sozialen Abstieg.
Hinter sozialen Ängsten steht oft eine Bedrohung des Selbstwertgefühls am Arbeitsplatz. Viele Dienstnehmer fürchten, im Beruf nicht wertgeschätzt zu werden und von Vorgesetzten, Kollegen, Untergebenen oder Kunden nicht respektiert zu werden Oft besteht eine Angst vor besseren Konkurrenten, die die eigene Position gefährden könnten.
Unsere Furcht ist verständlich: Vorgesetzte haben Macht über uns. Unsere Position, unser Gehalt und die Dauer unserer Anstellung hängen davon ab, welches Urteil sie sich von uns bilden. Weil wir uns unsicher fühlen, unterstellen wir unseren Vorgesetzten häufig mehr fachliche und hierarchische Autorität, als diese tatsächlich besitzen.
Die Macht der Vorgesetzten beruht oft übermäßig auf der Angst der Mitarbeiter vor ihnen. Einfache Angestellte fürchten ihre Chefs im mittleren Management wegen deren (begrenzter) Macht. Leitende Angestellte haben jedoch häufig noch mehr Angst vor ihren eigenen Chefs. Wenn sie den Erwartungen und Umsatzzielen der Geschäftsführung oder der Aktionäre nicht entsprechen, sind sie oft schneller gefeuert als einfache Arbeitnehmer.
Leitende Angestellte leiden häufig unter Führungsängsten. Sie haben Angst davor, dass ihr Team sie kritisch beurteilt und als unfähig abstempelt. Damit würden sie ihre Autorität verlieren. Nicht selten fürchten sie, Mitarbeiter aufzunehmen, die besser sein könnten als sie selbst. Chefs ohne akademische Ausbildung fühlen sich manchmal durch Akademiker in ihrer Führungsrolle bedroht.
Viele Menschen haben größere Angst vor Gleichgestellten und Kollegen als vor unter- oder übergeordneten Personen. Arbeitskollegen werden immer mehr zu Konkurrenten um denselben Arbeitsplatz. Die Folge sind erbitterte Machtkämpfe, die das Betriebsklima dauerhaft stören.
Langjährige Freunde werden zu Feinden, wenn einer beruflich erfolgreicher ist. Der Arbeitsplatz wird damit zur Hölle; schließlich verbringen wir mit Arbeitskollegen oft mehr Zeit als mit Partner, Familie oder Freunden.
Wenn ein neuer Mitarbeiter aus Ehrgeiz zu viel arbeitet, macht er – ungewollt – den Chef auf die Leistungsschwächen der anderen aufmerksam. Statt Teamarbeit kämpfen alle gegen einander. Schwächen ehrlich einzugestehen, führt zu Schikanen durch Kollegen. In Konkurrenzsituationen nützen wir jede Schwachstelle der anderen zum eigenen Vorteil. Werte wie Offenheit und Solidarität zählen immer weniger, wenn der Kampf um Arbeitsplätze tobt.
Jemand, der eine Zeitlang zu wenig leistet, muss heute die Kritik der Kollegen schneller fürchten als die der Vorgesetzten: „Warum sollen wir deine Arbeit mitmachen, wenn du so oft im Krankenstand bist? Wenn du nicht mehr kannst, räume deinen Arbeitsplatz, damit ihn ein Jüngerer und Fleißigerer übernehmen kann.“
Soziale Ängste schränken uns sehr oft beim beruflichen Aufstieg ein. Viele Arbeitnehmer wagen nicht, den nächsten Karriereschritt zu setzen, trotz hoher fachlicher Qualifikation. Sie fürchten sich zu sehr, kritisch beurteilt zu werden, und Erwartungen nicht erfüllen zu können.
Wenn sie trotzdem eine höhere Position erreichen, merken sie häufig erst anhand von Symptomen wie Muskelverspannung, Übelkeit, Verdauungsbeschwerden oder Schlafstörungen, wie sehr sie ihre leitende Tätigkeit belastet.
Viele einfache, aber auch leitende Arbeitnehmer haben Probleme, sich und ihre Arbeit in einer Gruppe zu präsentieren. Es ist ihnen höchst unangenehm, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und bewertet zu werden. Die Angst, lächerlich zu wirken, kritisiert oder abgelehnt zu werden, ist der Kern jeder Präsentationsangst.
Auslöser dafür kann eine bevorstehende Rede sein, eine Vorstellung von
Arbeitsergebnissen oder die Einschulung neuer Mitarbeiter. Fachlich versierte
Berufstätige entwickeln mit diesem Stress plötzlich Angst, ihr Wissen zu
vergessen, im Vortrag stecken zu bleiben, eine flatterige Stimme zu bekommen
oder durch psychovegetative Symptome wie Zittern, Schwitzen oder Rotwerden als
„nervlich angeschlagen“ unangenehm aufzufallen.
Leistungsängste
Es ist verständlich: Viele Arbeitnehmer haben Angst, bei ihrer Arbeit Fehler zu machen oder überfordert zu werden. Zahlreiche Berufstätige gehen in ihrer Arbeit nicht auf, sondern unter. Der Leistungsdruck in der Arbeitswelt ist in den letzten Jahren beständig größer geworden.
Wir sollen immer mehr Arbeitsleistung erbringen. Auf den Beruf übertragen, bedeutet die physikalische Formel „Leistung ist Arbeit pro Zeiteinheit“ immer mehr Druck auf die Arbeitnehmer, um die Produktivität zu steigern.
Die neuen Kommunikationstechniken beschleunigen die beruflichen Abläufe: Neben Fax, E-Mail und Mobiltelefon klinken wir uns mit Laptop und Internetanschluss in die Firmenhomepage ein, um den Auftragsstand abzufragen.
Früher leichter mögliche Entspannungszeiten fallen immer häufiger ersatzlos weg. Die durch bestimmte Technologien gewonnene Zeitersparnis kann gleich wieder für neue Aktivitäten genutzt werden.
Die Beschleunigung unseres ganzen beruflichen und privaten Lebens und die ständige Erreichbarkeit über das Handy setzen uns stark unter Druck, immer zu funktionieren und jederzeit einsatzfähig zu sein.
Die zunehmende Teilzeitarbeit verstärkt für viele den beruflichen Stress. Teilzeitangestellte haben es schwerer, im Betrieb auf dem Laufenden zu bleiben. Um das wettzumachen, neigen sie häufig dazu, mehr zu arbeiten als ihre Vollzeitkollegen.
Zahlreichen Arbeitnehmer haben völlig unrealistische Idealbilder über unbegrenzte Schaffenskraft und fehlerlose Leistungsfähigkeit. Der Mythos der Leistung dominiert alles: Hauptsache Erfolg, egal mit welchen Mitteln und um welchen Preis.
Jeder von uns muss sich fürchten, den Idealen von Schnelligkeit, Flexibilität und Perfektion irgendwann einmal nicht mehr zu entsprechen.
Viele Beschäftigte müssen zunehmend ihren eigenen Arbeitsplatz durch mehr Veränderungsbereitschaft sichern. Sie sollen geographisch mobil sein, beruflich insgesamt flexibler.
Ihre Arbeitgeber erwarten, dass sie ständig dazu- bzw. umlernen und wechselnde Arbeitszeiten akzeptieren. Die nach einer Kündigungswelle verbliebenen Arbeitnehmer wissen, dass sie bei weniger Arbeitskräften pro Arbeitseinheit immer mehr leisten müssen, um die festgelegte Betriebsziele zu erreichen.
Perfektionistische Menschen, die gern alles genau und zeitgerecht erledigen, steigern ihr Arbeitspensum bis an ihre Grenzen. Sie überfordern sich bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung. Andere Menschen können dem Erwartungsdruck der Vorgesetzten besser standhalten, sie wissen mit ihren Kräften leichter hauszuhalten und werden nicht so schnell krank.
Die Treue von Mitarbeitern zum Unternehmen oder das Wissen älterer Mitarbeiter sind heute immer weniger wert. Es ist für Unternehmen nicht mehr „in“, ihren Mitarbeitern für frühere großartige Leistungen beim Auf- und Ausbau dankbar zu sein.
Es braucht bloß der Junior-Chef vom Senior zu übernehmen oder die Besitzer wechseln – schon sind frühere Verdienste und ehemals enge emotionale Beziehungen überholt und vergessen. Arbeitsverträge sind heute nicht mehr als eine vertraglich geregelte Geschäftsbeziehung von Leistung und Gegenleistung.
Romantik von gegenseitiger Treue in schweren Zeiten ist nicht mehr aktuell. Die Gewerkschaften verlieren ihre Macht oder werden umgangen. Immer mehr Mitglieder verlassen ihre Gewerkschaft, weil sie von ihr enttäuscht sind.
Nicht nur Arbeitnehmer in untergeordneten Positionen verspüren Versagensängste, sondern auch Manager und Firmenbesitzer. Sie stehen unter permanenten Druck, die vorgegebenen Ziele und Planzahlen zu erreichen.
Sie haben Angst, dem zunehmenden Erfolgsdruck nicht gewachsen zu sein und folgenschwere Fehler zu begehen, die für das Unternehmen große Nachteile mit sich bringen könnten. Wenn Topmanager nicht mehr das leisten, wofür sie gut bezahlt werden, wenn sie ihre obersten Chefs, Eigentümer oder Aktionäre enttäuschen, dann droht ihnen der Verlust des Arbeitsplatzes.
Zahlreiche Manager fürchten sich vor der Konkurrenz durch Gleichrangige und nachdrängende Führungskräfte. Sie dürfen die Kontrolle über die Mitarbeiter nicht verlieren, sich auf keinen Fall blamieren – sonst werden sie nicht mehr als fähige Führungskraft angesehen.
Unternehmen setzen Angst häufig als gezieltes Druckmittel ein, um einfache und leitende Angestellte einzuschüchtern. Wenn wir uns einschüchtern lassen, geben wir anderen Menschen Macht über unser Verhalten. Angst zu versagen treibt alle Arbeitnehmer zu immer höheren Leistungen an. Durch den dauernden äußeren und inneren Druck wird die Angst vor Versagen immer berechtigter.
Wir versuchen diese Angst durch immer neue Spitzenleistungen zu kompensieren – bis die Angst, bald ausgebrannt zu sein, immer realer wird.
Vom einfachen Arbeitnehmer bis zur Führungskraft fragen sich heute viele Menschen: „Welcher Druck und welche Änderungen kommen als nächste auf mich zu? Was passiert, wenn ich die Anforderungen an meine Arbeit nicht mehr wie gewünscht bewältigen kann? Wie lange ist mein Arbeitsplatz noch sicher, unabhängig davon, was ich leiste? Wo finde ich einen besseren Arbeitsplatz? Wer stellt mich ein, wenn ich über 35 oder gar über 40 Jahre alt bin?“
Die Chefetage erwartet von Führungskräften oft einen 14- bis 16-stündigen Arbeitstag. Sie wollen oder können nicht mithalten? Dann sind Sie nicht ausreichend motiviert, Ihr Leben den Zielen des Unternehmens unterzuordnen!
Japanische Verhältnisse (pointiert formuliert: „mit der Firma verheiratet sein“) sind im mittleren und höheren Management längst gang und gäbe. Wir verlieren in einem solchen Umfeld die gesunde Balance zwischen Berufs- und Privatleben im Kreislauf der beruflichen Erschöpfung.
Wie verunsichert sich viele Arbeitnehmer durch den Verlust des Vertrauten fühlen, zeigt sich in ihren Ängsten vor Neuerungen, vor Veränderungen des Arbeitsumfeldes, vor Versetzung oder vor überregionaler bzw. internationaler Zusammenarbeit.
Am liebsten würden sich viele von uns den Veränderungen in der Berufswelt verweigern, etwa den wechselnden Computersystemen oder komplexen Kommunikationsstrukturen. Der innere Widerstand macht den Umgang mit neuen Situationen erheblich schwerer. Die weitere berufliche Integration erscheint dann tatsächlich gefährdet.
Wir verspüren Versagensängste auch angesichts von beruflich veranlassten Prüfungen: bei Dienstprüfungen, internen Schulungen oder externen Kursen. Viele Betroffene vermeiden Weiterbildungsmaßnahmen, weil sie dabei negativ beurteilt werden könnten. Sie fürchten sich zu sehr, bei den Kollegen als unfähig aufzufallen. Diese könnten sie dann nicht mehr wertschätzen.
Ausgeschlagene berufliche Weiterbildung bedeutet aber auch reale berufliche Nachteile. Wenn die Betroffenen sich der weiteren Anerkennung am Arbeitsplatz auch bei schlechter Beurteilung sicher wären, wäre der Prüfungsangst der Nährboden entzogen.
Auf Versagensängste folgen anhaltende Ermüdung und Erschöpfung. Die Betroffenen fühlen sich zunehmend überfordert und werden anfällig für Krankheit, weil ihre Abwehrkräfte durch den Stress sinken. Ihre Aufmerksamkeit und ihre Konzentration lassen nach.
Unerwartet tritt eine bisher nicht gekannte Vergesslichkeit auf. Den Betroffenen passieren immer häufiger Fehl- und Kurzschlusshandlungen. Sie schlafen schlecht und verlieren den Appetit. Ihre Stimmung schwankt von einem Extrem ins andere, sie werden gereizt und aggressiv.
Angststörungen, Depressionen und psychosomatische Störungen werden immer häufiger. Das überrascht nicht wirklich angesichts der gegenwärtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt und der Wirtschaftslage vieler Betriebe. Die Angst zu versagen bewirkt bei immer mehr Menschen eine Erschöpfungsdepression mit körperlichen und seelischen Symptomen.
Immer mehr Krankenstandstage gehen auf psychische Gründe zurück. Insgesamt sinkt jedoch die Zahl der Krankenstandstage, weil die Menschen mehr Angst um ihren Arbeitsplatz haben.
Neben der Ausbeutung durch den Arbeitgeber fordern wir uns selbst bis zur körperlichen und/oder seelischen Erschöpfung: Wir wollen noch perfekter sein, Karriere machen, streben noch mehr Erfolg und Ansehen, ein noch höheres Einkommen an.
Wir machen unser Selbstbewusstsein oft zu sehr davon abhängig, was wir beruflich sind und erreichen können, welche Karriere und welcher Sozialstatus uns offen stehen. Gefühle von Schwäche verdrängen wir lieber.
Schwäche darf man ja nicht vor sich und anderen eingestehen. Jeder möchte „in“ sein. Wenn wir nicht mithalten können, müssen wir fürchten, „out“ zu sein und auf der Strecke zu bleiben.
Auch längere Arbeitslosigkeit mit dem zunehmenden Verlust des Selbstwertgefühls und der sozialen Anerkennung führt zu erheblichen Beeinträchtigungen des physischen und psychischen Wohlbefindens.
Längere Arbeitslosigkeit begünstigt zahlreiche psychiatrische und
psychosomatische Symptome, vor allem Stimmungslabilität, innere Leere,
Selbstunsicherheit, Minderwertigkeitsgefühle, Wertlosigkeitsgefühle,
Schlafstörungen, Energielosigkeit, gespannte Erschöpfung, leichte Ermüdbarkeit,
depressive Verstimmungen, existenzielle Ängste.
Auch die Großen haben Angst – Versagensängste bei Künstlern und Sportlern
Franco Corelli – ein Opernstar mit ständiger Angst vor dem Absturz
Franco Corelli, einer der größten Operntenöre, war vor Aufführungen nervlich oft völlig fertig – ein richtiges Nervenbündel. Er war berühmt für das hohe C und fürchtete sich, es vor lauter Stress beim Auftritt nicht halten zu können. Seine Bühnenangst wurde massiv verstärkt durch die Erfahrung, dass ihm seine Angst gelegentlich tatsächlich die Kehle zuschnürte.
Häufig sagte er Vorstellungen ab, nicht selten im letzten Moment, weil er in Panik geriet, durch einen Fehler das Ende seiner Karriere heraufzubeschwören. Seine Frau musste ihn geradezu mit Gewalt zu Auftritten zwingen. Ständig sorgte er sich, dass mit seinem Speichel etwas nicht stimmen könnte.
Seine Gattin musste ihm oft Tee
bringen, seinen Hals begutachten und beurteilen, ob seine Stimmbänder gerade
oder schief waren. Später beobachtete er selbst seinen Hals mit einem Spiegel;
er machte sich dadurch noch unsicherer: Ein wenig Spucke löste bei ihm bereits
Angst vor einer Krebserkrankung aus.
Normale und krankhafte Auftrittsängste
Für Musiker, Sänger, Schauspieler und Leistungssportler ist Lampenfieber vor dem Auftritt eine normale körperliche und mentale Anspannung. Sie spielen für das Publikum, also ist es nur logisch, dessen Reaktion zu fürchten. Lampenfieber bezeichnet den typischen Erregungszustand wie im Rampenlicht der Bühne.
Lampenfieber ist kurz vor dem Auftritt am größten. Es klingt gewöhnlich bald nach Beginn der Präsentation ab, ähnlich wie bei Prüfungen. Lampenfieber macht hellwach für den Auftritt und stellt eine Art Aufputschmittel dar. Jeder tritt mit seinem persönlichen Lampenfieberprofil ins Licht der Öffentlichkeit.
Viele Künstler genießen diesen von Stresshormonen hervorgerufenen Erregungszustand als Nervenkitzel. Für andere ist die nervliche Anspannung vor dem Auftritt eine enorme Belastung. Sie haben Angst, dadurch in ihrer Leistungsfähigkeit blockiert zu sein.
Versagensängstliche Künstler müssen lernen, Lampenfieber als Energieschub und Vorfreude auf den Erfolg zu betrachten – nicht als Anzeichen des bevorstehenden Scheiterns.
Künstler und Sportler entwickeln Lampenfieber auf folgendem Hintergrund: Sie möchten erfolgreich im Mittelpunkt stehen, gesehen und gehört werden, gleichzeitig fürchten sie sich vor einer Blamage.
Die Betroffenen sind hin und her gerissen zwischen Anziehung und Vermeidung, zwischen Größenwahn und völligem Versagen.
Das Lampenfieber von Schauspielern und Musikern baut sich aus den Erwartungen des Publikums und den Ansprüchen der Künstler an sich selbst auf: Sie wollen eine vorgegebene Rolle möglichst gut spielen. Text und Noten lassen Künstlern mehr Spielraum, als wir annehmen. Die Angst vor der individuell einmaligen Präsentation macht sie jedoch fehleranfällig.
Künstler mit großem Lampenfieber möchten soziale Situationen nicht vermeiden, wie sozialphobische Menschen das tun. Doch je näher ein Auftrittstermin rückt, umso mehr zweifeln sie an ihren Fähigkeiten.
Sie werden immer unsicherer, ob ihr Können ihren eigenen hohen Ansprüchen und den vielleicht noch höheren Erwartungen des Publikums genügen wird. Sie möchten unbedingt das Image eines Stars erreichen oder aufrechterhalten – und haben gerade deswegen Angst, durchzufallen und ausgepfiffen zu werden.
Fachleute unterscheiden zwischen zwei Formen von Auftrittsängsten: Lampenfieber und Bühnenangst. Lampenfieber ist normal, steigert die Leistung und verbessert die Konzentration.
Bühnenangst dagegen wirkt belastend und beeinträchtigt die Künstler erheblich in
ihrer geistigen, psychischen und motorischen Leistungsfähigkeit. Bühnenangst
bezeichnet demnach die unangenehme und leistungsmindernde Form der
Auftrittsangst; sie wird als Sozialphobie diagnostiziert, wenn eine erhebliche
Beeinträchtigung und Belastung gegeben ist.
Versagensängste bei Künstlern
Ein Viertel bis knapp die Hälfte der Orchestermusiker leiden unter Aufführungsängsten, die ihre Leistung bedrohen. Nach einer englischen Studie an zwei großen britischen Orchestern sind es sogar knapp zwei Drittel.
Zahlreiche Spitzenmusiker wollen ihre Panik vor Aufführungen mit Beta-Blockern oder Alkohol in den Griff bekommen. Schwere Angstzustände bedrohen einen von zehn Musikern in ihrer weiteren Karriere. 37 % der Musikstudenten sind immer von Lampenfieber geplagt, 60 % manchmal. Insgesamt ängstigen sich rund 50 % aller Musiker und rund 70 % aller Musikstudenten vor Auftritten.
Nach einer deutschen Studie erlebt sich etwa ein Sechstel der Musikstudierenden durch die Bühnenangst deutlich beeinträchtigt, knapp zwei Fünftel (39 %) fühlen sich zwar nicht im Alltag oder in der beruflichen Laufbahn beeinträchtigt, finden ihre Ängste aber dennoch belastend.
Rund 30 % aller Berufsmusiker brechen ihre künstlerische Laufbahn wegen ihrer Bühnenängste vorzeitig ab. Auftrittsängste entstehen durch hohen Konkurrenzdruck. Eine weitere Ursache ist der Leistungsdruck, perfekt aufzutreten. Musiker sind getrieben von den Vermarktungszwängen des Musikgeschäfts und müssen dem Vergleich des Publikums mit den besten CD-Aufnahmen standhalten.
Nur wenige Künstler reden über ihr Problem in der Öffentlichkeit. Über ihr belastendes Lampenfieber sprachen beispielsweise folgende Künstler: der Cellist Pablo Casals, der Geiger Yehudi Menuhin, die Pianisten Arthur Rubinstein, Vladimir Horowitz und Svjatoslav Richter, der Pianist und Komponist Glenn Gould, der Dirigent Justus Frantz, die Sängerinnen Barbara Streisand, Tina Turner und Maria Callas, die Sänger Dietrich Fischer-Dieskau und Franco Corelli, die Schauspieler Sir Lawrence Olivier und Peter Alexander.
Barbara Streisand vergaß bei einem öffentlichen Konzert ein paar Worte eines Songs. In der Folge wagte sie zwanzig Jahre lang nicht mehr, öffentlich aufzutreten. Sir Lawrence Olivier ängstige sich fünf Jahre pausenlos, bei Aufführungen den Text zu vergessen. Peter Alexander sagte einmal: „Trotz jahrelanger Showerfahrung bin ich immer noch so aufgeregt wie ein Anfänger.“
Der Schlagersänger Udo Jürgens fasste seine Erfahrungen so zusammen: „Ich habe schon so großes Lampenfieber gehabt, dass ich dachte, es zerreißt mich. Wenn man die vielen Augen auf sich gerichtet weiß und der Öffentlichkeit wirklich ausgeliefert ist, dann braucht man schon Nerven aus Stahl, um das ohne innere Bewegung durchzuhalten.“
Der Komiker Heinz Erhardt verwendete wegen seines Lampenfiebers bei Auftritten immer eine Brille, durch die er die Blicke der Zuschauer nur verschwommen sehen konnte.
Pablo Casals gestand in hohem Alter in seiner Biographie: „Oh, diese Aufregung, diese Angst! Nie, weder damals noch später, konnte ich sie loswerden. Glauben Sie mir: Obwohl ich seitdem tausend Konzerte gegeben habe, war ich immer genauso aufgeregt wie beim ersten Mal. Sie können sich vorstellen, wie viele Künstler ich während meiner langen Laufbahn kennen gelernt habe; bei allen scheint die nervöse Angst eine Selbstverständlichkeit zu sein. Es gibt nur wenige Ausnahmefälle… Aber ich kenne keinen Künstler, der so von Angst geplagt wäre wie ich. Manche meiner bevorstehenden öffentlichen Konzerte bedrücken mich wie ein Albtraum. Selbst heute noch.“
Der Opernstar Luciano Pavarotti wischte mit seinem großen weißen Seidentuch nicht nur seine massive Schweißabsonderung weg, sondern auch seinen Angstschweiß. Der brach Pavarotti aus, weil er sich fürchtete, falsch zu singen.
Der Sänger Bob Dylan erinnerte sich an eine albtraumhafte Versagensangst vor einem Konzert: „Man steht vor dreißigtausend Leuten und kriegt keinen Ton heraus.“ Er beschrieb auch seinen Lösungsansatz: „Weil ich nichts mehr zu verlieren hatte und keine Vorsichtsmaßnahmen mehr zu beachten brauchte, schüttelte ich einen weiteren Kunstgriff aus dem Ärmel, der den anderen, fehlgeschlagenen Techniken Starthilfe geben sollte. Das machte ich automatisch, aus dem Handgelenk – ich trieb den Teufel mit meiner eigenen Zauberformel aus. Im selben Augenblick war es, als presche ein Vollblüter zum Tor herein.“ Alles war egal – deshalb konnte Dylan spontan sein, statt sich selbst ständig zu kontrollieren und unter Druck zu setzen.
Musiker spüren die Angst vor dem Auftritt unterschiedlich: Bläser bekommen einen trockenen Mund und sind im Ansatz und in der Blastechnik beeinträchtigt. Pianisten beklagen feuchte, kalte Hände; sie fürchten, von den Tasten abzurutschen. Organisten haben Angst vor weichen Knien und dass sie deshalb das Pedal nicht treffen. Streicher fürchten sich davor, dass ihr Arm zittert, während sie den Bogen führen. Gut geschulte Ohren hören, wenn Geiger oder Pianisten in ihrem spielerischen Ausdruck verspannt sind. Häufig ist die Klangqualität vermindert, das Tempo kann zu schnell sein oder der Einsatz erfolgt zu früh.
Sänger und Sprecher können schwer einen Ton voll erklingen lassen, wenn sie innerlich angespannt sind. Sie können die Tonhöhe schwer halten, haben nicht ausreichend Atemluft zur Verfügung. Die Betroffenen fürchten sich vor einer zittrigen und bebenden Stimme. Die Stimme kann durch die Angst zu hoch sein.
26 untersuchte Musiker hatten während des Auftritts eine durchschnittliche Pulsfrequenz von 128 Schlägen pro Minute. Viele Musiker wollen die körperlichen Symptome ihrer Angst, insbesondere das störende Herzrasen, Schwitzen und Händezittern, mithilfe von Medikamenten in den Griff bekommen.
Vor allem versuchen sie es mit Beta-Blockern, einem Herz-Kreislaufmittel. Dieses Medikament beseitigt nicht das Lampenfieber, sondern nur dessen Folgen. Es blockiert die so genannten Beta-Rezeptoren. Sie leiten Reize nicht weiter. Die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin wirken nicht mehr so stark.
Das vegetative Nervensystem bleibt trotz emotionaler Erregung eher ruhig. Das Herz schlägt langsamer und weniger kraftvoll, der Blutdruck sinkt. Die Betroffenen fühlen sich entspannter und ausgeglichener.
Die Beta-Rezeptorenblocker-Substanz Propranolol, die sich in den Medikamenten Dociton und Inderal befindet, gilt seit über drei Jahrzehnten als die „Musikerdroge“. Unter ihrem Einfluss bleibt das Herz-Kreislaufsystem trotz Aufregung stabil. Ängstliche Musiker können sich besser auf den Auftritt konzentrieren, statt sich ständig selbst zu beobachten.
Derartige Medikamente können etwa beim Vorspielen für eine Bewerbung oder bei wichtigen Auftritten sinnvoll sein. Sie lösen jedoch nicht das Grundproblem der Auftrittsangst. Betroffene sollten solche Medikamente nur in geringer Dosis einnehmen, und so kurze Zeit wie möglich. Beta-Blocker dämpfen die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit nicht so stark wie zentralnervös wirksame Tranquilizer.
Manche Musiker greifen gerade zu diesen Beruhigungsmitteln, wie etwa Valium.
Solche Medikamente machen bei regelmäßiger Einnahme abhängig. Andere wollen sich
durch übermäßigen Alkoholkonsum erleichtern.
Versagensängste bei Leistungssportlern
Die Angst zu versagen plagt im Sport sogar die größten Talente. Die Furcht vor Misserfolg ist für einen Teil der Sportler gleichzeitig das Geheimnis ihres Erfolgs. Sie werden durch die Angst nicht blockiert und gelähmt, sondern stimuliert und aktiviert.
Der siebenfache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong erklärte in einem Interview freimütig: „Meine Angst zu scheitern ist größer als meine Freude über einen Sieg. Ich will nicht versagen. Ich will nicht verlieren. Ich will meine Fans nicht enttäuschen. Und ich will mich selbst nicht enttäuschen.“ Nach dem Sieg über seine Krebserkrankung und nach seinen sportlichen Erfolgen kann und will Armstrong nicht ohne die Angst zu versagen leben.
Spitzensportler sind stets auf der Suche nach neuen Methoden der Leistungssteigerung. Trainingsmöglichkeiten und Wettkampfvorbereitungen sind heutzutage bis ins Letzte geplant und ausgeschöpft. Die Grenzen der sportlichen Leistungsfähigkeit liegen im Kopf.
Viele Sportler verlieren Wettkämpfe bereits mental, weil sie aufgeben. Spitzensportler, die im Wettkampf bei zwei Versuchen gescheitert sind, verhalten sich bei der dritten und letzten Chance zum Erfolg aus lauter Versagensangst so ungeschickt oder verspannt, dass sie neuerlich versagen – was die Richtigkeit ihrer Befürchtungen beweist.
Leistungssportler wissen: Ihr Erfolg hängt von der Nervenstärke vor und während des Wettkampfs ab. Es ist ganz normal, als Sportler kurz vor dem Start weiche Knie zu haben. Die Kunst besteht darin, sich von der Versagensangst zu Höchstleistungen antreiben zu lassen. Sportler leisten dann ihr Bestes, wenn sie sich für den Erfolg programmieren und nicht für den Misserfolg.
„Trainingsweltmeister“ erbringen im Training regelmäßig Höchstleistungen, im Wettkampf versagen sie. Die Zeitungen schreiben dann: „Das junge Talent war der Nervenanspannung nicht gewachsen.“ Spitzensportler brechen immer öfter zusammen. Sie sind dem seelischen Stress und dem wachsenden Druck durch die Medien nicht länger gewachsen.
Wenn Sportler ihre Nervosität kontrollieren können, gehen sie zuversichtlich in einen Wettkampf. Die besten Sportler können sich auf ihr Selbstvertrauen auch dann verlassen, wenn es ernst wird. Sie kennen ihre sportliche Kompetenz. Sie sind sich ihrer sozialen Anerkennung sicher – unabhängig vom Ergebnis eines sportlichen Wettkampfs. Sie sagen sich: „Ich werde den Wettkampf gewinnen, wenn ich mich jetzt anstrenge.“
„Trainingsweltmeister“ zweifeln an ihrem Können. Sie gehen in einen Wettkampf, ohne an eine gute Platzierung zu glauben. Solche Sportler müssen im Training lernen, ihren Fähigkeiten zu vertrauen. So können sie mit Selbstbewusstsein in den Wettkampf gehen. „Trainingsweltmeister“ müssen die Überzeugung gewinnen, dass sie ihr Können unter allen Umständen erfolgreich einsetzen können.
Erfolgsmotivierte Sportler betrachten den Wettkampf als Herausforderung. Sie freuen sich auf ein Erfolgserlebnis. Sie glauben an ihre Fähigkeiten und hoffen auf eine gute Platzierung. Sie können sich aber auch das Verlieren erlauben, weil sie höchsten Einsatz geben.
Der Olympiasieger und mehrfache Weltrekordler Haile Gebrselassie drückte dies einmal so aus: „Ich versuche immer, mein Bestes zu geben, und wenn mir das gelingt, bin ich auch zufrieden mit mir. Egal, ob ich gewinne oder verliere.“
Sportler, die Misserfolg vermeiden wollen, gehen gehemmt an den Start. Sie fürchten sich, weil sie sich keine Niederlage erlauben. Bei einem Versagen würden sie vor aller Augen als schwach und unfähig dastehen. Wenn sie von Anfang an den Kampf dominieren, können sie durchaus sehr gut und erfolgreich sein. Stärkere Gegner verunsichern ängstliche Sportler, weil sie sich dem Kräftemessen nicht gewachsen fühlen.
„Trainingsweltmeister“ sehen, gemäß einer deutschen Studie, keinen Wert in der sportlichen Leistung an sich. Ihr sehnlicher Wunsch: Trainer und Trainingskollegen sollen sie wegen ihrer guten sportlichen Leistung anerkennen. Dieses starke Bedürfnis nach sozialer Bestätigung bringt diese Sportler in ein Dilemma: Sie möchten Trainer und Kameraden nicht durch ihr Versagen enttäuschen.
Gleichzeitig haben sie Angst davor, durch Erfolge im Mittelpunkt zu stehen. Rivalität könnte ihre Beziehungen gefährden. Sie wollen im Wettkampf ungern zu Konkurrenten ihrer Kameraden werden. Dieser Zwiespalt macht die Startangst immer größer und blockiert Bewegung und Konzentration der Sportler.
„Trainingsweltmeister“ können nur schlecht mit ihren Versagensängsten umgehen. Sie vergleichen sich ständig mit anderen und imitieren deren Umgang mit der Aufregung. Dabei sollten sie sich lieber auf ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten konzentrieren. In einem Vergleich schneiden sie meist schlecht ab. Ihr ohnehin schwaches Selbstwertgefühl sinkt weiter.
Dieser negativen Spirale entrinnen betroffene Sportler am schnellsten, wenn sie Wettkampfsituationen und emotional bedeutsame Bezugspersonen nicht mehr verknüpfen. Sie sollten sich den nötigen emotionalen und sozialen Rückhalt im privaten Umfeld suchen. In der Welt des Sports erhalten sie soziale Anerkennung letztlich nur bei anhaltenden sportlichen Erfolgen.
Viele Sportler weltweit wenden mentales Training als zentrale Strategie auf dem Weg zum Erfolg an. Imaginationen stellen im Sport vor allem bei längeren und komplizierten Bewegungsabläufen geradezu eine Wunderwaffe dar. Leistungssportler visualisieren ihre gewünschten Aktionen, um ihre Erfolgschancen zu erhöhen; sie lernen so, nicht ständig gegen den befürchteten Misserfolg anzukämpfen.
In den USA arbeiten Psychologen in vielen Sportarten im Team mit. Sie helfen Sportlern mit Versagensangst und Burn-out umzugehen oder Verletzungen zu bewältigen. Viele Sporttrainer im deutschen Sprachraum wehren sich jedoch dagegen.
Sie empfinden es als Eingeständnis ihrer eigenen fehlenden Kompetenz, einen Mentaltrainer für sich oder das Team zu engagieren. Auch zahlreiche Sportler haben unbegründete Vorbehalte gegen psychologische Unterstützung bei der Wettkampfvorbereitung.
In einigen Sportarten haben Mentaltechniken eine langjährige Tradition: beim
Schifahren, Schispringen, im Schießsport oder beim Golf. In den letzten Jahren
öffnen sich immer mehr sportliche Disziplinen für psychologische Unterstützung.
Für andere nie
gut genug – Versagensängste in Sozialbeziehungen
„Angst haben wir alle. Der
Unterschied liegt in der Antwort auf die Frage: wovor?“
Frank Thiess
Ich nütze, also bin ich? – Selbstwert als Wert für andere
Frau Winter – Aufopferung für die Angehörigen
Frau Winter ist 43 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern im Alter von 9 und 13 Jahren. Vor deren Geburt war sie kaufmännische Sachbearbeiterin, jetzt ist sie Hausfrau. Sie ist mit einem Montagearbeiter verheiratet, der nur am Wochenende nach Hause kommt.
Im selbst erbauten Haus am Land lebt auch noch ihre Mutter, die sie in Pflege genommen hat, um ihr das Altersheim zu ersparen. Frau Winter führt ein Leben ganz für die Familie und opfert sich für alle auf nach dem Motto: „Wenn es den anderen gut geht, geht es auch mir gut.“
Etwas für sich zu tun, wäre glatter Egoismus. In ihrer kargen Freizeit, die ihr neben der Betreuung von Kindern, Mutter, Haushalt, großem Haus und Garten noch bleibt, arbeitet sie bei einem kirchlichen Sozialprojekt mit.
Frau Winter ist von klein auf von ihrer sehr religiösen Mutter dazu erzogen worden, immer für andere da zu sein. Ihr Gatte verdient aufgrund der Zulagen so gut, dass sie sich entschlossen hat, keiner Arbeit außer Haus nachzugehen. Die bestmögliche Betreuung ihrer Angehörigen ist ihr wichtiger als eigenes Geld und berufliche Bestätigung.
Das Wochenende stellt sie ganz ihrem Gatten zur Verfügung, den sie über alles liebt. Ihr Familiensinn erlaube es nicht, mit Freundinnen abends fortzugehen oder verschiedene Freizeitaktivitäten ohne die Familie zu unternehmen, wie sie dies vor der Ehe getan hatte.
Alle außerfamiliären Sozialkontakte hat sie im Laufe der Jahre stark eingeschränkt. Am intensivsten noch pflegt sie verwandtschaftliche Beziehungen. Ihre Nichten und Neffen dürfen in ihrem großen Haus immer wieder auf Besuch kommen und auch tagelang übernachten.
Frau Winter macht es allen recht: Sie erfreut die Kinder und entlastet ihre zwei berufstätigen Schwestern. In letzter Zeit leidet sie vermehrt unter körperlichen Beschwerden, vor allem Schmerzen am ganzen Körper, doch kein Arzt findet gravierende organische Ursachen.
Von ihrer Einstellung her darf sie nicht zurückschrauben, denn dies käme einem
Versagen bei ihren familiären Verpflichtungen gleich. Nur körperliche
Beschwerden erlauben eine kurze Auszeit.
Geben als Mittel der Selbstbestätigung
Viele Frauen haben oft einen Selbstwert nach dem Motto: „Wenn ich für Kinder, Eltern oder Partner etwas wert bin, fühle ich mich selbst wertvoll.“ Sie sorgen für Familienmitglieder und entwickeln dadurch ihr Selbstbewusstsein. Ihr Ziel ist die perfekte Frau und Mutter – und die treusorgende Tochter, die ihre Eltern durch ihre Fürsorge vor dem Altersheim bewahrt.
Gleichzeitig fürchten sich überengagierte Frauen davor, in ihrer Fürsorge für andere nicht gut genug zu sein. Sie leben geradezu für die anderen und wollen immer ihr Möglichstes geben.
Ein solcher Einsatz ist ein zweischneidiges Schwert: Aufopferungsvolle Frauen fühlen sich auf diese Weise mächtig, einflussreich und bedeutend; die Angst, vermeintlich zu versagen, bedroht jedoch ihren Selbstwert.
Sie sind von ständigen Selbstwertzweifeln geplagt, ob sie alle Erwartungen ihrer Umwelt zufrieden stellend erfüllen können. Die Umsorgten finden alles selbstverständlich und werden immer anspruchsvoller – was erst recht das Gefühl, nicht gut genug zu sein, verstärkt.
Überbesorgte Frauen erleben ihren Selbstwert in der Form, dass sie für andere wichtig und wertvoll sind. Bei ihrem überfürsorglichen Verhalten übersehen sie ihre eigenen seelischen und körperlichen Bedürfnisse. Zuwendung von anderen Menschen können sie schwer annehmen, sie erleben dabei keine Bestätigung.
Aus Angst, nicht gut genug zu sein, wollen überehrgeizige Mütter mehr als erforderlich leisten. Sie halten sich für alles im familiären Alltag verantwortlich und gehen dabei an ihre Grenzen. Sie fühlen sich verpflichtet, sich um alles zu kümmern, was die anderen entlasten und deren Wohlergehen fördern könnte.
Manche Frauen versorgen und bemuttern sogar ihren Partner in einer Weise, als wäre dieser ein weiteres Kind. Nicht wenige Männer verhalten sich in vielen Bereichen dann auch tatsächlich so unselbstständig, dass sie ihre Partnerin noch mehr in eine Rolle einer Fürsorgerin drängen.
Sind auch Sie als Frau gefährdet, Ihren Partner, Ihre Kinder und Ihren Beruf „zu sehr zu lieben“? Dann sollten Sie daran denken: Zu viel Fürsorge und Selbstaufgabe ist häufig kontraproduktiv.
Die Familienmitglieder verlieren jede Eigeninitiative, verhalten sich
unselbstständig, rücksichtslos und wenig einfühlsam. Überengagierte Frauen
belasten auch ihre Angehörigen: Schließlich gibt ihre zunehmende Erschöpfung
Anlass zur Sorge.
Als Mutter nie gut genug – Versagensängste in der Elternrolle
Frau Haider – ständige Sorgen, für die
Kinder nicht genug zu tun
Frau Haider ist 41 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern im Alter von 11, 16 und 20 Jahren. Sie ist Hausfrau und übt seit drei Jahren eine geringfügige Beschäftigung aus. Ihre Kinder sind der Mittelpunkt ihres Lebens.
Wie ihre Mutter geht sie in der ständigen Fürsorge um ihre Kinder auf. Frau Haider versucht stets, ihr Bestes zu geben, und stellt eigene Lebensinteressen völlig zurück. Sie ist enttäuscht über die Entwicklung ihrer Kinder und fragt sich, ob sie in der Erziehung versagt habe.
Die 20-jährige Tochter möchte zum Freund ziehen, weil sie sich von der Mutter zu viel kontrolliert erlebt. Der 16-jährige Sohn möchte wegen schlechter Noten das Gymnasium abbrechen und einen Beruf erlernen.
Frau Haider macht sich Vorwürfe, dass sie zu wenig getan haben könnte, ihren Sohn auf dem Weg zum Abitur zu unterstützen. Die 11-jährige Tochter kämpft darum, mit ihren zwei Freundinnen mehr unternehmen zu dürfen.
Frau Haider hat Angst, dass ihrer Tochter ohne ihre Obsorge etwas passieren könnte, etwa durch Kontakte mit schlechten Kreisen, und dass sie als Mutter wegen der Erlaubnis schuld daran sein würde.
Ihr Gatte findet das Verhalten seiner drei Kinder völlig normal: Kinder müssten sich je nach Alter selbstständig und eigenverantwortlich entwickeln. Frau Haider fühlt sich von ihrem Mann, dem sie Sorglosigkeit vorwirft, überhaupt nicht verstanden.
Sie überlegt eine halbtägige Berufsausübung als Verkäuferin, kann sich jedoch nicht dazu entschließen aus Angst, dass bei den Kindern zumindest dann wirklich vieles schief gehen könnte.
Frau Haider lebt in ständiger Angst, als Mutter nicht gut genug zu sein.
Getragen von der Einstellung „Wenn bei den Kindern
etwas schief geht, bin ich schuld daran, weil ich es nicht verhindert habe“ kann
sie sich nicht für ein eigenständigeres Leben entscheiden – obwohl sie mit ihrer
aktuellen Lebenssituation unzufrieden ist.
Überhöhte Ansprüche an die
Mutterschaft
Die Angst, eine schlechte Mutter zu sein, eben als Mutter zu versagen, begleitet viele Frauen bis zum Erwachsenenalter ihrer Kinder. Sie halten sich nur dann für wertvoll, wenn sie als Mutter vorbildlich funktionieren. Sie fühlen sich für alle Probleme ihrer Kinder in der Schule oder im Leben verantwortlich.
Sie möchten als Mütter perfekt sein, schließlich sind die gesellschaftlichen Erwartungen hoch. Sie wollen ihre Kinder vor allen Gefahren des Lebens beschützen, was schwer möglich ist – also fühlen sie sich ständig ohnmächtig.
Überfürsorgliche Mütter denken ständig daran, was ihre Kinder möchten und brauchen. Sie überlegen, was sie ihnen noch sagen müssen oder schon längst hätten sagen sollen, um sie vor Schaden zu bewahren. Sie nehmen sich aus schlechtem Gewissen weder ausreichend Zeit für sich noch für den Partner.
Viele Mütter opfern sich ganz für ihre Kinder auf. Sie setzen an sich wertvolle Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Selbstlosigkeit so sehr zum Wohle ihrer Kinder ein, dass sie eigene Interessen, Wünsche und Bedürfnisse völlig zurückstellen.
Der gesellschaftliche oder persönliche Druck, neben der Kinderbetreuung einer Arbeit außer Haus nachzugehen, führt viele berufstätige Frauen mit Kindern an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Sie sind hin und her gerissen zwischen der Sorge um ihre Kinder und dem Job, vor allem wenn sie nach der Babypause wieder einsteigen.
Sie sind geplagt von schlechtem Gewissen, die Kinder zu vernachlässigen – obwohl sie ihr Bestmögliches tun. Vor lauter Sorge um Beruf und Familie vergessen sie, an sich selbst zu denken.
Viele Frauen sorgen sich zudem noch übermäßig um ihren gestressten Partner, um ihre alten Eltern und um eine angeblich bedrohliche Zukunft. Diese Sorgen können die Betroffenen so sehr quälen, dass sie eine generalisierte Angststörung entwickeln.
Sie spannen sich seelisch und körperlich noch mehr an. Dadurch fühlen sie sich noch stärker überfordert und entwickeln noch mehr Angst zu versagen – ein Teufelskreis, dem überängstliche Frauen aufgrund ihres mangelnden Selbstwertgefühls nur schwer entkommen können.
Solche Denk- und Verhaltensmuster begünstigen geradezu ein familiär bedingtes
Burn-out. Wenn familiär überengagierte Frauen gleichzeitig am Arbeitsplatz hohen
Anforderungen gerecht werden müssen, führt dies leicht zu einer
Erschöpfungsdepression.
„Liebst du mich noch?“ – Versagensängste in der Partnerschaft
Frau Hartmann – kann sie ein Mann
wirklich lieben?
Frau Hartmann ist 24 Jahre alt, arbeitet als Friseurin und hat noch keine Kinder. Sie ist mit einem 25-jährigen Schlosser seit drei Jahren befreundet und lebt mit ihm seit einem Jahr zusammen.
Täglich steht sie längere Zeit vor dem Spiegel, um ihr Gesicht und ihren Körper zu betrachten. Sie kann ihren leicht übergewichtigen Körper einfach nicht lieben. Beim Vergleich mit ihren schlanken Arbeitskolleginnen bekommt sie Minderwertigkeitsgefühle. Sie ist eifersüchtig auf ihre jüngere Schwester, die essen kann, was sie will, ohne zuzunehmen.
Frau Hartmann hat wegen ihrer Figur nicht nur Hemmungen, sich im Sommer im Bad mit Bikini zu zeigen, sondern auch Probleme, ihrem Freund zu Hause nackt gegenüberzutreten. Sex hätte sie abends am liebsten ohne Licht, damit ihr Partner ihre leichten Rundungen nicht so genau wahrnehmen könne.
Immer wieder fragt sie ihren Freund, ob er sie tatsächlich aus ganzem Herzen liebe, ob ihn ihre Figur und ihr Gewicht wirklich nicht stören, ob er für immer mit ihr zusammenleben möchte.
Die Fixierung auf ihr körperliches Aussehen und das Unwohlsein in ihrem Körper haben bei Frau Hartmann dazu geführt, dass sie sich in sexueller Hinsicht nicht entspannen und keinen Orgasmus erreichen kann, weder beim Geschlechtsverkehr noch vorher oder nachher.
Ständig fragt sie ihren Freund über dessen frühere Partnerbeziehungen aus. Sie möchte wissen, ob sie im Vergleich zu diesen keine Versagerin ist.
Je positiver ihr Freund über sie spricht, umso mehr bekommt sie Angst, er könnte alles nur zu ihrer Beruhigung gesagt und es nicht wirklich erst gemeint haben. Ihr letzter Freund hat sie vor vier Jahren wegen einer anderen Frau verlassen.
Seither leidet sie unter der Vorstellung, für einen Mann nicht gut genug zu
sein, auch wenn ihr Partner ihr dies immer wieder versichert. Ihr ganzes
Selbstwertgefühl ist reduziert auf ihre Figur und die Bestätigung durch ihren
Freund.
Selbstunsicherheit macht vom Partner
abhängig
Frauen mit starkem Selbstzweifel sind aufgrund ihrer Unsicherheit ständig auf die Bestätigung durch ihren Partner angewiesen. Selbst bei großer Zuneigung ihres Partners können Frauen mit geringem Selbstwertgefühl kaum glauben, dass dieser sie wirklich liebt – weil sie sich selbst nicht für liebenswert halten.
Jede noch so gute Beziehung wird zu einem Dilemma: Der Wunsch nach Nähe geht mit der Sorge einher, letztlich doch wieder abgelehnt und verlassen zu werden.
Es kann sich ein fataler Teufelskreis entwickeln: Je mehr eine selbstunsichere Frau bei ihrem Partner dessen ständige Zuwendung einfordert und dessen bisherige Zuneigung als echt bezweifelt, umso mehr kann sich der Partner aus Ärger über die ständige Bedrängung zurückziehen.
Je mehr sich der Partner zurückzieht, umso stärker fürchtet eine selbstwertschwache Frau die tatsächliche Ablehnung, umso stärker wird ihre Forderung nach Bestätigung – eine Abwärtsspirale setzt ein, die das Paar zermürbt.
Frauen mit niedrigem Selbstwert sind mit ihrer Partnerbeziehung weniger zufrieden und blicken weniger optimistisch in die Zukunft als selbstbewusste Frauen. Sie haben trotz ihrer Bemühungen, das Beste zu geben, und trotz der Liebesbezeugungen des Partners ständig das Gefühl, dass die Partnerschaft doch einmal scheitern könnte.
Selbstunsichere Frauen befinden sich in einem ständigen Konflikt: Sie möchten in
der Partnerschaft das Negative unbedingt vermeiden, können gleichzeitig jedoch
nicht wirklich an das Positive glauben.
Das Superfrau-Ideal provoziert erst
recht Versagensangst
Das angestrebte Ideal der Super-Frau, die alle Wunschvorstellungen des Mannes erfüllt, macht solchen Druck, dass Versagensängste unausweichlich sind. Es ist einfach zu viel des Guten, was eine ideale Partnerin bieten soll. Sie soll ganz selbstlos für den Mann da sein und ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen.
Sie soll eine tolle Figur haben und ständig zu sexuellen Aktivitäten bereit sein. Sie soll immer lieb und nett, unbeschwert und unkompliziert sein. Sie soll mit allen Problemen selbst zurechtkommen und den Partner mit nichts belasten. Sie soll alle Haushaltspflichten erfüllen, ohne den Mann um Unterstützung zu bitten.
Bei Stress durch die Mehrfachbelastung von Haushalt, Beruf und Kindern soll sie in der Partnerbeziehung dennoch immer entspannt wirken. Sie soll keine finanziellen Ansprüche stellen, weil sie sich selbst erhalten kann.
Viele Frauen opfern sich für ihren Partner geradezu auf. Sie können sich nicht
einmal dann von ihm trennen, wenn er sie – nüchtern oder unter Alkohol –
schlägt. Den Partner zu verlassen, wäre ein Versagen. Auf einen unfähigen oder
gar gewalttätigen Mann „hereingefallen“ zu sein, geben viele Frauen nicht gern
zu.
„Hoffentlich klappt es heute“ – die Angst vor sexuellem Versagen
Herr Maier – Sexualität auf Knopfdruck
Herr Maier ist 29 Jahre alt und arbeitet als Betriebselektriker in einem Krankenhaus. Er wohnt seit zwei Jahren mit einer 27-jährigen attraktiven Partnerin zusammen. Zunehmend bekommt er Angst, sie zu verlieren, weil er seit einem Jahr unter sexuellen Problemen leidet.
Anfangs war er so sehr darauf bedacht, seine Freundin beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus zu bringen, dass eher er aus Stress einen vorzeitigen Samenerguss bekam als sie einen Orgasmus.
Im Laufe der Zeit entwickelte Herr Maier aus Angst, sexuell immer mehr zu versagen, zunehmende Ängste um seine Potenz. Sein Leistungsdruck gegenüber seiner Freundin hat sich nun auf ihn selbst gerichtet. Sein Ziel ist es immer mehr, die häufiger werdenden Erektionsprobleme zu vermeiden, statt sich auf die sexuelle Begegnung zu freuen: Lieber kein Sex als nur ein „halber“ – Leistung pur in einem Bereich, wo Liebe, Zärtlichkeit und Genießen im Mittelpunkt stehen sollten.
Herr Maier, der im Beruf als sehr gewissenhafter und ehrgeiziger Arbeitnehmer gilt, möchte auch im Bett der Beste sein. In seinen Beziehungen mit den vier früheren Freundinnen hatte er keinerlei sexuelle Probleme.
Bei seiner jetzigen Freundin, die während des Geschlechtsverkehrs noch nie einen Orgasmus erlebt hat, wollte er unbedingt das Ziel des gemeinsamen Orgasmus während des Verkehrs verwirklichen – bis er selbst durch seinen Stress eine Sexualstörung entwickelte.
Seine Freundin hat ihre Sexualität akzeptiert, wie sie ist: Orgasmus nur vor oder nach dem Geschlechtsakt. Für ihn stellt dies dagegen ein Versagen seinerseits dar: Ein Mann muss seine Partnerin während des Verkehrs doch zum Orgasmus bringen können – auch wenn diese gar nicht danach verlangt und dies bislang noch gar nicht erlebt hat.
Seine Partnerin kann ihn nicht davon überzeugen, dass seine Bestrebungen ihm und auch ihr nur unnötigen Druck bereiten. Er hat sich im Laufe der letzten Monate so auf seine sexuelle Funktionsfähigkeit eingeengt, dass er diese um jeden Preis sichern möchte – auch mit Hilfe eines Potenzmittels.
Der konsultierte Urologe empfahl ihm jedoch eine Verhaltenstherapie, um mit
seinen sexuellen Versagensängsten besser umgehen zu lernen.
Der Leistungsdruck in unserer Gesellschaft macht an der Schlafzimmertür nicht halt. Viele Frauen und Männer haben in zunehmendem Ausmaß ein Problem: im Bett zu versagen. Sie können Liebe, Erotik, Zärtlichkeit nicht mehr genießen, können sich nicht fallen lassen. Sie setzen sich unter Druck, zu funktionieren und sexuelle Leistungskriterien zu erfüllen.
Diese Gefahr ist besonders groß, wenn Sexualität zur Stärkung eines unsicheren Selbstwertgefühls missbraucht wird. Sexuell zu versagen, bedeutet dann so viel wie als Mann oder als Frau zu versagen.
Sexuelle Funktionsstörungen sind häufig, das Geschäft mit Potenzmitteln blüht. Männer fühlen sich durch beruflichen Stress oft lustlos, leiden unter gelegentlichen Erektionsstörungen oder frühzeitigem Samenerguss. Frauen vermissen die Lust, kommen schwer zum Orgasmus, sie verspüren Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, ihre Vagina wird nicht feucht genug. Die Angst, den Partner zu enttäuschen, seinen Erwartungen nicht zu entsprechen, verstärkt den Leistungsdruck.
Fachleute bezeichnen Erektionsstörungen als „erektile Dysfunktion“. Gemeint ist eine ausbleibende, ungenügende oder unzureichend lange Versteifung des Gliedes. Der Begriff „Potenzstörung“ gilt als Überbegriff; er umfasst auch die Symptomatik der Zeugungsunfähigkeit.
Männer leiden unter erektiler Dysfunktion, wenn sie mehrere Monate lang in der Hälfte aller Versuche keine befriedigende Erektion erreichen bzw. aufrechterhalten können. Erektionsstörungen ergeben sich nicht nur aus einem unzureichenden Blutzufluss in den Penis; dieser ist oft durchaus ausreichend, das Blut fließt dann aber zu rasch ab.
Eine Studie im Jahr 2001 untersuchte 26.000 Personen in 28 Ländern. Resultat: 39 % der Männer und 44 % der Frauen hatten in den letzten 12 Monaten sexuelle Probleme. 68 % der deutschen Männer haben keine Lust auf Sex, wenn sie unter beruflichem Stress stehen. Die größten Lustkiller sind Stress im Job, Existenzängste und mangelnde Zukunftsperspektiven.
Die betroffenen Männer spüren negative Auswirkungen ihrer sexuellen Probleme auf ihre berufliche Leistungsfähigkeit. Ihre Arbeitsleistung sei schlechter, die Konzentration leichter gestört, es komme zu mehr Frust im Job. Das ergibt einen Teufelskreis: Der berufliche Leistungsdruck begünstigt Potenzprobleme, diese wiederum vermindern die Arbeitsproduktivität.
In der bislang weltweit größten Untersuchung wurden 8000 Männer zwischen 30 und 80 Jahren im Raum Köln befragt. Nahezu ein Fünftel aller Männer (19,2 %) beklagt eine Erektionsstörung. Erektionsstörungen nehmen mit ansteigendem Alter deutlich zu. 2 % der 30- bis 39-jähringen, 9 bis 10 % der 40- bis 49-jährigen, 15 % der 50- bis 59-jährigen, 30 % der 60- bis 69-jährigen und mehr als 50 % der 70- bis 79-jährigen Männer leiden unter erektiler Dysfunktion.
Man kann davon ausgehen, dass etwa 10 % der Männer unter klinisch relevanten, behandlungsbedürftigen Erektionsstörungen leiden. Gelegentliches sexuelles Versagen ist fast jedem Mann bekannt. Gelassenheit ist nötig, um sexuellen Leistungsdruck und Versagensängste zu vermeiden, die aus dem seltenen und normalen Ereignis des sexuellen Versagens ein häufiger auftretendes Problem machen.
10 bis 20 % der Männer leiden an einem vorzeitigen Samenerguss. Es ist fast immer psychisch bedingt, wenn ein Mann keinerlei Kontrolle über den Zeitpunkt seiner Ejakulation hat. Was eine vorzeitige oder zu schnelle Ejakulation ist, lässt sich nicht einfach nach einem Zeitkriterium bestimmen, etwa dass der Mann bereits zwei Minuten nach der geschlechtlichen Vereinigung „kommt“.
Die sexuelle Zufriedenheit hängt entscheidend von Erwartungen und subjektivem Empfinden des Mannes und seiner Partnerin ab.
Viele Frauen leiden ebenfalls unter sexuellen Versagensängsten. Nach einer österreichischen Studie haben 30% der 20- bis 40-jährigen Frauen noch nie oder nur selten einen Orgasmus erlebt. Junge Frauen haben eher Probleme, zum Orgasmus zu kommen, als reife Frauen, die ihren Körper besser kennen.
In Deutschland werden folgende Zahlen genannt: 35 % der Frauen haben zumindest
eine gewisse Zeit lang kein Verlangen nach Sex, 11 % leiden unter Störungen bei
der sexuellen Erregung, 5 % haben noch nie einen Orgasmus erlebt, 20 % kommen
nur selten zum Höhepunkt und 8 % haben
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
Ursachen sexueller Versagensängste
Männer machen ihren Selbstwert oft von ihrer Leistungsfähigkeit abhängig. Männer müssen funktionieren, dürfen nicht schwach sein und auf keinen Fall versagen. Sie haben in der Erziehung gelernt: „Ein Junge weint nicht“, „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, „Ein Mann muss stark sein“. Angst überhaupt, vor allem jedoch die Angst zu versagen, gilt als Makel und somit als unmännlich.
Die hohen Leistungsansprüche vieler Männer zeigen sich insbesondere im sexuellen Bereich. Es gilt, jederzeit „seinen Mann zu stehen“. Wer öfter keine Erektion bekommt, fühlt sich als „Schlappschwanz“ und „halber Mann“. Allzeit fähig und bereit zu sexueller Aktivität – das bestimmt das Selbstbild vieler Männer.
Die Leistungsfähigkeit im Beruf und beim Sex sind die zwei Säulen der Männlichkeit. Umgekehrt formuliert: Männer haben große Angst davor, beim Sex und im Beruf zu versagen. Jeder dritte Mann befürchtet, keine Erektion zu bekommen, wenn es darauf ankommt. Die meisten Männer erleben sexuelle Funktionsstörungen als massives Versagen.
Erektionsstörungen können organische oder psychische Ursachen haben. Zu den häufigsten organischen Ursachen zählen etwa Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gefäßerkrankungen, Funktionsstörungen der endokrinen Drüsen (z.B. zu niedriger Testosteronspiegel), Alkohol- und Drogenmissbrauch.
Die wichtigsten psychischen Ursachen sind beruflicher Stress, Versagensängste, ängstlich-angespannte Selbstbeobachtung, negative Erwartungen, ablenkende Gedanken, mangelnde Stimulation, sexuelle Lustlosigkeit, Unsicherheit, männliche Selbstwertprobleme, Ablehnung des weiblichen Körpers, Partnerschaftsprobleme und psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen.
Eine klinisch relevante Depression ist, einer amerikanischen Studie zufolge, viel häufiger die Ursache für Erektionsstörungen als alle körperlichen Faktoren (inklusive Diabetes) zusammen.
Man kann drei Arten von seelischen Ursachen für Erektionsstörungen
unterscheiden, die im Einzelfall in unterschiedlichem Ausmaß zusammenwirken
können:
unmittelbar wirksame Faktoren:
Versagensängste, Konflikte mit dem Partner, Ablenkung durch Probleme;
Faktoren aus der jüngeren
Vergangenheit: bestimmte Lebensereignisse, die negative seelische
Auswirkungen auf die männliche Sexualität haben;
länger zurückliegende, biografische
Faktoren: unbewältigte Probleme aus der Kindheit und Jugend, wie etwa frühe
Konflikte, Traumatisierungen oder männliche Identitätsstörungen.
Fachleute streiten sich über die Verteilung von seelischen und körperlichen Ursachen für männliche Sexualstörungen. Psychologen, Psychotherapeuten und Sexualwissenschafter schätzen, dass 60 bis 80 % aller Erektionsstörungen seelische Gründe haben. Ärzte diagnostizieren in 80 % der Fälle organische Ursachen.
Es stimmt wohl, dass vier Fünftel der betroffenen Männer über 60 Jahre aus organischen Gründen an Sexualstörungen leiden. Dieser Wert kann aber nicht auf alle Männer verallgemeinert werden. Jedenfalls sind psychische Ursachen umso eher anzunehmen, je jünger die Männer sind. Psychische Ursachen, vor allem Erwartungsängste, können die mit dem Alter zunehmenden körperlichen Hintergründe verstärken.
Jüngere Männer leiden eher an Erektionsstörungen aufgrund von Stress, Angst oder Konflikten, die eine sexuelle Aktivität hemmen. Bei älteren Männern lässt die zentrale und periphere Erregbarkeit nach.
Bei Frauen sind nur knapp ein Viertel (24 %) aller Sexualstörungen organisch bedingt, mehrheitlich sind psychische und soziale Ursachen dafür verantwortlich.
Immer mehr Männer geraten in einen sexuellen Leistungsdruck, der die Angst zu versagen begünstigt. Dies hängt auch mit veränderten Einstellungen und Verhaltensweisen von Frauen zusammen.
Frauen sind sexuell selbstbewusster und anspruchsvoller geworden. Sie nehmen nicht mehr alles so hin wie in früheren Jahrzehnten. Unsichere Männer können damit nicht umgehen und fühlen sich unter Druck gesetzt.
Männliche Erektionsstörungen entwickeln sich aus der Angst zu versagen. Sexuelle Versagenserlebnisse verstärken diese Angst. Es entwickelt sich ein Teufelskreis: Wenn ein Mann sexuell versagt, bekommt er mehr Angst, wieder zu versagen. Er wird durch seine Versagensangst in seiner sexuellen Erregung gehemmt – weitere Versagenserlebnisse werden wahrscheinlich.
Erektionsstörungen und vorzeitiger Samenerguss wirken sich negativ auf das Selbstwertgefühl des Mannes und die Lebensqualität beider Partner aus. Um die Partnerin nicht zu enttäuschen, beschäftigen sich sexuell unsichere Männer ständig damit, wie sie sexuelles Versagen vermeiden können. Dabei wäre alles leichter, wenn sie die angenehmen Seiten des körperlichen Zusammenseins genießen könnten.
Stress pur: Unabhängig von organischen oder psychosozialen Problemen muss der Körper bei jeder sexuellen Gelegenheit funktionieren, und zwar um jeden Preis! Kein Mittel ist zu teuer – auch nicht für jene Männer, für die die modernen Potenzmittel gar nicht entwickelt wurden.
Auch Frauen wollen heute mit gutem Recht bei jeder sexuellen Begegnung zum Orgasmus kommen. Sie setzen sich selbst immer mehr unter Druck. Sie wollen unbedingt während des Geschlechtsverkehrs einen Orgasmus erleben, obwohl dies bei der Hälfte der Frauen nicht möglich ist, weil sie nicht genügend stimuliert sind. Sie wünschen sich multiple Orgasmen – schließlich hat die Freundin derartiges schon erlebt und prahlt damit.
Dies sind für viele Frauen unerreichbare Traumziele. Sie können ihre Wünsche aber nicht aufgeben – im Vergleich zu anderen Frauen hätten sie dann versagt. Aus sexuellem Leistungsdruck heraus täuschen viele Frauen ihrem Partner einen Orgasmus vor. Sie wollen in der heutigen (angeblich) sexuell freizügigen Zeit nicht als sexuelle Versagerin oder gar als frigid dastehen.
Ein Hintergrund für weibliche Sexualstörungen ist die Perfektionsfalle. Betroffene Frauen möchten es allen recht machen. Sie wollen als Mutter, Partnerin, Arbeitnehmerin und Hausfrau perfekt funktionieren. Vor lauter Stress bleiben Lust und Leidenschaft auf der Strecke. Das Bedürfnis, alles unter Kontrolle zu haben, führt dazu, dass sie sich beim Sex nicht fallen lassen können.
Ein anderer Hintergrund sind die weiterhin aktiven, traditionellen gesellschaftlichen Normen und Bilder von weiblicher Sexualität. Im Gegensatz dazu erheben heute immer mehr Frauen Anspruch auf ein erfülltes Sexualleben, auf eine freie sexuelle Entwicklung.
Doch weibliches Begehren ist weithin nicht akzeptiert, viele Frauen können ihr
Begehren daher weder ausdrücken noch zulassen. Medien und persönliche Vorbilder
gaukeln ein falsches Bild bis zu Fehlinformationen vor. Mangelndes Wissen über
den weiblichen Körper und die eigene Sexualität – auch beim Partner – führen zu
unerreichbaren Erwartungen.
Älter werdende Männer können unnötige Versagensängste vermeiden, wenn sie einige
Besonderheiten beachten:
In der Erregungsphase entwickelt sich
die Erektion oft erst nach längerer direkter Stimulierung. Die sexuelle
Erregungskurve verläuft flacher; die Erektion ist durchschnittlich weniger
fest und weniger stabil als in jüngeren Jahren.
Die Plateauphase dauert länger als
früher, die Orgasmusphase setzt langsamer ein.
Die Orgasmusphase ist charakterisiert
durch eine geringere Menge an Samenflüssigkeit. Die Intensität der
Ejakulation ist herabgesetzt, es entsteht ein geringeres
„Ejakulationsbedürfnis“.
In der Rückbildungsphase klingt die
Erektion schneller ab und die Zeit bis zu einer neuerlichen Ejakulation ist
verlängert.
Ältere Frauen können sexuell
befriedigende Erfahrungen haben, wenn sie folgende Aspekte berücksichtigen:
Bei sexueller Erregung ist die
Befeuchtung der Vagina vermindert und verzögert, bedingt durch die
versiegende Östrogenproduktion und die beginnende Schrumpfung der
Vaginalwand.
In der Plateauphase ist die
Dehnbarkeit der Vagina eingeschränkt; die Klitoris kann schmerzempfindlicher
werden durch das leichte Schrumpfen der kleinen Schamlippen.
Die Orgasmusphase ist verkürzt und die sexuelle Erregung geht rascher zurück.
„Alle schauen auf mich“ – Sprech- und Präsentationsängste
Herr Berger – Angst vor Blamage
Herr Berger ist 37 Jahre alt und befreundet mit einer Bankangestellten. Er hat nach seinem Informatik-Studium in der Software-Entwicklung gearbeitet. Vor einem Jahr wurde er nach der Pensionierung seines Chefs zum Leiter der Entwicklungsabteilung ernannt.
Seither ist ihm bewusst, dass seine soziale Kompetenz im Vergleich zu seiner fachlichen Qualifikation mangelhaft ist. Öffentliche Auftritte sind für ihn ein Gräuel, was ihm vorher gar nicht so aufgefallen war. Früher hatte er nur vor einigen wenigen Personen zu sprechen und nicht, so wie jetzt, vor einem größeren Publikum – seien dies nun seine Mitarbeiter, eine größere Anzahl von Geschäftspartnern oder Zuhörer eines Vortrags, zu dem auch zahlreiche Persönlichkeiten eingeladen sind.
Seltsamerweise fürchtet sich Herr Berger jetzt als Chef sogar mehr vor seinen Vorgesetzten als früher – schließlich hat er ja ein höheres Sozialprestige und daher einen guten Ruf zu verlieren. Er möchte die Geschäftsführer, die große Erwartungen in ihn setzen, keinesfalls enttäuschen und ist daher gerade vor ihnen innerlich besonders angespannt.
Er fürchtet, gerade dann, wenn alle auf ihn schauen, während des Vortrags aus Unsicherheit zu stottern, aus Verlegenheit rot zu werden oder bei großem Druck zu schwitzen. Nach jedem öffentlichen Auftritt hat er stets das Gefühl, das Ärgste gerade noch einmal verhindert zu haben.
Als Begründung seiner unberechtigten Ängste kann er nur ein unverarbeitetes Erlebnis anführen: Im Alter von 16 Jahren begannen in der Schule bei einem Vortrag alle Mitschüler zu lachen, als ihm durch ein Missgeschick seine Unterlagen zu Boden gefallen waren. Im Rahmen einer Abendveranstaltung, zu der die Bank seiner Gattin eingeladen hatte, bemerkte er ein leichtes Zittern beim Anstoßen mit dem Sektglas, als er ihrem Chef vorgestellt wurde.
Es war ihm peinlich, unangenehm aufgefallen zu sein, obwohl er gar nicht wusste, ob seine innere Anspannung tatsächlich äußerlich sichtbar war.
Seit diesem Erlebnis vor einem halben Jahr achtet Herr Berger bei allem, was er mit der rechten Hand angreift, darauf, auf keinen Fall zu zittern. Es könnte als Nervosität ausgelegt werden, wenn er beim Halten eines Glases, einer Kaffeetasse, eines Suppenlöffels oder eines Kugelschreibers zittern würde.
Hinter allen Befürchtungen, sich zu blamieren und oder gar als unfähiger Chef
entlarvt zu werden, steht dieselbe Angst: die Befürchtung, in seiner Rolle zu
versagen und von den anderen nicht mehr geschätzt zu werden.
Versagen vor aller Augen – das Sozialprestige in Gefahr?
Viele Menschen haben Angst, in außerfamiliären Kontakten mit anderen Menschen zu versagen. Der Grund dafür: Sie glauben, unfähig oder nicht gut genug zu sein; sie haben ein negatives Bild von sich selbst: „Ich bin nicht okay“, „Ich bin nicht in Ordnung, so wie ich jetzt bin“, „Ich bin mit meinen Fehlern und Schwächen nicht liebenswert.“
Solche negativen Vorstellungen forcieren soziale Ängste im Umgang mit anderen Menschen geradezu. Die Betroffenen ängstigen sich, in den Augen anderer zu versagen, sie wollen auf keinen Fall Ablehnung riskieren. Sozial ängstliche Menschen sind sich selbst gegenüber viel zu kritisch.
Wir haben Kritik- und Versagensangst in Situationen, in denen wir uns von anderen Menschen beobachtet fühlen. Das hat seine Hintergründe bei uns selbst: Wir kritisieren uns selbst wegen vermeintlicher oder echter Schwächen, bevor wir noch anderen Menschen begegnen. Wir wollen sozialen Beurteilungssituationen oft ausweichen.
Wenn wir uns doch sozialen Situationen stellen müssen, versuchen wir uns möglichst perfekt und entgegenkommend zu geben. Ein solches Verhalten soll die Mitmenschen an Kritik und Ablehnung hindern. Wir halten unsere Schwächen für eine Schande und einen Makel, also tun wir alles, um möglichst gut und beeindruckend aufzutreten. Wir stehen bei jeder sozialen Begegnung unter dem Stress, uns selbst zu beobachten und so auf ein sozial erwünschtes Verhalten zu achten.
Wohl alle Menschen haben ein natürliches Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Anerkennung vonseiten der anderen. Die Angst vor peinlicher Auffälligkeit und kränkender Zurückweisung ist aber oft so groß, dass sie das Bedürfnis nach Selbstdarstellung hemmt. Die Betroffenen vermeiden dann um jeden Preis, sich im Mittelpunkt zu erleben.
Viele Menschen haben einen „Bammel“, in der Öffentlichkeit frei zu sprechen oder sich vor anderen Menschen zu präsentieren. Sie haben Angst zu versagen, obwohl sie gar keine Leistung im Sinne einer Prüfung zu erbringen haben. Der Druck ist verstärkt, weil sicheres Reden und souveränes Auftreten in der Öffentlichkeit heutzutage Schlüsselqualifikationen im Beruf und in der Freizeit sind.
Bei Auftritten jeder Art geht es um die Einmaligkeit des Erlebens und die Unverwechselbarkeit der Situation. Wir sind bei jeder Präsentation einmalig, auch die anderen sind einmalig. Die anderen sind zudem nicht in allen Situationen dieselben. Das macht den Charakter jeder Begegnung aus. Wir wissen trotz Routine vorher nie, was dabei herauskommt.
Eine gewisse Aufregung ist normal: Wird es wieder so gut gelingen, die Botschaft zum Publikum hinüberzubringen wie beim letzten Mal? Werden wir beim nächsten Mal wegen anderer Zuhörer und Zuschauer völlig anders sein? Das sind der Nervenkitzel der jeweiligen Situation und die übliche Erwartungsspannung aller, die regelmäßig Auftritte vor sich haben.
Jeder Auftritt und jede Präsentation lebt von der einmaligen Interaktion zwischen Darsteller und Publikum. Je mehr wir Routine suchen, umso mehr vernachlässigen wir die Chancen des Augenblicks, die gegebenen Möglichkeiten zum Wohle aller zu nutzen.
Gute und routinierte Referenten und Darsteller haben Mut zur Variation und Improvisation in den verschiedenen Situationen. Sie haben keine Angst vor ihrer eigenen Rolle und Persönlichkeit. Sie haben Mut zu individueller Körpersprache, ohne sich ängstlich gehemmt zu verhalten.
Hingegen versuchen sich unsichere Anfänger zu beruhigen, indem sie alles nach einem bestimmten Standard richtig machen wollen. Daraus ziehen sie Sicherheit, so vermeiden sie Versagensangst. Die Entwicklung und Präsentation einer eigenen Autorität in Auftrittssituationen garantiert am besten dafür, dass sich Referenten und Darsteller nicht komplett der gefürchteten Autorität des Publikums ausliefern.
In Auftrittssituationen fühlen wir uns im wahrsten Sinn des Wortes beengt. Erinnern Sie sich: Die Worte „Angst“ und „Enge“ haben die gleiche lateinische Wortwurzel. Wenn wir uns in die Enge getrieben fühlen, kaum Luft zum Atmen bekommen, möchten wir am liebsten weglaufen. Wir vergessen alle Möglichkeiten, wie wir uns jenen Raum nehmen können, den wir zum Wohlfühlen brauchen.
Viele Menschen befürchten, in sozialen Situationen einen schlechten Eindruck zu hinterlassen oder sich unangenehm beklemmt zu fühlen. Sie vermeiden daher das Licht der Öffentlichkeit.
Sie werden seelisch und körperlich angespannt, wenn sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit anderer Menschen stehen und vor bzw. mit ihnen sprechen sollen. Ihre Stimme wird hoch und zittrig, ihre Atmung schneller und flacher; sie schwitzen oder zittern, werden rot, versprechen sich oder verlieren den Faden.
Wir reagieren mit Sprech- und Präsentationsängsten auf vorgestellte oder
tatsächliche Leistungen, beispielsweise in folgenden Situationen:
in der Öffentlichkeit sprechen und in
einer Gruppe das Wort ergreifen,
eine Ansprache oder eine Rede halten,
bei einem bestimmten Anlass öffentlich
in Erscheinung treten,
bei einer Feier im Mittelpunkt stehen,
eine Tätigkeit verrichten und dabei
beobachtet werden,
an Diskussionen teilnehmen,
eine Veranstaltung leiten oder moderieren,
Gespräche mit Autoritätspersonen
führen,
Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche
führen.
Normale Sprech- und Redeängste gehen auf Schüchternheit zurück. Belastende Sprechängste stellen eine leichte Form der Sozialphobie dar. Die Betroffenen erwarten gewöhnlich Kritik vonseiten anderer Menschen und entwickeln belastende körperliche Symptome.
Sprech- und Redeängste treten bereits im Pflichtschulalter auf. Sie stellen uns in vielen Lebenssituationen vor Probleme: an der Universität oder am Arbeitsplatz, bei allen möglichen privaten Gelegenheiten, in denen wir uns in Gruppen bewegen.
Selbstunsichere Menschen leben in ständiger Angst, von den Mitmenschen abgelehnt
zu werden und in sozialen Kontaktsituationen zu versagen. Hinter Kontaktängsten
stehen oft Versagensängste, etwa in folgenden sozialen Situationen:
wenn wir anderen Menschen vorgestellt
werden,
wenn wir mit anderen Menschen ein
Gespräch führen,
wenn wir mit fremden Personen in
Blickkontakt treten,
wenn wir Personen des anderen
Geschlechts kennen lernen,
wenn wir an Gruppen teilnehmen (Partys, Feiern, Treffen, Verabredungen, Geschäftsessen).
„Die werden mich fertig machen!“ – Selbstbehauptungsängste
Herr Zauner – die anderen sind
übermächtig
Herr Zauner ist 31 Jahre alt und allein stehend. Er ist Hilfsarbeiter in der Baubranche. Seit seiner Schulzeit hat er dasselbe Problem: Im Kreise seiner Kollegen kann er sich nicht durchsetzen. Aus Angst vor Ablehnung schließt er sich stets der Mehrheit an, um direkter Ablehnung und unerträglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Sein Taktieren und sein Charakter als Mitläufertyp sind bekannt und bringen ihm keine wirklichen Freunde. Aus Angst vor dem vollständigen sozialen Abseits richtet er sich immer mehr nach den Wünschen der anderen – und wirkt dadurch erst recht schwach und hilflos.
Weil Herr Zauner keine eigene Familie hat und auch keine Selbstbehauptungsfähigkeit, sich gegenüber unbilligen Forderungen anderer Menschen zu wehren, teilt ihn sein Vorarbeiter unwidersprochen zu Aufgaben und Arbeitszeiten ein, denen andere mit gut gewählten Argumenten regelmäßig entkommen.
Es ärgert ihn innerlich, wie seine Arbeitskollegen und sein Vorgesetzter mit ihm umgehen. Er wird auch gehänselt, warum er noch keine Freundin habe. In der Firma gilt er als „Mädchen für alles“: Was niemand tun will, soll er erledigen. Aus Angst, dass ihn die anderen fertig machen könnten, wenn er sich wehren würde, schluckt er alles hinunter.
Nur unter Alkohol ist Herr Zauner mutig, doch leider in einer Weise, dass er dabei letztlich wieder scheitert, denn er muss sich für den Ton seiner Worte entschuldigen, auch wenn diese ein berechtigtes Anliegen zum Ausdruck bringen. Um auf seinem Arbeitsplatz nicht als Versager zu gelten, hat er nur eine Wahl, nämlich das zu tun, was die anderen von ihm verlangen.
Früher wurde er bei vereinzelten Versuchen, sich zu wehren, gemobbt. Aus Angst
vor seinen Arbeitskollegen gibt er jetzt lieber gleich klein bei, um sich das
Los der sozialen Ausgrenzung und Ablehnung zu ersparen.
Angst vor sozialer Unterlegenheit
Viele Menschen wagen es aus Angst vor Versagen und Ablehnung kaum, sich anderen gegenüber energisch durchzusetzen. Solche Situationen würden ihre Grundängste aktivieren. Personen mit mangelnder Selbstbehauptungsfähigkeit befinden sich in einem Dilemma: Sie möchten gerne selbstbewusster auftreten, machen sich dabei jedoch abhängig vom Urteil der anderen.
Je mehr sie sich mit den möglichen Reaktionen der anderen auf ihr selbstsicheres Auftreten beschäftigen, umso mehr geben sie den anderen Menschen Macht über ihr Verhalten – und bestätigen damit erst recht ihre eigene Unterlegenheit.
Sie beschäftigen sich ständig mit Fragen wie: „Werden mich die anderen noch lieben, wenn ich ihnen mit einer anderen Meinung entgegentrete?“, „Werde ich in die Gruppe der anderen aufgenommen, wenn ich zu sehr meine Ecken und Kanten zeige?“
Wir haben in folgenden Situationen Angst, uns selbst zu behaupten:
wenn wir unsere Meinung vertreten und
durchsetzen möchten,
wenn wir jemandem bei
Meinungsverschiedenheiten widersprechen,
wenn wir Konflikte mit anderen
Menschen austragen,
wenn wir Ungerechtigkeiten und
ungebührlichen Erwartungen entgegentreten,
wenn wir uns gegenüber unberechtigter
Kritik wehren,
wenn wir in einer Gruppe eigene
Forderungen stellen,
wenn wir Beschwerden vorbringen und
Reklamationen in Geschäften vornehmen,
wenn wir vermeintlich kritischen
Menschen gegenübertreten.
Teil II: Die Angst zu versagen – woher sie kommt und wohin sie führt
„Die Angst vor Neuem lässt uns
immer wieder in alte Fehler zurückfallen.“
Ernst Ferstl
Ursachen von
Versagensängsten
„Sobald du dir vertraust,
sobald weißt du zu leben.“
Johann Wolfgang von Goethe
Wenn Menschen übertriebene Leistungsängste haben, kann das zahlreiche Gründe haben. Die wichtigsten Ursachen für Versagensängste sind rasch aufgezählt.
Versagensängste treten auf,
wenn wir bei geringem Selbstwertgefühl überhöhte Ansprüche an uns stellen, wenn
unser Bedürfnis nach sozialer Anerkennung groß ist, wenn wir uns seit
Kindheitstagen überfordert fühlen, Furcht vor Misserfolg haben und diesen
unbedingt vermeiden wollen, wenn wir uns in Leistungssituationen übermäßig
selbst beobachten, wenn der Stress am Arbeitsplatz zunimmt.
„Ich bin eine Null“ – Geringes Selbstwertgefühl und überhöhte Ansprüche
Herr Peter – die anderen sind immer besser
Herr Peter ist 29 Jahre und lebt in keiner fixen Partnerschaft. Er ist Hilfsarbeiter auf dem Land. Sein überkritischer Vater nörgelte in der Kindheit stets an ihm herum. Der Vater sagte ständig Dinge wie: „Dein jüngerer Bruder ist schon besser als du.“
Herr Peter brach seine Berufsausbildung zum Schlosser ab. Er dachte, nicht so gut zu sein wie die anderen jungen Männer in seiner Firma. Warum er das glaubte? Anlass war eine Ungeschicklichkeit, wegen der ihn seine Kollegen einmal ausgelacht hatten.
Herr Peter beneidete gleichaltrige Männer, die ihm im Umgang mit Frauen viel entspannter vorkamen und mehr Erfolg hatten als er, der schüchtern und unsicher wirkte. Herr Peter besuchte einen Tanzkurs, um dem anderen Geschlecht gegenüber lockerer zu werden – er brach auch diesen ab mit der Begründung, beim Tanzen nicht gut genug zu sein.
Sich selbst gegenüber fand Herr Peter immer das gleiche Argument: Ich bin nicht gut genug, ich schaffe das nicht, die anderen sind besser, wer will schon mit mir zusammenarbeiten. Seine Volksschullehrerin hatte bereits erkannt: Bevor er etwas beginnt, möchte er es perfekt beherrschen. Denn er möchte sich vor den anderen nicht blamieren.
Bei neuen Aufgabenstellungen ist dies einfach nicht möglich – und so gibt Herr Peter lieber vorzeitig auf. Er versucht gar nicht, sich Herausforderungen längere Zeit zu stellen und sie zu meistern.
In der Hauptschulzeit diagnostizierte ein Schulpsychologe eine gut durchschnittliche intellektuelle Leistungsbreite. Aus Angst zu versagen nutzte Herr Peter diese nicht. Er resignierte bereits als Kind, wenn er etwas nicht sofort konnte. Warum? Er dachte, die anderen hätten dies schon längst erledigt, also müsste auch er dazu imstande sein.
Weil er eine Aufgabe in seinen Augen nicht schnell genug bewältigen konnte, gab er lieber gleich vorzeitig auf. Herr Peter hätte in seiner jetzigen Firma die Chance, sich höher zu qualifizieren. Dazu müsste er mit Computern umgehen lernen, was er sich nicht zutraut.
Herr Peter scheitert im Beruf und bei Kontakten zu anderen nicht an seinem Unvermögen. Schuld an seiner Situation ist vielmehr seine mangelnde Bereitschaft, durch Versuch und Irrtum zu lernen. Herr Peter stellt zu hohe Ansprüche an sein Können, um seine Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren – das aber erstickt all sein Bemühen um mehr Kompetenz bereits in den Anfängen.
Im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung bestätigt er seinen Vater,
der ihm vorhergesagt hat: „Du wirst es nie zu etwas bringen, wenn du so weiter
machst.“
Die zwei zentralen Aspekte des Selbstwertgefühls
Versagensängste sind häufig Ursache und Folge eines geringen Selbstwertgefühls. Die Begriffe Selbstwert, Selbstbewusstsein, Selbstachtung, Selbstbejahung, Selbstvertrauen, Selbstliebe, Selbstsicherheit, Selbstbehauptung und neuerdings der Fachausdruck „Selbstwirksamkeit“ beschreiben die eigenen Stärken und das zuversichtliche Vertrauen in die eigene Person.
Viele Psychologen verwenden die Bezeichnung „Selbstwertgefühl“ als Überbegriff. Sie unterscheiden zwei Teilbereiche, die eng miteinander verbunden sind: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Vertrauen auf den eigenen Wert.
Wenn wir unserer Handlungsfähigkeit vertrauen, erleben wir das als Zuversicht oder Kompetenzgefühl. Wir haben ein Urvertrauen in unsere Funktionsfähigkeit, wenn das Leben Aufgaben und Probleme an uns heranträgt. In der psychologischen Fachsprache hat man dafür den Ausdruck „Selbstwirksamkeit“ (englisch „self-efficacy“) geprägt.
Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit vertrauen auf die Wirksamkeit ihres Tuns. Wenn wir an unsere Selbstwirksamkeit glauben, erleben wir uns als stark und kompetent, auch wenn neue, bisher unbekannte Situationen und Aufgaben auf uns zukommen. Wir fühlen uns den Herausforderungen des Lebens gewachsen. Wir sind davon überzeugt, dass wir unsere Ziele erreichen, soweit wir den Erfolg mit unseren Möglichkeiten und Anstrengungen beeinflussen können.
Menschen mit geringem Selbstwirksamkeitsglauben – einfacher ausgedrückt mit geringem Selbstvertrauen in das eigene Wissen und Können – fürchten sich vor neuen Aufgaben und Situationen, empfinden sie als zu schwierig; sie trauen sich deren Bewältigung nicht zu.
Auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen zeigt sich, wie sehr wir an die Wirksamkeit unseres Tuns glauben. Wir sind sozial kompetent, wenn wir Situationen und Begegnungen mit anderen Menschen erfolgreich mitgestalten und unsere Person wirksam zur Geltung bringen können. Das gilt auch für das Arbeitsumfeld.
Fachliches Können im Beruf genügt immer weniger. Um beruflichen Erfolg zu haben, müssen wir uns gut „verkaufen“ und wirksam durchsetzen. Vielleicht haben Sie diese schmerzvolle Erfahrung schon gemacht: Große Fähigkeiten und gute Leistungen allein sind zu wenig, Sie müssen diese auch zeigen können.
Selbstsicheres Auftreten mag blenden, es reicht auf Dauer allein ohne entsprechende Fähigkeiten nicht aus. Es erleichtert aber die berufliche Karriere ungemein. Eine hohe soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Menschen wird gewöhnlich als „Selbstsicherheit“ oder „Selbstbehauptung“ bezeichnet.
Der zweite Aspekt des Selbstbewusstseins ist das Vertrauen in den eigenen Wert. Wir sind überzeugt davon, dass wir es verdienen, geschätzt und geliebt zu werden. Dieser Gesichtspunkt kommt am besten in der Bezeichnung „Selbstachtung“ zum Ausdruck.
Wir bejahen und akzeptieren uns selbst, so wie wir sind. Dasselbe wünschen wir uns von anderen Menschen. Wir erwarten Wertschätzung von unseren Mitmenschen, weil wir uns selbst anerkennen.
Wenn wir uns selbst gering schätzen und minderwertig fühlen, dann fürchten wir, dass uns auch andere ablehnen. Wir haben Angst zu versagen. Wir glauben nicht, dass wir bei anderen Menschen einen guten Eindruck hinterlassen können.
Mit einem starken Selbst können wir zufrieden und erfolgreich durchs Leben gehen. Ein stabiler Selbstwert hängt nicht einseitig von Erfolgen oder Anerkennung ab. Er beruht darauf, dass wir uns so nehmen, wie wir sind.
Bewertungsängste entstehen, wenn wir Angst haben, dass jemand unser Selbstwertgefühl verletzt. Wenn wir ein stabiles Selbstwertgefühl haben, fürchten wir uns weniger davor, wie andere Menschen uns bewerten.
Männer und Frauen bauen ihr Selbstwertgefühl unterschiedlich auf. Männer wollen vor allem wegen ihrer Leistungen ausgezeichnet sein, nach Möglichkeit besser als andere.
Frauen wollen bei anderen gut ankommen und akzeptiert werden. Bei beiden
Geschlechtern sinkt das Selbstwertgefühl bedrohlich, wenn sie sich weniger
leistungsfähig fühlen oder Beziehungen zu anderen Menschen zerflattern und
unbeständig werden. Selbstsichere Menschen dagegen verlassen sich in erster
Linie auf sich selbst. Sie finden ihren Halt stärker in ihrer eigenen Person als
in einer Umwelt, die ständig Selbstwert stärkend wirken muss.
Hohes und niedriges Selbstwertgefühl
Menschen mit einem guten Selbstwertgefühl sind sich ihres Wertes sicher. Sie haben eine hohe Meinung von sich selbst, sie vertrauen auf ihr Können und ihre Fähigkeiten. Sie fühlen sich den Anforderungen des Lebens gewachsen. Sie achten mehr auf das, was sie erreichen und gewinnen können, als darauf, was schief gehen könnte. Sie sind bereit, etwas zu riskieren, weil sie eventuelle Misserfolge nicht sich selbst, sondern äußeren Umständen zuschreiben. Sie können bei schwierigen Aufgaben länger durchhalten. Mit Misserfolgen gehen sie besser um als jene, die bei größeren Anforderungen schnell verzagen und sich durch jede Niederlage in den Grundfesten ihrer Persönlichkeit erschüttert sehen. Bei Fehlschlägen bemühen sie sich eben stärker und glauben an den zukünftigen Erfolg.
Menschen mit einem schwachen oder instabilen Selbstwertgefühl haben kein klares Bild über ihre Stärken und Schwächen. Sie wünschen sich Erfolg, zweifeln aber an ihren Fähigkeiten. Also wagen sie sich an schwierige Aufgaben nicht oder nur zögerlich heran. Sie lassen sich von Misserfolgen leicht entmutigen, fühlen sich immer selbst an ihrem Versagen schuldig. Sie resignieren oft vorschnell als Folge ihres mangelnden Selbstvertrauens, weil sie „es sicher nicht schaffen“. Sie möchten eher beliebt sein, als respektiert und bewundert. Also halten sie ihre Fähigkeiten und Meinungen möglichst zurück, um Konflikte zu vermeiden. Es ist ihnen wichtiger, Missbilligung zu verhindern, als Anerkennung zu erzielen, nach dem Motto „Nur nicht negativ auffallen“. Fehler zu vermeiden oder zu beheben, zählt für sie mehr, als ihre Stärken auszubauen.
Menschen, die Misserfolg vermeiden wollen und sich vor dem Versagen fürchten, haben gewöhnlich ein geringes Selbstwertgefühl. Sie entmutigen sich ständig, weil sie sich minderwertig fühlen. Sie sind geradezu süchtig nach positivem Feedback ihrer Mitmenschen, viel stärker als Menschen, die sich ihrer selbst sicher sind. Damit machen sie sich von den anderen emotional abhängig.
Menschen, die sich am Erfolg orientieren, haben wenig Angst zu versagen. Sie haben ein gutes Selbstwertgefühl. Sie betrachten Versagenserlebnisse differenziert. Schüler sagen dann beispielsweise: „Ich weiß, dass ich ein guter Schüler bin, aber Mathematik ist meine persönliche Schwäche. Ich muss mich in diesem Fach mehr anstrengen, um eine halbwegs gute Note zu bekommen.“
Ein Berufstätiger mit einem guten Selbstwertgefühl kann sich eingestehen: „In meiner Arbeit bin ich immer gut. Aber wenn ich die Ergebnisse vor dem Chef präsentieren muss, werde ich nervös. Doch ich weiß, dass ich damit umgehen kann, und dass mein Chef mich auch schätzt, wenn ich einmal einen Fehler mache oder unsicher wirke.“
„Wer nichts leistet, ist nichts wert“ ist das Motto vieler Menschen. Sie wollen negative Selbstkonzepte durch perfektionistische Ideale überwinden. Wenn Menschen ihren Selbstwert nur durch gute Leistungen aufrecht halten können, stellt ein Misserfolg eine persönliche Katastrophe für das Selbstvertrauen dar.
Wenn wir selbst oder andere Menschen uns häufig negativ bewerten, wenn wir ständig Herausforderungen vermeiden aus Angst zu scheitern, dann kommen wir in einen Teufelskreis: Das kaum vorhandene Selbstwertgefühl wird immer schwächer. Wenn wir unter Versagensangst leiden, erleben wir unsere Misserfolge als Beweise unserer persönlichen Unfähigkeit.
Wir relativieren unseren Misserfolg nicht. Wir sehen nicht die Ursachen, die zu der Situation geführt haben. Negative Bewertungen gefährden unser Selbstwertgefühl, wenn wir dieses nur aus guten Leistungen ziehen. Wenn wir an unserem Wert zweifeln, werden wir anfälliger gegenüber Kritik, weil dadurch unser negatives Selbsterleben bestätigt wird. Es ist verführerisch, jedoch folgenschwer, über eine hohe Leistungsfähigkeit ein gutes Selbstwertgefühl anzustreben.
Fassen wir kurz zusammen: Menschen mit gutem Selbstwertgefühl haben Freude an
ihrem Tun. Sie vertrauen zuversichtlich darauf, Erfolg zu haben mit dem, was sie
unternehmen. Menschen mit geringem Selbstwertgefühl fürchten sich, bei allem,
was sie tun, zu versagen. Sie erwarten ständig, dass andere Menschen sie
kritisieren.
„Ich möchte beliebt sein“ – die Sehnsucht nach Anerkennung
Frau Schwarz – alle sollen sie lieben
Frau Schwarz ist 39 Jahre alt. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet als Friseurin. Sie leidet unter dem unerfüllbaren Wunsch: „Alle Menschen sollen mich lieben.“ Frau Schwarz genügt es nicht, wenn ihre Kundinnen sich aufgrund ihrer Tüchtigkeit gerne von ihr die Haare schneiden lassen. Sie wünscht sich, dass ihre Kundinnen sie liebenswert finden und mit ihr gerne mehr unternehmen möchten.
Es reicht Frau Schwarz nicht, wenn ihre Chefin ihre Leistungen lobt und ihr mehr Gehalt bezahlt. Sie wünscht sich, die Chefin sollte sich zu ihr wie eine gute Freundin verhalten. Nur wenn Frau Schwarz mehr als ihre Kolleginnen die Gunst der Chefin erreichen könnte, hätte sie als Arbeitnehmerin keine Angst zu versagen.
Frau Schwarz genügt es nicht, wenn sie in der Auseinandersetzung mit ihren Kindern das Richtige tut. Ihre Kinder sollen sie auch bedingungslos lieben, wenn sie sich über die Mutter ärgern – sonst hätte sie als Mutter versagt. Es reicht ihr nicht, wenn sie es schafft, ihrem dominanten Mann die Meinung zu sagen und sich durchzusetzen. Er soll sie auch in diesen spannungsgeladenen Minuten voll und ganz lieben, sonst hätte sie als Partnerin versagt.
Frau Schwarz verstand erst im Laufe der Jahre, welche Folgen ihre Einstellungen und Verhaltensweisen nach sich ziehen. Sie kann sich sogar bei nebensächlichen Angelegenheiten nur schwer durchsetzen – warum? Sie fürchtet sich davor, die Zuneigung anderer zu verlieren. Es reicht Frau Schwarz nicht, auf der Sachebene kompetent zu sein. Sie will auch auf der Beziehungsebene akzeptiert, beliebt und bestätigt sein.
Frau Schwarz macht sich von anderen Menschen und deren Zuneigung abhängig.
Ständig fragt sie sich, was in ihrer Erziehung und bei ihrer
Persönlichkeitsentwicklung schief gelaufen ist, bis sie erkennt: eigentlich
nichts. Sie hat nur den schwer korrigierbaren Wunsch, dass alle Menschen sie so
bedingungslos lieben sollen wie Vater und Mutter. Denn: Wie kann sie sich selbst
als Mensch etwas wert sein, wenn sie nicht auch allen Menschen etwas wert ist?
Ein gefährlicher Weg: Anerkennung durch Leistung
Unser Selbstwertgefühl entwickelt sich von klein auf im Umgang mit unseren Mitmenschen. Ich bin etwas wert, weil die anderen von mir etwas halten. Wenn mich andere nicht (mehr) mögen und nicht (mehr) bestätigen, fühle ich mich selbst weniger wertvoll.
Viele Menschen haben in der Kindheit die Erfahrung gemacht: Meine Eltern lieben mich nur, wenn ich die gewünschte Leistung erbringe (wenn ich gute Noten habe, wenn ich tapfer bin usw.). Diese Kinder haben nie bedingungslose Zuwendung ihrer Eltern erlebt. Als Erwachsene können sie nur schwer ein Selbstwertgefühl entwickeln, das von ihrer Leistung unabhängig ist.
Auch viele Erwachsene erleben sich nur dann als wichtig und wertvoll, wenn sie sich für andere engagieren und aufopfern, häufig bis zum Burn-out. Selbstwertschwache Personen hoffen: „Ich bin etwas wert, wenn ich durch meine Leistungen für ihn bzw. für sie etwas wert bin.“
Unsere Mitmenschen sollen uns akzeptieren und bestätigen, also steigern wir unsere Leistungen. Wenn wir uns sozial nicht richtig anerkannt fühlen, strengen wir uns noch mehr an. Wir glauben und hoffen, so bei anderen wieder Gefallen zu finden. Wir fürchten uns davor, Schwäche zu zeigen. Schwächen schädigen unser Sozialprestige. „In“ sein, positiv denken und erfolgreich handeln ist angesagt, um überall bei allen gut dazustehen. Wer nicht mithalten kann, bleibt auf der Strecke und gerät in das soziale Abseits.
Soziale Anerkennung und stabile Leistungsfähigkeit garantieren zweifellos einen guten Selbstwert. In Krisenzeiten erkennen wir, ob wir uns selbst lieben und von unserem eigenen Wert überzeugt sind, auch ohne Bestätigung durch andere und ohne ständige Erfolgserlebnisse. Selbstbewusste Menschen genießen zwar die Anerkennung anderer für ihre Leistungen, sie machen ihr Selbstwertgefühl jedoch nicht davon abhängig.
Wir alle möchten uns als wertvoll erleben und von anderen darin bestätigt werden. Menschen mit Selbstwert-Zweifeln haben bei jeder Leistungsanforderung Bewertungs- und Versagensängste. Ihre Gedankengänge sind: „Ich weiß, dass ich nichts wert bin und nichts kann. Ich werde auch jetzt nichts zustande bringen. Die anderen werden mich für dumm und unfähig halten.“
Selbstwertschwache Personen möchten bei anderen Menschen emotional gut ankommen. Sie wollen Kritik und Ablehnung um jeden Preis vermeiden. Die anderen sollen sie in ihrem Tun bestätigen und ihre Selbstzweifel wettmachen. Sie sehnen sich verstärkt nach Nähe und Geborgenheit und tun alles, um nicht von anderen abgelehnt zu werden.
Wenn wir an uns selbst dauernd zweifeln, entwickeln auch andere Menschen keine hohe Meinung von uns. Je mehr dies der Fall ist, umso weniger bestätigende Erfahrungen und ermutigende Leistungen machen wir – umso niedriger bleibt das Selbstwertgefühl. Dieser Teufelskreis kann langfristig zu erheblichen psychischen und sozialen Problemen führen.
Wir fürchten uns vor negativer Bewertung und Versagen insbesondere bei Menschen, deren Anerkennung uns sehr wichtig ist. Wir zittern mehr bei Auftritten vor Vorgesetzten und geschätzten Personen als bei Präsentationen vor Leuten, die wir als inkompetent und für uns wenig bedeutsam einschätzen. Viele Männer sind nervöser im Umgang mit Frauen, bei denen sie gut ankommen möchten, als bei Frauen, die ihnen weniger attraktiv erscheinen.
Menschen mit Kritikängsten kritisieren sich oft selbst am schärfsten. Sie gehen mit sich wenig wertschätzend um. Sie tolerieren keinerlei Kritik, weil sie ihre eigenen Leistungen extrem kritisch betrachten. Häufig können sie sich sogar kleinere Fehler nicht verzeihen. Wenn andere zu Recht etwas kritisieren, ärgern sich die Betroffenen, dass sie den Fehler nicht selbst erkannt bzw. nicht vermieden haben. Sie tolerieren Fehler und Frustration nur schwer.
Fremdkritik trifft uns deshalb so stark, weil sie mit entsprechender Selbstkritik einhergeht. Wir nehmen uns Misserfolg und Kritik vor allem dann zu Herzen, wenn wir nicht zwischen unserem Wert als Mensch und einem Versagen in einer bestimmten Situation unterscheiden. Während selbstbewusste Menschen ihre Fehler schnell vergessen, denken selbstunsichere Personen immer wieder daran. Sie wollen unbedingt künftige Selbst- und Fremdkritik vermeiden.
Prüflinge fürchten sich vor Black-out, Fachvortragende vor plötzlichem Unwissen. Schauspieler bangen vor peinlichen Versprechern, Musiker vor kaum hörbarem Verspielen. Leistungssportler ängstigen sich davor, im Wettkampf auszufallen. Männer fürchten sich, beim Sex zu versagen. So ein schmähliches Versagen passiert einem wirklich fähigen Menschen niemals, denken wenig selbstbewusste Menschen. Also halten sie Kritik vonseiten der anderen für berechtigt.
Die Betroffenen ärgern sich über ihr Versagen. Sie fallen mit ihrer Erregung und ihrer nervösen Präsentation viel mehr auf, als es wegen des ursprünglichen Fehlers der Fall wäre. Sie steigern sich in ihr oft nur vorübergehendes oder kaum merkbares Versagen hinein. Aus zunehmender Nervosität machen sie schließlich immer schwerere Fehler.
Zahlreiche Schüler, Studenten und Arbeitnehmer verspüren, trotz guter
Leistungen, mehr Angst zu versagen, als Menschen mit weniger Erfolg. Sie möchten
die Erwartungen der anderen nicht enttäuschen und tun alles, um das in sie
gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Sie möchten von anderen Menschen bestätigt
werden.
„Ich will der Beste sein“ – Überforderung von Kindheit an
Herr Berger – nur Spitzenleistungen zählen
Herr Berger ist 53 Jahre alt. Er ist verheiratet und Vater eines erfolgreichen Sohnes. Er arbeitet als EDV-Leiter in einem Großbetrieb. Er war zeitlebens darauf bedacht, bei allem der Beste zu sein. Neben ausgezeichneten Noten im Gymnasium und während seines Informatik-Studiums waren ihm sportliche Spitzenleistungen immer sehr wichtig, vor allem beim Laufen, Radfahren und Tennis.
In letzter Zeit hat Herr Berger den Eindruck, dass seine körperlichen und geistigen Leistungen nachlassen. Gegen diese Schwächen kämpft er mit noch mehr Einsatz an. Doch es ist unübersehbar: Die nachdrängende Jugend, mit der Herr Berger zu konkurrieren versucht, macht ihm beruflich und privat schwer zu schaffen. In der Firma fürchtet er als Chef zunehmend, bei schwierigen Aufgaben zu versagen und sich vor den Jungakademikern zu blamieren. Im Sport leidet er darunter, dass sein Sohn fast jedes Tennis-Match gewinnt.
Herr Berger kann seine nachlassenden körperlichen und geistigen Kräfte nur schwer akzeptieren. Er vermutete, körperlich krank zu sein, und ließ sich mehrfach organmedizinisch untersuchen. Seine Befunde waren für sein Alter ausgezeichnet. Wegen gelegentlicher Konzentrationsstörungen ließ er auf einer neurologischen Abteilung seinen Kopf untersuchen – alles in Ordnung.
Er klagte über nachlassende Gedächtnisleistungen und hatte Angst vor der Alzheimer-Krankheit. Also ließ er sich psychologisch untersuchen. Ergebnis: Die geistigen Leistungen sind überdurchschnittlich, in psychischer Hinsicht besteht eine Burn-out-Symptomatik.
Das wollte Herr Berger nicht zur Kenntnis nehmen. Lieber wäre er organisch krank als psychisch angeschlagen. Für körperliche Leiden könnte er nichts, doch an einem seelischen Leiden wäre er seiner Meinung nach selbst schuld – das ist bei seinem Leistungsstreben einfach inakzeptabel. Zuletzt führte der berufliche Stress zu gelegentlichen Potenzproblemen.
Hier zeigte sich endgültig das Grundproblem von Herrn Berger: Er leidet
darunter, nicht mehr stets der Beste zu sein, nicht mehr jederzeit zu allem und
jedem fähig zu sein. Er stellt seinen Selbstwert als Mann in Frage, weil er
Angst hat, im Beruf und in der Liebe zu versagen.
Leistungsdruck von klein auf
Elternhaus und Schule haben einen wesentlichen Einfluss darauf, ob Kinder mit Freude oder in ständiger Angst ihr Wissen erwerben und beurteilen lassen. Familiäre und außerfamiliäre Sozialisationsbedingungen legen oft den Grundstein für Prüfungs- und Leistungsängste.
Versagensängste entwickeln sich schon im Kindesalter, wenn Eltern ihr Kind durch überhöhte Erwartungen ständig überfordern. Häufig kritisieren sie erbrachte Leistungen ihres Kindes übermäßig, möchten jeden Misserfolg am liebsten verhindern.
Sie erklären ihr Kind durch typische Aussagen für unfähig: „Das verstehst du noch nicht“, „Das kannst du nicht“, „Das schaffst du nie“, „Du bist so ungeschickt und tollpatschig“, „Du bist zu allem zu blöd“, „Wenn du so weiter machst, wird nie etwas aus dir“. So untergraben sie von klein auf das Selbstvertrauen ihres Kindes. Ein stabiles Selbstwertgefühl kann sich so kaum entwickeln.
Eltern geben ihren Kindern oft sechs verschiedene Aufträge und Botschaften auf
den Lebensweg mit, die den Leistungsdruck verschärfen und die Versagensangst
erhöhen:
Gib dein Bestmögliches! Die Kinder sollen ständig noch
besser sein. Gleichzeitig gibt es keine klaren Kriterien dafür, wann etwas
gut genug ist. Folglich haben Kinder dauernd das Gefühl, versagt zu haben.
Ständig heißt es: „Du könntest noch besser sein“. Also bleiben Anerkennung
und Belohnung aus.
Tu mir einen Gefallen! Die Kinder sollen ihre Eltern zufrieden stellen, niemanden verärgern oder enttäuschen. Eine Leistung ist gut, wenn sie die Erwartungen anderer Menschen erfüllt. Jedes Versagen des Kindes bereitet den Eltern eine große Enttäuschung.
Reiß dich zusammen! Kinder sollen ständig tapfer sein,
nach dem Motto „Sei stark!“ Sie sollen keinerlei Angst haben, sie dürfen
ihren momentanen Gefühlen keinen Ausdruck verleihen. Sie sollen diese
unterdrücken und verbergen. Das oberste Ziel ist, alles verbissen
durchzustehen. Versagensängste sind die logische Folge, wenn die Kinder das
elterliche Ideal nicht durchhalten.
Sei schneller! Kinder sollen alles noch schneller
erledigen. Eine Aufgabe fertig zu stellen verdient allein noch keine
Anerkennung. Weil das Kind sich bemüht, schneller zu arbeiten, wird es auch
anfälliger für Fehler. Und wenn es tatsächlich Fehler macht, hat es wiederum
mehr Angst zu versagen.
Sei perfekt! Der Auftrag, alles möglichst fehlerfrei zu
erledigen, fördert die Entwicklung von Versagensängsten bei jeder Tätigkeit.
Aussagen wie „Das gibt es nicht, dass man etwas nicht kann“ fördern bei
Kindern einen unrealistischen Perfektionismus. Sie gehen nur wenige Aufgaben
an aus Angst zu versagen. Kinder entkommen dem nur, indem sie den
Perfektionsauftrag umzusetzen versuchen. Der Leistungsdruck ist so hoch,
dass die Konzentration leidet – Versagensängste sind die Folge.
Sei doch mal spontan! Kinder erhalten den paradoxen
Auftrag, spontan und locker zu sein, etwa in Sozialkontakten. Gerade
Spontaneität kann man auf diese Weise nicht herbeizwingen. Das Kind
entwickelt so erst recht Versagensängste.
Ständige Höchstleistungen als Mittel zur Selbstwertstabilisierung
Versagensängstliche Menschen haben bewusst oder unbewusst zu hohe Ansprüche an sich selbst. Sie wollen so ihre Minderwertigkeitsgefühle und Selbstwertkrisen ausgleichen. Sie können schwer mit Volksweisheiten wie „Irren ist menschlich“ oder „Nobody is perfect“ umgehen.
Wir möchten gern, um Fehler und Kritik zu vermeiden, alles perfekt machen. So könnten wir doch anderen den Wind aus den Segeln nehmen und unangreifbar sein. Wir stressen uns auch, weil wir uns selbst nicht als unfähig erleben möchten. Wir überfordern uns ständig, weil wir Leistungsschwächen als nicht tolerierbaren Makel betrachten. Bereits den kleinsten Fehler erleben wir als persönliches Scheitern. Wir bereiten uns selbst einen unmenschlichen Leistungsdruck.
Die Erziehung zu Selbstständigkeit und Autonomie wird bei vielen Kindern nicht gefördert. Das hätte zur Folge, dass das Kind Fehler machen dürfte. Anstelle dessen greifen die Eltern so oft als möglich ein, um das Kind vor Fehlschlägen zu bewahren. Viele Eltern erziehen ihre Kinder von klein auf zu Hilflosigkeit und Abhängigkeit von ihnen und anderen Personen. Die Kinder sind überzeugt: „Ohne fremde Hilfe schaffe ich es nicht.“
Eltern fördern bei ihrem Kind dann ein positives Selbstbild, wenn sie vor allem seine Stärken hervorheben. Sie begünstigen ein negatives Selbstbild, wenn sie sich ständig auf die Fehler und Schwächen des Kindes konzentrieren, die es zu beseitigen gilt.
Kinder sollten Aufgaben gestellt bekommen, mit denen sie grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben. Belastungen, die eine Chance auf Erfolg und Bewältigung haben, aber auch schief gehen können, konfrontieren Kinder mit ihren Grenzen. Auf diese Weise erwerben Kinder eine gewisse Frustrationstoleranz. Damit kommen sie im späteren Leben besser mit Schwierigkeiten und Enttäuschungen zurecht.
Wenn ein Kind übermäßige Erwartungen nicht erfüllen kann, fühlt es sich leicht schuldig am eigenen Versagen und in der Folge minderwertig. Es fürchtet sich zu scheitern. Viele Eltern sprechen häufige Drohungen, Strafen und Verbote aus und anerkennen ihr Kind nur bei guten Leistungen.
Auf diese Weise haben Kinder umso mehr Angst zu versagen. Versagen stellt eine Katastrophe dar, die häufig mit Liebesentzug bestraft wird. Häufig vermeiden Kinder als Reaktion darauf bestimmte Herausforderungen aus Angst zu versagen. Sie glauben mangels positiver Erfahrungen nicht an ihre eigene Wirksamkeit.
Die Eltern ängstlicher Kinder sprechen laut wissenschaftlichen Untersuchungen weniger mit ihren Kindern. Sie kümmern sich weniger um deren seelische Bedürfnisse. Sie unterdrücken den Wissensdrang ihrer Kinder genauso wie den Ausdruck ihrer Gefühle. Diese Eltern vermitteln ihren Kindern hauptsächlich Regeln und Verbote.
Sie achten sehr auf Normen und Bewertungsaspekte. Sie überfordern ihre Kinder häufig und missachten damit deren Grenzen. Sie geben ihnen wenig verbale und praktische Unterstützung. Sie bestrafen ihre Kinder häufiger, wenn diese ihren Leistungsansprüchen nicht gerecht werden.
Die Kinder verinnerlichen im Lauf der Zeit die elterlichen Wertvorstellungen. Sie betrachten ihre Leistungen nur dann als gut, wenn sie den Erwartungen der Erwachsenen entsprechen. Sie lehnen sich schließlich selbst ab, wenn sie nach den üblichen Erfolgskriterien ihrer Umwelt einen Misserfolg haben.
Sie erleben jede Leistungssituation als persönliche Bedrohung – sie könnten die soziale Anerkennung verlieren. Sie verzichten auf die Leistungserbringung, um nicht zu versagen: Sie treten zu Prüfungen nicht an oder vermeiden bestimmte Aufgabenstellungen.
Großer
Leistungsdruck in der Schule, autoritärer und entmutigender Unterrichtsstil der
Unterrichtenden und übermäßiges Konkurrenzdenken unter den Mitschülern können
Prüfungs- und Versagensängste erheblich verstärken.
„Das geht bestimmt schief!“ – Misserfolgsorientierung macht Angst
Frau Förster – chronische Versagensängste aus Selbstwert-Zweifel
Frau Förster ist 41 Jahre alt. Sie ist geschieden, hat ein Kind und führt eine Wochenend-Beziehung. Sie arbeitet als Kosmetikerin in einem Wellness-Hotel. Seit Jahren hegt sie den Wunsch, sich selbstständig zu machen. Hier zeigt sich ihr Grundproblem: Frau Förster fürchtet einen beruflichen Absturz.
Sie hat Angst zu versagen, obwohl sie fachlich gut ist und finanziell ausreichend abgesichert. Erfolg wäre ihr mit einem Kosmetiksalon in einem Tourismusort ziemlich sicher. Trotzdem fürchtet sie die nachlassende Kaufkraft möglicher Kunden.
Frau Förster kann nicht nach dem Motto leben: „Wer wagt, gewinnt!“ Diese Thematik zieht sich durch ihr ganzes Leben. In neuen Situationen, bei bisher unbekannten Aufgaben, denkt sie immer an den Misserfolg. Frau Förster hofft nicht auf Erfolg. Selbst gute Schulnoten verminderten ihre Angst nicht, bei einer schwierigeren Prüfung zu versagen.
Seit ihrer Scheidung vermeidet sie eine feste Beziehung, sie fürchtet sich vor einer Trennung. Sie hat Angst, für einen Partner nicht gut genug zu sein. Frau Förster singt in ihrer Freizeit regelmäßig im Kirchenchor. Mehrmals wurde sie schon gefragt, ob sie bei besonderen Anlässen mit ihrer guten Stimme als Solo-Sängerin auftreten möchte. Sie lehnte immer ab aus Angst, dabei zu versagen und sich unsterblich zu blamieren.
Als allein erziehende Mutter plagt sie ständig die Angst, für die 14-jährige Tochter nicht das Beste zu tun und in ihrer Erziehungsfunktion zu versagen. Zunehmend erkennt Frau Förster, dass sie ihrer Mutter immer ähnlicher wird. Unter deren Pessimismus hat Frau Förster als Kind gelitten.
Von klein auf bekam sie folgende Botschaften mit auf den Weg: „Pass auf, dass
dir nichts passiert“, „Sei vorsichtig bei allem, was du tust“, „Hoffentlich geht
das nicht schief“, „Freu dich nicht zu früh, es könnte noch etwas Schlimmes
passieren“.
Furcht vor Misserfolg begünstigt Misserfolg
Wie viel und was wir leisten, hängt von unseren Ansprüchen an uns selbst ab. Manche Menschen hoffen durchwegs auf Erfolg, anderen fürchten sich vor Misserfolg. Welches dieser beiden Gefühle überwiegt, bestimmt unsere gesamte Leistungsmotivation. Wir lassen uns von der Aussicht auf Erfolg antreiben oder erwarten bange den Misserfolg.
Wir lösen Aufgaben leichter, wenn wir auf Erfolg vertrauen. Wir tun uns schwerer, wenn wir gegen einen befürchteten Misserfolg ankämpfen. Wir führen dann innere Selbstgespräche darüber, wie wir eine drohende Niederlage und die befürchteten Folgen verhindern können, statt den Erfolg vorzubereiten.
Wenn Sportler im Wettkampf das Versagen vor Augen haben, ist der Misserfolg vorprogrammiert, noch bevor er wirklich passiert.
Wenn Schüler, Studenten oder Sportler an den Erfolg denken und mit einem guten Ergebnis rechnen, betrachten sie die jeweilige Aufgabenstellung als Herausforderung. Sie wollen gern ihr Können zeigen. Sie glauben an sich selbst und ihre Fähigkeit. Also gehen sie hoch motiviert an die Sache heran und freuen sich auf die Prüfung oder den Wettkampf. Sie sind sich sicher, die Situation meistern zu können.
Wenn sich solche Menschen aber von einer leichten Aufgabe unterfordert oder gelangweilt fühlen, sind sie kaum bereit, sich anzustrengen, und machen vermehrt Fehler. Also brauchen auch diese Menschen manchmal mehr Motivation zum Lernen oder Training. Wenn sie ein wenig Angst vor dem Versagen haben, gleichzeitig aber auf den Erfolg hoffen, kann diese Kombination die Leistung fördern.
Menschen, die mit ihrem Erfolg rechnen, kennen ihre Fähigkeiten und setzen sich entsprechend erreichbare Ziele. Sie wählen durchschnittlich schwere Aufgaben und genießen so Erfolgserlebnisse. Wenn wir aber vom eigenen Misserfolg ausgehen, wählen wir zu leichte Aufgaben und erfahren dadurch nur wenig Bestätigung.
Draufgänger mit hochfliegenden Zielen und wenig Durchhaltevermögen entscheiden sich für zu schwere Aufgaben. Sie resignieren rasch bei Problemen und ernten auf diese Weise Misserfolge. Misserfolgsorientierte Schüler, Studenten oder Sportler sind genauso leistungsfähig wie erfolgsorientierte. Sie bewerten ihre Leistungen aber anders: Sie sehen Misserfolge als Zeichen für ihre persönliche Unfähigkeit.
In der Psychologie unterscheidet man innere (internale) und äußere (externale) Ursachen für Erfolg oder Misserfolg. Innere Ursachen liegen in einem Menschen. Äußere Ursachen beziehen sich auf die jeweiligen Umstände. Innere wie äußere Ursachen können dauerhaft auftreten oder sich verändern.
Wir führen unsere Erfolge und Misserfolge auf ihre eigene Person (unser erlerntes Können oder unsere einmaligen Anstrengungen) oder auf bestimmte Situationen (eine Aufgabe war schwierig; wir hatten Glück oder Pech) zurück. Wir können uns zu mehr Leistung motivieren, wenn wir unseren Erfolg unseren eigenen Anstrengungen zuschreiben.
Es wirkt sich auf die Leistung also günstig aus, wenn wir unsere Fähigkeiten in den Vordergrund stellen. Wenn wir hingegen alles auf den Zufall zurückführen oder ausschließlich die Schwierigkeit einer Aufgabe hervorheben, zerstören wir unsere Motivation eher. Fazit: Wir motivieren uns zu guten Leistungen, wenn wir an Erfolg denken und uns anstrengen, ihn zu erreichen.
Erfolgsorientierte und misserfolgsorientierte Menschen gehen mit Erfolg und Versagen ganz unterschiedlich um. Wenn wir erfolgsorientiert sind, führen wir gelungene Bemühungen auf internale Faktoren wie unsere Fähigkeiten zurück; Misserfolge dagegen erklären wir uns durch externale Faktoren wie ungünstige Umstände – oder durch vorübergehende Ursachen wie mangelnde Anstrengung, was wiederum nichts mit unserem Können zu tun hat.
So können wir Versagenserlebnisse leichter verkraften. Misserfolgsorientierte Menschen schreiben dagegen den Erfolg verschiedenen äußeren Faktoren wie Glück und Leichtigkeit der Aufgabenstellung zu statt internalen Faktoren wie dem eigenen Können.
Das ist das Grundproblem der Misserfolgsorientierten: Mögliche Fehler führen sie schon von Anfang an auf die eigene Unfähigkeit zurück. So demotivieren sie sich bereits von vornherein: Möglichen Erfolg halten sie für eine glückliche Fügung, ohne echte Chance auf Einfluss darauf.
Viele Menschen trauen sich aufgrund eines magischen Glaubens nicht,
erfolgsorientiert zu denken. Sie möchten nichts Positives vorhersagen – sonst
könnte erst recht etwas Schlechtes eintreffen. Sie entwickeln einen taktischen
Zweckpessimismus und hoffen auf positive Überraschungen. Sie wollen das
Schicksal nicht herausfordern. Sie treten anderen Menschen gegenüber
selbstkritisch auf, stapeln tief – sie wollen so der befürchteten Kritik den
Stachel nehmen. Derartige Strategien sind jedoch problematisch: Wir sind umso
fixierter auf Misserfolg.
Gewinner oder Verlierer – die Selbsteinschätzung ist entscheidend
In den USA unterscheidet man
zwischen „winner“ und „loser“. Was sind die typischen Merkmale von Gewinnern und
Verlierern? Im Internet findet man dazu folgende Antworten in Form von Sprüchen:
Der Gewinner hat immer
einen Plan, der Verlierer hat immer eine Entschuldigung.
Der Gewinner sagt: "Lass
mich das für dich machen", der Verlierer sagt: "Das ist nicht meine Aufgabe."
Der Gewinner findet für
jedes Problem eine Lösung, der Verlierer sieht in jeder Lösung ein Problem.
Der Gewinner vergleicht seine Leistungen mit seinen Zielen, der Verlierer vergleicht seine Leistungen mit denen anderer Leute.
Der Gewinner sagt: "Es mag
schwierig sein, aber es ist möglich", der Verlierer sagt: "Es ist möglich, aber
es ist zu schwierig."
Der Gewinner ist immer ein Teil seiner
Lösung. Der Verlierer ist immer Teil seines Problems.
„Verhalte ich mich richtig? – Zu viel Selbstbeobachtung in Leistungssituationen
Herr Maurer – stets auf gute Wirkung bedacht
Herr Maurer ist 35 Jahre alt, verheiratet, er hat keine Kinder. Er hat als studierter Betriebswirt, tüchtig wie er ist, vor einem Jahr einen beruflichen Aufstieg erreicht. Vorher war Herr Maurer Sachbearbeiter, jetzt ist er Gruppenleiter von einem Team mit etwa 100 Menschen.
Herr Maurer könnte sich über diese Anerkennung freuen – wenn es ihm nicht seither seelisch schlechter ginge als zuvor. Es plagen ihn bisher nicht gekannte Probleme. Er könnte in Situationen großer Anspannung und anfänglicher Unsicherheit bei Vier-Augen-Gesprächen rot werden und damit als unsicher gelten.
Er könnte bei Vorträgen und Ansprachen zu stottern beginnen und damit als weniger kompetent erscheinen, als er in seinem Unternehmen angesehen wird. Er könnte bei Arbeitsessen zu zittern beginnen und somit als nervlich angeschlagen wirken. Deshalb mag er weder einen Suppenlöffel noch eine Kaffeetasse halten. Vielleicht könnte man ihn, den Anti-Alkoholiker, wegen seines Zitterns auch des Alkoholmissbrauchs verdächtigen.
Anstatt sich auf seine soziale Umwelt oder seine Aufgaben zu konzentrieren, beobachtet Herr Maurer sich selbst. Er hat Angst, vor anderen Menschen zu versagen. Ständig gehen ihm folgende Gedanken durch den Kopf: Werde ich jetzt rot? Beginne ich schon zu zittern? Wie vermeide ich das gefürchtete Stottern? Was werden die anderen von mir denken, wenn sie meine Nervosität erkennen? Wer wird mich noch ernst nehmen? Was tue ich beruflich, wenn sich herausstellt, dass ich meinem neuen Aufgabenfeld nicht gewachsen bin?
Der Hausarzt empfahl Herrn Maurer einen Besuch beim Psychiater. Dieser
diagnostizierte eine Sozialphobie. Herr Maurer fürchtet sich in bestimmten
Situationen davor, dass andere Menschen ihn unangenehm beobachten, kritisieren
und ablehnen könnten. Der Facharzt empfahl ihm eine verhaltenstherapeutisch
orientierte Psychotherapie. Mit ihrer Hilfe wird Herr Maurer seine
Versagensängste bewältigen lernen, die vorübergehend verordneten Medikamente
können ihn anfangs dabei unterstützen.
Ständige Selbstaufmerksamkeit macht nicht sicher, sondern unsicher
Menschen mit Versagensangst beobachten sich ständig selbst, wenn sie mit anderen zu tun haben: immer die Frage im Kopf, ob sie ja alles richtig machen. Sie suchen an anderen Personen ununterbrochen nach Anzeichen von Missbilligung. Für Fehler und Anzeichen von Versagen sind sie überdurchschnittlich aufmerksam.
Suchen wir negatives Feedback, werden wir immer fündig: Wir sind für unsere kleinen Schwächen und die mehrdeutigen Reaktionen der anderen besonders aufmerksam. Wir fühlen uns immer mehr verunsichert – das kommt nicht überraschend, schließlich nehmen wir positive Aspekte nicht mehr wahr.
Menschen mit Angst vor Prüfungen und Versagen stehen in Leistungssituationen buchstäblich neben sich. Sie beobachten und beurteilen ihr eigenes Verhalten ständig selbstkritisch. Der Fachbegriff dazu heißt „erhöhte Selbstaufmerksamkeit“. Oberstes Ziel: auf keinen Fall unangenehm auffallen – nur nicht rot werden, schwitzen oder zittern, nur nicht „psychisch angeschlagen“ oder „nervlich fertig“ wirken.
Die Betroffenen zweifeln an sich selbst und an ihrem Können. Je mehr sie sich selbst beobachten, umso weniger spontan verhalten sie sich anderen Menschen gegenüber.
Beobachten wir uns andauernd, dann sind wir unkonzentriert bei der eigentlichen Aufgabe. Das schadet dem Erfolg. Vor lauter Selbstzweifel und kritischen inneren Kommentaren machen wir uns immer mehr Angst zu versagen.
Wir stellen Fragen wie „Mache ich alles richtig?“, „Wie kann ich Fehler
vermeiden?“, „Was denken sich die anderen gerade über mich?“, „Kann das gut
gehen, wie ich mich anstelle?“, „Was tue ich, wenn diese Sache nicht gelingt?“
Je wichtiger uns der Erfolg in einer Aufgabe oder bei anderen Menschen ist, und
je mehr wir ihn bezweifeln, weil wir nicht an unsere Fähigkeiten glauben, umso
größer sind unsere Versagensängste.
„Mir wird alles zu viel“ – zunehmender Stress am Arbeitsplatz
Frau Reisinger – ständig am Limit
Frau Reisinger ist 34 Jahre alt und allein erziehende Mutter von zwei Kindern. Sie arbeitet als leitende Krankenschwester in einem städtischen Altersheim. Es herrscht Pflegenotstand. Qualifiziertes Personal ist schwer zu bekommen. Das Heim stellt jedoch wegen Sparmaßnahmen gar nicht so viel Personal ein, wie für eine umfassende Betreuung der alten Menschen nötig wäre.
Die billigen angelernten ausländischen Pflegehelferinnen mit unzureichenden Deutschkenntnissen sind oft keine Hilfe, sondern eine zusätzliche Belastung.
Frau Reisinger beklagt im Bekanntenkreis eine ständige Überforderung, doch niemand versteht sie. Sie habe immerhin eine sichere Stellung im öffentlichen Dienst. Als Bereichsleiterin muss Frau Reisinger Überstunden leisten, wenn Mitarbeiterinnen wegen Krankenständen, häufig aus Burn-out-Gründen, ausfallen.
Die Zeitausgleichsstunden häufen sich, Frau Reisinger kann sie aus Personalmangel nicht in Anspruch nehmen. Sie befindet sich in einer Sandwich-Position: Druck von ihren eigenen Vorgesetzten, sie muss immer wieder neue, bürokratische Anweisungen ausführen. Ebenso gibt es Druck von unten, von ihren Mitarbeiterinnen, die warnen, dass das vorhandene Personal dies alles bald nicht mehr leisten könne.
Auch die Angehörigen der Bewohner beanspruchen viel von Frau Reisingers Zeit, mit ihren Wünschen, was alles geschehen solle.
Medizinische Anweisungen nehmen stark zu: Viele Heimbewohner werden wegen der Sparwelle heutzutage früher aus der stationären Pflege in einem Krankenhaus entlassen. Zusätzlich hat Frau Reisinger das Gefühl, an immer mehr für sie sinnlosen Besprechungen teilnehmen zu müssen, anstatt diese Zeit den Heimbewohnern widmen zu können.
Frau Reisinger stellt hohe Ansprüche an sich: Sie will alles bestens erledigen. Sie hat immer mehr Angst, bei ihren Aufgaben zu versagen. Dann müsste sie ihre Tätigkeit als Bereichsleiterin zurücklegen – und wie alle Mitarbeiterinnen wieder Nacht- und Wochenenddienst machen. Wie aber würde sie dann ihre Kinder betreuen?
Die berufliche Überlastung führt dazu, dass Frau Reisinger ihren Kindern
gegenüber immer gereizter wird. Sie hat aufgrund ihrer körperlichen und
seelischen Erschöpfung keine Energie für ihr Privatleben und lernt keinen neuen
Partner kennen.
Strukturwandel – Stress am Arbeitsplatz ist die Regel
Immer mehr Arbeitnehmer haben Angst, im Beruf zu versagen. Gesellschaftliche, wirtschaftliche, sozialpolitische und betriebliche Veränderungen nähren diese Ängste. Immer neue Schlagworte tauchen im Zusammenhang mit betrieblichen Veränderungen auf.
Sie machen Arbeitnehmern immer mehr Angst: Globalisierung, Rationalisierung, Umstrukturierung, Reorganisation, technische Neuerungen, Einsparungen, Kostensenkungsmodelle, Betriebsstilllegungen, Firmenfusionierungen, Betriebsverlagerungen nach Osteuropa oder Asien, Auslagerungen an Drittunternehmen, „schlankere Verwaltung“, Erhöhung der Wertschöpfung, Optimierung der Produktions- und Vertriebsprozesse, Downsizing (Verkleinerung eines Unternehmens, um flexibler zu sein und den Ertrag zu steigern), Zielvereinbarungen und leistungsbezogene Vergütungsmodelle, Kurzarbeit, Kündigungsplan, Stellenabbau, Massenentlassungen, Mobbing.
Das Betriebsklima wird rauer, Alternativen zum Arbeitsplatz gibt es kaum, die berufliche Mobilität ist beschränkt. Unternehmen umgehen kollektivvertragliche Gehaltsvereinbarungen oder fordern bei gleichem Lohn mehr Arbeitseinsatz. Viele Arbeitnehmer haben Angst, für immer weniger Geld immer mehr leisten zu müssen. Dennoch nehmen sie alles in Kauf, aus Sorge um den Verlust des Jobs, vor allem in Regionen oder Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit.
Wer seine Arbeitsleistung zu teuer verkauft, setzt sich selbst auf die Kündigungsliste. Das Management streicht Zulagen und erwartet aus Dankbarkeit für den Arbeitsplatz unbezahlte Überstunden. Selbst Manager erhalten für die Unmenge an geleisteten Überstunden oft nur eine Pauschale, das den zeitlichen Arbeitsaufwand nicht abdeckt.
Bei über 40-jährigen Mitarbeitern investieren Firmen heute kaum mehr in die Ausbildung. Die Folge: Bei Verlust des Arbeitsplatzes besteht ein überdurchschnittliches Risiko, keinen neuen mehr zu finden. Potenzielle Mitarbeiter sollen sich vor einer Anstellung selbst weiterbilden und das auch selbst finanzieren. So soll ein neuer Mitarbeiter seine Motivation für eine bestimmte Tätigkeit zeigen.
Der steigende Druck am Arbeitsmarkt spiegelt sich in typischen Slogans wider. Sie fassen die Anforderungen an die Arbeitnehmer in vielen Betrieben zusammen: Flexibilität, Mobilität, lebenslanges Lernen, Zurückhaltung bei Lohnforderungen, variable Arbeitszeiten, maximale Motivation, höchster Leistungseinsatz.
Wer nicht mithalten kann, wird aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegliedert. Es erfolgt dann nur mehr eine Pseudobeschäftigung in Form von Kursen und Arbeitsprojekten, die vom Arbeitsamt finanziert werden.
Unternehmen schicken Führungskräfte längst nicht mehr auf Motivationsseminare, um aus jedem Mitarbeiter das Beste herauszuholen. Manager stehen stattdessen immer häufiger unter Druck, den eigenen Kopf zu retten. Das geht nur um den Preis, die Vorgaben von oben gnadenlos durchzusetzen.
Sie müssen zum Beispiel eine bestimmte Zahl von Mitarbeitern bis zu einem definierten Stichtag loswerden. Arbeitsrechtliche Bestimmungen verhindern zwar willkürliche Kündigungen durch den Arbeitgeber, Schikanen und Mobbing zwingen jedoch teurere, ältere und behinderte Mitarbeiter dazu, von sich aus zu kündigen. So jemand kann noch von Glück sprechen, wenn ihm das Unternehmen mehr Geld für seinen freiwilligen Abgang bietet: „Entweder Sie akzeptieren diese Bedingungen mit folgenden Vorteilen oder Sie werden auf der Stelle gekündigt mit folgenden Nachteilen.“ Unternehmen wollen nur noch die „Spitzenmitarbeiter“ in der Firma halten – oft ohne besondere finanzielle Anreize.
Viele Firmen und öffentliche Dienststellen bauen laufend Mitarbeiter ab und stellen kaum neue ein. Bestenfalls gaukelt man eine soziale Einstellung vor: „Wir kündigen keinen Dienstnehmer. Wir reduzieren das Personal nur, indem wir den natürlichen Abgang nicht nachbesetzen.“ Immer weniger Arbeitnehmer müssen dann immer mehr Arbeit erledigen, der Arbeitsstress wird immer größer.
Die ständigen Veränderungen in den Unternehmen verschlechtern häufig das Betriebsklima. Daneben stresst das Misstrauen der Kollegen viele Arbeitnehmer, die miteinander in Konkurrenz geraten sind durch die wirtschaftlich angespannte Lage. Langjährige Arbeitskollegen reden immer weniger miteinander und entziehen sich gegenseitig soziale Unterstützung.
Immer mehr Arbeitnehmer fürchten sich, beruflich zu versagen, weil sie körperlich oder geistig nicht mehr so leistungsfähig sind. In vielen Firmen verlieren ältere Arbeitskräfte zuerst den Job, weil sie teurer und unter Umständen häufiger krank sind. Sie gelten als weniger belastbar, weniger flexibel und weniger lernfähig als jüngere Berufstätige.
Früher mussten Menschen ab dem 50. Lebensjahr um den Arbeitsplatz fürchten. Heute haben schon 35- bis 40-jährige Arbeitnehmer Angst, den Job zu verlieren oder keinen mehr zu bekommen. Die Firmen bevorzugen immer jüngere, noch billigere und (angeblich) bessere Arbeitskräfte. Immer mehr Menschen arbeiten ohne oder fast ohne soziales Netz als freie Dienstnehmer, Scheinselbstständige oder gezwungenermaßen Selbstständige.
Menschen mit psychischen und körperlichen Behinderungen haben noch weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit haben bereits gesunde Arbeitnehmer Jobprobleme.
Mütter finden nach einer längeren Karenzzeit zunehmend schwerer Anschluss in
ihrem Beruf. Sie sind oft nicht am letzten Ausbildungsstand. Wegen ihrer
Kinderbetreuungspflichten sehen Firmen sie als unsichere Arbeitnehmerinnen, die
leicht ausfallen können.
Mobbing – zunehmender Stress zwischen Arbeitskollegen
Viele Berufstätige machen die Erfahrung, dass ihre Kollegen sie isolieren und ablehnen. Sie haben den Eindruck, dass die anderen sie am liebsten loswerden möchten. Richten sich solche Spannungen am Arbeitsplatz konkret gegen einen bestimmten Arbeitnehmer, bezeichnet man den Vorgang als „Mobbing“.
Der Begriff kommt aus dem Englischen: to mob = anpöbeln. Bevorzugte Mobbing-Opfer sind Menschen, die begründet oder unbegründet Angst haben, ihre Arbeit nicht zu schaffen. Sie lassen sich leichter als andere niedermachen und ausgrenzen. Durch Mobbing sollen sie endgültig zum beruflichen Scheitern gebracht werden.
Was heute Mobbing heißt, war früher als „Psychoterror im Beruf“ bekannt. Beim Mobbing bringen Kollegen oder Vorgesetzte einen bestimmten Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg gezielt in eine unterlegene Position. Häufig bieten sich bestimmte Arbeitnehmer aufgrund verschiedener Schwächen ungewollt als Mobbingopfer an.
Mobbing umfasst alle böswilligen Handlungen wie bewusste Nicht-Beachtung, absichtliche Informationslücken, hinterhältige Anspielungen, Verleumdungen, gezielte Ausgrenzungen, Demütigungen, Drohungen, Quälereien oder sexuelle Belästigungen. Sie alle haben das Ziel, einen Mitarbeiter systematisch fertig zu machen und aus dem Betrieb hinauszuekeln.
Führungsschwächen von Chefs stellen einen guten Nährboden für Mobbing dar. Auf diese Weise bekommen bestimmte Arbeitnehmer in der Abteilung mehr Macht und Einfluss auf andere, als ihnen zusteht.
Mobbing durch den Vorgesetzten heißt „Bossing“. Vorgesetzte bedienen sich häufig bestimmter Untergebener, um einen unliebsamen Mitarbeiter zu diskriminieren und aus der Abteilung hinauszuekeln. Chefs sind an der Hälfte aller Mobbing-Fälle beteiligt. Ein Grund für Bossing besteht in der zunehmenden Konkurrenzsituation in Betrieben:
Der Druck auf das mittlere Management steigt, sie sollen ältere und teurere Mitarbeiter ohne hohe Kosten für die Firma loswerden. Und schon wird fleißig gemobbt...!
Heutzutage fühlen sich selbst Manager in mittleren bis höheren Etagen gemobbt. Sie haben panische Angst davor, dass gleichrangige oder untergeordnete Angestellte sie wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Schwächen ablehnen könnten. Viele Manager fürchten, ihren Sessel zu verlieren, wenn sie einen schweren strategischen Fehler machen sollten.
Mobbing nimmt auch an Schulen zu, wo es „Bullying“ heißt. Einzelne Schüler hänseln ständig bestimmte Schulkollegen, schüchtern sie ein, schikanieren und tyrannisieren sie. Sie machen auch vor Gewalt nicht Halt. Bullying geht meist von einzelnen Schülern aus. Andere Schüler unterstützen sie oder schweigen aus Angst, selbst Opfer zu werden.
Mobbing-Opfer entwickeln Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen,
Konzentrationsstörungen und psychosomatische Beschwerden wie etwa Kopfschmerzen,
Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Störungen oder Magen-Darm-Beschwerden.
Folgen von
Versagensängsten
„Wer vor Neuem Angst hat,
bleibt immer hinter seinen Möglichkeiten zurück.“
Ernst Ferstl
Inneres Davonlaufen – aufschieben, vermeiden, ablenken
Herr Huber – Prüfungen lieber verschieben als darin versagen
Herr Huber ist 27 Jahre alt und Single. Er studiert seit sieben Jahren Rechtswissenschaft. Er verschob viele wichtige Prüfungen immer wieder und das seit Beginn seiner Studienzeit. Warum er das tut?
Herr Huber hat Angst, bei Prüfungen zu versagen. Er ist jetzt so weit, wie andere Studierende nach zwei Jahren. Das begann schon in seiner Schulzeit. Er fiel bereits im Gymnasium wegen seiner Prüfungsangst auf. Doch der Lernstoff in der Schule war überschaubar, es gab eine fixe Klassenstruktur und vorgegebene Prüfungen. Er hatte keine schulischen Probleme.
Niemand hindert Herrn Huber dagegen auf der Universität, seine Prüfungstermine mehrfach zu verschieben. Eine Beraterin in der psychologischen Studentenberatung riet Herrn Huber, zu den vorgesehenen Prüfungen auf jeden Fall anzutreten. Er könne bereits dies als Erfolg feiern, unabhängig vom Ergebnis der Prüfung. Er solle sich über schlechtestmögliche Prüfungsergebnisse freuen, mit denen er durchkomme.
Eine derartige Strategie war Herrn Huber umso weniger möglich, je länger er studierte. Zur Rechtfertigung seiner langen Studienzeit sollte er doch glänzende Leistungen erbringen.
Herr Huber entwickelte eine leichtere depressive Verstimmung. Bekannte rieten ihm, sein Zimmer öfter zu verlassen. Dann könnte er in der Studienstadt wenigstens eine Freundin kennen lernen. Seine Eltern drängten ihn, eine Arbeit aufzunehmen, wenn er schon nicht ordentlich studieren könnte.
Herr Huber fand beide Anregungen gut. Doch er konnte sie nicht umsetzen. Er brauchte die Zeit ja zum Lernen. Er versuchte zu lernen, sagte aber weiterhin Prüfungstermine ab. Er wollte auch nicht ein x-beliebiges Mädchen kennen lernen und nicht irgendeine Arbeit annehmen. Seine Linie war klar: Nur das Beste ist gut genug, seine Wünsche zu erfüllen.
Herr Huber ging schließlich zu einem Psychiater, als er zunehmend depressiv
wurde. Er konnte sich kaum mehr konzentrieren, was seine Lernprobleme weiter
verschärfte. Dort erfuhr er den wahren Grund seiner Studienverzögerung:
„anankastische Persönlichkeitsstörung“ – Motto: „Zwanghaft-perfekt mit
bestmöglicher Note oder überhaupt kein Prüfungsergebnis“. Der Arzt verordnete
ihm Medikamente und empfahl eine Psychotherapie.
Ausweichen vor wichtigen Aufgaben erhöht langfristig den Stress
Viele Menschen versuchen, mit ihren Versagensängsten fertig zu werden, indem sie nötige Erledigungen immer wieder hinausschieben. Wir schieben alles Mögliche auf: Prüfungen, Auftritte, Haushaltspflichten, private oder berufliche Entscheidungen. Wir bilden uns ein, wenn wir eine Aufgabe erst später erledigen, können wir uns länger und besser darauf vorbereiten.
Der Erfolg wird uns dann sicher sein. Wir trösten uns mit dem Gedanken: Aufschieben ist schlimm, Versagen noch schlimmer. Wir wollen uns vom drohenden Prüfungs- und Arbeitsstress mit billigen Ausreden befreien: Wenn wir mehr Zeit haben, wenn wir mehr innere Ruhe finden, wenn die Umstände günstiger und alle möglichen Bedingungen optimaler sind, dann, und nur dann, können wir uns einer Verpflichtung stellen.
Die Wahrheit ist: Wir gewinnen nur Zeit, wir haben uns nur für den Moment vom Druck befreit. Wir lernen auch später nicht mehr für eine Prüfung, bereiten uns auch bei längerer Vorbereitungszeit nicht besser auf eine Aufgabe vor.
Viele Menschen beherrschen die „Kunst des Verschiebens“ in Prüfungs- und Leistungssituationen perfekt: „mañana“ sagen die Spanier– morgen, morgen, nur nicht heute! Plötzlich ist uns alles andere wichtiger: Arztbesuche, Sport, Verwandtenbesuche, Haushaltstätigkeiten.
Alles hat seinen Preis: Wenn wir notwendige Prüfungen aufschieben, verzögern wir unseren Ausbildungsabschluss – und bringen uns dann erst recht in Stress. Wenn wir erforderliche Dienstprüfungen nicht ablegen und berufliche Fortbildungskurse nicht besuchen, bekommen wir Probleme am Arbeitsplatz.
Es ist eine Tragödie: Viele Menschen mit Prüfungsangst bereiten sich mindestens so gut vor wie ihre Kollegen. Sie wagen es aber dennoch nicht, zur Prüfung anzutreten. Sie fürchten sich zu sehr vor dem jämmerlichen Versagen.
Schüler weichen Versagensängsten gern so aus:
Sie bleiben vom Unterricht fern wegen
harmloser körperlicher Beschwerden wie Übelkeit oder Schwindel.
Sie fehlen mehrere Monate im
Unterricht, sodass sie am Ende des Schuljahres wegen der vielen Fehlstunden
kein Zeugnis erhalten.
In der Arbeitswelt sind
folgende Vermeidungsmuster typisch:
Viele Arbeitnehmer bauschen leichte
körperliche Beschwerden auf und lassen sich krankschreiben. Wie Schulkinder
wollen sie lieber durch körperliche Beschwerden auffallen als durch
Leistungsschwächen. Sie schieben fachliche Entscheidungen auf aus Angst vor
Fehlentscheidungen. Sie beschäftigen sich lieber mit nebensächlichem
Kleinkram als mit wichtigen Arbeitsprozessen.
Zahlreiche versagensängstliche
Menschen wechseln von sich aus den Arbeitsplatz. Sie möchten lieber über
alle Berge sein, bevor jemand ihre Leistungsschwächen erkennt.
Andere versagensängstliche Menschen
kündigen innerlich. Sie vermindern ihre Angst zu versagen, indem sie ihre
Leistungsansprüche verringern. Sie machen nur das Notwendigste, um nicht
unangenehm aufzufallen und Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Allseits beliebt ist „Dienst nach Vorschrift“. Wir halten uns ausschließlich an Vorschriften und verzichten auf eigenständiges Denken. So können wir nichts falsch machen, vermeiden wir Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen. Wir tun das, was erwartet wird – nicht mehr und nicht weniger.
„Ich will alles richtig machen“ – wenn Perfektionismus zur Qual wird
Frau Kaiser – Vollkommenheitsansprüche aus Angst vor Kritik
Frau Kaiser ist 37 Jahre alt, verheiratet und hat 2 Kinder. Sie arbeitet als kaufmännische Sachbearbeiterin. Ihre Eltern, beide Hauptschullehrer, entmutigten sie als Kind ständig. Sie entsprach nie den elterlichen Erwartungen.
Statt Lob gab es stets nur Kritik. Es hieß stets: „Du könntest noch besser sein, wenn du nur wolltest.“ Ihr Grundproblem war von Kindheit an klar: „Ich bin so viel wert, wie ich leiste. Ich bin so gut, wie ich nach außen hin erscheine. Erst wenn ich perfekt bin, lieben mich andere.“
ie bemühte sich immer mehr. Ihre Eltern sollten sie akzeptieren, sobald sie deren Erwartungen erfüllt. Ein Trugschluss: Frau Kaiser konnte niemals so gut sein, wie ihre überehrgeizigen Eltern sich das vorstellten.
Frau Kaiser war in der Schule und im Beruf um Spitzenleistungen bemüht. Auch in der Freizeit wollte sie besser sein als andere. Sie wollte endlich Anerkennung finden und keine Kritik mehr hören. Sie war von klein auf Leistungsschwimmerin. Sie war mit ihren Leistungen nur dann zufrieden, wenn sie die Erwartungen des Trainers erfüllte.
Frau Kaiser nahm nach der Geburt ihres ersten Kindes erheblich zu. Ihre Figurprobleme belasteten sie auf längere Sicht. Würde ihr Partner sie jetzt weniger mögen? Frau Kaiser fand eine anfangs genial erscheinende Methode zur Gewichtskorrektur: Sie brauchte nach dem Essen nur zu erbrechen. Schon wirkte sich ihr Hungergefühl nicht mehr auf ihre körperliche Erscheinung aus – eine mehrjährige Bulimie hatte begonnen.
Frau Kaiser befand sich in einem Wettbewerb mit anderen Frauen um eine gute Figur. Gleichzeitig fürchtete sie, ihr Mann könnte sie nicht mehr erotisch finden. In den letzten Jahren war sie damit beschäftigt, wie sie ihre Doppelrolle als Mutter und kaufmännische Angestellte perfekt erfüllen könnte – ohne ihren Partner zu vernachlässigen.
Frau Kaiser möchte sich als Erwachsene nicht mehr wie ein hilfloses Kind vor der
Kritik ihrer Mitmenschen fürchten. Ihre Anstrengungen führten aber zum
Gegenteil: Sie fürchtet heute die Ablehnung durch andere Menschen, wie sie
früher Angst hatte, von Mutter und Vater nicht akzeptiert zu werden.
Perfektionismus soll der Angst vor Misserfolg entgegen wirken
Ein starker Perfektionismus kann Ursache oder Folge ständiger Versagensängste sein. Perfektionistinnen wie Frau Kaiser wollen Kritik vermeiden, indem sie keine Fehler machen. Sie möchten sich so Liebe und Zuwendung von wichtigen Bezugspersonen sichern. Dahinter steht die falsche Annahme „Nur wenn ich perfekt bin, lieben sie mich“ oder „Wenn ich perfekt bin, kann mich niemand kritisieren“.
Wir möchten oft nicht nur in Ausbildung und Beruf, sondern auch im Privatleben perfekt sein. Wir müssen super gestylt sein, einen attraktiven Körper herzeigen, bewundernswerte Reisen unternehmen. Wir möchten sportlich fit und erfolgreich sein, vorzeigbare Kinder haben und perfekte Liebhaber sein.
Perfektionistische Schüler und Studierende rechnen bei Prüfungen immer mit einer Frage, die sie nicht beantworten können. Der Prüfer wird sicher genau auf diese Wissenslücke stoßen. Damit wären sie als unwissend und unfähig entlarvt. Womöglich stünde ihre Befähigung für diese Ausbildung in Frage.
Die Betroffenen können sich vor Prüfungen keine Freizeit gönnen. Sie müssen immer lernen. Sie erlauben sich keinen Kaffeehausbesuch, kein Kino, keinen Sport, keinen Ausflug. Alles Angenehme oder Schöne ist verboten. „Wenn ich nicht jede Stunde lerne, falle ich deshalb womöglich durch.“ Das Gegenteil ist wahr: Aus Erholung schöpfen wir neue Kraft für die nächste intensive Lernphase. Frisch erholt lernt es sich nach Pausen erheblich leichter.
Zahlreiche Berufstätige haben Angst vor Fehlern und kontrollieren deshalb jede Aufgabe mehrfach bis ins kleinste Detail. Trotzdem haben sie nicht das Gefühl, dass alles passt.
Perfektionistische Arbeitnehmer und Chefs müssen alle Aufgaben selbst erledigen. Sie können nichts delegieren oder in Teamarbeit ausführen. Sie trauen ihren Kollegen und Mitarbeitern eine Aufgabe nicht zu. Keiner macht ihrer Meinung nach diese Sache so gut wie sie selbst.
Perfektionistische Chefs kontrollieren ihre Mitarbeiter ständig. Damit wollen sie Kritik von Kunden oder des obersten Chefs vermeiden. Diese könnten Misserfolge auf fehlende fachliche Überwachung zurückführen.
Männer mit sexuellen Funktionsstörungen vermeiden jeden sexuellen Kontakt, wenn
sie nicht absolut sicher sind, einen Geschlechtsverkehr ausreichend lang
durchführen zu können. Sie enttäuschen ihre Partnerin lieber auf diese Weise.
Ein sexueller Annäherungsversuch könnte gelingen, aber auch scheitern.
Arbeitssucht – der Beruf als Droge
Die Jagd nach Erfolg aus Angst zu versagen kann ein suchtartiges Ausmaß annehmen. Es kommt zu einer richtigen „Arbeitssucht“. Die Arbeit wird zum Dreh- und Angelpunkt des ganzen Lebens. Das Leben ist fast ausschließlich auf den Beruf ausgerichtet, 14- bis 16-Stunden-Tage inklusive.
Die Arbeit wird zum liebsten Hobby, zum einzigen Lebenssinn. Wer von dieser Sucht erst einmal gepackt ist, muss ständig per Handy erreichbar sein, selbst beim Essen, Autofahren und Baden. Laufend werden die neuesten Emails abgefragt: keine berufliche oder private Reise ohne Laptop. Selbst im Urlaub muss eine Verbindung mit der Arbeit gegeben sein, entweder in Form von Telefonaten oder in Form von Arbeitsunterlagen am Badestrand.
Die fehlende Trennung zwischen Beruf und Privatleben wird erst dann als Problem erkannt, wenn die Angehörigen, der Körper oder die Seele nicht mehr mitspielen wollen. „Workaholics“ haben oft ein geringes Selbstwertgefühl. Sie möchten dieses durch herausragende Leistungen und wettbewerbsorientiertes Verhalten steigern. Nur die Arbeit beschert ihnen Hochgefühl. Das führt direkt in einen Teufelskreis: Sie machen sich immer abhängiger von erfolgreichen Leistungen.
Führungskräfte und Selbstständige vergessen besonders leicht auf sich selbst und ihre Bedürfnisse. Der Terminkalender ist randvoll gefüllt, viele Überstunden sind (angeblich) notwendig. Sie folgen dem totalen Leistungsprinzip. Alle Gedanken kreisen um die Arbeit. Andere Aspekte des Lebens wie Privates, Freunde, Entspannung und Erholung kommen beständig zu kurz. Im Lauf der Zeit schlittern sie aus der ständigen Überlastung direkt in ein Burn-out. Häufig haben solche Menschen erste Warnsignale einer körperlichen und seelischen Überforderung einfach ignoriert.
Es ist durchaus verständlich, zeitweise mehr als üblich zu arbeiten: wenn wir
uns eine Karriere als Angestellte oder Selbstständige aufbauen wollen, wenn wir
einen Hausbau finanzieren wollen oder uns nach einem Todesfall oder einer
Scheidung ablenken wollen. Doch wir müssen zu einem normalen Arbeitspensum
zurückfinden, wenn wir unsere Gesundheit bewahren wollen. Die Arbeit sollte
nicht auf Dauer zur ehrbaren Droge werden.
Der Wunsch, sich zu beweisen, ist ein legitimer Leistungsanreiz und Motor unserer Leistungsgesellschaft. Wir möchten unser Leben unter Kontrolle haben. Wir suchen Einfluss auf andere Menschen. Damit fühlen wir uns nicht beängstigend ohnmächtig und minderwertig. Wenn aus dem erhöhten Leistungsbedürfnis ein Zwang zu ständiger Arbeit wird, schlittern wir schnell in ein erstes Stadium von beruflichem Burn-out.
Diese Gefahr ist umso größer, je mehr wir uns für unersetzlich halten, alles allein machen möchten und nichts im Beruf und zu Hause delegieren können. Wir würden dann ja die absolute Kontrolle verlieren. Dabei vernachlässigen wir unsere eigenen Bedürfnisse und Interessen, weil wir uns selbst weniger wichtig nehmen als die anderen.
Wir finden immer neue Begründungen, um mehr Arbeit zu leisten. Mehr Arbeit
bedeutet neue Hochgefühle. Unser Körper schüttet dabei große Mengen von
Adrenalin aus. Dieses Stresshormon wirkt stimulierend wie ein Aufputschmittel.
Die Droge Arbeit entfaltet ihre Wirkung ähnlich wie ein Suchtmittel: Wenn wir
die Dosis nicht nach kurzer Zeit erhöhen, lässt die Wirkung nach. Wir sind in
Gefahr, in ein psychisches Tief zu fallen. Wir müssen dringend neuen Stoff
zuführen: noch mehr Arbeit, Hektik und Stress.
Die Angst zudecken – Missbrauch von Alkohol und Medikamenten
Herr Staudinger – Alkohol und Beruhigungsmittel als Angstdämpfer
Herr Staudinger ist 49 Jahre alt und geschieden. Er hat keine Kinder. Herr Staudinger ist Ingenieur und leitender Angestellter eines technischen Großbetriebs. Sein Arbeitstag dauerte durchschnittlich 14 Stunden. Mit seiner Frau verbrachte er – auch wegen seiner häufigen Auslandsaufenthalte – wenig Zeit.
Herr Staudinger hat sich aus ärmlichen Verhältnissen vom Arbeiterstudenten zum Manager hochgearbeitet. Er konnte mit seiner geschiedenen Frau zumindest materiell vieles teilen: Sie hatten ein Haus, machten weite Reisen und führten ein Leben in einem gewissen Wohlstand. Das alles hatte Herr Staudinger als Kind nicht gehabt.
Dann kam es in seiner Firma zu Umstrukturierungen. Herr Staudinger bekam Angst, trotz seiner herausragenden Leistungen für den Betrieb überflüssig zu werden. Er dämpfte seine Sorgen und Ängste zunehmend mit Alkohol und Beruhigungsmitteln.
Herr Staudinger fürchtete sich vor einem Knick in seiner beruflichen Laufbahn, falls er überhaupt noch eine Arbeitsstelle finden würde. Alkoholmissbrauch und Beruhigungsmittel beeinträchtigten mit der Zeit seine Leistungen am Arbeitsplatz. Als Grund dafür gab Herr Staudinger anfangs Magenschmerzen und Kreuzschmerzen an.
Schließlich verzichtete er vollständig auf Alkohol und Beruhigungsmittel. Seine Ehe war nicht mehr zu retten, seine Frau lernte einen anderen Mann kennen und ließ sich scheiden. Herr Staudinger konnte jedoch seine berufliche Position erhalten. Seine Vorgesetzten hatten ihm dies immer wieder versichert.
Herr Staudinger konnte und wollte das aufgrund seiner latenten
Minderwertigkeitsgefühle nicht glauben. Er fühlte sich durch den möglichen
Verlust seiner Arbeit in seinem Selbstwertgefühl bedroht. Jetzt hat er durch
seine schmerzlichen Erfahrungen erkannt: Es gibt auch noch andere Werte und
Tätigkeiten, die sein Selbstbewusstsein stärken können, nicht nur die Arbeit.
Der Griff zur Droge erhöht die Versagensangst
Viele Menschen greifen zu Alkohol, Aufputsch- oder Beruhigungsmitteln, Zigaretten oder übermäßigem Essen, um ihre Leistungs- und Versagensängste zu verdrängen. Sie wollen die Angst überdecken, es nicht mehr zu schaffen. Mit diesen Drogen spüren sie ihre Furcht, ihren Arbeitsplatz oder ihre berufliche Position zu verlieren, nicht so stark. Der Griff zur Flasche ermöglicht eine vorübergehende Lockerheit.
Zahlreiche Arbeitnehmer sind aufgrund ihrer sozialen Ängste und Versagensängste alkoholkrank oder -gefährdet. Alkoholmissbrauch ist bei Männern die häufigste Ursache, um vorzeitig aus dem Berufsleben auszusteigen. Letztlich verstärkt der Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten die Versagensängste:
Als Folge des Alkoholkonsums nimmt die Leistungsfähigkeit tatsächlich ab. Frauen gehen zwar bei Überforderung eher zum Hausarzt als Männer, sie nehmen jedoch die für kurze Zeit verordneten Beruhigungsmittel oft zu lange ein und werden davon abhängig.
Ängstliche Menschen bekämpfen ihre natürliche Ermüdung mit legalen Aufputschmitteln wie Kaffee und Zigaretten oder mit illegalen Drogen wie Kokain. Damit erscheinen sie länger fit – und beuten sich zunehmend selbst aus. Vor allem jüngere Menschen steigen mit Hilfe von Cannabisprodukten kurzzeitig aus dem Stress der Alltagswelt aus. In einer solchen Scheinwelt haben sie keine Versagensängste.
Viele gestresste Frauen wollen sich über attackenartiges oder andauerndes
Essverhalten vom inneren Druck der beruflichen und familiären Anforderungen
entlasten. Sie gefährden aber auf diese Weise langfristig ihre körperliche
Gesundheit.
Wenn Körper und Seele leiden – Angststörungen, Burn-out, Depressionen und
psychosomatische Störungen
Frau Rauscher – von der Angst in die Depression
Frau Rauscher ist 45 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie arbeitet als Buchhalterin in einer größeren Stadt. Vor 15 Jahren besuchte sie erstmals ihren Hausarzt wegen zahlreicher Beschwerden, die keine körperlichen Ursachen erkennen ließen.
Frau Rauscher klagte über Muskelverspannung. Sie hatte Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich, spürte Würgegefühle im Hals, Beklemmungsgefühle in der Brust. Sie fühlte sich chronisch schwindlig, hatte häufig Durchfall. Sie war ständig innerlich ruhelos.
Ein Psychiater diagnostizierte vor 10 Jahren eine generalisierte Angststörung. Frau Rauscher machte sich laufend unbegründete Sorgen um alltägliche Dinge. Sie fürchtete sich, neben ihrem geliebten Beruf ihre Kinder zu vernachlässigen. Der Mann könnte zu kurz kommen und sich eine andere Frau suchen. Ihre alte, pflegebedürftige Mutter könnte wegen zu kurzer Besuche nicht ausreichend versorgt sein.
Schließlich bekam Frau Rauscher wegen einiger Flüchtigkeitsfehler Angst, ihren stressreichen Job bald nicht mehr zu schaffen. Sie fühlte sich häufig gereizt und müde.
Frau Rauscher entwickelte durch ihren Übereinsatz vor zwei Jahren eine
Erschöpfungsdepression. Sie verbrachte drei Wochen in der Psychiatrie. Aus
ständiger Angst zu versagen hatte sich Frau Rauscher bis zum völligen
Zusammenbruch überfordert. Eine Psychotherapie soll ihr jetzt helfen, mit ihren
Selbstwert-Zweifeln und Versagensängsten besser umgehen zu lernen.
Angststörungen
Die Angst zu versagen kann so ausufern, dass verschiedene Angststörungen daraus resultieren: Panikattacken, soziale Phobien und generalisierte Angststörungen.
Panikattacken treten anfallsartig auf. Dabei haben die Betroffenen massive körperliche Symptome wie Herzrasen, Atemnot oder Schwindel und geistige Beschwerden wie Angst, verrückt zu werden. Sie empfinden diese oft persönlich als lebensbedrohlich, auch wenn es körperlich keinen Grund dafür gibt.
Eine Panikattacke entsteht aus Sicht der Betroffenen meist ohne erkennbaren Grund. Sie dauert etwa zehn bis dreißig Minuten an und kehrt im Lauf der Zeit öfter wieder. Es entwickeln sich im Laufe der Zeit oft große Erwartungsängste vor einer neuerlichen Panikattacke. Die Erfahrung des körperlichen und/oder geistigen Kontrollverlusts hat das Selbstbild der Betroffenen verändert. Sie fühlen sich schwächer und ohnmächtiger als vorher.
Soziale Phobien sind charakterisiert durch die anhaltende und belastende Angst, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit anderer Menschen zu stehen. Die Betroffenen befürchten, sich ungeschickt, lächerlich oder unfähig zu verhalten. Dann könnten die Mitmenschen sie kritisieren oder ablehnen.
Sozialphobiker vermeiden aus Angst vor Blamage viele soziale Situationen. Wenn das nicht geht, entwickeln sie beim Kontakt mit ihren Mitmenschen unangenehme Symptome wie innere Anspannung, Zittern, Erröten, Schwitzen, Übelkeit oder Brechreiz, Harn- oder Stuhldrang. Treten Panikattacken bei sozialen Phobien auf, so unterstreicht dies das Ausmaß der Phobie.
Soziale Phobien beeinträchtigen das schulische, berufliche und gesellschaftliche Leben stark. Sie sind – nach depressiven Störungen und Alkoholproblemen – die dritthäufigste psychische Störung.
Jeder zehnte Bürger leidet im Laufe seines Lebens längere Zeit darunter, ein Teil davon betreibt einen erheblichen Alkoholmissbrauch zur Angstdämpfung. Viele Betroffene bleiben aus Angst vor unangenehmem Mittelpunkterleben lieber im Hintergrund. Sie verzichten auf einen möglichen beruflichen Aufstieg, häufig auch auf Kontakte mit dem anderen Geschlecht.
Soziale Ängste umfassen zwei Aspekte: Die Betroffenen sind überzeugt, unfähig zu
sein und so geltenden Bewertungsstandards nicht zu entsprechen („Ich verhalte
mich aufgrund meiner Schwächen peinlich oder unakzeptabel“); zum anderen
erwarten sie ängstlich die Kritik und Ablehnung vonseiten anderer Menschen („Die
anderen werden mich kritisieren oder gar ablehnen“).
Sozialphobiker sehen ihre Schwächen negativer, als sie tatsächlich sind. Sie
rechnen ständig damit, dass ihre Mitmenschen sie kritisch beobachten und
entwerten könnten. Sie haben Angst, vor anderen Menschen zu versagen, weil sie
selbst sich überaus kritisch betrachten. Sie stellen weit überhöhte Ansprüche an
ihr Können. Sie fühlen sich minderwertig und fürchten deshalb, auch den
Erwartungen der Mitmenschen nicht zu entsprechen.
Sozialphobiker möchten auf ihre Mitmenschen unbedingt einen guten Eindruck machen. Sie glauben jedoch nicht daran, bei anderen wirklich gut anzukommen. Aus Angst zu versagen, legen sie sich die Latte besonders hoch. Sie scheitern gerade daran – und bestätigen sich ihre (angebliche) Unfähigkeit selbst. Sozial ängstliche Personen verlassen diesen Teufelskreis sich aufschaukelnder Ängste, wenn sie sich in ihren Gedanken nicht mehr selbst herabsetzen. Sie sollten lernen, sich selbst mit allen Fehlern und Schwächen anzunehmen.
Fachleute unterscheiden zwischen einer spezifischen und einer generalisierten Sozialphobie. Die Abgrenzung fällt im Einzelfall nicht immer leicht.
Eine spezifische Sozialphobie nennt man auch Sozialphobie vom Leistungstyp. Von dieser Angst Betroffene fürchten sich vor bestimmten sozialen Situationen, in denen sie sich vor anderen präsentieren sollen und beurteilt werden. Betroffene erleben diese Störung nur in spezifischen Leistungssituationen vor den Augen anderer Menschen. In allen anderen Bereichen haben sie kaum Probleme im Umgang mit anderen Menschen. Sie leiden typisch in Situationen wie etwa bei Reden in der Öffentlichkeit, Prüfungen jeder Art, bei Präsentationen ihrer Arbeit. Die Angst befällt sie, wenn andere sie beim Schreiben oder sonstigen Tätigkeiten beobachten, oder wenn sie sportliche und musikalische Aktivitäten vor Publikum erbringen sollen. Essen und Trinken mit anderen Menschen wird für solche Menschen zur Hölle. Sie haben Angst, vor aller Augen mit ihren Händen zu zittern, zu schwitzen oder rot zu werden. Was weitgehend unbekannt ist, oft sogar den Betroffenen: Viele beruflich erfolgreiche oder höher gestellte Personen leiden unter einer spezifische Sozialphobie. Sie sind Ausdruck ihrer Ängste, sich in Präsentationen unsterblich zu blamieren oder jämmerlich zu versagen.
Eine generalisierte Sozialphobie wird immer häufiger „soziale
Angststörung“ genannt. Die Ängste treten in vielen verschiedenen sozialen
Situationen auf. Sie hängen oft mit mangelnden Fertigkeiten im Umgang mit
unseren Mitmenschen und allgemeiner Selbstunsicherheit zusammen. Menschen mit
generalisierten Angststörungen machen sich ständig unkontrollierbare Sorgen. Sie
fürchten im Alltag dauernd das Schlimmste und fühlen sich für alles
verantwortlich. Sie sorgen sich übermäßig um die eigene Person oder um andere
Menschen, häufig Familienmitglieder. Sie bauschen Kleinigkeiten schnell zu
großen Katastrophen auf. Überfürsorglichkeit soll sie vor dem Versagen bewahren.
Sie sind ständig ängstlich angespannt, was sich häufig zu chronischen
Muskelverspannungen auswächst. Innere Ruhelosigkeit, Erschöpfungszustände,
Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Schwindelgefühle, Schlafstörungen und
Herz-, Magen- oder Darmbeschwerden treten verstärkt auf. Rund 5 % der
Bevölkerung leiden im Laufe ihres Lebens unter einer generalisierten
Angststörung.
Burn-out
Die Angst vor persönlichem Versagen steht häufig am Beginn eines Burn-outs. Burn-out spüren wir als körperliche, seelische und geistige Erschöpfung, verbunden mit sozialem Rückzug. Sie folgt dauerhafter Überforderung auf dem Fuß. Wir lassen uns oft von äußeren Umständen (Familie, Beruf, sozialer Umwelt, gesellschaftlichen Normen) und/oder inneren Einflüssen (Idealismus, soziales Engagement, hohes Anspruchsniveau, Mitleid) überfordern.
Burn-out wurde zu Beginn der Siebziger- und Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts vorwiegend bei Berufstätigen im sozialen und helfenden Bereich beschrieben. Später erkannte man, dass alle Berufstätigen ebenso wie Hausfrauen im Laufe der Zeit „ausbrennen“ können. Sie leiden unter Burn-out, wenn sie ihr ursprüngliches Engagement aus chronischer Erschöpfung nicht durchhalten. Aber Achtung: Hohe Ziele und weit überdurchschnittliches Engagement machen nicht krank, die Ursachen für ein Burn-out liegen in unrealistischen Vorsätzen. Betroffene nehmen auftretende Probleme und Warnsignale vor Überforderung nicht ernst. Dabei sind alarmierende Symptome eine Chance für eine Kurskorrektur. Je nach Autor werden vier bis zwölf Burn-out-Phasen angeführt. Die Entwicklung verläuft über die angeführten vier Etappen.
In der ersten Phase sind wir übermäßig begeistert. Wer ausgebrannt ist, hat früher einmal gebrannt, war Feuer und Flamme für eine bestimmte berufliche oder familiäre Tätigkeit. Leidenschaftliches Engagement und lodernde Begeisterung verstellen uns jedoch den Blick auf unsere realistischen Möglichkeiten und Grenzen. Unermüdlicher Einsatz am Arbeitsplatz oder zu Hause, stets das Beste zu geben, lässt kein Gefühl für die eigene Selbstüberschätzung aufkommen.
In der zweiten Phase spüren wir erste Warnsymptome. Erste Selbstzweifel („Bin ich gut genug?“, „Kann ich das schaffen?“, „Soll ich mir das wirklich antun?“) und körperliche und seelische Frühwarnsymptome für die sich anbahnende Überforderung sind Schlafstörungen, Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, zunehmende Gereiztheit und beginnender sozialer Rückzug. Die Betroffenen missachten alle Warnhinweise. Noch höhere Leistungsansprüche sollen auftretende Schwächen wettmachen.
In der dritten Phase nehmen Frustration und Belastung zu. Die Arbeit schenkte uns einst Freude, Zufriedenheit, Selbstbestätigung und Erfolg – jetzt erleben wir sie immer mehr als Überdruss und Horror. Bei hohem Arbeitsaufwand sind wir kaum mit unserem Leben zufrieden. Wir haben das Gefühl, mit immer mehr Energieaufwand immer weniger zu erreichen.
In der vierten Phase sind wir seelisch, körperlich und geistig erschöpft. Das Feuer brannte in letzter Zeit nur mehr auf Sparflamme, jetzt ist es ganz erloschen. Mit zunehmendem Frust geben wir schließlich auf. Wir ziehen uns von anderen Menschen zurück, werden einsam und zynisch. Unsere körperliche Erschöpfung wird immer größer. Wir leiden unter Energiemangel, chronischer Müdigkeit und Schlafstörungen. Wir bekommen Schmerzen, sind verstärkt anfällig für Krankheiten, unser Immunsystem streikt gewissermaßen.
Psychosomatische Erkrankungen (z.B. Verdauungsprobleme oder Herz-Kreislauf-Probleme) und psychische Störungen (Hilflosigkeit, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Minderwertigkeitsgefühle, Depressionen, Angststörungen, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch) nehmen ihren Lauf. Geistige Erschöpfung und eine zunehmend negative Einstellung zu uns selbst, zu Klienten, zur Arbeit und zum Leben überhaupt machen sich breit. Schließlich werden wir arbeitsunfähig.
Frauen mit Burn-out lassen sich oft von ihrer Fürsorge für andere auffressen. Sie kümmern sich zu viel um andere Menschen. Dabei vernachlässigen sie sich und ihre Bedürfnisse. Sie haben Angst, bestimmten Mitmenschen könnte es schlecht ergehen, wenn sie für diese nicht genug Zeit, Aufmerksamkeit und Energie aufwenden. Sie möchten sich und anderen beweisen, dass sie alles Menschenmögliche zu deren Wohlergehen tun. Sie wollen auf keinen Fall in ihrer Fürsorge versagen.
Je mehr Angst wir haben, gegenüber unseren Angehörigen und im Beruf zu scheitern, umso leichter schlittern wir in ein Burn-out. Unter einem solchen Druck strengen wir uns oft noch mehr an, alles zu schaffen, statt wegen der zunehmenden Überlastung weniger zu arbeiten.
Bei außer Haus arbeitenden Frauen verstärkt sich die Gefahr eines berufsbedingten Burn-outs: Sie müssen oft doppelt so gut sein wie Männer, um die gleiche Position und ein ähnliches Gehalt zu erreichen. Wenn sie Karriere gemacht haben, ist ihre Angst zu versagen oft größer als bei Männern.
Frauen stehen unter Druck, das Erreichte gegenüber der männlichen Konkurrenz zu rechtfertigen. In vielen Familien bleibt gleichzeitig die ganze Versorgungsarbeit an Frauen hängen. Schließlich möchten sie die Familie trotz ihres beruflichen Engagements nicht vernachlässigen. Häufig erledigen Frauen auch privat eher mehr als weniger, um ihre beruflichen Aktivitäten zu kompensieren.
Viele Frauen haben Angst, im privaten Bereich zu versagen. Sie entwickeln so gleich ein doppeltes, beruflich und familiär bedingtes Burn-out. Ein Entkommen ist schwer: Die Betroffenen halten sich bei weniger Leistung für persönlich schwach und unfähig.
Auch Männer treibt die Angst zu versagen in ein berufliches Burn-out. Sie tun an der Arbeitsstelle mehr als nötig, um Kritik und Misserfolg zu vermeiden. Sie intensivieren alle Bemühungen, machen viele unbezahlte Überstunden. Zusätzliche Arbeit am Wochenende oder zu Hause soll sie vor dem Versagen bewahren. Derart überengagierte Männer sind enttäuscht, wenn die Verantwortlichen ihren übergroßen Einsatz am Arbeitsplatz nicht anerkennen, sondern für selbstverständlich halten.
Angst zu versagen oder nicht gut genug zu sein, bedeutet chronischen Stress. Dies schwächt unser Immunsystem und führt zu zahlreichen psychischen und psychosomatischen Beschwerden.
Wir schlittern in ein Burn-out, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse verleugnen. Wir können sie vor lauter Angst zu versagen nicht wahrnehmen. Wir schätzen ständiges Engagement für andere Menschen oder Aufgaben als wichtiger ein als unser Bedürfnis nach Erholung, Vergnügen, Geselligkeit und Intimität.
Weil wir uns ständig um andere sorgen, ist die Fürsorge um uns selbst, um eigene
Interessen wie Hobbys, zu kurz gekommen. Die Angst zu versagen oder nicht gut
genug zu sein, dominiert alles andere. So können wir uns nicht mehr entspannen.
Wir haben Angst, der Verantwortung für andere Menschen nicht gerecht zu werden.
Gleichzeitig verlieren wir die Verantwortung für unser eigenes Wohlergehen aus
den Augen.
Depressionen
Versagensängste führen langfristig häufig zu einer Depression. Eine Ursache dafür ist die ständige Überforderung. Versagensängste stellen im Rahmen einer depressiven Episode gewöhnlich eines der zentralen Symptome dar. Die Betroffenen bewerten Vergangenheit und Gegenwart negativ („Ich weiß, dass ich im Leben versagt habe“).
Sie fühlen sich körperlich und seelisch antriebslos. Sie befürchten, zukünftig weiterhin zu versagen („Ich werde nie mehr etwas schaffen und für immer ein Versager bleiben“). Sie haben – nach der Angst zu versagen – wirklich versagt. Mit letzter Kraft möchten sie diese Versagenserlebnisse wettmachen, indem sie sich verstärkt um gute berufliche Leistungen bemühen und die Erwartungen der anderen erfüllen möchten.
Das beschleunigt den
endgültigen depressiven Zusammenbruch. Ein- und Durchschlafstörungen verhindern
zusätzlich den nötigen Aufbau von körperlicher und seelischer Energie.
Psychosomatische Störungen
Viele Schüler, Studierende, Arbeitnehmer, Sportler und Künstler spüren ihre Angst zu versagen buchstäblich am eigenen Körper. Sie leiden unter verschiedenen psychosomatischen Störungen. Versagensängste und chronischer Stress können Spannungskopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenschmerzen, Hautkrankheiten und viele andere körperliche Symptome auslösen oder verstärken.
Kindern ist bei Prüfungs- und Versagensängsten schlecht, sie haben
Magenschmerzen, Kopfweh oder Fieberschübe. Viele Erwachsene laufen wegen
körperlicher Beschwerden von einem Arzt zum anderen. Doch keine medizinische
Untersuchung führt zu einem organischen Befund. Den Betroffenen fällt es oft
sehr schwer, das für andere Augenfällige zu erkennen: Es handelt sich um
psychovegetative, heutzutage „somatoform“ genannte Symptome, die mit
Überforderungen in der Familie und im Beruf zusammenhängen.
Teil III: Ratschläge: So bewältigen Sie Ihre Angst zu versagen
„Es ist nicht genug zu wissen,
man muss es auch anwenden.
Johann Wolfgang von Goethe
Lernen Sie Ihre
Versagensängste kennen
„Man muss vor nichts im Leben
Angst haben, wenn man seine Angst versteht.“
Marie Curie
Versagensängste entstehen in
Ihrem Kopf. Hand aufs Herz: Erwarten Sie von sich selbst das schlechtest
mögliche Ergebnis? Fürchten Sie sich immer vor dem Schlimmsten? Versagensängste
sind die Folge Ihrer negativen Erwartungen und irrationalen Befürchtungen. Sie
können Ihre Leistungsängste in zwei Schritten bewältigen:
Lernen Sie Ihre Versagensängste
kennen. Analysieren Sie Ihre Ängste und tragen Sie Ihre Analysen und
Erkenntnisse in ein Angst-Tagebuch ein. Wir fühlen uns oft schon
erleichtert, wenn wir unsere unklaren Gedanken, verwirrenden Gefühle und
belastenden körperlichen Zustände in Worte fassen können. Bereits
Hippokrates wusste: “Für was man Worte hat, darüber ist man schon hinweg.”
Trainieren Sie den besseren Umgang mit
Ihrer Angst! Sie können körperlich, geistig und seelisch leistungsfähiger
werden, wenn Sie die Angst zu versagen überwinden. Dokumentieren Sie Ihre
Fortschritte in Ihrem Angst-Tagebuch. Das motiviert Sie im Kampf gegen Ihre
Ängste. Loben und belohnen Sie sich selbst für Ihren Einsatz und Ihre
Erfolge.
Ihre Versagensängste im Detail
Machen Sie sich ein genaues Bild Ihrer Versagensängste, indem Sie folgende Fragen schriftlich beantworten:
Wovor verspüren Sie die größten
Versagensängste?
Wobei fürchten Sie zu versagen in
Ausbildung, Beruf und Kontakten zu anderen Menschen?
In welchen Bereichen Ihres Lebens
setzen Sie sich besonders stark unter Druck?
Welches Versagen fürchten Sie am
meisten? Welches am zweitmeisten und so weiter?
In welcher Weise setzen Sie sich
ständig unter Druck, etwas zu leisten? Machen Sie etwa häufig Überstunden?
Oder verzichten Sie oft auf Ihre Freizeit?
In welcher Weise belasten Sie Ihre
Versagensängste? Wie stark fühlen Sie sich beeinträchtigt?
Welche privaten, beruflichen und
zwischenmenschlichen Situationen vermeiden Sie wegen Ihrer Versagensängste?
Für wie wahrscheinlich halten Sie es,
in bestimmten Bereichen tatsächlich zu versagen?
Welche Versagensängste sind real?
Welche sind eher übersteigerte Befürchtungen?
Wann genau treten Ihre Versägensängste
bevorzugt auf?
Was macht sie schlimmer? Was schwächt
sie ab?
Welche Ausnahmen gibt es: Wann haben Sie keine Angst zu versagen?
Ursachen und Folgen Ihrer Versagensängste
Untersuchen Sie, woher Ihre
Versagensängste kommen und welche Folgen diese für Ihr Leben haben:
Welche tieferen Ursachen sehen Sie für
Ihre Versagensängste?
Was löst Ihre Versagensängste am
häufigsten aus?
Welche Denkmuster liegen Ihren
Versagensängsten zugrunde?
Wie haben sich Ihre Versagensängste
entwickelt?
Warum möchten Sie um jeden Preis
Fehler und Versagen vermeiden?
Was haben Sie früher bei Prüfungen und
anderen Leistungen erfahren?
Haben Sie durch besonders gute
Leistungen eine Sonderstellung in der Familie oder in der Schule innegehabt?
Wie sind Ihre Eltern und Lehrer mit
Ihren Misserfolgen umgegangen? Wie haben Sie darauf reagiert?
Welche Glaubenssätze und Redensarten
in Bezug auf Ihre Leistungen gaben Ihnen Ihre Eltern mit? Welche davon sind
Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Haben Ihre Eltern Sie in Ihrer
Kindheit und Jugend persönlich anerkannt, ohne dass es dabei um Ihre
Leistungen ging?
Wissen Sie, auf welchen Wegen Sie
gegenwärtig (mehr) Zuwendung und Anerkennung von Ihren Mitmenschen bekommen
können, außer indem Sie möglichst viel leisten?
Welchen Stellenwert haben Ihre Wünsche
und Bedürfnisse im Vergleich zu denen Ihrer Angehörigen und Kollegen?
Wie stark fühlen Sie sich für andere
Mitmenschen verantwortlich?
Haben Sie Angst, in Ihrer Fürsorge für
andere zu versagen?
Mit welcher Vermeidungstaktik begegnen
Sie Leistungsanforderungen gern?
Welche negativen Gedanken und
Vorstellungen machen Sie sich häufig, während Sie sich auf eine Prüfung oder
eine andere Leistung vorbereiten?
Wie negativ haben sich Ihre Versagensängste bisher ausgewirkt?
Welche Folgen hat es, wenn Sie in
Ihren beruflichen und zwischenmenschlichen Kontakten immer nur das tun, was
Sie bei den anderen beliebt macht?
Was wird besser sein, wenn Sie Ihre
Versagensängste überwunden haben?
Nach welchen Maßstäben beurteilen Sie sich selbst?
Überprüfen Sie Ihre
leistungsbezogenen Wertmaßstäbe:
Wie wichtig sind Ihnen gute
Leistungen?
Wie schlimm empfinden Sie Misserfolge bei Prüfungen und anderen Auftritten?
Ziehen Sie Ihr Selbstwertgefühl
hauptsächlich aus Ihren erfolgreichen Leistungen?
Wie stark hängt Ihr Selbstbewusstsein
vom Vergleich mit anderen Menschen ab?
Welche Sachverhalte sind Ihnen so
wichtig, dass Sie weiterhin große Versagensängste haben werden?
Um welchen Preis vermeiden Sie bestimmte Situationen, weil Sie Angst haben zu versagen?
Welche Ziele müssen Sie beruflich und
privat erreichen, um sich selbst erfolgreich zu fühlen?
Welche Statussymbole brauchen Sie für
Ihr Selbstbewusstsein und Ihr Sozialprestige bei anderen Menschen?
Bewältigen Sie
Ihre Versagensängste in zwanzig Schritten
„Wer sich zum Gesetz macht, das
Tun am Denken, das Denken am Tun zu prüfen,
Johann Wolfgang von Goethe
Dieser Ratgeber möchte Ihnen helfen, konstruktiv mit Ihren Leistungsängsten umzugehen. Er kann Sie nicht befähigen, Ihre Persönlichkeit zu verändern oder tiefer liegende Konflikte zu bearbeiten.
Ihre Versagensängste können Ihr Verhalten derart bestimmen, dass Sie dadurch erhebliche Nachteile im Leben erleiden. In diesem Fall benötigen Sie eine Psychotherapie oder eine klinisch-psychologische Behandlung.
Ersparen Sie sich den Weg zum
Fachmann nur dann, wenn Sie von diesem Selbsthilfe-Ratgeber oder ähnlichen, im
Literaturverzeichnis angeführten Wegweisern ausreichend profitieren können.
Möchten Sie Ihre Probleme unter einem neuen Blickwinkel betrachten? Sind Sie offen und neugierig für zielführendere Bewältigungsstrategien Ihrer Versagensängste? Sind Sie motiviert, neue Wege zu gehen? Dann ist dieser Ratgeber das Richtige für Sie!
Wenn Sie Ihre Versagensängste erfolgreich bewältigen, steigern Sie Ihre
Leistungsfähigkeit. Sie verbessern und genießen so Ihre Erfolge. Ihre
Mitmenschen werden Sie mehr schätzen, Sie erreichen mehr Einfluss auf andere
Menschen.
Ihre Angst kann Sie motivieren. Nutzen Sie die Energie Ihrer Angst für sinnvolle
Veränderungen. Das Wort Angst weist von seinen antiken Wurzeln her auf einen
Zustand der Beengung hin. Sie können Ihre Angst überwinden, indem Sie Ihren
Handlungsspielraum erweitern. Wenn Ihre Angst Sie nicht mehr lähmt, können Sie
wieder realistische Ziele anstreben und Ihre Lebenssituation verbessern.
In allen Leistungssituationen gibt es drei Phasen. In jeder Phase bedarf es
unterschiedlicher Strategien:
Phase der Vorbereitung.
Überprüfen Sie Ihre Motivation für bestimmte Aufgabenstellungen. Entscheiden
Sie sich bewusst für eine bestimmte Aufgabe. Vermeiden Sie innere
Fluchttendenzen. Versetzen Sie sich in die jeweilige Leistungssituation.
Gehen Sie den Ablauf der Ereignisse möglichst bildhaft und realistisch
durch. Stellen Sie sich einen erfolgreichen Abschluss der Situation vor.
Welche Probleme und Schwierigkeiten erwarten Sie? Entwerfen Sie für
schwierige Aufgabenstellungen mehrere Szenarien und Lösungsstrategien. So
sind Sie auf unterschiedliche Entwicklungen gut vorbereitet. Lernen, üben
und trainieren Sie angemessen, was Sie in der Ernstsituation erfolgreich
umsetzen möchten.
Phase des Handelns. Konzentrieren Sie sich in der jeweiligen Leistungssituation voll und ganz auf das aktuelle Tun. Beobachten Sie sich nicht ständig selbst. Unterlassen Sie Bewertungen Ihrer Person und Ihres Verhaltens. Bleiben Sie im Hier und im Jetzt. Achten Sie nur auf die Situation. Denken Sie an nichts anderes (Vergangenheit, Zukunft, andere Menschen, unangenehme Gefühle, körperliche Symptome). Sonst ist Ihr Verhalten nicht mehr spontan. Vermeiden Sie alle unpassenden Gedanken und abschreckenden Vorstellungen.
Phase des Reflektierens.
Analysieren und bewerten Sie Ihr Verhalten erst, wenn Sie eine bestimmte
Tätigkeit abgeschlossen haben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse helfen
Ihnen, zukünftige Situationen zu optimieren. Bleiben Sie auf keinen Fall bei
Ihren Fehlern und Misserfolgen hängen.
Prüfungsängste, Sprechängste,
Auftrittsängste, Präsentationsängste, berufliche, familiäre und sexuelle
Versagensängste, Kontakt- und Beziehungsängste haben eines gemeinsam: die Angst
zu scheitern. Jedes Gelingen bedeutet, zu einem bestimmten, vorher ganz genau
definierten Zeitpunkt die bestmögliche Leistung zu erbringen, sei dies nun zu
einem Prüfungstermin, einem Wettkampf oder einer Premiere. Bei Versagensangst
fürchten wir, trotz unseres Wissens und Könnens dazu nicht in der Lage zu sein.
Die Botschaft dieses Buches lautet: Ihre Angst zu versagen ist zu bewältigen! In
zwanzig Schritten können Sie lernen, Ihre Versagensängste besser in den Griff zu
bekommen. Gehen Sie alle Schritte der Reihe nach durch und achten Sie darauf,
welche Schritte für Sie von besonderer Bedeutung sind.
Wollen statt müssen - wie Sie sich richtig motivieren können. Motivieren Sie sich durch attraktive Ziele! Lassen Sie sich nicht erst durch äußere Notwendigkeit anspornen.
Erfolgsorientiert vorgehen
– erhoffen Sie Erfolg, statt Misserfolg zu fürchten. Streben
Sie nach Erfolg – statt primär Misserfolg vermeiden zu wollen.
Realistische Ziele setzen – stufenweiser Weg zum Erfolg. Setzen Sie sich realistische, erreichbare Ziele. Durch unrealistische Ziele provozieren Sie Ihr Versagen geradezu.
Positive Ziele formulieren – Wünsche deutlich machen. Setzen Sie sich keine negativ formulierten Ziele, bei denen es nur darum geht, einen Misserfolg zu vermeiden. Formulieren Sie Ihre Ziele positiv.
Visualisieren Sie den Erfolg
– Mentales Training wie im Spizensport. Stellen Sie sich
vor, wie Sie Erfolg haben– statt sich selbst durch Horrorvisionen
abzuschrecken.
Im Hier und Jetzt leben
– im Augenblick verweilen. Verzichten Sie auf negative
Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft.
Konzentrieren Sie sich die Aufgabe
-–
Störfaktoren ausblenden. Achten Sie nicht ständig auf
Ihre Mitmenschen oder Ihre körperlichen Reaktionen.
Lernen und Trainieren
– Erfolg durch ein Übungsprogramm. Vermeiden Sie reine
Absichtserklärungen und unkoordinierte Aktionen.
Erinnern Sie sich an Ihre Erfolge statt an die Misserfolge – nichts macht so erfolgreich wie der Erfolg. Auf Ihre Misserfolge zu starren, hilft nicht weiter. Vergegenwärtigen Sie sich Ihre Erfolge.
Tolerieren Sie Versagensangst und
Misserfolge
– aus Fehlern können Sie lernen. Fürchten Sie sich nicht
ständig vor Fehlern.
Stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl -–
das ist der Schlüssel zu jedem Erfolg. Entwerten Sie sich
nicht ständig selbst.
Selbst aktiv werden statt in der
Opferrolle verharren -–
handeln statt jammern. Gestalten Sie Ihr Leben, statt sich
als Opfer der Umstände zu fühlen.
Aufbauende Selbstgespräche
– sich selbst ermutigen. Machen Sie sich selbst nicht
herunter, sondern sprechen Sie positiv über sich selbst.
Von der Konfrontation zur
Kommunikation -–
konstruktiver Dialog mit der Angst. Konfrontieren Sie sich
mit Ihren Versagensängsten und körperlichen Symptomen. Fliehen Sie nicht
ständig vor allen Belastungen.
Seien Sie echt, statt eine Rolle zu spielen – spontan und authentsch auftreten. Spielen Sie anderen keine unechten Rollen vor. Treten Sie echt nd glaubwürdig auf.
Wechseln Sie zwischen Stress und
Erholung
– so hält Ihre Leistungsfähigkeit an. Erholungsphasen sind
wichtig. Mit ununterbrochener Arbeit powern Sie sich nur aus.
Körperliche Entspannnung
– lernen Sie rasch wirksame Techniken. Ständige Anspannung
ist ungesund. Achten Sie auf Ihre körperliche Entspannung.
Überhöhte Ansprüche aufgeben
– Burn-out vermeiden. Stellen Sie keine zu hohen Ansprüche
an sich selbst. Sonst riskieren Sie durch Überforderung einen Burn-out.
Legen Sie Überverantworlichkeit ab – gesunder Egoismus statt Helfersyndrom. Sie sind nicht für alles verantwortlich! Denken Sie auch einmal an sich selbst.
Verbessern Sie Ihre sozialen Fähigkeiten – treten Sie kompetent auf. Selbstsicheres Auftreten kann man lernen. Verkaufen Sie sich nicht unter Ihrem Wert.
Schritt 1:
„Starke Gründe bringen starke
Handlungen hervor.“
William Shakespeare
Sie erreichen mehr, wenn Sie
eine starke Triebfeder für Ihr Tun haben. Entwickeln Sie eine Zug-Motivation
(„Ich will etwas verwirklichen“, „Ich freue mich darauf, dieses Ziel zu
erreichen“) anstelle einer Druck-Motivation („Ich muss eine Sache angehen“, „Ich
sollte endlich etwas tun, damit nicht alles noch schlimmer wird“). Der Erfolg
gelingt Ihnen leichter, wenn Sie etwas tun wollen – statt es tun zu müssen.
Sie können sich auf zwei Arten motivieren – Druck- und Zugmotivation
Wahrscheinlich haben Sie beide
Erfahrungen schon gemacht: Wir tun die einen Dinge, weil wir davon überzeugt
sind; andere Sachen tun wir, weil wir einen inneren Druck verspüren oder uns
äußeren Notwendigkeiten beugen müssen. Wir unterscheiden allgemein zwei Arten
von Motivation:
Druck- oder Push-Motivation
(vom Englischen to push = drücken). Wir werden aktiv, weil wir einen
unangenehmen Druck verspüren. Der Leitsatz: „Ich muss etwas unternehmen,
sonst geht die Sache schlimm aus.“ Die Angst zu versagen kann man als
unangenehme Druck-Motivation verstehen. Wir sollten uns endlich aufraffen
und notwendige Aufgaben erledigen („Ich muss etwas lernen, sonst falle ich
bei der Prüfung durch“). Wir wollen unangenehme Folgen vermeiden. Eine
solche Druck-Motivation kann uns zwar anfänglich zu Veränderungen
motivieren. Dieses Gefühl erzeugt jedoch keinen Spaß und erhöht wohl kaum
unsere Freude am Lernen und Trainieren. Wir sollten uns im Laufe der Zeit
durch positive Ziele motivieren.
Zug- oder Pull-Motivation
(vom Englischen to pull = ziehen). Anziehende Ziele motivieren uns:
„Ich möchte etwas tun, weil ich ein bestimmtes Ziel unbedingt erreichen
will.“ Menschen mit Erfolgserwartung motivieren sich auf diese Weise („Ich
lerne diesen Stoff, weil mich die Thematik interessiert“). Mit einer
Zug-Motivation setzen wir unsere Pläne leichter um. Unsere Ziele erscheinen
uns entsprechend attraktiv. Wir spornen uns bei realistischen Chancen auf
den Erfolg zum Handeln an, obwohl wir gleichzeitig Angst vor einem Versagen
haben. Wir sind umso motivierter für eine Tätigkeit, je mehr Sinn wir darin
sehen. Wir sind auch dann bereit, mehr zu leisten, wenn unsere Neugier,
Abenteuerlust, Freude und Kampfbereitschaft größer sind als unsere Angst zu
versagen.
Manchmal streben wir ein Ziel
wegen der Sache an sich an, manchmal wegen der erwarteten positiven Folgen.
Aufgrund dessen können wir wieder zwei Arten von Motivation unterscheiden:
Extrinsische Motivation. Wir lassen uns von äußeren Anreizen zu bestimmten Tätigkeiten anregen. Dazu zählen Lob, Belohnungen oder Gehaltserhöhungen. Wenn wir uns nur von außen animieren lassen, etwas zu tun, dann sind unsere Aktivitäten meist kurzfristig. Bei Problemen resignieren wir rasch, es fehlt am nötigen Biss. Eine Druck-Motivation stellt eine extrinsische Motivation dar: Wir möchten vor allem Kritik und Nachteile vermeiden.
Intrinsische Motivation. Wir lassen uns vom inneren Antrieb anspornen, unsere Ziele zu erreichen. Enttäuschungen und Misserfolge können uns nicht von unseren Zielen abhalten. Der Grund dafür: Wir sind aus uns selbst heraus motiviert. Unsere Hoffnung auf Erfolg ist stärker als unsere Furcht vor Misserfolg. Eine Zug-Motivation bezeichnen wir auch als intrinsische Leistungsmotivation. Wir sind dabei an der Sache selbst interessiert und haben Freude daran. Wir erbringen die besten Leistungen, wenn wir uns einer Tätigkeit um ihrer selbst willen hingeben – nicht wegen Belohnungen, die andere Menschen uns versprechen. Wir können Spitzenleistungen erzielen, wenn wir Spaß und Freude an etwas haben – eben weil wir von innen her, intrinsisch, motiviert sind.
Wie Sie Ihre Motivation steigern können
Denken Sie eher an das, was Sie vermeiden möchten? Und weniger daran, was Sie hinzugewinnen möchten? Vermeidungsziele schrecken Sie ab. Ziele, durch die Sie einen erwünschten Zustand anstreben, erhöhen Ihre Motivation und Einsatzbereitschaft. Lassen Sie sich manchmal von Angst vor Misserfolg oder Nachteilen zum Handeln zwingen? Bedenken Sie: Die Angst zu versagen wird Sie auf Dauer nicht ausreichend zu Höchstleistungen motivieren. Angst kann Sie antreiben, etwas zu tun. Nur positive Ziele werden Sie zu bestmöglichen Leistungen anspornen.
Sie kennen das sicher aus Ihren eigenen Lebenserfahrungen: Je attraktiver Ihre Ziele sind, umso motivierter fühlen Sie sich. Malen Sie sich bildhaft aus: Was werden Sie tun und erleben, wenn Sie Ihre Versagensängste überwunden haben? Sie erhöhen die Zugkraft von Zielen, wenn diese nicht zu weit in der Zukunft liegen. Suchen Sie sich realisierbare Ziele in der nächsten Zeit. So haben Sie rasch Erfolgserlebnisse. Diese fördern Ihr Selbstvertrauen. Umso leichter erwarten Sie weitere Erfolge. Stecken Sie sich kleinere und bescheidenere Ziele, als Ihnen vielleicht lieb ist. Zu hohe Ziele schrecken Sie eher ab.
Lässt Ihre Motivation im Laufe der Zeit öfter nach? Denken Sie an Sinn und Zweck der bevorstehenden Aufgabe, bevor Sie sich an die Arbeit machen. Halten Sie Ihre ursprünglichen Ziele weiterhin für sinnvoll und attraktiv? Modifizieren Sie bei Bedarf Ihre Ziele, wenn diese an Zugkraft verloren haben. Welche Kosten und Mühen möchten Sie aufwenden, um sich an eine bestimmte Aufgabe heranzuwagen? Vergegenwärtigen Sie sich den Erfolg Ihrer Bemühungen, dann ertragen Sie alle Belastungen leichter. Stehen Aufwand und Ergebnis in einem akzeptablen Verhältnis zueinander? Wann lohnt sich Ihr Einsatz nicht mehr? Gestehen Sie es sich ganz ehrlich ein: Aus Angst zu versagen sind Sie nicht bereit, jeden Preis zu zahlen.
Geraten Sie durch bevorstehende Aufgaben leicht unter Druck, sodass Ihre
Begeisterung nachlässt? Halten Sie sich vor Augen, dass Sie ein freier und
autonomer Mensch sind. Das allein macht eine Leistungssituation bereits besser
erträglich. Niemand kann Sie zu etwas zwingen, wenn Sie nicht wollen. Sie müssen
nicht zur Prüfung antreten. Sie müssen den neuen Job mit seinen hohen
Anforderungen nicht annehmen. Sie müssen nicht einen Vortrag halten oder bei
einer Präsentation mitwirken. Keiner kann Sie zu einem musikalischen oder
schauspielerischen Auftritt zwingen. Sie müssen nicht an einem sportlichen
Wettbewerb teilnehmen. Sie sind nicht verpflichtet, in Ihrer Freizeit
ehrenamtliche Tätigkeiten zu übernehmen.
Es ist Ihre freie Entscheidung, ob Sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen oder
nicht. Sie können sich der Herausforderung stellen, weil Sie es wollen. Dafür
zahlen Sie mit Angstschweiß. Oder Sie können sich zurückziehen und es sich ohne
Stress bequem machen. Sie können hingehen oder fernbleiben. Sie können
teilnehmen oder absagen. Treffen Sie eine klare Entscheidung! Sagen Sie nicht
immer: „Ich sollte zwar – aber jetzt will ich noch nicht.“
So gehen Sie besser mit innerem Zwiespalt um
Überlegen Sie häufig lange, bevor Sie etwas anpacken? Grübeln Sie gern? Machen Sie es lieber so: Halten Sie sich vor Augen, welche Vorteile und Nachteile eine Entscheidung für Sie hat. Überprüfen Sie Ihre Ziele. Damit wird Ihnen leichter klar: Wollen Sie an einer Veranstaltung von sich aus teilnehmen? Oder müssen Sie hingehen? Motivieren Sie sich zum Erfolg, indem Sie an Ihre Ziele denken.
Wenn Sie sich entschieden haben, sagen Sie sich: „Ich trete zu dieser Prüfung an“ oder „Ich nehme an dieser Veranstaltung teil.“ Auf diese Weise flüchten Sie viel weniger vor verschiedenen Aufgaben. Wenn Sie dagegen zu sich selbst sagen: „Ich muss diese verhasste Prüfung endlich hinter mich bringen“ oder „Das freut mich gar nicht, dort aufzutreten“ – dann fühlen Sie sich nur halb so kräftig und energiegeladen.
Niemand lässt sich gerne zu
etwas drängen. Keiner von uns will etwas müssen. In solchen Situationen fühlen
wir uns wie kleine Kinder, die immer tun sollen, was die Erwachsenen erwarten.
Wenn Sie wirklich zu einer Tätigkeit verpflichtet sind, klagen Sie nicht
darüber. Stehen Sie dazu und machen Sie das Beste daraus. Wenn Sie ständig
jammern, bringt Ihnen das gar nichts.
Sie können mit bevorstehenden Aufgaben in dreierlei Weise umgehen:
Sie erledigen eine Tätigkeit gerne.
Dann tun Sie alles, um Ihre Vorfreude auf die Aufgabe zu erhöhen. Damit
erleben Sie Ihre Tätigkeit als angenehm und positiv.
Sie möchten die Aufgabe nicht gerne
übernehmen. Sie sehen jedoch ein, dass Sie sich ihr stellen sollten. Sie
entscheiden sich für diese Aufgabe, weil es sachliche Gründe dafür gibt –
ohne deswegen in große Begeisterung auszubrechen.
Sie möchten eine Angelegenheit
keinesfalls erledigen. Sie halten die Sache nicht für notwendig. Sie fragen
sich, warum gerade Sie zupacken sollen. Sie halten diese Anforderung für
eine Zumutung und weisen sie zurück.
Stehen Sie vor schwierigen Entscheidungen, kann Ihnen folgende Übung helfen: Stellen Sie sich vor, Sie hätten zwei Teile in sich: einen „Ich-will“-Anteil und einen „Ich-will-nicht“-Anteil.
Bringen Sie beide Anteile in ein fruchtbares und zielführendes Gespräch miteinander. Das Ziel: Sie treffen eine autonome Entscheidung, wie dies zum Erwachsen-Sein gehört. Sagen Sie klar Ja oder Nein zu bestimmten Anforderungen. Fühlen Sie sich nicht ständig zu etwas gezwungen. Solche Gefühle machen Sie auf die Dauer nur lustlos. Sie zerstören Ihre Lebensfreude.
Erfolgsorientiert vorgehen – erhoffen Sie Erfolg, statt Misserfolg zu fürchten
„Erfolg hat nur, wer etwas tut,
während er auf den Erfolg wartet.“
Thomas Alva Edison
Hoffen Sie auf Erfolg in Ihren Leistungen und verhalten Sie sich danach. Das bringt viel mehr, als sich ständig vor Misserfolgen zu fürchten.
Versuchen Sie nicht nur,
Misserfolge zu vermeiden. Scheitern ist immer möglich – konzentrieren Sie sich
jedoch auf den viel wahrscheinlicheren Erfolg.
Achten Sie auf sich selbst erfüllende Prophezeiungen
Wundern Sie sich, warum Ihre
negativen Vorhersagen häufiger eintreten als positive? Einfache Antwort: Sie
glauben eher an das Schlechte als an das Gute. Erst denken Sie pessimistisch:
„Das geht bestimmt schief.“ Der Misserfolg wird dann bald zur traurigen
Gewissheit: „Ich hab’s ja gewusst.“
Wir entwickeln im Laufe des Lebens bestimmte Erwartungshaltungen. Unsere Hoffnungen oder Befürchtungen treten in der Folge davon tatsächlich ein. Warum? Wir verhalten uns ihnen entsprechend. Dies nennt man „sich selbst erfüllende Prophezeiung“.
Wir verwenden diesen Begriff zumeist im negativen Sinne. Er stellt jedoch einen
grundsätzlichen Zusammenhang zwischen unseren Erwartungen und den Ergebnissen
dar.
Positive Vorhersagen kommen in dem Spruch zum Ausdruck: „Der Glaube kann Berge
versetzen.“ In der Medizin ist der „Placeboeffekt“ bekannt: Wir glauben an die
Wirksamkeit eines Medikaments, weil wir dem Arzt vertrauen und auf Linderung
hoffen.
Wenn Sie Fehlschläge und Enttäuschungen erwarten, verhalten Sie sich
unabsichtlich so, dass diese tatsächlich eintreten. Wenn Sie befürchten, etwas
nicht zu schaffen, begünstigen Sie den Misserfolg. Sie unternehmen nicht alles,
um Ihre Ziele zu erreichen. Der Erfolg scheint Ihnen sowieso nicht
wahrscheinlich.
Wahrscheinlich haben Sie öfter Angst, dass andere Menschen Sie kritisieren oder gar ablehnen. Was tun Sie? Sie treten anderen gegenüber distanziert auf und wirken dadurch vielleicht hochnäsig. Sie verhalten sich dann so, dass Sie wirklich kritisiert werden. Ist es ein Wunder, wenn andere Menschen genauso distanziert reagieren wie Sie selbst?
Erwarten Sie bei einem Vortrag kritische Zuhörer? Dann sind Sie häufig ängstlich
und angespannt. Dabei könnten Sie großen Applaus ernten. Sie denken aber gar
nicht daran.
Sie können diesen Teufelskreis aus negativen Erwartungen und niederschmetternden Ergebnissen leicht unterbrechen: Ändern Sie Ihre Gedanken und Ihr Verhalten. Untersuchen Sie zuerst Ihre negativen Gedanken: Woher kommen Ihre pessimistischen Sichtweisen? Was hat sie derart verfestigt? Wie wahrscheinlich werden Sie tatsächlich versagen? Welche Argumente sprechen dafür, welche dagegen?
Beurteilen andere Menschen in einer ähnlichen Situation ihre Erfolgsaussichten
genauso wie Sie? Warum sind andere optimistischer als Sie? Wie schlimm wäre es
wirklich, zu versagen? Nutzen Sie Ihre Antworten, um Ihr Verhalten gezielt zum
Positiven zu verändern.
Wenn Sie allein Ihrer Vernunft gehorchen würden, wären Sie mit folgendem
Ratschlag Ihre Versagensängste rasch los: Vermindern Sie das Ausmaß der
eingeschätzten Bedrohung, dann sinkt Ihre Versagensangst automatisch. Aber
leider machen uns unsere Gefühle einen Strich durch die Rechnung: Wir fürchten
uns dennoch, auch wenn wir noch so gut wissen, dass es keinen Grund dafür gibt.
Können Sie häufig etwas gefühlsmäßig nicht glauben, was verstandesmäßig völlig
klar ist? Dann lassen Sie sich beruhigen: Es ist ganz normal. Viele Menschen
glauben vom Verstand her an den Erfolg Ihrer Bemühungen, während sie sich von
ihren Gefühlen durcheinander bringen lassen. Das ist das Wesen irrationaler
Ängste: Sie entwickeln sich wider alle Vernunft.
Sie wären gern zuversichtlicher, sehen aber immer nur Gefahren und Probleme? Lernen Sie, Ihren inneren Zwiespalt besser zu ertragen. Gehen Sie über Ihre Gefühle der Unsicherheit nicht einfach hinweg. Akzeptieren Sie: Misserfolg ist möglich und menschlich. Kämpfen Sie nicht mit allen Kräften gegen ein mögliches Versagen.
Bemühen Sie sich lieber um Erfolg. Positive Erfahrungen stärken Ihr Vertrauen in
Ihre Fähigkeit, mit Angst machenden Situationen zurechtzukommen. Angesichts
eines gewissen Restrisikos können Sie sich sagen: "Ich tue, was ich kann. Ich
gebe mein Bestes. Alles Weitere wird sich zeigen. Es können unerwartete
Ereignisse auftreten. Ich werde diese so gut ich kann bewältigen. Meine Zukunft
mag unsicher sein, ich kann Sie jedoch mitgestalten.“
Ihre Erfolge entstehen zuerst in Ihrem Kopf
Wir pendeln in
Leistungssituationen zwischen den Polen „Hoffnung auf Erfolg“ und „Furcht vor
Misserfolg“ hin und her. Diese Grundhaltungen bestimmen unsere Motivation, etwas
zu leisten, und unsere geistige, emotionale und körperliche Erregung. Wenn wir
Angst vor Misserfolg haben, entwickeln wir leicht Versagensängste – und aus
Angst zu versagen ein Vermeidungsverhalten, um dem Scheitern zu entkommen.
Was glauben Sie, welchen Aspekt Ihres Verhaltens können Sie am leichtesten
ändern: Ihre Gedanken, Ihre Gefühle, Ihr sichtbares Verhalten oder Ihre
körperlichen Reaktionsmuster? Es sind Ihre Denkmuster. Es ist nicht schwer, sich
eine Sache von einer anderen Perspektive anzusehen und einen anderen Standpunkt
einzunehmen. Zugegeben: Viele Einstellungen haben sich jahrelang verfestigt,
sind aber oft noch leichter zu verändern als bestimmte eingefleischte
Verhaltensweisen.
Trotz positiver Veränderungen Ihres Denkens und Verhaltens werden Ihre Gefühle
anfangs noch nicht voll mitziehen. Erst etwas später passen sich Ihre Gefühle an
die neue Situation an: Wenn Sie die Erfahrung gemacht haben, dass bestimmte
Situationen nicht so bedrohlich sind, wie Sie gedacht haben.
Ihr körperliches Befinden lässt sich nur langsam verändern. Chronische
Muskelverspannungen, Herzrasen, Atemnot, Übelkeit oder Schwitzen verschwinden
nicht von einem Tag auf den anderen. Sie mögen vom Verstand her längst an den
Erfolg Ihrer Sache glauben. Ihr Körper erinnert sich aber dennoch an Ihre
angespannten ängstlichen Erwartungen.
Fazit: Treffen Sie wichtige Entscheidungen nicht nach Ihrem körperlichen
Befinden. Lassen Sie sich bei Versagensängsten nicht von Ihren augenblicklichen
Gefühlen bestimmen. Freuen Sie sich anfangs, dass Sie Ihre Gedanken und
Verhaltensweisen erfolgreich ändern können. Ihre Gefühle und körperlichen
Empfindungen werden später nachziehen.
Denken Sie realistisch statt übermäßig positiv
Verwechseln Sie Ihre Hoffnung auf Erfolg leicht mit positivem Denken? Wenn Sie ständig negativ denken („Es wird bestimmt schief gehen“), ist naives positives Denken („Es wird alles super laufen“) keine Lösung. Sie sollten realistisch denken („Ich kann Probleme bewältigen, wenn ich mich bemühe“). Allzu positives Denken schließt ein mögliches Versagen aus. Damit bereiten Sie sich nicht auf Probleme und Gefahren vor. Vernachlässigen und unterschätzen Sie vorhersehbare Schwierigkeiten nicht, indem Sie übertrieben optimistisch agieren. Berücksichtigen Sie mögliche Hindernisse bei Ihren Vorbereitungen.
Wir hören häufig kluge Sprüche wie „Sorge dich nicht, lebe“, „Sie können es, wenn Sie nur wollen“, „Wenn Sie daran glauben, werden Sie alles schaffen, was Sie sich vornehmen“, „Alle Probleme sind lösbar, wenn Sie es nur richtig anstellen“, „Was Sie sich positiv vorstellen können, können Sie auch in die Tat umsetzen.“
Solche Redensarten sind in vielen Fällen nicht aufbauend. Sie wirken eher deprimierend und sogar gefährlich. Sie begünstigen den Umkehrschluss: „Jeder ist an seinem Unglück selbst schuld“, „Wer etwas nicht schafft, hat etwas falsch gemacht“, „Wer seine Ziele nicht erreicht, hat nicht positiv genug gedacht, hat sich nicht bemüht.“ Depressive Patienten können durch solche Leitsätze psychisch noch mehr abstürzen; sie denken sowieso: „Ich bin an allem selbst schuld.“
Unsere Erfolge haben auch Grenzen persönlicher, sozialer oder wirtschaftlicher
Art. Wer seine Grenzen sprengen möchte, kann erst recht Schiffbruch erleiden.
Leugnen Sie kleine Probleme nicht durch positive Umdeutung – es könnten große
Probleme daraus werden.
Gesunder Optimismus spielt für das seelische Wohlbefinden eine große Rolle. Dieser ist etwas anderes, als die Bücher zum positiven Denken vorgaukeln. Solche Bücher mögen viele Menschen in schwierigen Zeiten aufrichten. Sie verführen uns jedoch dazu, wirkliche Probleme und „negative“ Gefühle nicht ernst genug zu nehmen.
Positives Denken, bei dem alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, wird schnell zum leichtfertigen Harmoniedenken. Damit kehren wir Konflikte nur unter den Tisch. Wir relativieren das Leid nach dem Motto: „Es könnte noch schlimmer sein.“
Es ist nicht alles gut und es wird auch nicht alles gut im Leben. Blicken wir
ständig durch eine rosarote Brille, dann verharmlosen wir Gefühle wie Angst,
Trauer, Enttäuschung, Wut oder Schmerz. Das hilft uns nicht gerade, diese
Gefühle zu bewältigen. Es geht darum, die vorhandenen Gefühle anzunehmen, sie
konstruktiv zu verarbeiten. So können wir lernen, mit Schwierigkeiten
gegenwärtig und zukünftig besser zurechtzukommen.
Seien Sie in einem realistischen Ausmaß optimistisch, um Ihre Aufgaben zu meistern. Positives Denken hilft Ihnen nur, wenn Sie sich auch dementsprechend positiv verhalten. Anderenfalls verändert sich nichts in Ihrem Leben. Naives positives Denken ist umso schädlicher, je weniger verschiedene Grenzen eines Menschen überwindbar sind.
Grenzen bestehen aus unserer Persönlichkeit oder dem Ausmaß einer körperlichen
oder psychischen Störung. Die Misere unserer ökonomischen Situation setzt uns
ebenso Grenzen, wie das unsere schulische und berufliche Ausbildung oder unsere
erlebten Schicksalsschläge tun.
Wie Ihre Zukunftserwartungen und Ihre Ziele zusammenhängen
Sehen Sie einen Zusammenhang
zwischen Ihren Erfolgs- bzw. Misserfolgserwartungen und Ihren Zielen? Wenn Sie
Erfolg erwarten, machen Sie es bei neuen Aufgaben wahrscheinlich richtig: Sie
wählen anfangs mittelmäßig schwere Aufgaben aus. Wenn Sie Misserfolg und
Versagen fürchten, werden Sie höchstwahrscheinlich zu leichte oder zu schwere
Aufgaben wählen. Sie geben dann bei Schwierigkeiten schneller auf als
erfolgsorientierte Menschen. Wählen Sie lieber realistische Ziele, die Ihren
Fähigkeiten entsprechen und Sie weder über- noch unterfordern.
Dasselbe gilt für ältere Arbeitnehmer. Sehen Sie weiterhin Ihre Erfolgschancen
bei Herausforderungen. Lassen Sie sich nicht von der Aussicht auf Misserfolg
lähmen. Passen Sie Ihre Ansprüche jedoch an die aktuelle Situation an. Lernen
Sie, mit Ihrer verminderten körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit besser
umzugehen. Es ist sinnlos, wenn Sie ständig mit jüngeren und besser
ausgebildeten Kollegen rivalisieren. Es ist nicht zielführend, sich dauernd
daran zu erinnern, wie gut Sie früher gewesen sind. Nützen Sie Ihre aktuellen
Fähigkeiten. Sind diese auch Ihren Vorgesetzten bekannt? Wie viel zählt Ihre
langjährige Berufserfahrung für Ihre Firma? Jahrzehntelange Routine können
jüngere Kollegen nicht unbedingt durch eine bessere Ausbildung kompensieren. Wie
viel ist Ihr guter Kontakt mit Kunden der Geschäftsleitung wert? Besinnen Sie
sich auf Ihre Stärken. Was davon können Sie noch weiterentwickeln?
Ein anderes Beispiel: sexuelle Misserfolge. Wie bewahren Sie bei sexuellen
Versagensängsten die Hoffnung auf eine erfolgreiche Begegnung? Wenn Sie als Mann
unter Erektionsproblemen leiden, sollten Sie sich auf Ihre Fähigkeiten als
liebevoller Partner konzentrieren. Bleiben Sie mit Ihrer Partnerin in
körperlichem Kontakt, auch wenn Sie sich nicht sicher fühlen. Akzeptieren Sie
Ihre Versagensängste. Setzen Sie sich keine überhöhten Ziele, dass Sie „auf
jeden Fall funktionieren müssen“. Verzichten Sie eine Zeitlang – unabhängig von
Ihrer Erektionsfähigkeit – auf Geschlechtsverkehr. Lernen Sie, andere Formen von
körperlicher Begegnung zu genießen.
Realistische Ziele setzen – stufenweiser Weg zum Erfolg
„Eine Reise von tausend Meilen
beginnt mit dem ersten Schritt.“
Laotse
Entwickeln Sie realistische
Ziele. Geben Sie unerreichbare Ideale lieber auf. Wenn Sie etwas erreichen oder
verändern möchten, setzen Sie sich zuerst klare und vernünftige Ziele. Mit
passenden Zielen können Sie in Schule und Beruf erfolgreich sein, ebenso im
Sport oder in der Kunst. Sind Ihre Ziele konkret formuliert, können Sie Erfolg
und Misserfolg überprüfen, ohne sich selbst zu täuschen.
Vermeiden Sie drei Arten falscher Ziele
Sie können bei Ihrer
Zielsetzung drei verschiedene Fehler begehen, die erhebliche Folgen haben
können:
1.
Sie setzen sich keine Ziele, weil Sie
jedes Versagen fürchten. Ohne Ziele sind Sie nicht motiviert und aktiviert.
Setzen Sie sich realistische Ziele, die Sie weder unter- noch überfordern.
2.
Sie wählen zu kleine Ziele, weil Sie
sich nicht mehr zutrauen. Damit lassen Sie Ihre vorhandenen Fähigkeiten
ungenutzt. Unterfordern Sie sich nicht ständig mit zu leichten Aufgaben. Sie
brauchen bei anspruchsvolleren Tätigkeiten nicht immer mit dem Versagen zu
rechnen.
3.
Sie stecken sich zu hohe Ziele, weil
Sie mehr erreichen möchten als möglich. Dies wird Sie nicht anspornen, sondern
abschrecken. Überfordern Sie sich nicht mit zu schweren Aufgaben. Sonst werfen
Sie verzagt die Flinte ins Korn, wenn Sie Ihren eigenen Anforderungen nicht
gewachsen sind. Sie provozieren so Ihre Versagensängste unnötig. Grosse Ziele
können Sie in kleinere Teilziele zerlegen. So erleben Sie rasch und regelmäßig
aufbauende Erfolgserlebnisse.
Gehen Sie den Weg der kleinen Schritte
Überfordern Sie sich leicht mit
zu großen Zielen? Setzen Sie sich kleine Zwischenziele vor dem beeindruckenden
Endziel. Auf diese Weise verwirklichen Sie etappenweise Ihre schulischen,
universitären, beruflichen, sportlichen, künstlerischen oder
zwischenmenschlichen Ziele. Wenn Sie Fortschritte machen möchten, müssen Sie den
mühsamen Weg der kleinen Schritte gehen. Träumen Sie nicht von bahnbrechenden
Leistungen, die Sie doch nicht beflügeln. Versagensängste überwinden Sie am
leichtesten, wenn Sie eine niedrigere Einstiegsschwelle in einen neuen
Aufgabenbereich wählen. Wenn Sie zu große Ziele mit zu hohem Aufwand wählen,
bleibt alles bei guten Vorsätzen – und Sie tun schlicht nichts.
Formulieren Sie Ihre Ziele gern ungenau und allgemein? Dann bedenken Sie: Je
realistischer und klarer Sie Ihre Ziele formulieren, umso motivierter und
energiegeladener gehen Sie an eine Aufgabe heran. Sie können Ihre Ziele umso
einfacher erreichen, je genauer Sie deren Umsetzung vor Augen haben.
Verwirklichen Sie Ihre Ziele mit einem detaillierten Stufenplan.
Mit realistischen Zielen und kleinen Erfolgserlebnissen kommen Sie leichter
voran. Sie erhöhen damit Ihre Chancen auf den Erfolg Ihrer Bemühungen.
Beschreiben Sie Ihre Ziele möglichst konkret („Ich werde beim nächsten Auftritt
ruhiger atmen und langsamer sprechen“, „Ich werde die mir angebotene berufliche
Beförderung annehmen“, „Ich werde bei schwierigen Aufgaben erfahrene Personen um
Unterstützung bitten“). Verallgemeinern Sie Ihre Ziele nicht („Ich werde beim
nächsten Auftritt meine Angst ignorieren“, „Ich muss noch besser werden, bevor
ich mir einen beruflichen Aufstieg zutraue“, „Ich möchte alles allein
schaffen“).
Fragen Sie sich: „Was muss ich jetzt tun, um meinen großen Zielen einen
kleinen Schritt näher zu kommen?“ Setzen Sie sich konkrete Ziele, die Sie in
absehbarer Zeit verwirklichen können. Entwickeln Sie anfangs bescheidene
Veränderungsziele. Vermeiden Sie perfektionistische Anforderungen an sich
selbst, nur weil Sie damit Ihre Minderwertigkeitsgefühle ausgleichen möchten.
Erstellen Sie überprüfbare und erreichbare Ziele. Sie können dadurch Ihre
Erfolge klarer erkennen und sich dafür loben.
Erkennen und verändern Sie unrealistische Ziele
Neigen Sie dazu, sich zu hohe
oder unrealistische Ziele zu setzen? Erscheinen Ihnen kleine Ziele zu wenig
attraktiv? Meinen Sie, durch zu kleine Ziele würden Ihre vermeintlichen
Schwächen für andere offensichtlich? Dagegen gibt es nur einen Rat: Überfordern
Sie sich nicht durch zu große Zielvorgaben. Es ist unrealistisch, möglichst
„cool“ zu wirken, während Sie in Wirklichkeit während einer Prüfung oder
Bewerbung innerlich aufgeregt sind. Wenn Sie locker und entspannt erscheinen
wollen, obwohl Sie sich innerlich total verkrampfen, wirken Sie auf Ihre
Mitmenschen erst recht unecht und unnatürlich. Nehmen Sie sich lieber vor, sich
allen notwendigen Aufgaben zu stellen. Vermeiden Sie nichts aus Angst zu
versagen oder sich zu blamieren. Tun Sie das auch, wenn anfangs wahrscheinlich
Symptome von Angst auftreten.
Möchten Sie zukünftig bessere Leistungen erzielen als bisher? Ihr guter Vorsatz
muss mit Ihren realistischen Möglichkeiten gepaart sein. Angesichts von
schlechten Noten ist es kein sinnvolles Ziel, ein guter Schüler oder Student zu
werden. Es reicht fürs Erste, so viel zu lernen, dass die nächsten Prüfungen
positiv ausgehen. Ihre Versagensängste werden dann nicht mehr das ganze Leben
bestimmen.
Möchten Sie selbstbewusst auftreten? Wollen Sie sich von anderen nichts mehr
gefallen lassen? Häufig reicht es, mit anderen Menschen besser zu kommunizieren.
Es ist wenig sinnvoll, wenn Sie sich andere Menschen zum Vorbild nehmen. Sie
müssen Ihren eigenen Weg finden, wie Sie sich als Persönlichkeit bei anderen
besser zur Geltung bringen können.
Opfern Sie sich in einer Partnerschaft oder in der Familie gern für andere auf?
Es ist wenig sinnvoll, wenn Sie egoistischer werden wollen. Als sozialer Typ
werden Sie nie zum Ellbogenmenschen. Oder möchten Sie das? Erkennen Sie Ihre
Wünsche, Bedürfnisse und Interessen, die Sie in Zukunft tatsächlich
verwirklichen wollen.
Positive Ziele formulieren – Wünsche deutlich machen
„Ob es besser wird, wenn es anders wird, weiß ich nicht,
dass es aber anders werden muss,
wenn es besser werden soll, weiß ich!“
Georg Christoph Lichtenberg
Formulieren Sie Ihre Ziele
positiv. Machen Sie sich klar: Sie möchten etwas erreichen. Anstrebungsziele
sind positiv formuliert; sie gewinnen dadurch ihre Anziehungskraft. Verzichten
Sie auf negativ formulierte Ziele. Es geht nicht primär darum, etwas zu
vermeiden. Vermeidungsziele sollen Sie nur vor einem unangenehmen Zustand
bewahren; sie helfen Ihnen nicht, einen erwünschten Zustand zu verwirklichen.
Ihr Unbewusstes kennt keine Verneinung
Wünschen Sie sich manchmal
etwas sehr stark? Drücken Sie den Wunsch in Form einer Befürchtung negativ aus?
Sie möchten bei einem Auftritt Ihr Publikum begeistern. Was sagen Sie
tatsächlich? „Hoffentlich kritisieren mich die Zuhörer nicht zu viel.“ Wir
verhalten uns in unserem Alltagsleben ständig so. Wir fahren auf Urlaub und
wünschen uns gutes Wetter. Was sagen wir? Nicht etwa „Hoffentlich bleibt das
Wetter schön“, sondern „Hoffentlich regnet es nicht dauernd.“
Sagen Sie sich, was Sie wollen – und nicht, was Sie nicht wollen.
Vermeiden Sie innere Selbstgespräche nach dem Motto: „Hoffentlich falle ich bei
der Prüfung nicht durch“ oder „Hoffentlich rege ich mich nicht zu sehr auf.“
Sagen Sie sich vielmehr konkret, wie Sie sein und handeln möchten. Damit kommen
Sie einem gewünschten Ziel näher. Ein Beispiel: „Ich trete bei der Präsentation
sicher und bestimmt auf.“ Sagen Sie sich dagegen nicht, dass Sie ein
unerwünschtes Verhalten verhindern wollen (z.B. „Hoffentlich wirke ich bei
meinem Auftritt nicht unsicher und gehemmt“).
Solche Anweisungen an uns selbst
berücksichtigen ein grundlegendes Prinzip der Pädagogik: Eltern sollen ihrem
Kind sagen, was es tun soll, um etwas zu erreichen. Sie sollen nicht betonen,
was es unterlassen soll. Wir erkennen zwar unsere Fehler, ersetzen sie jedoch
nicht durch bessere Vorgangsweisen: Unsere Ängste bestimmen uns. Wir möchten vor
allem ein befürchtetes Unglück vermeiden. Als Eltern oder Lehrer möchten wir ein
Kind zu mehr Geschicklichkeit anspornen. Tatsächlich warnen wir das Kind
unnötigerweise vor Gefahr: „Pass’ auf, dass du dir nicht weh tust.“
Formulieren Sie Ihre Absichten spontan
positiv? Bei Entspannungsübungen können Sie Ihre Ziele positiv formulieren (z.B.
„Ich bin ruhig und entspannt“, „Ich schaffe, was ich mir vornehme“). Formulieren
Sie nicht negativ oder gleichgültig (z.B. „Meine Unruhe lässt nach“, „Meine
Anspannung ist mir gleichgültig“).
Wenn Sie nicht zittern, schwitzen, rot
werden oder stottern wollen, bekommen Sie kein erwünschtes Bild. Sie festigen
Ihre negativen Vorstellungen. „Nicht“-Sätze wie „Nur nicht rot werden“, „Nur
nicht nervös werden“ oder „Jetzt auf keinen Fall schüchtern wirken“ laufen nach
demselben Prinzip ab wie „Denke nicht an die Zahl 7“, „Denke nicht an einen
rosaroten Elefanten“, „Denke nicht an ein blaues Pferd.“
Sie kennen das: Je mehr Sie etwas
unterdrücken wollen, umso mehr drängt es sich Ihnen auf. Wenn Sie an etwas nicht
denken wollen, denken Sie genau daran. Wenn Sie etwas Negatives vermeiden
möchten, richten Sie Ihre Gedanken nicht auf die Hürden und Probleme. Sie denken
an die Schritte und Wege, wie Sie Ihr Ziel erreichen können. Wenn Sie etwas
fehlerlos oder angstfrei tun möchten, setzen Sie sich unter Druck. Sie wollen
das Negative unbedingt vermeiden, anstatt das Positive so gut als möglich
anzustreben.
Früher hieß es oft: „Das Unbewusste
kennt keine Verneinung.“ Heutzutage drückt man dasselbe moderner aus: In unserem
Kopf entstehen Bilder; diese wirken direkt auf unseren Körper. Was und wie wir
uns etwas vorstellen, beeinflusst unser Verhalten und unser Befinden. Dies
bringt uns zum nächsten Schritt: Formulieren Sie Ihre Ziele nicht nur
verbal-positiv. Machen Sie sich auch angenehme Bilder von Ihren Zielen.
Visualisieren Sie Erfolg – mentales Training wie im Spitzensport
„Die Vorstellungskraft ist der
Anfang der Schöpfung.
Man stellt sich etwas vor, was
man will;
man will, was man sich
vorstellt;
und am Ende erschafft man das,
was man will.“
George Bernhard Shaw
Nutzen Sie die Kraft Ihrer
Vorstellungen. Dieselbe „Einbildung“, die Ihre Versagensängste produziert, hilft
Ihnen auch, sich erfolgreiche Lösungswege auszumalen. Sie glauben mit Hilfe
positiver Bilder stärker an Ihren Erfolg. Stellen Sie sich genau vor, was Sie
erreichen möchten. Lenken Sie so Ihre Zukunftsvorstellungen in die gewünschte
Richtung. Sie werden an den Erfolg Ihrer Bemühungen umso eher glauben, je mehr
Sie ihn in Ihrer Vorstellung bereits vorweggenommen haben. Was Sie sich nicht
einmal vorstellen können, können Sie nur schwer tun.
Mentales Training – handeln Sie geistig „auf Probe“
Was verbinden Sie mit dem
Begriff „mentales Training“? Mentales Training kommt ursprünglich aus dem Sport.
Sportler verbessern Ihre Leistungen und Bewegungsabläufe in ihrer Vorstellung.
Sie trainieren dabei nicht körperlich. Heute besteht mentales Training aus
Entspannung, Vorstellungsübungen und positiven Selbstgesprächen. Mentales
Training wirkt wie eine leichte Selbsthypnose: Sie befinden sich „wie in
Trance“. Ihr Bewusstsein verändert sich. Sie stellen sich etwas so vor, als ob
es tatsächlich so sei.
Mentales Training im Sport ergänzt das körperliche Training. Es kann dort unsere
Leistungsfähigkeit verbessern, wo uns ein reines Verhaltenstraining nicht
genügend Routine bringt. Dies gilt für Situationen, die selten oder sehr
plötzlich auftreten, jedes Mal anders ausschauen oder mit immer neuen
Schwierigkeiten verbunden sind.
Wir handeln bei mentalem Training
geistig „auf Probe“: Wir spielen Situationen gedanklich Schritt für Schritt
durch. Wir stellen uns dabei unser Verhalten vor. So können wir Möglichkeiten
entwickeln, neue Situationen erfolgreich zu bewältigen. Tritt eine derartige
Situation ein, können wir auf unsere im Kopf erarbeiteten Verhaltensstrategien
zurückgreifen. Wir konnten diese vielleicht noch nie im Erstfall erproben.
Sportler und Astronauten trainieren auf diese Weise. Damit haben sie „im Schlaf“
alle Reaktionen parat, um bei Gefahr zu überleben.
Viele Schifahrer und Formel-1-Piloten
trainieren mental so ausgiebig, dass sie jede beliebige Rennstrecke im Kopf
zeitgenau abfahren können. Formel-1-Fahrer trainieren auf diese Weise, die Hände
an den Körper anzulegen und die Beine einzuziehen, wenn bei 300 km/h die Bremsen
versagen. Wir würden aufgrund unserer Reflexe dazu neigen, unsere Arme und Beine
durchzustrecken. Unser Körper will sich so vor einem Aufprall schützen.
Rennfahrer jedoch würden dabei zahlreiche Knochenbrüche riskieren. Der
Rennfahrer Michael Schumacher konnte bei einem solchen Unfall das Ärgste
verhindern. Er hatte sich mental darauf vorbereitet.
Sie können Ihr Verhalten mit Hilfe des mentalen Trainings in kritischen
Situationen gedanklich erproben. Sie können sich im Kopf mit
Handlungsalternativen vertraut machen: „Was kann ich anders machen in dieser
Situation?“ Sie können sich auf die „Reise“ in ein unbekanntes „Land“
vorbereiten mit Hilfe von mentalen „Landkarten“. Üben Sie Bewältigungsstrategien
im Kopf. So lösen Sie Ihre Aufgaben einfacher. Ihre Herausforderungen wirken
nicht mehr so neu und fremd. Sie haben sich vom Problem und seiner Lösung ja
bereits Vorstellungen gemacht.
Fazit: Stellen Sie sich angesichts einer Aufgabe Ihr erfolgreiches Verhalten
vor. Sie machen sich so innerlich damit vertraut. Wenn Sie eine bevorstehende
Tätigkeit besser erledigen möchten, müssen Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf
hinlenken. Stellen Sie sich gedanklich vor, wie Sie diese Sache Schritt für
Schritt erledigen.
Nutzen Sie mentales Training zur Leistungssteigerung
Können Sie mentales Training
ohne Trainer erlernen? Das ist gut möglich. Machen Sie sich ein lebendiges Bild
von Ihrem Erfolgserlebnis. Stellen Sie sich die Szenen im Detail vor. Was sehen
Sie? Was hören, spüren und riechen Sie? Verwandeln Sie Ihre Bilder in positive
Richtung. Drehen Sie innerlich einen Film: Wie meistern Sie eine Situation, vor
der Sie Angst haben? Denken Sie an mögliche Schwierigkeiten. Malen Sie sich dann
gleichsam im Zeitlupentempo den Weg zum Erfolg aus. Betrachten Sie diesen Film
immer wieder vor Ihrem inneren Auge. Verhalten Sie sich dabei so, als hätten Sie
Ihr Ziel bereits erreicht.
Das Prinzip des mentalen Trainings
funktioniert bei allen Leistungsanforderungen gleich: Verinnerlichen Sie sich
Ihre Ziele. Stellen Sie sich Ihren Erfolg vor. Beziehen Sie Ihre Gefühle in die
Vorstellung ein. Verbinden Sie Ihre Bilder von früheren und zukünftigen Erfolgen
mit wohltuenden Gefühlen: Spüren Sie der Freude und der inneren Befriedigung
nach. Wenn Sie sich Ihr Ziel bildhaft vorstellen, motiviert Sie dies mehr als
ein verbal bekundeter Wunsch nach Erfolg.
Mentales Training hat einen Vorteil
gegenüber positiven Selbstanweisungen: Sie reden sich nichts ein. Sie stellen
sich etwas vor. Es wirkt der Grundsatz: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Sie vergegenwärtigen sich Ihre Ziele. Sie sehen und spüren den gelungenen
Auftritt. Sie reden sich ein tolles Prüfungsergebnis nicht ein. Sie sehen und
erleben es innerlich. Sie malen sich den Erfolg in allen Schritten aus, von
Anfang bis Ende. In Ihrer Vorstellung überwinden Sie alle Hindernisse,
Begrenzungen und Versagensängste, die einem erfolgreichen Verhalten bisher im
Weg gestanden sind.
Konfrontieren Sie sich gedanklich mit gefürchteten Situationen. Das ist der
erste Schritt zur Bewältigung. Entwickeln Sie das schlimmste Horrorszenario.
Schreiben Sie anschließend das Drehbuch, wie es danach weitergehen könnte. Wie
werden Sie die Situation in Würde überstehen? Es geht immer irgendwie weiter –
das Wie hängt auch von Ihnen und Ihrem Vorstellungsvermögen ab.
Im Hier und Jetzt leben – im Augenblick verweilen
„Heute ist das Morgen, worüber
wir uns gestern noch Sorgen gemacht haben.“
Nikolaus B. Enkelmann
Bleiben Sie im Hier und im
Jetzt, während Sie Ihre Leistung erbringen. Denken Sie an die Gegenwart. Blicken
Sie nicht in die Vergangenheit oder Zukunft. Konzentrieren Sie sich auf das, was
Sie gerade tun. Denken Sie nicht so sehr an das Ziel.
Konzentration bedeutet Einengung der Aufmerksamkeit
Können Sie beschreiben, was Sie
tun, wenn Sie sich konzentrieren? Sie leben dann ganz für den Augenblick. Sie
denken ausschließlich an das, was Sie gerade tun. Sie beschäftigen sich
aufmerksam mit der aktuellen Aufgabe – und mit sonst nichts. Ihre Konzentration
lässt nach, sobald Sie an etwas anderes denken: sei es der soeben begangene
kleine Fehler oder eine zukünftige Hürde.
Verallgemeinert kann man sagen: Sie werden unkonzentriert, wenn Sie sich auf zu
vieles gleichzeitig konzentrieren. Die aktuell wichtige Sache gerät darüber in
den Hintergrund. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung: Sobald Sie nur an das
unmittelbare Geschehen denken, können Ihre Vorstellungen nicht in die
Vergangenheit oder in die Zukunft abgleiten.
Spitzensportler und Künstler sind gedanklich ausschließlich bei ihrer momentanen
Tätigkeit. Sie lassen nichts anderes zu. Sie handeln wie in Trance, alles läuft
von allein. Sie schaffen es, ihre Umwelt und Störfaktoren wie etwa Schmerzen
auszuschalten. Leistungssportler fokussieren auf ihren Körper in Aktion. Sie
vertrauen auf den spontanen Ablauf aller ihrer Handlungen. Sie haben diesen
Ablauf jahrelang trainiert. Sie handeln im Wettkampf rein intuitiv. Der Körper
tut, was zu tun ist. Er setzt sich über Hindernisse hinweg. Alle Gedanken und
Sinne unterstützen das momentane Tun. Sportler erleben dies als „super Gefühl“.
Ihr Glückszustand ähnelt einem Rauschzustand.
Journalisten fragen siegreiche Sportler gern, woran sie während des Wettkampfs
gedacht haben. Die Antwort lautet oft: „Nichts“. Diese für den ersten Moment
verblüffende Reaktion zeigt, dass erfolgreiche Sportler ganz in ihrer momentanen
Tätigkeit aufgehen. Bestenfalls sagen sie sich: „Du machst jetzt dein Ding wie
so oft.“ Wenn sie schon an etwas anderes denken, konzentrieren sie sich auf den
erwarteten Erfolg – nicht auf ihre Befürchtungen, was alles schief gehen könnte.
Solchermaßen erfolgreiche Menschen haben einen „freien“ oder „kühlen“ Kopf.
Verhalten Sie sich im entscheidenden Augenblick so, als gäbe es kein Gestern und
kein Morgen. Japanische Zen-Meister nennen dies „Leere der Gedanken“.
Konzentrieren Sie sich auf Ihr augenblickliches Tun. Sie werden überaus
entspannt sein und danach handeln. Blenden Sie alles Unwichtige aus. Nichts und
niemand kann Sie stören. In diesem Zustand erreichen Sie Spitzenleistungen. Sie
richten Ihre ganze geistige und körperliche Energie auf Ihr momentanes Handeln.
Prüfungsängstliche Menschen, Leistungssportler und Künstler versagen oft
deshalb, weil ihre Gedanken nicht bei der aktuellen Tätigkeit sind. Sie fürchten
sich gedanklich vor den negativen Folgen. Handeln können Sie nur in der
Gegenwart. Nutzen Sie diese Chance. Konzentrieren Sie sich darauf, was Sie
jetzt tun können.
Unkonzentriertheit entsteht durch Konzentration auf zu viele Dinge
Leiden Sie häufig unter
Konzentrationsstörungen? Denken Sie gern an viele Dinge gleichzeitig? Blicken
Sie zu oft in die Zukunft („Ob ich wirklich bestehen kann?“) oder in die
Vergangenheit („Hoffentlich scheitere ich nicht so wie letztes Mal“)? Damit sind
Sie gedanklich nicht voll bei den aktuell von Ihnen geforderten Leistungen. Sie
beeinträchtigen dadurch Ihre Leistungsfähigkeit. Sie können nicht mehr 100
Prozent leisten. Wenn Sie bei einer Prüfung ständig an schlechte Noten denken,
kämpfen Sie gegen etwas, das Sie vermeiden möchten. Es ist zielführender, sich
für das einzusetzen, was Sie erreichen möchten!
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum Sie sich plötzlich vor etwas
fürchten? Wie machen Sie sich Angst? Sie machen sich Angst, indem Sie sich etwas
anschaulich ausmalen: „Was wäre, wenn ich beim Auftritt oder Wettkampf versage?“
„... wenn ich bei der Prüfung durchfalle?“ „...wenn ich auf der Bühne nicht
weiter weiß?“ „...wenn ich bei der Arbeit einen Fehler mache?“„...wenn ich
meinen Eltern und Kindern nicht mehr helfen kann?“ „...wenn ich beim Sex
versage?“
Die Art und das Ausmaß Ihrer Angst hängen davon ab, wie Sie Ihre Zukunft
beurteilen. Alle Menschen sehen die Zukunft je nach Einstellung anders. Victor
Hugo formulierte es so: „Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie
die Unerreichbare, für die Furchtsamen ist sie die Unbekannte, für die Tapferen
ist sie die Chance.“ Wenn Sie Ihre Versagensangst und Ihr mögliches Versagen
akzeptieren, müssen Sie sich nicht ständig mit der Zukunft und der Gefahr zu
scheitern beschäftigen.
Überkonzentration auf den Sieg kann schaden
Der folgende Ratschlag wird Sie
überraschen: Denken Sie in einer Leistungssituation nicht an ein
Spitzenergebnis. Träumen Sie bei Wettbewerben nicht vom Sieg, während Sie
kämpfen. Sie setzen sich damit zu stark unter Druck. Dann wollen Sie ständig die
anderen besiegen. Konzentrieren Sie sich auf sich selbst. Bleiben Sie im Hier
und im Jetzt. Sagen Sie sich: „Ich gebe jetzt das Beste, das mir möglich ist.“
Stellen Sie Ihr aktuelles Tun in den Mittelpunkt. Der Erfolg kommt später. Sie
brauchen keine Motivationshilfen: Sie freuen sich an Ihrem Tun. Die Freude hält
Sie in Schwung. Denken Sie nicht über Sinn und Zweck einer Aufgabe nach, während
Sie diese erledigen. Sie haben sich bereits entschieden, zur Prüfung anzutreten,
an einem Wettbewerb teilzunehmen oder eine Präsentation zu halten. Sie haben
sich entschlossen, die Herausforderung anzunehmen. Über das Ergebnis werden Sie
danach Bescheid wissen.
Bewertungen unserer Leistungen sind hilfreich und notwendig. Denken Sie aber
nicht während einer Prüfung oder eines Auftritts an das Ergebnis. Beobachten Sie
sich nicht, wie Sie tun, was Sie gerade tun. Überhöhte Leistungsstandards wirken
sich in Aktionsphasen fatal aus. Wir sind dann unzufrieden mit dem momentanen
Verhalten. Damit handeln wir nicht mehr spontan.
Fassen wir zusammen: Während Ihres Handelns sollten Sie alle Gedanken an
Misserfolg und Erfolg vermeiden. Konzentrieren Sie sich voll und ganz auf Ihre
aktuelle Aufgabe. Sagen Sie sich: „Es läuft zufrieden stellend. Ich komme mit
der Sache gut zurecht. So gefällt es mir. Ich vertraue darauf, dass es so
weitergeht.“
Hier-und-Jetzt-Erleben in einer sexuellen Begegnung
Die sexuelle Reaktion ist ein
eindrucksvolles Beispiel: Wenn wir im Augenblick leben, erfahren wir eine
sexuelle Begegnung entspannend und genussvoll. Sind Sie überfixiert auf Ihre
sexuelle Reaktionsfähigkeit, beschert Ihnen das unnötigen Stress.
Bleiben Sie während eines sexuellen Zusammenseins im Hier und im Jetzt. Wenn Sie von Anfang an etwas Bestimmtes erreichen oder vermeiden möchten, erleben Sie die Situation kaum spontan. Streben Sie die Erektion und den Orgasmus nicht direkt an. Genießen Sie Ihren Körper und den Körper Ihres Partners oder Ihrer Partnerin. Beobachten Sie sich nicht ständig. Führen Sie keine selbstkritischen inneren Dialoge.
Als Mann sollte es Ihnen bei Erektionsproblemen anfangs primär darum gehen, die sexuelle Selbstsicherheit wieder zu finden. Entwickeln Sie Freude an Ihrer Sexualität, auch ohne Koitus. Verzichten Sie für sechs Wochen auf Geschlechtsverkehr. So erleben Sie weder Leistungsdruck noch Versagen. Tauschen Sie jedoch auf andere Weise Zärtlichkeiten und Streicheleinheiten am ganzen Körper aus. Das Vorspiel wird zum Hauptteil einer sexuellen Begegnung. Verzichten Sie auch dann auf Geschlechtsverkehr, wenn Sie eine Erektion haben. Freuen Sie sich über diese Spontanerektion, ohne sich unter Druck zu setzen. Genießen Sie die sexuelle Begegnung, im Falle einer Erektion auch den Orgasmus, jedoch ohne Verkehr.
Haben Sie öfter einen vorzeitigen Samenerguss, dann beobachten Sie sich selbst intensiver. Sie können es lernen, Ihren Ejakulationsreflex zu kontrollieren. Bewegen Sie Ihr Becken langsamer, halten Sie bei Bedarf inne, atmen Sie beim Eindringen in die Scheide langsam aus. Das vermindert Ihre Anspannung. Viele Männer mit vorzeitigem Samenerguss wollen ursprünglich zu viel; sie möchten unbedingt den Orgasmus ihrer Partnerin bewirken. Dieser Stress lenkt sie von ihrem eigenen sexuellen Erleben ab.
Wenn Sie als Frau beim Geschlechtsverkehr nie oder fast nie zum Orgasmus kommen, sind Sie in großer Gesellschaft: So wie Ihnen geht es mehr als der Hälfte der Frauen. Dies hängt häufig damit zusammen, dass die Klitoris beim Verkehr nicht ausreichend stimuliert wird. Sie können Ihre Orgasmusfähigkeit möglicherweise verbessern, indem Sie jene Muskeln anspannen, mit denen Sie Ihren Harnstrahl unterbrechen können. Trainieren Sie Ihre Beckenbodenmuskulatur. Wenn diese besser durchblutet ist, kommen Sie besser zum Orgasmus. Setzen Sie sich beim Verkehr jedoch nicht unter Leistungsdruck, sonst erreichen Sie das Gegenteil. Lernen Sie, Ihre sexuellen Energien zu genießen.
Stellen Sie sich bei einer sexuellen Begegnung so sehr auf die Wünsche Ihres
Partners ein, dass Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse vergessen? Sprechen Sie mit
ihm über Ihre Probleme und Wünsche. Täuschen Sie keinen Orgasmus vor aus Angst,
sexuell nicht attraktiv genug zu sein. Zu einem befriedigenden Sexualleben
gehört mehr als ein Orgasmus. Konzentrieren Sie sich auf Ihre sinnlichen
Gefühle, auf zärtliche Berührungen. Versuchen Sie nicht, durch bestimmte
Techniken einen Orgasmus als Zeichen Ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit zu
erzwingen.
Konzentrieren Sie sich auf die Aufgabe – die Umwelt ausblenden
„Konzentrieren Sie Ihre
Gedanken ganz und gar auf die Arbeit, die vor Ihnen liegt.
Die Sonnenstrahlen brennen
nicht, bevor sie nicht in einem Fokus gebündelt sind.“
Alexander Graham Bell
Wenn Sie sich einer
Herausforderung stellen, dann ignorieren Sie Ihre Umgebung. Achten Sie nicht auf
die anderen Menschen, die Sie beobachten oder mit denen Sie im Wettbewerb
stehen. Kontrollieren Sie Ihren Körper nicht ständig nach Symptomen, die andere
wahrnehmen könnten. Sonst schwindet Ihre Konzentration. Ihre Leistung fällt dann
ab. Konzentrieren Sie sich stattdessen voll und ganz auf Ihre Tätigkeit, auf die
es jetzt ankommt. Kommentieren Sie bei Bedarf Ihr Handeln innerlich, wenn
Sie sich dadurch besser auf Ihre Aufgabe konzentrieren können.
Bleiben Sie im Tun und ignorieren Sie die Umwelt
Wie geht es Ihnen, wenn andere
Sie beobachten? Denken Sie zu viel darüber nach, was in den Köpfen Ihres
Publikums vorgeht? Ob die anderen Ihre Präsentation gut oder schlecht finden? Ob
die Zuschauer nach dem Auftritt von Ihnen noch etwas halten werden? Sie
beobachten sich während eines Auftritts umso mehr, je unsicherer Sie sich dabei
fühlen. Sie suchen nach positiver Rückmeldungen, um Ihre Unsicherheit zu
vermindern. Das ist gefährlich: Sie machen sich abhängig von anderen und werden
erst recht unsicher.
Es ist in solchen Situationen entscheidend, gedanklich bei Ihrem Tun und Erleben
zu bleiben. Sie sollten sich in Präsentationssituationen auf keinen Fall selbst
beobachten in einer Weise, als würden Sie sich aus dem Blickwinkel der anderen
sehen. Konzentrieren Sie sich rein auf Ihr Spiel, auf Ihr Tun, ohne viel
nachzudenken oder sich besonders anzustrengen. Wenn Sie sich während Ihrer
sportlichen Leistung selbstkritisch mit den Augen der anderen sehen, beginnen
Sie an sich selbst zu zweifeln, agieren Sie körperlich nicht mehr spontan.
Vergleichen Sie Ihr Können gern mit dem von anderen Beteiligten bei einer
Aufgabe? Dann ist ein Ratschlag besonders wichtig: Beobachten Sie nicht ständig
Ihre Konkurrenten in Wettbewerben. Vergleiche lenken Sie von Ihrer eigenen
Aufgabe ab. Sie verunsichern sich selbst. Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit nach
außen richten, verschwenden Sie unnötig viel Energie. Das passiert leicht, wenn
Sie Ihre Gegner als besser einschätzen als sich selbst.
Gehen Sie mit sich selbst strenger um,
als andere dies tun? Fordern Sie mehr von sich selbst, als andere erwarten?
Sozialphobische und versagensängstliche Menschen bewerten sich selbst strenger,
als ihre Mitmenschen dies tun. Sie erwarten von sich selbst zu viel. Sie haben
Angst, ihre Umwelt könnte ähnlich viel erwarten. Unsichere Menschen sehen sich
mit den Augen der anderen. Sie fühlen sich ständig bewertet. Sie beobachten sich
dauernd selbst, um nur ja nicht peinlich aufzufallen. Ihr innerer Kritiker ist
unbarmherzig – also denken sie: Warum sollte die Umwelt weniger kritisch sein?
Bedenken Sie: Wenn Sie sich ständig aus der Perspektive der anderen beobachten,
beeinträchtigen Sie Ihre Beziehung zu sich selbst und Ihren spontanen Umgang mit
Ihren Mitmenschen.
Ihre Angst vor Kritik ist nichts anderes als die Angst vor Ihrem eigenen inneren
Kritiker. Sie projizieren Ihre Befürchtungen auf andere Menschen. Nehmen Sie ein
Heft zur Hand. Schreiben Sie in die linke Spalte, wie Sie über ein bestimmtes
Verhalten selbst denken. Schreiben Sie in die rechte Spalte, was Ihrer Meinung
nach andere darüber denken. Sie werden sich wundern, wie identisch beide
Bewertungen sind.
Beobachten und bekämpfen Sie nicht dauernd Ihre Körpersymptome
Was tun Sie, wenn Sie unter
Leuten sind und sich körperlich unwohl fühlen? Sie beobachten Ihren Körper.
Fragen Sie sich, ob Sie unangenehm auffallen? Viele unsichere Menschen verhalten
sich so. Alle Betroffenen haben die gleiche Angst: Die anderen könnten glauben,
sie seien nervlich am Ende – nur weil sie schwitzen, rot werden oder mit der
Hand zittern.
Unsichere Menschen mit großer Versagensangst beobachten sich in
Leistungssituationen sehr intensiv. Sie achten peinlich genau auf körperliche
Anzeichen von Angst („Bin ich rot geworden? Sieht man meine Schweißflecken?
Erkennt der Chef mein Zittern?“). Sie beobachten pausenlos ihr Erscheinungsbild
(„Passt mein Äußeres?“) und ihre Körpersprache („Halte ich richtig Blickkontakt?
Sind meine Körperhaltung und meine Handbewegungen so, wie es andere erwarten?“).
Sie suchen nach Reaktionen der Zuseher und Zuhörer („Gefällt den anderen meine
Präsentation?“). Aus Angst, unangenehm aufzufallen, konzentrieren sie sich
übermäßig auf sichtbare körperliche Symptome. Es fehlt dann die volle
Aufmerksamkeit für die eigentliche Aufgabe.
Achten Sie bei Begegnungen mit Ihren Mitmenschen nicht auf Ihre körperlichen
Angst- und Stresssymptome. Wenn Sie diese bekämpfen wollen, blockieren Sie sich
selbst. Sie können dann nicht spontan handeln und wirken auf andere unecht. Wenn
Sie Ihr Nervensystem ständig beobachten, stören Sie es bei der Arbeit. Vertrauen
Sie auf die Fähigkeiten Ihres Körpers. Sie haben für Ihre Aufgaben und Auftritte
vorher lange genug trainiert.
Ruhen Sie in sich – stehen Sie nicht neben sich
Beobachten Sie sich in sozialen
Situationen gern? Haben Sie das Gefühl, „neben sich“ zu stehen? Ihr Verhalten
macht Sinn – wenn Sie anderen Menschen keine Möglichkeit geben möchten, Sie zu
kritisieren. Sie begeben sich in einen Machtkampf mit Ihren Gesprächspartnern
und Zuhörern, um Ihre Nervosität nicht zu zeigen. Wenn Sie dabei gewinnen,
verlieren Sie trotzdem: an Spontaneität und Lockerheit.
Bei Unsicherheit vor Publikum tun wir gern Folgendes: Wir beobachten uns
fortwährend mit einer Hälfte unserer Person. Wir fühlen uns so leicht gespalten
und uneins mit uns selbst. Wir wirken auf unsere Zuseher gezwungen und
angestrengt. Damit verlieren wir die „Leichtigkeit des Seins“. Wir bringen
unsere Fähigkeiten nicht so rüber, wie es sein könnte. Wundern Sie sich nicht,
wenn Sie sich unkonzentriert fühlen oder nachfragen müssen, was Ihr
Gesprächspartner gerade gesagt hat.
Bleiben Sie in Bewertungssituationen immer bei sich selbst. Versuchen Sie, in
sich zu ruhen. Handeln Sie aus sich selbst heraus. Wenn Sie kurz aus sich
heraustreten und sich selbstkritisch betrachten, dann kehren Sie anschließend in
Ihren Körper zurück.
Flow – gehen Sie in der Situation auf
Sind Sie in eine Sache oft so
vertieft, dass Sie Ihre Umgebung kaum wahrnehmen? Wenn wir uns vollständig auf
eine Tätigkeit konzentrieren, verlieren wir uns darin. In einem solchen Zustand
höchster Aufmerksamkeit nehmen wir uns selbst nicht bewusst wahr. Man bezeichnet
dies als Flow-Erlebnis. Wenn wir im „Flow“ sind, gehen wir in unserem momentanen
Tun ganz auf (Spiel, Sport, Musik, Tanz, Hobby, Sex, Essen). Wir denken nicht
darüber nach oder bewerten unser Tun auch nicht kritisch. Wir verschmelzen mit
der Situation, Raum und Zeit verblassen. Bei einem Flow-Erlebnis sind unsere
Gedanken und Gefühle im Einklang mit unserem Tun.
Mittelschwere Aufgaben können uns derart fesseln, dass wir andere Reize nicht
beachten. Alles, was wir tun, ist von alleine im Fluss (daher stammt die
Bezeichnung Flow). Alles ist stimmig und befriedigt uns. Wir brauchen uns keine
Gedanken zu machen. Die Aufgabe fordert uns angenehm. Wir fühlen uns nicht
überfordert oder überanstrengt. Das Tun und dessen Ergebnis sind Belohnung
genug. Wir fühlen uns bestätigt und erfüllt. Was wir gerade tun, ist eine echte
Freude.
Wenn wir uns für etwas begeistern, handeln wir entspannt und zufrieden. Mögliche
Probleme berühren uns nicht. Wir haben die Situation unter Kontrolle. Wir
brauchen nicht bewusst darüber nachzudenken, was wir jetzt tun sollen und wie
wir es anpacken können. Die Arbeit gelingt, ohne dass wir uns bewusst darum
bemühen müssen. Dabei blenden wir die Umwelt völlig aus. Wir erleben die Zeit
anders. Während wir in unsere Tätigkeit vertieft sind, vergehen Stunden wie
Minuten.
Wir können sogar voll entspannt sein bei anstrengenden Tätigkeiten, die andere
Menschen als Belastung empfinden. Flow-Situationen bestehen aus Anspannung und
Entspannung. Wir fürchten unseren Misserfolg und triumphieren, sobald wir eine
Aufgabe erfolgreich bewältigen.
Wir können ein Flow-Gefühl mit jedem Sinnesorgan und bei jeder Tätigkeit
auslösen. Gefühlsbetonte Ausnahmesituationen, in denen wir gedankenlos aufgehen,
lassen sich durch intensives Training vermehren. Wir begünstigen ein
Flow-Erleben, wenn wir im Hier und im Jetzt bleiben.
Halten Sie die Bezeichnung „Flow“ für ein neues Wort für eine altbekannte
Erfahrung? Sie haben Recht: Der Begriff „Erfüllung“ bezeichnet nichts anderes.
Wir sind von einer Sache erfüllt, wenn wir uns ihr hingeben und uns darin
verlieren. Wenn es so weit ist, denken wir gar nicht daran, uns selbst zu
beobachten und zu beurteilen.
Erfüllung ist etwas anderes als Erfolg. Erfolg geht nicht immer mit Erfüllung
einher. Wenn wir vor einem Publikum den Erfolg suchen, geraten wir leicht in
Stress. Wir entwickeln schnell Versagensängste. Wenn wir aber von unserem
Auftritt erfüllt und von unserem Thema begeistert sind, haben wir keine Angst
vor dem Versagen. Wir sind dann ganz in uns und bewerten nicht nach „richtig
oder falsch“, „gut oder schlecht“.
Ähnlich versunken im Augenblick sind wir bei Entspannungsübungen und Meditation.
Wir spüren unseren Atem und entspannen uns dabei, ohne es gezielt zu wollen. In
der „Leere“, wie etwa bei der Zen-Meditation, sind wir frei von störenden
Gedanken. Wir gehen voll im unmittelbaren Erleben auf, ohne bewusst etwas
erreichen zu wollen, weder im positiven noch im negativen Sinn.
Lernen, Üben, Trainieren – Erfolg durch ein Trainingsprogramm
„Erfolg hat drei Buchstaben:
TUN!“
Johann Wolfgang von Goethe
Bereiten Sie sich auf alle
Leistungssituationen so gut wie möglich vor. Trainieren Sie Ihre geistigen,
manuellen und sozialen Fähigkeiten. Sie verunsichern sich nur, wenn Sie sich
schlecht vorbereiten. Wenn Sie eine Situation immer wieder vermeiden, lernen Sie
nicht, damit umzugehen. Erstellen Sie einen konkreten Plan mit Teilzielen, die
Sie der Reihe nach umsetzen. Sie bestärken sich mit den erreichten
Zwischenzielen und glauben fester an Ihren endgültigen Erfolg. Ihre Fortschritte
werden Sie zu weiteren Aktivitäten anspornen.
Halten Sie Ihr Übungsprogramm konsequent ein
Kennen Sie diese Geschichte?
Ein Mann mit einem Geigenkasten fragt in Manhattan einen Passanten: „Wie komme
ich in die Carnegie Hall?“ Der Passant antwortet im Vorbeigehen: „Üben, üben,
üben!“
Meister ihres Faches üben gern und sammeln auf diese Weise Routine – im
Gegensatz zu Möchtegern-Könnern. Zu Spitzenleistungen gelangen wir erst über
mühselige und langweilige Übungsphasen. Es ist ein Weg der kleinen Fortschritte.
Wenn Sie in kurzer Zeit zu viel erreichen wollen, werden Sie wahrscheinlich
schnell aufgeben.
Bringen Sie nur schwer genug Geduld auf, um auf große Ziele hin zu trainieren?
Lassen Sie sich gesagt sein: Ihr schulischer oder beruflicher Erfolg rückt nur
mit regelmäßigem Lernen in greifbare Nähe. Wer ausdauernd übt, kann sich
sportliche und musikalische Leistungen erarbeiten. Bereiten Sie sich auf
Prüfungen und Auftritte gut vor. Nutzen Sie jede Gelegenheit, um sich vor
anderen Menschen zu präsentieren. So bekommen Sie im Laufe der Zeit Routine. Sie
beobachten sich dann nicht mehr andauernd in ängstlicher Weise.
Gewohnte alltägliche Anforderungen erledigen Sie schnell, leicht und
zielführend. Sie brauchen nicht bewusst über das Wie und Warum nachzudenken. Sie
müssen nicht ständig darauf achten, ob Sie richtig handeln. Bei Routine läuft
alles wie von allein. Ihr Kopf ist frei von Horrorvisionen.
Wenn Sie etwas Neues lernen, sollten Sie sich mit Ihren Gedanken intensiv der
augenblicklichen Tätigkeit zuwenden. Bewusstes Mitdenken ist erforderlich, wenn
Sie neue Verhaltensweisen eintrainieren oder schädliche Gewohnheiten loswerden
wollen. Sobald ein neues Verhalten automatisch abläuft, sollten Sie sich dabei
nicht mehr beobachten. Sonst verunsichern Sie sich nur bei Ihrer Tätigkeit.
Just do it – tun reicht, es muss nicht immer Spaß machen
Verschieben Sie Ihr Training
oder eine anstehende Aufgabe immer wieder gern? Dann fangen Sie endlich damit
an! Überwinden Sie Ihre Lustlosigkeit. Übernehmen Sie Verantwortung für sich
selbst. Nehmen Sie Ihr Leben in die Hand. Legen Sie fest, wann Sie ungeliebte
Tätigkeiten ausführen werden. Denken Sie an Erich Kästner, der meinte: „Es gibt
nichts Gutes, außer man tut es.“
Warten Sie nicht lang und immer länger auf die richtige Motivation. Der Schwung,
eine bestimmte Aufgabe anzupacken, kommt oft nicht von alleine. Beginnen Sie
Ihre Aufgabe mit einem Teil, der Sie weiter anspornt und in Schwung hält. Wenn
Sie sich wenigstens für kurze Zeit mit bestimmten Aufgaben beschäftigen, werden
Sie leichter damit fortfahren. Gestehen Sie sich ein: Ihr Interesse an einer
Sache entsteht häufig erst durch Ihre Beschäftigung damit – nicht durch den
häufig vergeblichen Versuch, sich schon vorher dafür zu begeistern.
Beginnen Sie mit den lustvollsten Aufgaben, die Ihnen am meisten Spaß bereiten.
So haben Sie die größten Erfolgsaussichten. Wenn Sie sich innerlich nicht für
etwas begeistern können, suchen Sie wenigstens nach äußeren Motivationsfaktoren:
Belohnen Sie sich ein wenig für erledigte Arbeiten.
Keine Angst vor Prüfungsangst!
Suchen Sie nach hilfreichen
Tipps, wie Sie Ihre Prüfungsängste bewältigen können? Die folgenden Ratschläge
fassen die aktuelle Literatur zusammen:
·
Akzeptieren Sie Ihre Prüfungsängste.
Lassen Sie sich von leichten Prüfungsängsten zum rechtzeitigen Lernen anspornen.
Ihre körperlichen Symptome drücken nur die Bedeutung aus, die eine Prüfung für
Sie momentan hat. Sie bereiten sich auf eine persönliche Höchstleistung vor.
Wegen körperlicher Reaktionen auf Angst sind Sie keinesfalls unfähig. Geben Sie
den Kampf gegen Ihre Angstsymptome auf; er raubt Ihnen nur Energie, die Sie für
die Prüfung brauchen.
·
Malen Sie sich kein Horrorszenario
nach einer gescheiterten Prüfung aus. Jeder Mensch kann bei einer Prüfung
durchfallen oder bei einer Ausbildung versagen. Vermeiden Sie jedes
Katastrophendenken. Die Welt bricht nicht zusammen, wenn Sie scheitern. Sagen
Sie sich lieber: „Dieser Prüfer entscheidet nur über meine Note, nicht über mein
Leben.“ Denken Sie daran, was Sie auch ohne bestandene Prüfung wert sind.
Überlegen Sie sich andere Ausbildungen oder Berufsfelder, statt Ihr Heil nur im
jetzigen Studium oder Beruf zu sehen.
·
Erwarten Sie realistische Leistungen
von sich selbst. Mit perfektionistischen Erwartungen spannen Sie sich in
Prüfungssituationen nur noch stärker an. Sagen Sie sich Dinge wie: „Wenn ich
viel gelernt habe, muss ich eine sehr gute Note bekommen“, „Ich muss die Beste
sein, weil ich es anders nicht aushalte“, „Wenn ich nicht gut bin, sind die
anderen von mir enttäuscht“? Verunsichern Sie sich nicht, indem Sie überhöhte
und unrealistische Anforderungen an sich stellen. Betrachten Sie möglichst gute
Noten nicht als Ausgleich für frühere schlechte Leistungen. Lernen Sie mit dem
Ziel, bei der Prüfung durchzukommen. Sagen Sie sich: „Ich muss nicht alles
wissen, um die Prüfung zu bestehen. Hauptsache, ich komme durch.“ Beweisen Sie
„Mut zur Lücke“. Ein gewisses Risiko zu scheitern bleibt, wenn Sie eine Prüfung
in einem angemessenen Zeitraum ablegen möchten.
·
Vereinbaren Sie einen Prüfungstermin
und halten Sie sich an fixe Lernzeiten. Damit werden Sie zielstrebiger lernen.
Sie werden Ihr Lernprogramm nur durchziehen, wenn Sie am Prüfungstermin
festhalten. Terminabsagen erleichtern Sie momentan. Der Preis dafür ist hoch:
Sie fallen im Tempo zurück. Ihre Studienkollegen überholen Sie mehr und mehr.
Diese halten sich an das Motto: „Wer wagt, gewinnt.“
·
Lernen Sie rechtzeitig. So verhindern
Sie unnötigen Stress kurz vor der Prüfung. Schieben Sie anstehende Aufgaben
nicht auf die lange Bank. Identifizieren Sie Ihre Ausreden, mit denen Sie
ungeliebte Dinge möglichst lange zu umgehen versuchen. Größere schriftliche
Arbeiten sollten Sie nicht erst wenige Tage vor Abgabe zu schreiben beginnen.
Wenn Sie größere Stoffmengen erst kurz vor der Prüfung lernen, bestätigen Sie
sich, dass Sie nur unter Druck lernen können. Sie vergessen den Stoff bald
wieder, weil Sie ihn nicht oft genug wiederholen konnten.
·
Informieren Sie sich genau über den
Stoff der Prüfung, ihre Form und die Bedingungen. Klären Sie die Dauer und den
Ort der Prüfung. Erkundigen Sie sich bei anderen über die Prüfungsmethoden des
Prüfers. Nehmen Sie eventuell bei Prüfungen von Studienkollegen teil. Listen Sie
offizielle und inoffizielle Prüfungsfragen auf. Erarbeiten Sie prägnante
Antworten für beide Bereiche.
·
Motivieren Sie sich zum Lernen! Formulieren Sie die Fragen zum Prüfungsstoff so,
dass Sie die Antworten interessant finden. Schauen Sie, wo Sie den Lernstoff
auch im Alltag nutzen können. Sie merken sich einen langweiligen oder verhassten
Lernstoff leichter, wenn Sie eine gute Beziehung dazu aufbauen.
·
Organisieren Sie Ihre Arbeit.
Verbessern Sie Ihr Zeitmanagement. Lernen Sie diszipliniert, damit vermeiden Sie
Versagensängste. Machen Sie sich einen fixen Lernplan mit Tages- und
Wochenplänen. Lernen Sie das Wichtigste zuerst, wenn der Lernstoff umfangreich
ist. Teilen Sie den Lernstoff in kleinere Einheiten auf. Belohnen Sie sich, wenn
Sie Teilziele erreichen. Reservieren Sie genug Zeit, um den bereits gelernten
Stoff zu wiederholen. Damit speichern Sie Gelerntes besser im Gedächtnis. Planen
Sie regelmäßige Pausen als Energiequelle ein. Kurze Erholungsphasen steigern
Ihre Leistungsfähigkeit.
·
Entwickeln Sie zielführende
Lerntechniken. Gehen Sie beim Lernen in fünf Schritten vor: Verschaffen Sie sich
zuerst einen Überblick über den Stoff. Lesen Sie als nächstes eine kurze
Zusammenfassung des Stoffes. Danach stellen Sie sich motivierende Fragen zum
Stoffgebiet. Anschließend erarbeiten Sie sich den Stoff im Detail. Zum Schluss
wiederholen Sie alles Gelernte und festigen es so im Gedächtnis.
·
Verbessern Sie Ihre Konzentration. Wenden Sie sich intensiv Ihrer Aufgabe zu.
Achten Sie nicht auf Ihre körperlichen Symptome. Vergessen Sie für den Moment
auf frühere schlechte Leistungen oder Ihr mögliches zukünftiges Versagen. Sie
können Ihre Aufmerksamkeit mit folgender Technik unterstützen: Führen Sie einen
inneren Dialog. Sagen Sie sich vor, was Sie gerade tun und was Sie als nächsten
Schritt unternehmen möchten. Kinder mit gestörter Aufmerksamkeit konzentrieren
sich besser, wenn sie laut sprechen. Lenken Sie sich während des Lernens nicht
ab: Verzichten Sie auf Essen und Fernsehen. Vielleicht gehören Sie jedoch zu
jenen Menschen, die mit ihrer Lieblingsmusik im Hintergrund besser lernen
können.
·
Verbessern Sie Ihre
Gedächtnisleistung. Verschiedene Strategien können Ihnen dabei helfen, das
Gelernte besser im Langzeitgedächtnis zu behalten. Sprechen Sie wichtige Texte
laut vor sich her. Markieren Sie Ihre Unterlagen. Fassen Sie das Wichtigste
schriftlich kurz zusammen. Lesen Sie kurze Zusammenfassungen des Lernstoffs vor
dem Schlafengehen, das festigt Ihr erworbenes Wissen dauerhaft im Schlaf.
Wiederholen Sie den Prüfungsstoff mehrfach, dies beugt dem raschen Vergessen
vor.
·
Organisieren Sie Ihre
Prüfungsvorbereitungen so, dass Sie am Tag vor der Prüfung den Stoff nur mehr
wiederholen und damit festigen. Verzichten Sie darauf, in den letzten Stunden
vor der Prüfung Wissenslücken zu beseitigen. Ihre ängstliche Erregung angesichts
Ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Mängel und Schwächen blockiert sonst den
Abruf des gespeicherten Wissens. Lernen und wiederholen Sie unmittelbar vor
Prüfungen und Referaten nichts mehr. Diskutieren Sie zu diesem Zeitpunkt auch
nicht mehr mit anderen über den Stoff. Sie machen sich dadurch nur nervös und
unsicher.
·
Achten Sie darauf, dass Sie sich vor einer Prüfung und während des Lernens
körperlich wohl fühlen. Schlafen Sie ausreichend und bewegen Sie sich. Ernähren
Sie sich gesund. Dosieren Sie Koffein und Nikotin. Viele Menschen mit
Prüfungsangst haben kaum Appetit. Nehmen Sie am Morgen des Prüfungstages
wenigstens eine Kleinigkeit zu sich. Damit stärken Sie Ihr Gehirn und Ihren
Körper. Lernen Sie am Tag vor der Prüfung nicht bis spät in die Nacht hinein.
Sonst sind Sie womöglich genau im entscheidenden Moment hundemüde. Mit ein wenig
Ausgleichssport bauen Sie Ihre körperliche Anspannung leichter ab.
·
Versuchen Sie, sich seelisch wohl zu fühlen, auch wenn eine wichtige Prüfung vor
der Tür steht. Große Gefühlskonflikte in der Familie oder in der Partnerschaft
beeinträchtigen Ihre geistige Leistungsfähigkeit. Finden Sie zumindest eine
vorläufige Notlösung für akuten Liebeskummer, damit Sie nicht ständig nur daran
denken. Genießen Sie auch Ihre Freizeit, trotz Prüfungsdruck. Seelisches
Wohlbefinden wird Sie für die Herausforderung stärken. Tun Sie sich etwas Gutes!
Das Lernen fällt Ihnen leichter, wenn Sie sich als Ausgleich kurz mit Freunden
treffen oder Ihren Hobbys nachgehen. Ein Film im Fernsehen oder im Kino kann Sie
sehr entspannen und gerade dadurch Ihre Leistungsfähigkeit steigern.
·
Trainieren Sie die Prüfungssituation
vorab im Geist. Nehmen Sie gedanklich so viel wie möglich vorweg. Damit rüsten
Sie sich für die tatsächliche Prüfung. Spielen Sie den Ablauf vor Ihrem inneren
Auge durch. Sie machen sich auf diese Weise mit der auf Sie zukommenden
Situation vertraut. Was Sie in Ihrer Vorstellung erfolgreich bewältigen, das
schaffen Sie tatsächlich leichter. Vor welchen Prüfungsfragen fürchten Sie sich
am meisten? Suchen Sie vorab Antworten auf genau diese Fragen. Lassen Sie in
Ihrer Vorbereitung auch negative und unangenehme Bilder von der Prüfung zu. Wie
sieht Ihr absolutes Horrorszenario aus? Stellen Sie sich plastisch vor, wie Sie
mit den gefürchteten Situationen erfolgreich umgehen werden. Lassen Sie alles
wie einen Zeitlupenfilm vor Ihren Augen ablaufen. Schauen Sie sich das positive
Ergebnis der Prüfung genau an und lassen Sie es auf sich wirken.
·
Bereiten Sie sich auf eine Prüfung
durch prüfungsähnliche Situationen vor. Simulieren Sie die Prüfung vor
Studienkollegen, Freunden oder Verwandten. Spielen Sie mit ihnen Situationen
durch, die Sie bei der Prüfung fürchten. Sie können dadurch lernen, damit besser
zurechtzukommen.
·
Melden Sie sich im Unterricht
möglichst oft zu Wort. Sie gewöhnen sich daran, im Mittelpunkt zu stehen, vor
anderen zu sprechen, Ihre Fähigkeiten zu zeigen und manchmal auch etwas Falsches
zu sagen. So entlasten Sie sich vom Druck, nur hundertprozentig richtige
Antworten geben zu dürfen. Reden Sie laut und deutlich, das ist gut für Ihre
Selbstsicherheit.
·
Wenn Sie vor einem Lehrer oder Professor Angst haben, suchen Sie vor der Prüfung
bewusst seine Nähe. Kontaktieren Sie ihn, statt ihn zu meiden. Damit nehmen Sie
sich selbst die Angst vor der Autorität, egal, wodurch diese bedingt ist. Zeigen
Sie Ihr Interesse am Unterrichtsthema. Stellen Sie dem Vortragenden eines
gefürchteten Prüfungsfaches in einer Pause einige Fragen. Melden Sie sich im
Unterricht häufiger zu Wort, um Ihr Bemühen zu zeigen.
·
Führen Sie hilfreiche Selbstgespräche.
Verzichten Sie auf negative Denkmuster und zerstörerische Selbstgespräche.
Ermutigen Sie sich lieber, indem Sie die Sache positiv betrachten. Führen Sie
aufbauende innere Dialoge, damit Ihre Befürchtungen nicht zu sich selbst
erfüllenden Prophezeiungen werden. Viele Menschen verstärken ungewollt ihre
Ängste und ihre negativen Erwartungen („Das schaffe ich nie“, „Ich bringe bei
der Prüfung bestimmt kein Wort heraus“, „Die anderen können das bestimmt
besser“, „Alle werden mich für einen Versager halten, wenn ich bei der Prüfung
durchfalle“, „Was wird der Lehrer zu meiner Unfähigkeit sagen?“, „Ich werde
meine Eltern wieder enttäuschen“). Lenken Sie Ihren inneren Dialog auf die
Prüfungssituation und Ihren erwarteten Erfolg („Was genau soll ich tun?“, „Was
sollte ich zuerst tun?“). Stärken Sie sich mit positiven Sätzen („Ich schaffe
das“, „Ich habe den Stoff gut gelernt“, „Ich kann das, weil ich es zu Hause
geübt habe“, „Meine bisherigen Erfolge zeigen, dass ich auch diese Anforderungen
erfüllen kann“, „Ich stehe den Stress durch, wie schon oft“).
·
Entwickeln Sie hilfreiche Methoden,
wie Sie einen akuten Anfall von Angst während der Prüfung überwinden können.
Entspannungsübungen und Atemtechniken können Ihnen rasch helfen, wenn Sie Ihre
Angst körperlich unerträglich stark spüren. Atmen Sie langsamer: Atmen Sie etwa
achtmal pro Minute aus. Atmen Sie zwei- bis dreimal länger aus, als Sie
einatmen. Atmen Sie intensiv mit dem Zwerchfell, anstatt flach und durch die
Brust. Sie können sich noch besser beruhigen, indem Sie Ihre dominante Hand auf
den Bauch legen. Atmen Sie entspannt und von allein durch die Nase ein. Atmen
Sie durch leicht geschlossene Lippen aus, das hilft bei großer innerer
Anspannung.
·
Lernen Sie, mit einem Black-out
umzugehen. Verstummen Sie bei mündlichen Prüfungen nicht, wenn Sie plötzlich
einen „leeren Kopf“ haben vor Aufregung. Halten Sie nach außen hin Ihren Dialog
mit dem Prüfer aufrecht. Akzeptieren Sie für sich selbst, dass so etwas
passieren kann. Am besten wiederholen Sie die Frage des Prüfers. Damit haben Sie
schon etwas gesagt. Versichern Sie sich bei ihm: „Habe ich die Frage so richtig
verstanden?“ Es hilft womöglich schon, wenn Sie sich selbst sprechen hören. Sie
können Ihre Angstblockade vielleicht schon damit überwinden. Oft reichen ein
paar belanglose Sätze, um den Faden wieder zu finden. Bei einer schriftlichen
Prüfung können Sie etwas schreiben oder zeichnen. Damit bekommen Sie das Gefühl,
etwas zu tun. Warten Sie nicht immer, bis Ihr verbales Gedächtnis reagiert, um
etwas sagen oder schreiben zu können. Vergegenwärtigen Sie sich bildhafte
Informationen, die Sie sich beim Lernen eingeprägt haben. Bilder lassen sich
unter Stress leichter abrufen. Wenn Sie sich vor Angst wie erstarrt fühlen, dann
atmen Sie ein paar Mal tief durch. Bewegen Sie sich ein bisschen, damit Sie die
körperliche Anspannung abbauen. Wenn nichts hilft, geben Sie Ihr Black-out
unumwunden zu. Ein verständnisvoller Prüfer wird Ihnen weiterhelfen.
·
Halten Sie sich in Prüfungssituationen
Ihre Erfolge, Fähigkeiten und Stärken vor Augen. Machen Sie sich bewusst, was
Sie sind und was Sie können, unabhängig vom erwarteten Ergebnis der Prüfung.
Erinnern Sie sich an Ihre Erfolge statt an die Misserfolge – nichts macht so
erfolgreich wie der Erfolg
„Der Anfang ist die Hälfte des
Ganzen.“
Aristoteles
Fühlen Sie sich unsicher und
verzagt, dann vergegenwärtigen Sie sich Ihre bisherigen Erfolge. Sie werden sich
beim Gedanken daran gleich kompetenter fühlen und sich mehr zutrauen. Ihre Angst
zu versagen lässt nach, sobald Sie erkennen, was Sie in Ihrem Leben bereits
geleistet haben. Sagen Sie sich: „Ich habe eine ähnliche Aufgabe schon öfter
geschafft, es kann mir auch heute gelingen.“
Ihre Gefühle beeinflussen Ihr Gedächtnis
Haben Sie manchmal Angst vor
einer Aufgabe, die Sie schon einmal oder mehrmals erfolgreich erledigt haben? Es
geht uns allen ähnlich: In bestimmten Situationen verlieren wir leicht das
Vertrauen in unser Können. Wir fühlen uns wie erfolglose Anfänger. Bei
erheblichem Stress und großer Versagensangst können wir auf unsere positiven
Erfahrungen nicht zugreifen. Es geht uns wie depressiven Patienten; diese
erinnern sich nur an negative Erlebnisse.
Wir sehen unsere Vergangenheit unterschiedlich, je nachdem wie wir uns fühlen.
Manchmal filtern wir eher das Gute, manchmal eher das Schlechte. Wir sehen und
hören, was wir sehen und hören wollen. Nach Niederlagen fallen uns eher unsere
Misserfolge ein als unsere früheren Spitzenleistungen. Dieses Phänomen heißt
„selektive Wahrnehmung“: Wir konzentrieren uns, peinlich betroffen, auf die
wenigen Misserfolge, anstatt die zahlreichen Erfolge zu sehen. Wir sehen
plötzlich überall Schwächen und keine Stärken.
Erinnern Sie sich an Ihre früheren Erfolge, dann werden diese angenehmen
Erfahrungen erneut in Ihnen lebendig. Diese bestärken Sie, sodass Sie wieder ein
gutes Ergebnis erwarten. Sie leisten mehr Einsatz und aktivieren alle Kräfte. So
funktioniert eine positive, sich selbst erfüllende Prophezeiung: Weil Sie auf
einen guten Ausgang vertrauen, tritt dieser auch eher ein.
Machen Sie sich kein verzerrtes Bild Ihrer früheren Leistungsfähigkeit. Erinnern
Sie sich an positive Erfahrungen. Blenden Sie negative Bilder aus, sagen Sie
innerlich „Stopp!“ Sie stärken damit das Gefühl Ihrer Selbstwirksamkeit.
Bestätigen Sie sich: „Ich habe mehrfach ähnliche Anforderungen gut bewältigt,
das weiß ich. Ich lasse mich jetzt nicht verunsichern und vertraue auf meine
Fähigkeiten.“
Rufen Sie Ihre Erfolgsfilme ab
Fühlen Sie sich öfter wie ein
Anfänger? Machen Sie sich klar: Sie fangen nicht bei Null an. Sie haben schon
angefangen, erfolgreich zu sein. Vielleicht halten Sie und Ihre Umwelt das nicht
für ausreichend; oder Sie sehen den Erfolg als bloßen Zufall. Sie sind in vielen
Situationen kompetent. Aber können Sie das glauben?
Sehen Sie sich vor einem Auftritt immer wieder Ihren „Erfolgsfilm“ im Kopf an.
Betrachten Sie diesen Film, als wäre es Ihr Lieblingsfilm. Schauen Sie zunächst
von außen zu, so wie ihn andere Menschen auf der Leinwand sehen würden. Sehen
Sie sich selbst zu, wie Sie eine Aufgabe erfolgreich bewältigen. Gehen Sie dann
in den Film hinein. Handeln Sie aus der Sicht der Person, die Sie damals waren.
Erleben Sie das Geschehen mit allen Sinnen, so als würde es jetzt passieren.
Dieses Vorgehen ist eine Form des mentalen Trainings. Sie halten sich in diesem
Fall jedoch vergangene Situationen vor Augen. Erfolgreiche Leistungssportler
malen sich während eines Wettkampfs bewusst bisherige Spitzenleistungen aus. Sie
spüren sich erneut möglichst intensiv in frühere Siege hinein. Sie stärken damit
ihre Kraft und ihr Selbstvertrauen in den bevorstehenden Wettkampf. Gedanken an
Misserfolge blocken sie dagegen gezielt ab, um keine Verunsicherung aufkommen zu
lassen.
Wenn Sie gerne schreiben, können Sie Geschichten Ihrer Erfolge zu Papier
bringen. Verfassen Sie Texte zu den Themen „Die Hintergründe meiner bisherigen
Erfolge“, „Was mich damals erfolgreich gemacht hat“, „Wie ich geschafft habe,
was mir jetzt schwer fällt.“ Wenn Sie Versagensangst verspüren, lesen Sie Ihre
Worte über Ihre Erfolge. Sprechen Sie Ihre Erfolgsstorys auf Tonband und hören
Sie Ihre Worte, wenn Sie sich entmutigt fühlen.
Tolerieren Sie Versagensangst und Misserfolge – aus Fehlern können Sie lernen
"Es irrt der
Mensch, solang' er
strebt."
Erlauben Sie sich ausdrücklich,
Fehler zu machen. Wenn Sie sich diese Möglichkeit zugestehen, brauchen Sie
Misserfolge nicht mehr zu fürchten. Sagen Sie sich: „Irren ist menschlich und
macht menschlich.“ Nehmen Sie Ihre Angst zu versagen an. Sie brauchen sich
deswegen nicht auf Dauer damit abzufinden. Akzeptieren Sie sich selbst mit Ihren
Schwächen. Mit diesem Schritt haben Sie sich bereits verändert. Dies ist Ihr
bestes Mittel gegen ständige Versagensängste.
Lassen Sie Ihre Versagensangst zu
Nehmen Sie Ihre Angst zu
versagen nur schwer an? Möchten Sie am liebsten gar keine Fehler machen? Sagen
Sie Ja zu sich selbst, auch zu Ihrer Versagensangst. Es ist kein sinnvolles und
realistisches Ziel, völlig frei von Angst zu sein. Sie haben Angst, bei dem zu
scheitern, was Ihnen wichtig ist. Das ist ganz normal. Wenn Ihnen nichts wichtig
ist, haben Sie auch keine großen Versagensängste. Möchten Sie wirklich so sein
und leben? Schieben Sie Ihre Versagensängste nicht durch positives Denken
beiseite. Nur wenn Sie genau sehen, was Sie fürchten, können Sie Ihr Problem
wirksam lösen.
Fühlen Sie sich vor neuen Aufgaben sehr beunruhigt und verängstigt? Fürchten Sie sich vor Veränderungen? Wenn Sie etwas Neues beginnen möchten, brauchen Sie vor allem Mut dazu. Seien Sie neugierig auf Neues! Gar keine Angst zu haben, führt auch nicht zum Ziel. Mutig zu sein bedeutet nicht, angstfrei zu sein. Auch mutige Menschen haben Ängste. Wagen Sie sich an Neues heran, vor dem Sie sich ein wenig fürchten. Entwickeln Sie Mut und Tatkraft! Lassen Sie sich von Ihrer Angst nicht auffressen. Tun Sie, was Sie gerne tun würden, wenn Sie keine Angst vor dem Scheitern hätten.
Viele Menschen fürchten sich vor bisher unbekannten Aufgaben. Wenn Sie allgemein
zu Ängsten neigen, machen Sie sich bei bevorstehenden Veränderungen wohl noch
mehr Sorgen. Betrachten Sie die Angst als Teil einer notwendigen Veränderung.
Ist Ihre Zukunft zunehmend ungewiss, hilft Ihnen vor allem eines weiter:
Vertrauen Sie in Ihre Fähigkeiten! Sie sind in der Lage, bevorstehende Aufgaben
gut zu erledigen. Sie haben mehr und mehr Zuversicht, sobald Sie handeln, statt
abzuwarten. Nehmen Sie nötige Veränderungen mutig in Angriff. Sie werden
erkennen: Sie schaffen mehr, als Sie sich vorher zugetraut haben.
Gehen Sie über Fehler und Misserfolge wie über Stufen hinauf zum Erfolg. Kämpfen
Sie für den Erfolg. Kämpfen Sie nicht so sehr gegen das Versagen an. Vertrauen
Sie bei Herausforderungen mehr auf Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Glauben Sie
an Ihre Möglichkeiten, richtig und erfolgreich zu handeln! Denken Sie nicht
vorher ständig über alle Wenn und Aber nach. Sagen Sie sich: „Ich habe mich auf
die Prüfung bzw. auf den Auftritt gut vorbereitet. Fehler können auch mir
passieren. Ich werde jedoch mein ganzes Wissen einsetzen, um mit der Situation
so gut wie möglich zurechtzukommen.“
Sie spüren weniger Druck, wenn Sie sich Ihren Versagensängsten stellen und diese
annehmen. Verdrängen und überspielen Sie Ihre Ängste nicht mithilfe von Alkohol
oder Beruhigungsmitteln. Wenn Sie gedanklich ein wenig anders mit Ihren
Versagensängsten umgehen können, verhalten Sie sich schon erfolgreicher und
gelassener.
Es ist keine Schande, sich vor dem Versagen zu fürchten. Tanken Sie stattdessen
Kraft für Ihren Erfolg aus Ihrer Angst vor Schwäche und Misserfolg. Angst ist
nicht Ihr Schicksal. Sie ist Ihre Chance, Ihr Leben zu verändern. Die Angst
motiviert Sie dazu, Ihre Befürchtungen abzuwehren und Ihre Träume zu
verwirklichen.
Tolerieren Sie Ihre Fehler
Was bedeutet es für Sie, Fehler zu machen? Oft haben wir nicht mit den Fehlern an sich unser Problem, sondern mit unserer Einstellung dazu. Selbstbewusste und erfolgreiche Menschen stehen zu ihren Fehlern und lernen daraus. Selbstunsichere und erfolglose Personen machen aus jedem kleinen Fehler ein Drama. Sie kritisieren sich selbst am schärfsten und denken nur an ihre Fehler statt an ihre Erfolge.
Auffassungen wie „Gewinner geben niemals auf, Verlierer gewinnen nie“,
„Misserfolge müssen um jeden Preis vermieden werden“, „Jeder ist an seinem
Scheitern selbst schuld“ verstärken unsere Angst vor dem Versagen. Wir müssen
unsere Sichtweisen ändern, wenn wir der Realität gerecht werden wollen. Unsere
Stärken zeigen sich nicht nur durch Erfolg und Sieg, sondern auch in der Art und
Weise, wie wir Misserfolge und Niederlagen bewältigen, die jeder von uns in
seinem Leben kennen lernt. Wenn wir mit Fehlern nicht umgehen können, werden wir
uns vor dem Versagen zu Recht fürchten.
Betrachten Sie Fehler als Ihre Chance, sich weiterzuentwickeln. Untersuchen Sie
Ihre Misserfolge, statt sie auszublenden. „Übung macht den Meister“, heißt ein
Sprichwort. Aus Fehlern werden wir klug. Wenn Sie mögliche Fehler leichter
tolerieren können, müssen Sie erledigte Aufgaben nicht mehr perfektionistisch
kontrollieren. Sie gewinnen dadurch Zeit für andere Dinge.
Sie verdienen am meisten Applaus, wenn Sie Ihren Auftritt trotz eines Fehlers
fortsetzen, anstatt ihn abzubrechen. Verhalten Sie sich wie ein Slalomfahrer,
der ein Tor ausgelassen hat: Er steigt zurück und fährt weiter, statt verärgert
die Schistöcke in den Schnee zu werfen. Das Publikum verzeiht Ihnen einen Fehler
am ehesten dann, wenn Sie sich diesen selbst eingestehen und verzeihen können.
Betonen Sie nicht ständig, wie verärgert Sie darüber sind. Rasten Sie nicht aus.
Sagen Sie sich lieber: „Kleine Fehler machen mich menschlich und sympathisch.
Sie zeigen, dass ich noch dazulernen kann. Mit kleinen Fehlern bleibe ich am
Boden der Realität. Sie fördern meine Bescheidenheit und bewahren mich vor
Größenwahn.“
Akzeptieren Sie Ihre Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts von Fehlern nur
schweren Herzens? Sie können nicht mehr verhindern, was bereits passiert ist.
Sie können nur noch das Beste daraus machen. Bringen Sie Ihren Auftritt zu einem
guten Abschluss. Hoffen Sie darauf, dass andere Menschen Sie gerade wegen Ihres
Fehlers sympathisch finden.
Konzentrieren Sie sich nicht zu sehr auf einen Fehler, wenn er einmal passiert
ist. Die Zuschauer oder Zuhörer merken einen Fehler häufig erst dann, wenn Sie
Ihre Verunsicherung zu stark zeigen. Machen Sie einfach weiter. Sie verlieren
Ihre Konzentration, wenn Sie nach rückwärts schauen. Wenn Sie einen begangenen
Fehler akzeptieren, können Sie ihn hinter sich lassen. Sie brauchen nicht
ständig verärgert darüber nachzudenken. Sie können dann gedanklich voll bei
Ihrer momentanen Tätigkeit sein.
Quälen Sie sich nicht allzu lange mit begangenen Fehlern. Nutzen Sie die nächste
Gelegenheit, es besser zu machen. Halten Sie sich nicht sofort für einen
Versager, wenn es einmal nicht so gut läuft. Wenn Sie erste Fehler tragisch
bewerten, machen Sie sich selbst nervös. Sie bemühen sich umso mehr, aus innerer
Anspannung und Angst passieren Ihnen dann aber erst recht Fehler. Dieser
Teufelskreis einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung hält Sie in Ihrer
Versagensangst gefangen.
Denken Sie daran: Nicht Ihre Stärken, sondern Ihre kleinen Schwächen machen Sie
liebenswert. Ecken und Kanten machen Sie zur einmaligen Persönlichkeit. Schauen
Sie sich um: Prominente Menschen wie Schauspieler, Sänger und TV-Stars finden
wir sympathisch trotz oder wegen ihrer kleinen Macken.
Freuen Sie sich über sachliche Kritik – sie kann Ihnen hilfreiche Informationen
liefern. Andere Menschen geben Ihnen damit die Chance, noch besser zu werden.
Bedanken Sie sich für gut gemeinte Kritik. Ärgern Sie sich nicht darüber. Gehen
Sie auf Ihre Kritiker offen zu, anstatt sich Ihnen gegenüber defensiv zu
rechtfertigen. Gehen Sie ihnen auch nicht aus dem Weg, weil Sie sich
schuldbewusst fühlen. Wenn Sie sich immerfort rechtfertigen und verteidigen,
begeben Sie sich in eine unterlegene Position – egal wie wortgewandt Sie
auftreten.
Fazit: Akzeptieren Sie Ihre kleinen Fehler und Leistungsschwächen – zumindest
wenn diese bei schwierigen Aufgaben leicht passieren können. Dann kann keine
Kritik Sie mehr durcheinander bringen. Wenn Sie sich selbst akzeptieren, sind
Sie immun gegenüber Kritik vonseiten anderer Menschen.
Motivieren Sie sich durch kluge Sprüche über Fehler und Misserfolge:
·
„Wenn wir keine Fehler machen, heißt
das, dass wir nicht genug neue Dinge ausprobieren.“ (Phil Knight)
·
„Ein Mensch, der keine Fehler macht,
macht im Allgemeinen nichts.“
(Edward John
Phelps)
·
„Wer Erfolg haben will, darf keine
Angst haben, Fehler zu machen.“ (Frank Tyger)
·
„Misserfolg ist die Chance, es beim
nächsten Mal besser zu machen.“ (Henry Ford)
·
"Suche nicht nach Fehlern,
suche nach Lösungen."
(Henry
Ford)
·
„Erfolg ist die Fähigkeit,
von einem Misserfolg zum anderen zu gehen.“ (Winston Churchill)
·
"Es ist von großem
Vorteil, die Fehler, aus denen man lernen kann, recht früh zu machen."
(Winston
Churchill)
·
"Erfahrungen
sammeln heißt Fehler begehen."
(H.
G. Wells)
·
„Nicht unsere Tugenden, sondern unsere
Fehler machen uns zu Menschen.“ (August Strindberg)
·
"Die großen
Tugenden
machen einen Menschen bewundernswert, die kleinen Fehler machen ihn
liebenswert."
(Pearl
S. Buck)
·
„Wenn du zu wenig Erfolg
hast, erhöhe die Geschwindigkeit, mit der du Fehler machst.“
(Thomas Alva Edison)
·
"Fehler vermeidet man,
indem man
Erfahrung
sammelt. Erfahrung sammelt man, indem man Fehler macht."
(Laurence
J. Peter)
·
"Die schlimmsten Fehler
macht man in der
Absicht,
einen Fehler gutzumachen."
(Jean
Paul)
·
„Der Mensch, der nie einen Fehler
gemacht, der hat es im Leben nicht weit gebracht.“ (Unbekannt)
Ertragen Sie Ihre Fehler mit Humor
Verlieren Sie nach einem Fehler schnell Ihre Freude an einer Tätigkeit? Ärgern Sie sich über Kleinigkeiten, die schief gehen? Erfreuen Sie sich kaum an Ihren vielen gelungenen Arbeiten? Dann könnten Sie ein Buch schreiben mit dem Titel „Anleitung zum Unglücklichsein“.
„Vergiss die Freude nicht!“ Gestalten Sie Ihren privaten und beruflichen Alltag nach diesem Prinzip. Wenn Sie an etwas Freude haben, muss Ihre Leistung nicht perfekt hinhauen. Freuen Sie sich an Ihrem momentanen Tun. Denken Sie nicht immer nur an das Ergebnis. Spaß und Freude erleichtern Ihnen jede Tätigkeit. Damit gehen Sie nicht mehr alles so verbissen an.
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – auch wenn man Fehler gemacht hat. Gehen
Sie mit sich selbst humorvoller um. Sie werden dann Ihre Fehler nicht mehr so
tragisch nehmen. Während Angst Ihre Motivation vermindert, werden Sie sich mit
positiven Eindrücken gleich energiegeladener fühlen.
Können Sie sich an etwas freuen, auch wenn Sie es nicht perfekt erledigt haben?
Können Sie etwas genießen, ohne es auf seinen Wert und seine Nützlichkeit zu
prüfen? Können Sie abschalten, wenn Sie eine Aufgabe noch nicht perfekt erledigt
haben? Wenn Sie auf Perfektionismus verzichten, können Sie leichter Abstand
nehmen von Menschen, Dingen und Tätigkeiten. Sie werden lockerer, und das macht
auch kreativ.
Können Sie über kleine Fehler und Alltagsprobleme lachen? Herzhaftes Lachen
stärkt Ihr Immunsystem. Lachen setzt Glückshormone frei und lindert Angst,
Traurigkeit und Schmerzen. Lächeln Sie ein wenig, wenn Ihnen ein Missgeschick
passiert. Mit einem solchen Lächeln können Sie sich entspannen. Wohlgemerkt:
Lachen Sie über Ihre kleinen Fehler in erfrischender Weise. Machen Sie sich
nicht vor anderen lächerlich. Werden Sie auch nicht zynisch. Wenn Sie über sich
selbst lachen können, spricht daraus Ihr Selbstbewusstsein. Das macht Sie
ziemlich unverwundbar selbst bei Misserfolgen. Lächeln Sie auch öffentlich. Das
ist besser, als das Gesicht aus Ärger über eine kleine Panne zu verzerren.
Widerstehen Sie jedem Perfektionismus
Möchten Sie jeder Kritik durch
Perfektion zuvorkommen? Perfektionisten denken hauptsächlich an Ihren möglichen
Misserfolg. Sie wollen auf keinen Fall versagen und sind von diesem Bemühen wie
besessen. Sie haben ausschließlich ihre Fehler, Probleme und Unzulänglichkeiten
im Kopf. Dabei vergessen sie ganz auf ihre Fähigkeiten. Sie übersehen, dass sie
ihr Können ausbauen und durch Fehler dazulernen können.
Verlassen Sie diese Tretmühle des Perfektionismus. Sie erlaubt Ihnen keinen
Fehler und kein Mittelmaß. Wenn Sie sich zur Perfektion zwingen wollen,
blockieren Sie Ihre Kreativität, weil Sie jeden Ihrer Schritte sofort kritisch
bewerten.
Es gilt das Motto: „Wer zu viel will, erreicht gar nichts.“ Warum? Mit
Perfektionismus stehen wir uns selbst im Weg. Wir wollen Misserfolge unbedingt
vermeiden. Also lassen wir eine Tätigkeit gänzlich bleiben, um nur ja nichts
falsch zu machen. Nur so glauben wir, unser schwaches Selbstwertgefühl vor
drohender Kritik schützen zu können. Trotz unserer tollen Ziele und Pläne denken
wir viel zu oft an einen möglichen Misserfolg und wie wir ihn vermeiden können.
Mit diesen Gedanken erschweren wir uns selbst einen möglichen Fortschritt. Das
Ergebnis: Sie sind in der Misserfolgsfalle gefangen. Ersetzen Sie diese
Negativspirale des Misserfolgs durch eine Positivspirale des Erfolgs: Machen Sie
Ihre hohen Ziele Schritt für Schritt wahr, ohne dabei mögliche Fehler zu
dramatisieren.
Schieben Sie nicht alles auf!
Schieben Sie wichtige
Erledigungen gern immer weiter hinaus? Damit untergraben Sie Ihr
Selbstvertrauen. Sie machen durch Ihr Vermeidungsverhalten keine aufbauenden
Erfahrungen. Andere Menschen halten Sie schnell für unzuverlässig. Bedenken Sie:
Wenn Sie aus Angst vor Kritik oder Versagen etwas nicht tun, verzichten Sie auf
Ihre Chance, aus Fehlern zu lernen und Ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Mit vermeintlichen guten Gründen und immer wieder neuen Ausreden für das
Aufschieben wichtiger Erledigungen betrügen Sie sich ständig selbst. Viele
Menschen träumen davon, zum richtigen Zeitpunkt groß herauszukommen. Sie möchten
sich daher nicht mit einer voreiligen Aktion schaden. Das mag gut gemeint sein,
ist aber nicht zielführend. Gute Vorsätze allein sind zu wenig, wenn schon
längst Handeln angesagt wäre. Machen Sie lieber den ersten Schritt, um Ihr Ziel
zu erreichen. Wenn Sie nicht versagen, nur weil Sie sich einer Herausforderung
nicht stellen, ist das noch kein Erfolg.
Begehen Sie bewusst einen kleinen Fehler
Gehen Sie nur schwer das Risiko
eines kleinen Fehlers ein? Werden Sie „fehlerfreundlich“. Zeigen Sie Mut zur
Schwäche. Überwinden Sie Ihre Angst vor einer Blamage, indem Sie bereit sind für
einen kleinen Fehler. Wenn Sie absichtlich einen Fehler begehen, werden Sie
mögliche Kritik nicht mehr fürchten. Sie haben diese schließlich bewusst
herbeigeführt. Lassen Sie sich überraschen: Oft kritisiert Sie gar niemand. So
können Sie erkennen, dass Sie sich zu wichtig nehmen. Ein Spruch lautet: „Einen
Fehler zu machen ist bitter. Bitterer ist die Erkenntnis, wie unwichtig wir
sind, wenn es niemandem auffällt.“
Sie möchten auf keinen Fall kritisiert und abgelehnt werden? Lautet Ihr Motto:
„Nur nicht unangenehm auffallen“? Dem können Sie entgegensteuern, indem Sie bei
einer Probe oder einem unwichtigen Anlass bewusst kleine Fehler riskieren. Damit
lernen Sie Ihre Angst vor Kritik besser zu ertragen. Wenn Sie dies in der
Realität noch nicht ausprobieren möchten, spielen Sie derartige Situationen in
Ihrer Fantasie durch. Machen Sie sich realistische Bilder von einer derartigen
Szene, um sich daran zu gewöhnen.
Sie machen sich stark, wenn Sie Ihre Schwächen offen eingestehen. Sie brauchen
sich wegen Ihrer Fehleranfälligkeit nicht zu schämen. Sie können viel
entspannter lernen und arbeiten, wenn Ihre Angst vor Fehlern schwindet. Ohne
eine gewisse Fehlertoleranz können Sie gar nicht kreativ denken oder arbeiten.
Ihr Selbstvertrauen wächst mit jedem Erfolg, trotz möglicher Fehler. Sie müssen
nicht immer super erfolgreich sein, um sich selbst als tüchtig zu erleben.
Lernen Sie für eine Prüfung einmal nur so viel, dass Sie mit hoher
Wahrscheinlichkeit gerade noch durchkommen. Widerstehen Sie dem Bedürfnis,
Misserfolge durch möglichst gute Noten wettzumachen. Überzeugen Sie sich selbst,
dass Sie die geforderte Leistung erbringen können. Sie müssen jedoch nicht
ständig beweisen, dass Sie dies in bestmöglicher Manier schaffen.
Bewältigen Sie Ihr tatsächliches Scheitern erfolgreich
Sind Sie deprimiert von einer
folgenschweren Niederlage? Müssen Sie mit einem Absturz im Beruf fertig werden?
Eine ökonomische Katastrophe bewältigen? Ist Ihre Partnerschaft zerbrochen? Ein
solches weit reichendes Scheitern ist viel mehr als ein kleines Missgeschick.
Negative Ereignisse im Beruf, Verletzungen in einer Beziehung oder Probleme bei
der Kindererziehung lassen sich nicht mit positiven Sprüchen wegwischen. Wenn
der größte Lebenstraum oder ein finanzielles Projekt zerplatzt, trösten uns kaum
Sprüche wie „Nach jedem Regen folgt wieder Sonnenschein.“ Wir fühlen uns in
unserem Leid nicht ernst genommen, wenn uns jemand empfiehlt: „Sehen Sie das
Gute im Schlechten.“ Wir werden zu Recht wütend, wenn uns jemand den Rat gibt:
„Fragen Sie sich, welchen Aufbruch Ihr Zusammenbruch ermöglicht.“ Das gilt
zumindest solange, als wir uns nicht wirklich neu orientiert haben.
Immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft fürchten sich davor, tatsächlich zum Verlierer zu werden. Viele derart ängstliche Menschen stammen aus der Mittelschicht, die bisher von einer stabilen Wirtschaftsentwicklung profitierte. Sie fühlen sich zunehmend um die Chancen Ihres Lebens betrogen.
Kennen Sie den Ausdruck „Midlife Crisis“? Er bezeichnet eine Krise in der Lebensmitte. Wir haben in diesem Fall den Eindruck, dass wir in unserem bisherigen Leben nicht erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben. Wir glauben nicht mehr daran, dass wir dies noch erreichen können. Wir sehen rundherum verpasste Gelegenheiten und beruflichen Stillstand. Wir beobachten kritisch, wie wir älter werden und unsere körperlichen und geistigen Leistungen abnehmen. Unser verändertes Aussehen macht uns zu schaffen. Alle diese Entwicklungen zusammen geben uns das Gefühl, nicht mehr gut genug zu sein. Sind Sie schon in einem Alter, in dem Sie derartige Gedanken wälzen können?
Verfolgen Sie unrealistische Ziele gern immer weiter und weiter? Gestehen Sie sich ein: Manch eines Ihrer Vorhaben ist bereits sinnlos geworden, es verbraucht nur mehr Ihre Kräfte. Sehen Sie Ihr Scheitern ein, auch wenn es dabei um einen zentralen Punkt Ihres Lebens geht. Verharmlosen Sie nicht, dass Sie Schiffbruch erlitten haben. Es zeigt Ihre wahre Größe, wenn Sie ein verlustreiches Projekt vorzeitig abbrechen oder eine leidvolle Partnerschaft beenden. Ein „Ende mit Schrecken“ ist besser als „ein Schrecken ohne Ende“. Dies ist kein Zeichen von Schwäche. Halten Sie nicht nur aus Prinzip durch, weil Sie Angst haben, Ihr Gesicht zu verlieren. Häufig stehen Ihr Aufwand und die Ergebnisse in keinem angemessenen Verhältnis zueinander. Verbissen durchzuhalten, ist falsch verstandene Treue zu sich selbst oder zu anderen Menschen. Lassen Sie sich nicht auf überholte Vorstellungen von Ausdauer und Beharrlichkeit ein.
Geben Sie geliebte Dinge auf, sobald ihnen diese zur Last geworden sind. Gestehen Sie es sich ruhig ein: „Ich habe einen Fehler begangen, ich habe mich in dieser Sache geirrt.“ Lösen Sie sich von unerreichbaren Zielen. Erst dann können Sie sich wirklich neu orientieren. Lassen Sie wichtige, aber aussichtslose Lebensinhalte los und trauern Sie darum so intensiv, wie es Ihnen nötig scheint. Ohne Trauerarbeit verfallen Sie leicht in eine lähmende Depression. Zeigen Sie Stärke, indem Sie Ihre Perspektiven auch einmal ändern, wenn es notwendig ist.
Fazit: Scheitern ist nur dann eine Chance für einen guten Neuanfang, wenn Sie
sich Ihr Scheitern auch eingestehen. Sie sind als Mensch mehr als die Summe
Ihrer zusammengebrochenen Lebensprojekte. Konfuzius hat es treffend zum Ausdruck
gebracht: „Ein Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: Erstens: Durch
Nachdenken – das ist der edelste. Zweitens: Durch Nachahmen – das ist der
leichteste. Drittens: Durch Erfahrung – das ist der bitterste.“
Stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl – das ist der Schlüssel zu jedem Erfolg
„Ich bin, was ich bin, und das
ist alles, was ich bin.“
Comicfigur Popeye
Vertrauen Sie bei einer
Herausforderung auf sich und Ihr Können. Machen Sie sich Ihre Stärken und
Fähigkeiten bewusst. Halten Sie sich nicht für unfähig und minderwertig.
Erkennen Sie den Wert Ihrer Person. Sie werden so unabhängig von Lob und
Anerkennung anderer Menschen. Sie sind dann frei, zu tun und zu lassen, was
Ihnen beliebt.
Möchten Sie selbstbewusster
durch Ihr Leben gehen? Genau genommen, dienen die meisten Schritte in diesem
Ratgeber nichts anderem als der Stärkung Ihres Selbstwertgefühls. Der
amerikanische Psychologe Branden hat sechs Säulen des Selbstwertgefühls
beschrieben. Diese fließen in folgende Empfehlungen ein:
·
Leben Sie bewusst. Besinnen Sie sich
auf sich selbst. Machen Sie sich Ihre Ziele und Werte bewusst. Leben Sie aus der
Kraft Ihrer Überzeugungen. Denken Sie an Ihre grundsätzlichen Rechte, auch wenn
es Ihnen in zwischenmenschlichen Begegnungen schwer fallen mag, sie
einzufordern.
·
Nehmen Sie sich selbst an. Schätzen
Sie sich selbst und gehen Sie mit sich selbst respektvoll um. Stehen Sie zu dem,
was Sie denken, fühlen und tun. Entwickeln Sie mehr Mitgefühl mit sich selbst.
Verhalten Sie sich zu sich selbst wie zu einem guten Freund. Sich selbst
akzeptieren heißt nicht, alles an sich zu mögen. Akzeptieren Sie sich, indem Sie
Ihre momentane Wirklichkeit wahrnehmen und respektieren.
·
Übernehmen Sie die Verantwortung für
Ihr Leben und Ihr Wohlbefinden. Denken Sie nicht immer nur an andere, sondern
auch an sich selbst. Niemand wird sich so für Sie einsetzen, wie Sie selbst.
·
Behaupten Sie sich in selbstsicherer
Weise. Vertreten Sie Ihre Position gegenüber anderen Menschen. Die Freiheit
anderer Menschen endet dort, wo andere Ihre Rechte beschneiden. Verwirklichen
Sie Ihre Ziele, Wünsche und Interessen. Deswegen brauchen Sie nicht die Rechte
anderer Menschen zu schmälern. Sagen Sie Nein, wenn andere Menschen Ihnen
unangemessene Forderungen stellen. Sagen Sie stattdessen Ja zu allem, was Sie
selbst wichtig finden. Treten Sie mehr für sich selbst auf!
·
Leben Sie für Ihre Ziele. Nutzen Sie
Ihre Fähigkeiten, um Ihre Ziele Schritt für Schritt zu erreichen. Zeigen Sie
Ihre Kompetenz, indem Sie umsetzen, was Ihnen vor Augen schwebt. Machen Sie sich
dazu einen konkreten Plan.
·
Achten Sie auf Ihre persönliche
Integrität. Leben Sie in Übereinstimmung zwischen Ihren Worten und Ihrem
Verhalten. Sie machen sich stark und selbstbewusst, wenn Sie treu zu Ihren
Werten und Idealen stehen.
Schätzen Sie sich – statt sich zu kritisieren
Kritisieren Sie sich gern? Loben Sie sich nur selten? Dann lassen Sie sich von folgender Übung herausfordern. Stellen Sie sich vor einen Spiegel und sagen Sie Ihrem Spiegelbild: „Ich nehme mich an“, „Ich darf so sein, wie ich bin.“ Akzeptieren Sie sich – unabhängig davon, was Sie sind und was nicht. Lassen Sie beiseite, was Sie können und was nicht. Nehmen Sie sich bedingungslos an. Deswegen müssen Sie Ihre Schwächen und Mängel ja nicht auf Dauer hinnehmen. Diese Einstellung gibt Ihnen die Kraft, sich später ändern zu können.
Halten Sie sich Ihre Stärken und Fähigkeiten vor Augen, wenn Sie vor einer
Herausforderung stehen. Schreiben Sie detailliert auf, was Sie bereits gut
können. Notieren Sie Ihre Argumente, warum Sie bei dieser Aufgabe gute
Erfolgsaussichten sehen. Lesen Sie sich Ihre positive Selbstdarstellung immer
wieder durch, vor allem wenn Sie sich gerade wieder übermäßig kritisieren.
Schließen Sie Freundschaft mit sich selbst
Sind Sie eher unversöhnt mit
sich selbst und Ihrer Lebensgeschichte? Schließen Sie Frieden mit den weniger
geliebten Anteilen Ihrer Person, dann können Sie Ihre positiven Seiten leichter
weiterentwickeln. Denken Sie über sich wohlwollender und weniger kritisch.
Lassen Sie Ihren inneren Kritiker nicht das Wort führen, er ist mit nichts
zufrieden („Da hast du wieder einen dummen Fehler gemacht“). Geben Sie Ihrem
inneren Perfektionisten keine Chance, er weist auf das winzigste Fehlerrisiko
hin („Du bist noch nicht gut genug für diesen Auftritt“). Lassen Sie auch nicht
Ihren inneren Zweifler den Ton angeben, er stellt nur alles in Frage („Ist das
nicht zu schwer für dich?“). Aktivieren Sie stattdessen Ihre positiven
Lebenserfahrungen, Ihre bisherigen Erfolge und Ihre Wertschätzung sich selbst
gegenüber. Sagen Sie sich etwa: „Ich bin im sportlichen Bereich schon ein wenig
besser“ statt: „Ich bin ein völlig unsportlicher Typ.“
Gehen Sie weder selbstironisch noch zynisch oder sarkastisch mit sich um. Damit
schaden Sie sich nur selbst. Mit Aussagen wie „Das ist wieder typisch für mich“
oder „Irgendeinen Fehler mache ich bestimmt“ bleiben Sie im negativen Kern
stecken. Sie sehen dann schwer einen Ausweg aus dem Dilemma. Selbstkritik kann
Ihre persönliche Entwicklung fördern; sie sollte Sie aber weder lähmen noch
demotivieren.
Kritisieren Sie sich nicht ständig nach dem Motto: „Wer sich erniedrigt, wird
erhöht werden.“ Sie versuchen doch nur, sich selbst zu entwerten, um andere zu
entwaffnen und fremder Kritik zuvorzukommen. Entschuldigen Sie sich für
vermeintlich schlechte Leistungen? Wollen Sie so Ihre Schuldgefühle mildern, die
Sie sich wegen Ihres unerreichbaren Perfektionismus machen? Mit Aussagen wie
„Ich habe schon besser gespielt, heute war ich nicht wirklich gut“ entwerten Sie
jedes Lob. Sie verärgern andere Menschen damit im Lauf der Zeit. Sie zeigen so,
dass Sie eine Anerkennung nicht annehmen können.
Mit Selbstkritik werden Sie anfällig für Fremdkritik
Sind Sie sich selbst Ihr
schärfster Kritiker? Dies macht Sie erst recht empfänglich für Kritik vonseiten
Ihrer Mitmenschen. Vergleichen Sie sich nicht ständig mit anderen Menschen. Ihr
eigener Wertmaßstab sind doch vielmehr Ihre Ziele und Möglichkeiten. Was ist
Ihnen wichtig, unabhängig davon, was andere Menschen von Ihnen denken? Mögen Sie
sich selbst auch dann, wenn Sie von anderen Menschen Kritik und Anlehnung
erfahren?
Wenn Sie immer an die Konkurrenten, Mitbewerber und Kollegen denken, übernehmen Sie allzu leicht deren Leitlinien und Verhaltensweisen. Sie fühlen sich schnell neidisch oder minderwertig. Menschen mit einer sozialen Phobie fürchten sich vor dem kritischen Urteil ihrer Mitmenschen. Erkennen und bearbeiten Sie Ihre zentralen Beurteilungsmaßstäbe, um eine Sozialphobie zu vermeiden bzw. zu überwinden. Wer gibt die Kriterien vor, was richtig, gut, normal, fähig, erfolgreich ist? Wie sehr decken sich Ihre eigenen Beurteilungskriterien mit denen der Menschen rund um Sie? Übernehmen Sie gesellschaftliche Werte und Normen unkritisch und unüberlegt? Schreiben Sie auf, was Sie selbst über ein bestimmtes Verhalten denken und wie andere Menschen Ihrer Meinung nach dazu stehen. Sind Sie überrascht, wie sehr sich Ihre Selbstkritik mit der vermuteten Fremdkritik gleicht?
Wir grenzen uns oft ungern von anderen ab. Anders zu sein als die anderen, uns
von ihnen abzuheben – das empfinden wir als bedrohlich. Wenn wir uns an unsere
Mitmenschen anpassen, ihre Auffassungen teilen, dann haben wir das Gefühl
dazuzugehören. Dafür bezahlen wir jedoch einen hohen Preis: Wir geben zugunsten
anderer unsere eigene Identität auf. Sagen Sie sich lieber bewusst: „Ich bin in
diesem Punkt anders als meine Mitmenschen und möchte bewusst anders bleiben.
Darin bin ich eben einmalig.“ Der Dichter Christian
Morgenstern hat dies so formuliert: „Wer sich selbst treu bleiben will, kann
nicht immer anderen treu bleiben.“
Selbstbewusstsein bedeutet nicht, dass Sie sich selbst als der Größte vorkommen.
Damit hätten Sie positives Denken falsch verstanden. Sie müssen sich auch nicht
überall durchsetzen. Das wäre eine übertriebene Form der Selbstbehauptung.
Menschen mit Selbstbewusstsein sind sich ihrer selbst bewusst. Sie kennen ihre
Fähigkeiten ebenso wie ihre Schwächen. Wenn Sie Ihre Wünsche, Ihre Bedürfnisse
und Ihre momentane Leistungsfähigkeit wahrnehmen und akzeptieren, schaffen Sie
sich damit eine ideale Basis für ein gesundes Selbstwertgefühl. Damit steuern
Sie Überforderung und Burn-out bestmöglich entgegen.
Machen Sie sich angesichts Ihrer Versagensängste bewusst, was Sie wert sind,
unabhängig von einer bestimmten Leistung. Wenn Sie es schaffen, sich vom
Erfolgsdruck zu entlasten, kann Ihnen die geforderte Leistung gelingen – eben
weil Sie diese nicht verbissen anstreben. Hier steckt das Geheimnis: Lassen Sie
sich nicht auf die Gleichung „leistungsfähig sein = wertvoll sein“ reduzieren.
Sie brauchen keine Angst vor dem Versagen zu haben, wenn Sie sich eingestehen, dass Sie bestimmte Dinge eben nicht können. Nicht alle von uns sind hervorragende Tänzer oder Schiläuferinnen, begnadete Autofahrer oder hinreißende Rednerinnen. Vielleicht wollen Sie vieles auch gar nicht lernen. Stehen Sie dazu – oder betrachten Sie sich als Lernwilligen, der sich im Anfangsstadium nicht vor Kritik zu fürchten brauchen. Jeder hat alles irgendwann zum ersten Mal gemacht und war nicht von Anfang an gut darin.
Halten Sie sich bei einer neuen Herausforderung vor Augen: Sie sind fachlich gut, auch wenn Sie sich momentan körperlich und seelisch angespannt fühlen. Es gibt keinen Grund dafür, sich vor dem Publikum zu fürchten. Unterstützen Sie sich, indem Sie sich sagen: „Ich weiß, dass ich fachlich gut bin. Ich wirke nur äußerlich unsicher und nervös.“
Lernen Sie, sich mehr wertzuschätzen und orientieren Sie sich am so genannten ressourcenorientierten Modell. Diesem Modell zufolge tragen Sie mehr Möglichkeiten zur Entwicklung in sich, als Sie glauben. Überlegen Sie sich: Welche Fähigkeiten haben Sie? Woran können Sie anknüpfen? Was läuft trotz allem gut? Was macht den Wert Ihrer Person aus?
Geben Sie das Defizitmodell auf. Hören Sie auf, sich ständig mit Ihren negativen Seiten zu beschäftigen und abzuwerten. Denken Sie nicht länger: Welche Fehler, Schwächen, Mängel und Defizite habe ich?
Fazit: Wenn Sie sich selbst nicht mehr für minderwertig halten, werden Sie nicht
mehr fürchten, dass andere Menschen Sie für minderwertig halten. Wenn Sie sich
selbst liebenswert finden, ängstigen Sie sich nicht davor, dass andere Sie
ablehnen.
Aktive Gestaltung statt Opferrolle – handeln statt jammern
"Nicht, weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht,
sondern weil wir sie nicht wagen, sind die Dinge schwierig.“
Seneca
Betrachten Sie sich nicht immer
als das arme Opfer ungünstiger Umstände oder einer schlechten Kindheit. Nutzen
Sie Ihre Chancen. Nehmen Sie Ihr Leben aktiv in die Hand. Gestalten Sie Ihre
Zukunft. Gehen Sie Ihre Aufgaben aktiv an und handeln Sie gezielt. Verfallen Sie
bei einer Herausforderung nicht in das Verhalten Ihrer Kinderzeit mit seinen
unangenehmen Erfahrungen. Halten Sie sich lieber Ihre Möglichkeiten als
erwachsener Mensch bewusst vor Augen.
Werden Sie vom Opfer zum Gestalter
Schieben Sie die Schuld für Ihre Mängel und Fehler gern Menschen Ihrer Kindheit und Jugend in die Schuhe? Wann können Sie aufhören, sich angesichts Ihrer Lebensgeschichte selbst dauernd zu bemitleiden? Suchen Sie nicht nach Sündenböcken für Ihre Versagensängste, weder in Ihren Eltern noch in Ihren Lehrkräften. Diese Menschen erhalten durch Ihre Schuldzuweisungen erst recht Macht über Ihr gegenwärtiges Leben. Wenn Sie die Ursachen für ein aktuelles Problem erkennen, ändern Sie Ihr Denken und Ihr Verhalten. Verwirklichen Sie Ihre Ziele, statt ständig Ausreden dafür zu erfinden, wer an Ihrem Versagen schuld sein könnte.
Sie selbst sind für Ihr Leben, für
Ihre Schwächen und für Ihre Misserfolge verantwortlich. Stehen Sie dazu. Machen
Sie das Beste aus Ihrem Leben, ohne andere schuldig zu sprechen und sich selbst
billig zu entlasten. Wenn Sie sich immer nur als Opfer erleben, verzichten Sie
auf Einfluss und Kontrolle. Wenn Sie ständig jammern, sich bemitleiden und
andere anklagen, werden Sie sich immer hilfloser fühlen.
Betrauern Sie durchaus, was Sie durch die Umstände Ihres Lebens versäumt haben.
Heute sind Sie erwachsen und haben Möglichkeiten, die Ihnen als ohnmächtiges
Kind nicht offen standen. Nutzen Sie Ihre heutigen Chancen. Verlassen Sie den
Käfig der Vergangenheit. Er hält Sie in Ihren alten Mustern gefangen. Treten Sie
hinaus in die Freiheit der Gegenwart. Heute können Sie anders handeln als
früher. Es ist nie zu spät. Sie können jederzeit damit anfangen, etwas zu
ändern. Wenn Sie sich jedoch nur damit beschäftigen, warum Sie nichts tun
können, werden Sie stagnieren.
Es ist entscheidend, wie Sie die Aufgaben Ihres Alltags erleben: Glauben Sie,
dass Sie eine gewisse Kontrolle über die Situation haben? Oder befürchten Sie,
dass Sie den Gegebenheiten ausgeliefert sind? Wir betrachten uns gerne als Opfer
der Umstände, etwa bei Prüfungen oder Auftritten vor Publikum. Wir geraten so
leicht in eine passive Opfer-Haltung. In einer aktiven Rolle hingegen gestalten
wir unser Leben und nehmen es in die Hand. Dann machen wir aus einer Situation
das Beste. In der Opfer-Rolle haben wir das Gefühl, dass etwas mit uns passiert,
auf das wir keinen Einfluss haben. Wir fühlen uns dem Urteil anderer Menschen
ausgeliefert.
In der Opfer-Rolle wird unser Fluchtreflex „Nichts wie weg!“ aktiviert. Dadurch
spannt sich unser Körper unangenehm an. Wir möchten am liebsten auf und davon
laufen, was meist nicht geht. Wir vergessen oft, dass wir frei wählen können, ob
wir bleiben oder fliehen. Bedenken Sie: Sie selbst entscheiden, ob Sie Ihren
Spielraum verändern oder als gegeben hinnehmen. Halten Sie sich vor Augen, dass
Sie auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten. Ob und wie schnell Sie Ihr Ziel
erreichen, hängt von Ihrem Einsatz ab. Gestalten Sie aktiv Ihren Weg zum Ziel.
Menschen, die sich lieber passiv verhalten und jede Herausforderung vermeiden,
unterschätzen ihre Möglichkeiten. Wenn Sie sich nicht vorwiegend als Opfer
erleben, können Sie eine momentan belastende Situation in Ihrem Sinne
beeinflussen.
Legen Sie die Opfer-Rolle ab und fangen Sie an, Ihr Leben selbst zu gestalten.
Lassen Sie sich in Leistungssituationen nicht vollständig von den Umständen und
anderen Personen bestimmen. Gestalten Sie die Situation selbst mit. Halten Sie
sich an das Motto: Agieren statt reagieren. Beeinflussen Sie selbst den Lauf der
Dinge, statt sich den Umständen hilflos ausgeliefert zu fühlen.
Träumen Sie gern davon, wie schön alles wäre, wenn die Umstände andere wären?
Das führt zu nichts. Beginnen Sie, das Nötige zu verändern, damit einiges anders
werden kann. Goethe hat dies schön formuliert: „Was immer du tun und erträumen
kannst, du kannst damit beginnen. In der Kühnheit wohnen Schöpferkraft, Stärke
und Zauber.“ Entwickeln Sie den Mut zu einem neuen Anfang. Führen Sie nicht
immer wieder die Vergangenheit und Ihren früheren Mitmenschen als Grund an,
warum Sie heute nichts tun können.
Leben Sie aus der Kraft Ihres jetzigen Alters
Kommen Sie sich in bestimmten
Situationen wieder wie ein Kind vor? Fühlen Sie sich dann wie damals, als Sie
der Kritik der Eltern und anderer Autoritäten ausgeliefert waren? Bei allen
möglichen Herausforderungen haben wir plötzlich unbewusst und ungewollt alte
Kindheitserinnerungen im Kopf. Wir denken daran, wie uns Eltern oder Lehrer
überfordert oder gedemütigt haben. Wir fühlen uns wieder genauso unterlegen und
ausgeliefert wie damals. Das blockiert uns heute, wo wir doch Höchstleistungen
erbringen wollen – weil wir gefühlsmäßig frühere Kränkungen, Enttäuschungen und
Erniedrigungen wieder erleben.
Beobachten Sie sich: Fühlen Sie sich
durch Ihre Empfindungen Ihren Vorgesetzten oder Prüfern gegenüber in Ihre
Kindheit zurückversetzt? Verhalten Sie sich gegenüber Autoritäten so wie
gegenüber früheren Bezugspersonen? Betrachten Sie die Menschen, mit denen Sie
jetzt zu tun haben, realistisch. Damit verhindern Sie Übertragungen aus der
Vergangenheit. Finden Sie heraus: Wodurch erinnern Sie Menschen, deren
Beurteilung Sie ausgesetzt sind, an Ihre Vergangenheit?
Identifizieren Sie die Programme, die
Sie in Kindheit und Jugend geprägt haben. Vergegenwärtigen Sie sich Ihre Wurzeln
in der Vergangenheit. Schleppen Sie diese Last jedoch nicht ständig mit sich
herum. Machen Sie sich bewusst, dass Sie mit Ihrer eigenen Tatkraft darüber
hinauswachsen können.
Leben Sie in der Gegenwart. Lassen Sie
vergangene Erfahrungen nicht Ihr momentanes Denken, Fühlen und Verhalten
bestimmen, als wären Sie gar nicht in der Gegenwart mit den aktuellen Chancen.
Sagen Sie sich vielmehr: „Ich bin jetzt 29 Jahre alt. Ich habe 10 Jahre
einschlägige Berufserfahrung. Ich weiß, dass ich die bevorstehende Aufgabe
bewältigen kann, weil ich oft ähnliche Situationen erfolgreich gemeistert habe.“
Vergegenwärtigen Sie sich Ihr
tatsächliches Alter und Ihre im Laufe der Jahre gesammelten Fähigkeiten. Was
finden Sie positiv an sich? Was läuft gut? Was schätzen andere an Ihnen? Was
können Sie jetzt, was Sie früher nicht konnten?
Fazit: Treten Sie im Bewusstsein Ihres
wirklichen Alters auf. Nutzen Sie Ihre Fähigkeiten als Erwachsener, ohne sich
von negativen Erinnerungen an die Kindheit irritieren zu lassen. Aktivieren Sie
alle Möglichkeiten Ihrer gegenwärtigen Persönlichkeit. Besinnen Sie sich auf
Ihre Stärken und Fertigkeiten und notieren Sie diese auf einem Blatt Papier.
Fragen Sie „Wozu“ – statt „Warum“
Grübeln Sie gern, warum etwas
so ist, wie es ist? Warum-Fragen helfen uns, etwas besser zu verstehen. Sie
orientieren sich am Problem und fragen nach der Ursache, nicht nach möglichen
Lösungen. Typische Fragen sind etwa: „Warum bin ich so geworden, wie ich bin?
Warum habe ich solche Versagensängste?“ Mit Wozu-Fragen halten Sie nach einem
Ziel Ausschau. Sie fragen nach möglichen Lösungen. Beide Arten von Fragen sind
wichtig. Wir gewichten sie jedoch unterschiedlich – übrigens auch in
Psychotherapien. Viele Menschen fragen in einer Psychotherapie mehr nach dem
Warum als nach dem Wozu und Wohin.
In welche Richtung neigen Sie eher: zu Warum- oder zu Wozu-Fragen? Suchen Sie
nach Ursachen oder nach Lösungen? Je mehr Sie bei Warum-Fragen hängen bleiben,
umso mehr drehen Sie sich im Kreis. Wenn Sie in die Zukunft vorausschauen
sollten, wenden Sie sich der Vergangenheit zu. Sie verfestigen dadurch Ihre
Opfer-Haltung: „Ich bin heute so, weil dies damals so war.“ Stellen Sie lieber
Wozu- und Wohin-Fragen. Richten Sie Ihren Blick auf Ihre Pläne und deren
Umsetzung. Wozu-Fragen motivieren Sie dazu, Lösungen für Probleme zu suchen; sie
ermutigen Sie, Ihr Leben zu gestalten. Mit interessanten Warum-Fragen können Sie
notwendigen Wozu-Fragen sicherlich gut ausweichen. Bedenken Sie aber: Was einmal
passiert ist, können Sie nicht mehr ändern. Sie haben jedoch die Chance, Ihre
Zukunft zu gestalten, wenn Sie in der Gegenwart die richtigen Fragen stellen.
Aufbauende Selbstgespräche – sich selbst ermutigen
„Wer mit sich selbst sprechen kann, wird das Gespräch mit dem anderen nicht
vermissen.“
Cicero
Reden Sie mit sich selbst so,
wie Sie möchten, dass andere mit Ihnen sprechen. Sprechen Sie nett und aufbauend
mit sich. Spornen Sie sich durch Ihre inneren Dialoge an, als wären Sie Ihr
eigener Trainer. Schreiben Sie auf, wie Sie vor, in und nach
Leistungssituationen denken und mit sich reden. Verändern Sie anschließend Ihre
Selbstgespräche so, dass diese Sie auf dem Weg zum Erfolg unterstützen statt
hemmen. Wenn Sie innerlich anders mit sich reden, werden Sie anders handeln.
Aufbauend mit sich selbst reden macht erfolgreich
Haben Sie schon einmal daran
gedacht, dass Sie sich selbst Ihr wichtigster Gesprächspartner sind? Niemand
redet täglich so viel mit Ihnen wie Sie selbst. Sie führen ständig bewusst und
unbewusst innere Dialoge. Sie geben sich selbst Anweisungen, was Sie tun und
lassen sollen. Selbstgespräche mildern Stress; sie helfen Ihnen, Ihre Gedanken
und Gefühle zu sortieren. Selbstgespräche halten Sie fit, Sie konzentrieren und
erinnern sich dadurch in optimaler Weise.
Menschen, die mit sich selbst reden, sind leistungsfähiger als jene, die dies
nicht tun. Fangen Sie bei schwierigen Aufgaben plötzlich halblaut mit sich zu
reden an? Ein Selbstgespräch hilft Ihnen, aufmerksamer mit schwierigen und neuen
Aufgaben umzugehen. Achten Sie darauf, wie Sie vor und in Leistungssituationen
mit sich reden. Programmieren Sie sich durch Ihren inneren Dialog auf den Erfolg
hin. Bei Versagensangst machen Sie sich durch negative Selbstinstruktionen
selbst herunter. Erkennen und ändern Sie Ihre Angst machenden Gedanken und
negativen Selbstgespräche.
Wenn wir aufgeben, resignieren wir zuerst gedanklich, bevor wir tatsächlich das
Handtuch werfen. Dies ist aus dem Sport bekannt: Die Selbstgespräche kippen
bereits in die negative Richtung, bevor jemand tatsächlich aufgibt. Bevor die
Kräfte nachlassen, sagt sich der Betroffene bereits: „Es hat keinen Sinn mehr,
ich schaffe das nicht.“ Psychologische Trainingsmethoden helfen, dass
Leistungssportler sich im Wettkampf mit positiven Selbstgesprächen selbst
ermutigen und damit besser durchhalten. Erfolgreiche Sportler sagen sich vor,
was ihnen hilft, ihre Leistungsmotivation aufrecht zu erhalten. Sie bleiben
gedanklich bei realistischen Zielen und Leistungen.
Die Bedeutung der Denkmuster und der inneren Selbstgespräche für das sichtbare
Handeln ist im jüdischen Talmud sehr schön dargelegt: „Achte auf deine Gedanken
– sie werden zu Worten. Achte auf deine Worte – sie werden zu Handlungen. Achte
auf deine Handlungen – sie werden zu Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten
– sie prägen deinen Charakter. Achte auf deinen Charakter – er wird dein
Schicksal.“
Gestalten Sie Ihre Selbstgespräche richtig
Reden Sie sich lieber einen
persönlichen Misserfolg ein als den Erfolg? Wir versuchen großen Stress sehr
gern „primitiver“ zu bewältigen: Wir fallen auf frühere negative Denkmuster
zurück. Daher müssen wir hilfreichere Einstellungen intensiv trainieren, bevor
sie aus unserem Unterbewussten heraus wirken können. Wir können mit jeder
positiven Selbstaussage unsere Selbstsicherheit aufbauen. Dagegen schwächt jede
ängstliche Selbstanweisung unsere Handlungsfähigkeit.
Verändern Sie Ihre Selbstgespräche! Führen Sie positive innere Monologe und
bauen Sie sich selbst auf für die jeweilige Herausforderung. Formulieren Sie
positiv – verlassen Sie Ihre negativen gedanklichen Trampelpfade. Statt „Das
schaffst du nie“ lautet Ihr Motto: „Ich versuche es auf jeden Fall. Ich habe die
Chance, es zu schaffen.“ Statt „Es wird bestimmt schief gehen“ motivieren Sie
sich mit: „Was auch passiert, ich werde damit zurechtkommen, weil ich alles
irgendwie geschafft habe.“ Statt „Wenn ich Angst bekomme, lenke ich mich ab“
sagen Sie sich: „Diese Angst kann ich ertragen.“
Positive Selbstinstruktionen sind unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt:
·
als „Affirmationen“
(Selbstbestärkungen),
·
als „formelhafte Vorsatzbildungen“ im
autogenen Training,
·
als „Selbstsuggestionen“ im Bereich
der Selbsthypnose.
Formulieren Sie Ihre positiven
Selbstinstruktionen nach folgenden Richtlinien:
·
kurze, einfache und klare Sätze („Ich
schaffe das“, „Ich will das, denn ich kann das“);
·
klare Aussagen („Ich trete morgen auf
jeden Fall zur Prüfung an“);
·
positive Formulierungen („Ich trete
bei Auftritten ruhig und sicher auf“);
·
formulieren Sie in der Gegenwart,
möglichst so, als sei Ihr ersehntes Verhalten bereits eingetreten („Ich bin
ruhig und entspannt“, „Ich atme ruhig und gleichmäßig“, „Ich halte die Angst
aus“).
Probieren Sie ein wenig herum,
entscheiden Sie sich dann für einige wenige, dafür aber besonders passende
Affirmationen. Sagen Sie sich diese täglich mehrfach vor. Sie können aufbauende
Selbstinstruktionen auch laut aussprechen, um deren Kraft besser zu spüren.
Sprechen Sie alle Vorsätze, eingebettet in einen umfassenderen Text, auf
Tonband, untermalen Sie diese mit Musik. Auf diese Weise erstellen Sie sich Ihre
persönliche Kassette zur mentalen Angstbewältigung. Hören Sie sich Ihre Worte
täglich an, wenn Sie entspannt sind. Sie verankern so alle positiven
Selbstinstruktionen in Ihrem Unterbewusstsein. Ein an guten Tagen besprochenes
Tonband voller aufbauender Suggestionen kann Ihnen in weniger guten Zeiten
helfen, an Ihre positiven Kräfte anzuknüpfen.
Halten Sie hilfreiche Gedanken auch schriftlich in Ihrem Angst-Tagebuch fest.
Prägen Sie sich bestimmte Schlagworte ein. Wenn Sie zum Beispiel Prüfungen
ständig verschieben, sagen Sie sich nicht mehr: „Ich werde durchfallen, daher
sage ich die Prüfung ab.“ Machen Sie sich lieber mit folgendem Leitspruch mehr
Hoffnung: „Ich schaffe die Prüfung, wenn ich ausreichend lerne. Daher trete ich
auf jeden Fall an.“
Folgende Selbstinstruktion kann Sie auf viele schwierige Situationen gut
vorbereiten: „Ich weiß, ich habe alle Fähigkeiten und Voraussetzungen, diese
Aufgabenstellung zu bewältigen, wenn ich jetzt mein Bestes gebe.“
Führen Sie einen inneren Dialog mit einem mentalen Begleiter
Fühlen Sie sich den kritischen
Beobachtern Ihrer Leistungen hilflos ausgeliefert? Ein mentaler Begleiter kann
Ihnen dabei eine große Stütze sein. Nehmen Sie zu allen Herausforderungen einen
hilfreichen inneren Begleiter mit. Diese Person unterstützt Sie bei der
Ausführung der jeweiligen Aufgabe. Vergegenwärtigen Sie sich jene Menschen, die
Ihnen die erfolgreiche Lösung der bevorstehenden Aufgabe zutrauen.
Lassen Sie sich von den ermutigenden Worten und Blicken wohlwollender Menschen
begleiten. Dann fühlen Sie sich den Zuhörern und Zuschauern gegenüber nicht mehr
so allein und ungeschützt. Das Entscheidende bei diesem Ratschlag ist: Wenn Sie
sich Sicherheit und Geborgenheit vergegenwärtigen, ertragen Sie die Unsicherheit
vor einem großem Publikum leichter, dessen Reaktionen Sie nicht einschätzen
können.
Mithilfe mentaler Unterstützung
konzentrieren Sie sich leichter auf das, was Sie tun und erreichen möchten. Sie
denken nicht mehr ausschließlich daran, was andere von Ihnen erwarten und wie
unzufrieden diese mit Ihnen sein könnten. Sagen Sie sich zum Beispiel vor einer
Prüfung: „Der Prüfer weiß nicht, was ich kann. Mein Partner und meine Freunde
trauen mir die erfolgreiche Bewältigung zu. Daher werde ich alles schaffen.“
Sportler ermutigen sich angesichts einer kritischen Presse und eines skeptischen
Publikums oft in dieser Weise: „Meine Freundin und meine Eltern lieben mich so,
wie ich bin. Sie mögen mich bei Siegen und bei Niederlagen. Ich halte es aus,
wenn ich einmal nicht allen gefalle. Viele Leute mögen mich nur dann, wenn ich
erfolgreich bin. Die mir nahe stehenden Menschen dagegen lieben mich unabhängig
von meinen Leistungen.“
Von der Konfrontation zur Kommunikation – konstruktiver Dialog mit der Angst
„Tue das, wovor du dich
fürchtest, und die Furcht stirbt einen sicheren Tod.“
William James
Stellen Sie sich Ihren Ängsten:
Konfrontieren Sie sich bewusst mit Gedanken, Situationen, Symptomen und
Personen, die Ihnen Angst einflößen. Führen Sie einen inneren Dialog mit Ihrer
Angst. Gehen Sie mutig auf Ihre Ängste zu, dann sind Sie ihnen nicht mehr
hilflos ausgeliefert.
Konfrontieren Sie sich mit Ihren schlimmsten Befürchtungen
Fürchten Sie sich vor Ihren
Ängsten? Möchten Sie am liebsten nicht daran denken? Unterdrücken Sie gern Ihre
Versagensängste, sobald sie aufkommen? Bedenken Sie: Angst lebt vom Vermeiden
und Ausweichen. Damit geben Sie Ihren Versagensängsten eine Macht, die ihnen
nicht zusteht. Stellen Sie sich Ihren Befürchtungen zu versagen. Sie
vergegenwärtigen sich dabei das Schlimmste, mit dem Sie zurechtkommen müssen.
Gehen Sie dabei in fünf Schritten vor:
1.
Was könnte schlimmstenfalls passieren?
Malen Sie sich Ihr Katastrophenszenario plastisch aus.
2.
Was würden Sie tun, wenn das
Schlimmste tatsächlich passiert? Stellen Sie sich vor, wie Sie mit der
Katastrophe umgehen lernen.
3.
Für wie wahrscheinlich halten Sie es,
dass das Schlimmste tatsächlich eintritt? Problematisieren und relativieren Sie
das Eintreten der Katastrophe.
4.
Mit welchen Mitteln können Sie die
befürchtete Katastrophe jetzt und heute vermeiden? Setzen Sie erste kleine
Schritte, um die Wahrscheinlichkeit der Katastrophe zu vermindern.
5.
Wie können Sie Ihre Chancen
vergrößern, um Ihr Ziel zu erreichen? Bemühen Sie sich mehr darum, um Ihr Ziel
zu erreichen, als eine befürchtete Katastrophe zu verhindern.
Nur weil Sie in einer Situation
Versagensängste haben und mit Problemen rechnen, muss eine Katastrophe noch
lange nicht eintreten. Andererseits bedeutet zuversichtliches Denken nicht
unbedingt, einen problemlosen Ausgang zu erwarten. Ihr Ziel erreichen Sie umso
eher, je mehr Sie sich mögliche Probleme als lösbar vorstellen. Ihre Bemühungen
können Ihnen zwar den Erfolg nicht garantieren, sie stärken jedoch Ihr
Bewusstsein dafür, dass Sie Ihr Bestes geben.
Konfrontieren Sie sich mit Angst machenden Situationen
Sie würden sich allen
Situationen stellen, wenn Sie sich nicht vor Ablehnung und Versagen fürchten
würden? Es gibt keinen anderen Ratschlag: Stellen Sie sich Ihrer Angst zu
versagen! Suchen Sie alle Situationen ohne äußere oder innere Vermeidung auf.
Wenn Sie der Angst ausweichen, wird sie nur immer stärker.
Bleiben Sie mindestens so lange in der Angstsituation, bis Sie spüren, wie Ihre
Angst nach einiger Zeit nachlässt. Je öfter Sie sich in eine Angst machende
Situation begeben, umso schneller gewöhnt sich Ihr Körper daran. Ihr Verstand
registriert immer rascher, dass die betreffende Situation nicht wirklich
gefährlich ist. Sie behalten diese Erfahrungen positiv im Gedächtnis. Negative
Erfahrungen werden dadurch überlagert. Sie gewinnen mehr Vertrauen zu sich
selbst, wenn Sie bisher gefürchtete Situationen gut bestehen.
Überprüfen Sie: Wie wahrscheinlich treten Ihre Horrorfantasien tatsächlich ein?
Gehen Sie aktiv in eine gefürchtete Situation, weichen Sie nicht aus! Sie finden
nur heraus, wie berechtigt Ihre Versagensängste sind, wenn Sie nicht zu flüchten
versuchen.
Gehen Sie bei schwierigeren Aufgaben Schritt für Schritt vor. Am erfolgreichsten
bewältigen Sie Ihre Versagensängste stufenweise. Wiederholen Sie Ihre Erfolge zu
einem späteren Zeitpunkt, um Ihr neues Verhalten zu festigen.
Konfrontieren Sie sich mit körperlichen Angstsymptomen
Fühlen Sie sich durch Ihre
körperlichen Reaktionen in Furcht einflößenden Situationen belastet? In solchen
Momenten ist unser Körper auf Kampf oder Flucht programmiert. Interpretieren Sie
körperliche Symptome in Leistungssituationen nicht gleich als Zeichen von Angst,
nicht gut genug zu sein, sondern als körperliche Mobilisierung für eine
Leistung. Dieselbe Energie, die Sie fliehen lässt, können Sie auch für einen
„Angriff“ nutzen.
Lernen Sie, Ihre Angst machenden körperlichen Zustände besser zu verstehen. Wenn
Sie um die biologischen Fakten wissen, können Sie leichter damit umgehen.
Körperliche Symptome Ihrer Angst zeigen sich am stärksten in den ersten Minuten
vor und während Ihres Auftritts. Die Erregung lässt nach, sobald Sie sich an die
Situation gewöhnen und mit ihr zunehmend zurechtkommen. Je weniger Sie sich vor
Ihrer Angst fürchten, umso rascher verschwinden die unangenehmen körperlichen
Zeichen Ihrer Angst, wie etwa Herzrasen, Atemnot, Brustenge, Übelkeit,
Mundtrockenheit, Schwitzen, Anspannung oder Schwindel. Halten Sie in ungewohnten
und belastenden Situationen konsequent durch, flüchten Sie nicht. Dann werden
Sie diesen Gewöhnungseffekt rasch und zuverlässig erleben.
In der Folge ändern sich auch Ihre Denkmuster. Erinnern Sie sich an Ihre
positiven Erfahrungen. Sagen Sie sich: „Ich habe erlebt, dass ich trotz Angst
richtig handeln kann“, „Ich kann mit der Angst alles tun, was ich tun möchte“,
„Die Angst lässt mit der Zeit nach, wenn ich die Situation durchstehe“, „Wenn
ich an mich glaube, ist mir egal, wie andere auf meine Angstsymptome reagieren.“
Machen Sie sich Ihre körperlichen Angstsymptome durch eine andere Sichtweise
erträglicher. Dann müssen Sie sich nicht ständig darauf konzentrieren. Kämpfen
Sie nicht gegen gefürchtete Anzeichen von Angst wie Zittern, Rotwerden oder
Schwitzen. Sagen Sie sich lieber: „Ich akzeptiere mein Rotwerden, wenn ich
plötzlich aufgeregt bin“ oder „Ich toleriere ein leichtes Zittern, wenn ich
angespannt bin.“ Identifizieren Sie sich mit Ihrer Angst, sagen Sie sich: „Ich
darf so sein, ich kann es aushalten.“ Je mehr Ihnen dies gelingt, umso weniger
fühlen Sie sich als Opfer. Sie lassen sich nicht mehr von Ängsten einschüchtern
und überwältigen.
Sie können Ihre körperlichen Angstsymptome in drei Stufen bewältigen, wie auch
bei Panikattacken. Diese drei Stufen lauten: Kommen-Lassen, Sein-Lassen und
Gehen-Lassen:
1.
Lassen Sie Ihre Versagensangst und
alle Anzeichen davon auf sich zukommen, ohne dagegen anzukämpfen. Ihre Angst
wird umso größer, je mehr Sie die Symptome vermeiden oder unterdrücken möchten.
Begrüßen Sie die Angst wie einen guten Bekannten oder wie einen Fremden (was
Ihnen lieber ist). Verhalten Sie sich so, wie Sie sich diesem Menschen gegenüber
verhalten würden. Erweisen Sie der Angst den gebührenden Respekt. Gehen Sie
jedoch Ihren Weg, ohne sich von der Angst in Ihrem Tun beirren zu lassen.
Bewältigen Sie Ihre Angst wie ein Seemann die Wellen: Gehen Sie bewusst mit,
statt dagegen anzukämpfen oder in die Kajüte zu flüchten.
2.
Lassen Sie die Angst und ihre Symptome
da sein, ohne sie zu unterdrücken. Ihre Akzeptanz nimmt der Angst alle Macht
über Sie, weil Sie sie nicht mehr fürchten. Kämpfen Sie nicht gegen Ihre Angst
an. Dies gibt Ihnen die Kraft, sich mit ihr bewusst auseinanderzusetzen.
Beobachten Sie Ihre Angst, ohne innerlich oder äußerlich davonzulaufen. Nehmen
Sie die körperlichen Ausdrucksformen Ihrer Angst intensiv wahr: Wie schlägt Ihr
Herz? Wie geht Ihr Atem? Wie angespannt sind Ihre Muskeln? Wie fühlen sich
Magen, Darm und Blase an? Ist Ihnen kalt oder heiß? Wie klar können Sie denken?
Was beängstigt Sie? Was ist unangenehm oder lästig? Beschreiben Sie innerlich,
wie es Ihnen gerade geht, körperlich wie gefühlsmäßig. Bleiben Sie im Hier und
im Jetzt Ihrer momentanen Empfindungen. Beobachten Sie Ihre Symptome ein paar
Minuten lang. Bleiben sie gleich oder verändern sie sich? Sie können den
Teufelskreis der Angst wirkungsvoll durchbrechen, wenn Sie Ihren Körper
interessiert, aber gleichzeitig distanziert beobachten. Unterdrücken Sie dabei
die Angst und ihre Ausdrucksformen nicht. Bleiben Sie ohne Katastrophenfantasien
in der Gegenwart. Es klingt paradox: Sie können Ihre Angst kontrollieren, indem
Sie die Angst und ihre körperlichen Symptome zulassen. Das ist das Geheimnis der
erfolgreichen Angstbewältigung: Je mehr Sie Ihren Körper bewusst und
interessiert beobachten, ohne ihn zu beeinflussen, umso schneller distanzieren
Sie sich von den körperlichen Zeichen der Angst. Weil Sie bereit sind,
hinzuschauen und alle Symptome gelassen zu ertragen, ohne sie zu bekämpfen,
verliert die Angst ihren Schrecken. Integrieren Sie Ihre Angst und deren
Symptome bewusst in Ihr Erleben. Spalten Sie diese nicht mehr ab, weil Sie Angst
vor Kontrollverlust haben. Sie können so den Teufelskreis der Angst
durchbrechen. Sie sind frei, auf Ihnen wichtige Ziele hinzuarbeiten.
3.
Lassen Sie die Angst und ihre Symptome
von alleine wieder gehen. Halten Sie Ihre Angst nicht in einem permanenten Kampf
dagegen fest. Sie wird schneller verschwinden, als Sie glauben. Die verbleibende
Restspannung werden Sie locker ertragen können. Weil Sie Ihre Angst angenommen
und gleichsam durch Nichtstun überwunden haben, müssen Sie sich nicht darüber
sorgen, ob sie wirklich weg ist oder wieder zurückkommen wird.
Kommunizieren Sie mit gefürchteten Menschen
Wenn Sie bestimmten
zwischenmenschlichen Situationen bisher ausgewichen sind, tun Sie ab sofort das
Gegenteil. Ergreifen Sie als einer der ersten das Wort, dann brauchen Sie sich
nicht mehr davor zu fürchten. Halten Sie eine kleine Rede oder einen kurzen
Vortrag, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Treten Sie in unangenehmen
Situationen die Flucht nach vorne an. Melden Sie sich freiwillig zu Prüfungen.
Leiten Sie Diskussionsrunden. Zeigen Sie Ihre sportlichen oder musikalischen
Leistungen vor Publikum, um sich an Bewertungen zu gewöhnen.
Sie haben Angst, von anderen Menschen abgelehnt zu werden? Sprechen Sie bewusst
andere Menschen an, bevor diese Sie ansprechen. Regen Sie sexuellen Kontakt mit
Ihrem Partner an, wenn Sie dem bisher ausgewichen sind. Gehen Sie auf Ihren
Vorgesetzten oder Arbeitskollegen zu, obwohl Sie sich ein wenig vor Kritik
fürchten.
Konfrontation mit Ihren Versagensängsten bedeutet immer auch Kommunikation. Sie
konfrontieren sich mit einem Publikum nicht so wie bei Platzangst (Agoraphobie)
mit gefürchteten Orten. Sie lassen sich vielmehr auf eine Beziehung mit Ihrer
sozialen Umwelt ein, die Sie mit Ihren kommunikativen Fähigkeiten jeweils neu
gestalten.
Wissen und technische Perfektion allein sind zu wenig, um Ihr Publikum zu
beeindrucken. Erst mit dem besonderen Zauber Ihrer Person reißen Sie Ihre
Zuhörer mit. Erst durch diese einmalige Begegnung wird jede Rede, Präsentation
oder Veranstaltung zu einem besonderen Erlebnis.
Wenn Sie Angst vor dem Publikum haben, vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie
letztlich Angst vor dieser Beziehung haben. Ihre Beziehung zum Publikum können
Sie auch durch noch so viel Training nicht zu einer angstfreien Routinehandlung
verwandeln. Wenn Sie tatsächlich die Echtheit und Spontaneität Ihrer Person
unterdrücken könnten, wäre dies der Tod für eine im wahrsten Sinne des Wortes
aufregende Erfahrung für Sie und Ihre Zuhörer.
Halten Sie sich vor Augen: Sie stehen bei Vorträgen und Auftritten nicht einer
uniformen Masse oder feindlichen Herde von Kritikern gegenüber. Ihr Publikum
besteht aus lauter einzelnen Menschen, die voneinander völlig unterschiedlich
sind. Alle haben ihre eigenen Vorstellungen, Gedanken, Wünsche, und Gefühle. Die
einen werden Sie mehr, die anderen weniger schätzen. Bedenken Sie: Sie können es
nie allen recht machen, weil jeder anders ist und etwas anderes will.
Treten Sie in einen Dialog mit der Angst
Betrachten Sie Ihre Angst nicht
wie einen Fremden oder einen ungebetenen Gast. Begegnen Sie Ihrer Angst wie
einem unangenehmen Mitmenschen, mit dem Sie täglich zusammenarbeiten müssen.
Ihre Angst begleitet Sie überall hin wie Ihr Schatten. Den Weg bestimmen aber
Sie selbst.
Treten Sie mit Ihrer Angst in einen fruchtbaren Dialog. Fragen Sie Ihre Angst,
warum sie Ihnen keine Ruhe lässt. Was will sie von Ihnen? Wie können Sie mit ihr
konstruktiv zusammenleben? Anerkennen Sie Ihre Angst als Teil Ihrer Person.
Integrieren Sie Ihre Befürchtungen mithilfe eines lebendigen Zwiegesprächs,
statt sie von sich abzuspalten. Bedanken Sie sich bei Ihrer Versagensangst für
alle hilfreichen Hinweise. Machen Sie Ihrer Angst aber bewusst, dass Sie sich
durch sie nicht mehr einschüchtern lassen. Stellen Sie klar, dass Sie von Ihren
Zielen nicht abweichen.
Spüren Sie Ihren mutigen und
zuversichtlichen Teil auf, der es wagt, mit Ihrem ängstlichen Anteil in Kontakt
zu treten. Auf diese Weise erfahren Sie, dass Sie nicht schwach sind, wenn Sie
Ihre ängstliche Seite zulassen. Sie müssen auch nicht ständig energiegeladen
sein, wenn Sie Ihre starke Seite hervorkehren.
Seien Sie echt, statt eine Rolle zu spielen – spontan und authentisch auftreten
„Nichts hindert uns so daran, natürlich zu sein,
wie der Wunsch, es zu scheinen.“
François de La Rochefoucauld
Bleiben Sie bei Ihren
Auftritten echt. Zeigen Sie sich nach außen so, wie Sie sind und sich fühlen.
Leben Sie authentisch, bleiben Sie Ihrem Wesen treu. Spielen Sie keine Rolle,
die nicht zu Ihnen passt. Verstellen Sie sich nicht aus lauter Angst vor dem
Publikum. Klammern Sie sich bei Ihren Auftritten nicht an vorgefertigte
Verhaltensmuster. Bleiben Sie locker und spontan.
Handeln Sie aus der Kraft Ihrer Spontaneität
Was halten Sie von einem
Trainingsprogramm, in dem Sie lernen, wie Sie bei anderen gut ankommen? Es ist
in Mode, für alles einen Kurs zu absolvieren. Ein Zertifikat soll angeblich
beruflichen Erfolg garantieren. Angesichts der vielen Vorschläge zur
Einstellungs- und Verhaltensänderung sollten Sie auch bei der Lektüre dieses
Buches einen Punkt besonders beachten: Verlassen Sie sich nicht so sehr auf
Techniken, sondern vielmehr auf Ihre individuellen Fähigkeiten. So bekommen alle
Ratschläge erst Ihre persönliche Note.
Verstecken Sie sich nicht hinter eingelernten Tricks und sprachlichen Floskeln.
Lassen Sie Ihre Persönlichkeit mit allen Ecken und Kanten zur Geltung kommen.
Sie „verkaufen“ bei Ihren Auftritten nicht irgendetwas, sondern letztlich sich
selbst. Wenn Sie dabei erfolgreich sind, handeln Sie nach dem Song von Frank
Sinatra: „I did it my way.“ Ein chinesisches Sprichwort drückt dies so aus: „Ich
bin diesen Weg gegangen, ich bin jenen Weg gegangen, dann bin ich meinen Weg
gegangen.“
Vertrauen Sie darauf, dass Ihre persönliche Note Sie bei jedem Auftritt
sympathisch und überzeugend macht. Zeigen Sie Ihre Persönlichkeit. Leben Sie in
Übereinstimmung damit, wie Sie sich fühlen und was Sie sich wünschen. Täuschen
sie nicht nach außen hin etwas vor, was Sie nicht sind und Ihnen auch niemand
glaubt. Sich verstellen kostet Sie viel Energie und blockiert Ihre kreativen
Fähigkeiten.
Sie sind dann am erfolgreichsten, wenn Sie ganz in Ihrer jeweiligen Rolle
aufgehen. Das gelingt Ihnen nicht, wenn Sie nach eingelernten Schablonen
handeln. Lernen Sie sich nicht ein, Ihr Wesen zu verbergen. Nützen Sie es
vielmehr als Chance für eine intensivere Kommunikation. Je mehr Sie Ihr
persönliches Verhalten regulieren und kontrollieren wollen, umso unechter und
aufgesetzter wirkt Ihr Verhalten. Wenn Sie schüchtern sind und Angst vor
Ablehnung haben, ist es sinnlos, ein brillanter Redner werden zu wollen.
Besinnen Sie sich vielmehr auf Ihre Fähigkeit der sparsamen Rede: Jedes Ihrer
Worte ist eine treffende Aussage.
Ihre Ausdruckskompetenz ist wichtiger als Ihre Wirkungskompetenz
Man unterscheidet zwischen
Wirkungskompetenz und Ausdruckskompetenz. In der Wirkungskompetenz zeigt sich
Ihre Wirkung auf andere Menschen. Sie können diese Wirkungskompetenz in
Kommunikationstrainings verbessern. Gewandtes Auftreten, schlagfertige Reden und
effiziente Strategien, ein Produkt besser zu verkaufen, sind in bestimmten
Berufen sicherlich wichtig. Sie bewältigen jedoch damit allein Ihre
Versagensängste nicht ausreichend.
Entscheidend ist Ihre Ausdruckskompetenz. Echt zu sein ist die Grundlage für
eine gelungene Präsentation. Wir können unsere Versagensängste erfolgreich
bewältigen, wenn wir sensibel sind gegenüber dem, was wir fürchten, ohne dies zu
überspielen.
Viele Menschen stehen vor dem Dilemma: „Ich möchte gerne auftreten, habe aber
Angst vor einem Misserfolg“ oder „Ich stehe gerne im Mittelpunkt, möchte aber am
liebsten im Erdboden versinken, sobald ich auftrete.“ Für solche Menschen
klingen alle Verhaltenstrainings verheißungsvoll. Sie machen den Menschen
Hoffnung, ihre Angst vor kleinen Fehlern oder totalem Versagen in den Griff zu
bekommen. Bedenken Sie jedoch: Solche Trainingsprogramme sind nur erfolgreich,
wenn sie Ihnen helfen, Ihr einmaliges Wesen wirkungsvoll zum Ausdruck zu
bringen. Dies ist zugleich die Antwort auf die häufig gestellte Frage, ob ein
Verhaltenstraining gut oder schlecht ist. Wenn Sie sich mit einem Training
besser als Person präsentieren können, wird es Ihnen helfen. Wenn die
empfohlenen Verhaltensweisen Sie in Ihrem persönlichen Ausdruck einschränken,
werden Sie nicht besser auf andere wirken. Sind wir unerfahren, wollen wir uns
verständlicherweise an etwas anhalten. Wir suchen nach einer Krücke, die uns
beim Auftritt Sicherheit gibt. Suchen Sie den Halt letztlich in sich selbst.
Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf äußere Stützen oder festgeschriebene
Rollenmuster.
Wir wechseln in unserem Leben stets zwischen verschiedenen Rollen hin und her.
Wir sind Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter, Partner oder Single, Arbeitnehmer
oder Arbeitgeber, medizinischer, sozialer oder pädagogischer Helfer. Jede dieser
Rollen lebt davon, wie gut wir sie mit unserer Person ausfüllen. Wir halten uns
dabei gewöhnlich an vorgegebene Regeln oder Empfehlungen. Dennoch verkörpert
jeder Mensch jede Rolle anders, weil jeder von uns einmalig ist. Dies gilt auch
für die Rollen als Chef, Manager, Verkäufer, Vortragender, Schauspieler, Musiker
oder Sportler.
Wechseln Sie Stress und Erholung ab – so hält Ihre Leistungsfähigkeit an
„Ohne Zeit für Erholung wird
unser Leben zu einem einzigen Tun ohne Ausgleich im Sein.“
Tony Schwartz & Jim Loehr
Bauen Sie sich einen Lebens-
und Leistungsrhythmus auf, der Ihnen gut tut. Wechseln Sie regelmäßig und
zeitgerecht zwischen Anspannung und Entspannung. Geben Sie vollen Einsatz,
gönnen Sie sich anschließend entsprechende Erholungsphasen. Andauernde
Anspannung erschöpft Sie und macht Sie krank. Zu viel Muße und Entspannung
verhindert den nötigen Energieaufbau; Sie sind dann nicht genug gefordert.
Sieben Erfolgsprinzipien aus dem Spitzensport helfen auch Ihnen
Was macht Spitzensportler und
Führungskräfte erfolgreich? Die Antwort auf diese Frage ist für alle Menschen
interessant. Die Managementtrainer und Sportpsychologen Schwartz und Loehr geben
sieben grundlegende Ratschläge für dauerhaften Erfolg:
1.
Achten Sie nicht nur auf ein gutes
Zeitmanagement, sondern vor allem auch auf ein optimales Energiemanagement.
Energie ist der Motor Ihres Erfolgs. Sie bringen Spitzenleistungen, wenn Sie Ihr
Energiemanagement gut im Griff haben. Bei einem ausgeglichenen Energiehaushalt
kommen Ihre Talente und Fähigkeiten richtig zur Geltung.
2.
Lassen Sie sich durchaus auf maximalen
Stress ein. Suchen Sie ihn als notwendigen Bestandteil eines erfolgreichen
Lebens. Für überdurchschnittliche Leistungen müssen Sie vollen Einsatz geben.
Stress ist der Schlüssel zum Erfolg und keine Gefahr für unsere Gesundheit. Sie
erreichen gewisse Ziele nur, wenn Sie Ihre ganze Kraft aufbieten. Dazu müssen
Sie über Ihre normalen Grenzen hinausgehen und maximale Energie aufwenden.
Anschließend sollten Sie auf eine angemessene Erholungsphase achten. So
vermeiden Sie krank machenden Stress. Ein Muskel wird gestärkt, wenn er optimal
belastet ist. Bei Überbelastung wird er geschädigt. Bei normaler Belastung wird
er nicht wachsen.
3.
Betrachten Sie Ihr Leben nicht wie
einen Marathon ohne Pause. Das Leben ist vielmehr eine Reihe von Sprints.
Dazwischen regenerieren Sie sich für den nächsten Sprint. Erfolg ist harte
Arbeit. Um durchzuhalten, brauchen Sie Erholungspausen. Achten Sie auf die
richtige Balance zwischen Energieverbrauch und Energieerneuerung.
Leistungssportler sind damit vertraut, dass auf Stress Erholung folgt, auf
Aktivität Ruhe, auf Arbeit Muße. Verschieben Sie den nötigen Energieaufbau nicht
auf eine Zeit, wo es längst zu spät ist dafür. Es droht Ihnen dann schon die
völlige körperliche und seelische Erschöpfung. Dieses Problem haben nicht nur
übertrainierte Sportler, sondern auch viele Berufstätige. Halten Sie Ihr
Energiereservoir für unerschöpflich? Nehmen Sie deswegen jede Arbeit und jeden
Menschen wichtiger als Ihre eigenen Bedürfnisse? Wenn Sie mehr Energie
verbrauchen, als Sie anschließend auftanken, verlieren Sie Ihre Leidenschaft.
Sie brechen zusammen, werden krank, brauchen Hilfe. Dann können Sie nicht mehr
anderen Menschen Kraft geben und Vorbild sein. Wenn Sie dauernd wie besessen
arbeiten und ständig für andere da sind, droht Ihnen ein Burn-out.
4.
Betrachten Sie Auszeit nicht als
verlorene Zeit. Pausen sind produktiv. Schalten Sie rechtzeitig ab, statt weiter
zu schuften, ohne Ruhepause. Sie provozieren damit nur die Gefahr von Fehlern.
Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn Sie Erholung zulassen. Nur mit der
nötigen Erholung bleiben Sie auch in Zukunft leistungsfähig. Erholung ist mehr
als der Verzicht auf Arbeit und Leistung. Bauen Sie neue Energie auf, indem Sie
sich bewusst auf andere Dimensionen des Lebens einlassen als Leistungen und
Pflichten. Tanken Sie Energie aus Sport und Wellness, aus Hobbys, kulturellen
Aktivitäten und aus dem Zusammensein mit anderen Menschen. Vermeiden Sie jedoch
zu lange Auszeiten, weil dadurch Ihre Energie sinkt.
5.
Motivieren Sie sich vor allem durch
Ihre inneren Werte. Halten Sie sich Ihre Ziele und Ideale vor Augen. Handeln Sie
um der Sache selbst willen, nicht wegen irgendwelcher Vorteile. Die innere
Befriedigung sollte Ihnen wichtiger sein als eine äußere Belohnung und
Belobigung.
6.
Vertrauen Sie mehr auf Rituale und
weniger auf Ihre Selbstdisziplin. Verhaltensgewohnheiten geben Ihrem Leben eine
Struktur und verbrauchen weniger Energie. Sie müssen sich nicht ständig bewusst
zum Training oder zum Lernen aufraffen. Mit Ritualen haben Sie festgesetzt, was
Sie wann tun und zu welchem Zeitpunkt Sie eine Pause machen. Entwickeln Sie
schrittweise positive Rituale. Sie schaffen sich damit ein Gleichgewicht
zwischen Arbeit und Erholung. Rituale schließen Spontaneität nicht aus; sie
geben Ihrem Verhalten vielmehr einen stabilen Rahmen und eine gewisse
Sicherheit. Sie überschätzen Ihren Willen, wenn Sie schädliche Verhaltensweisen
ändern und nützliche Gewohnheiten aufbauen möchten. Wir Menschen sind
„Gewohnheitstiere“, die vieles automatisch tun, weil wir es über einen längeren
Zeitraum so gelernt haben. Sie können diesen Umstand zu Ihrem Vorteil nutzen.
7.
Setzen Sie mehr auf die Macht des
vollen Einsatzes und weniger auf die Macht des positiven Denkens. Ihr Denken ist
nur dann wirklich positiv, wenn Sie sich aufgrund Ihrer Tatkraft positiv
verändern.
Beachten Sie vier zentrale Energiequellen für dauerhaften Erfolg
Was sind Ihre Energiequellen?
Wo tanken Sie auf, um sich den Anforderungen des Lebens mit neuer Kraft zu
stellen? Vollen Einsatz können Sie auf Dauer nur dann geben, wenn Ihr
Energieverbrauch (Stress) und Ihre Energierückgewinnung (Erholung) auf vier
Energieebenen im Gleichgewicht sind. Suchen Sie die Balance auf der
körperlichen, emotionalen, mentalen und spirituellen Ebene, die über Ihre Person
hinausweist. Werden Sie gerade vor wichtigen Auftritten oder Wettkämpfen krank?
Ist Ihr Immunsystem durch übermäßige Ängste und Belastungen geschwächt? Erholen
Sie sie sich nicht ausreichend? Achten Sie auf den richtigen Ausgleich zwischen
Training und Erholung! Sportler nützen gezielt mentales Training, um körperliche
Energiereserven zu schonen.
Wenn Sie einzelne Energieebenen zu sehr betonen oder vernachlässigen, kann sich
das nachteilig auf Ihr ganzes Wesen auswirken. Sie sind auf Dauer nur dann
erfolgreich, wenn Sie körperlich fit und geistig konzentriert sind. Ebenso
wichtig ist es, dass Sie sich gefühlsmäßig engagieren und sich spirituell auf
Werte ausrichten, die jenseits Ihrer unmittelbaren Eigeninteressen liegen.
Schöpfen Sie immer wieder Kraft auf allen vier Energieebenen:
1.
Achten Sie auf Ihre körperliche
Energie. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit nimmt nach spätestens 90 bis 120
Minuten stark ab. Schalten Sie dann wenigstens eine kurze Erholungsphase von 10
bis 15 Minuten ein. Das kann Ihre Energie aufbauen: Ihre Lieblingsmusik, ein
kurzer Spaziergang, ein kleiner Imbiss, ein erfrischendes Getränk oder ein
Telefonat mit nahe stehenden Menschen. Seien Sie regelmäßig sportlich aktiv,
ernähren Sie sich gesund und ausgewogen, trinken Sie täglich 2 bis 3 Liter
Flüssigkeit. Gehen Sie klug mit Genussmitteln um, wie Alkohol, Koffein und
Nikotin. Atmen Sie länger aus, das entspannt, vermeiden Sie hektisches Einatmen.
Schlafen Sie ausreichend, 7 bis 8 Stunden gelten als ideal (bei älteren Menschen
wenigstens 6 Stunden). Im Notfall können Sie diese natürlichen Zyklen
unterdrücken, wenn Sie auf eine länger andauernde Gefahr angemessen reagieren
müssen. Im Normalfall sollten Sie jedoch nicht ständig auf vollen Touren laufen.
Die Folgen davon sind psychosomatische Krankheiten – gefolgt von einem
Zusammenbruch.
2.
Achten Sie auf Ihre geistige Energie.
Sie erbringen nur dann Bestleistungen, wenn Sie sich gut konzentrieren und
kreativ denken können. Sie kennen diese Erfahrung bestimmt: Wir haben die besten
Ideen oft in der Freizeit, nicht bei der Arbeit. Je verbissener Sie etwas
erreichen wollen, umso weniger gelingt es. Erst wenn Sie sich von Ihrer Arbeit
distanzieren, können Sie manches besser erkennen. Sie leisten mehr, wenn Sie
weniger arbeiten. Bei ununterbrochener Dauerleistung schaffen Sie immer weniger.
Warum? Ihre Energie lässt nach, Sie werden müde und unkonzentriert, damit machen
Sie immer leichter Fehler.
3.
Stabilisieren Sie Ihr emotionales
Energiepotenzial. Positive Gefühle wie Freude, Leidenschaft, Zufriedenheit und
Zuversicht sind wichtige Quellen für Erfolg und Spitzenleistungen. Tanken Sie
sich auf in Ihrer Partnerschaft und in Ihrer Familie. Erholen Sie sich durch
befriedigende Tätigkeiten ohne Leistungsstress. Wenn Sie sich ständig körperlich
und geistig überfordern, ohne für den entsprechenden Ausgleich zu sorgen, werden
Sie leicht gereizt, deprimiert und ängstlich. Lassen Sie unangenehme Gefühle wie
Angst, Ärger oder Wut zu. Lernen Sie, damit umzugehen. Wenn Sie Gefühle
verdrängen, kostet Sie das viel Kraft und Energie.
4.
Achten Sie auf Ihre spirituelle
Energie. Bleiben Sie innerlich nicht bei Ihren kurzfristigen Zielen stehen.
Denken Sie über Ihre zentralen Werte und Visionen für Ihr privates und
berufliches Glück nach. Mit unerschöpflichen spirituellen Energiequellen trotzen
Sie leicht allen Stürmen des Lebens. Sie finden so mehr Halt in unsicheren
Zeiten und während eines Leistungstiefs. Innere Werte geben Ihnen körperliche
Kraft, gefühlsmäßige Stabilität und mentale Energie. Zu diesen Werten zählen
Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Treue, Beharrlichkeit, Konsequenz,
Mut, Entschlossenheit, Engagement, Kreativität, Großzügigkeit und Mitleid. Ihre
Werte spornen Sie an und geben Ihnen Sinn. Frei nach dem Sprichwort: „Wer ein
Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Sinn erzeugt ein Ziel, das Sie
engagiert und konzentriert ohne äußeren Druck anstreben können.
Körperliche Entspannung – lernen Sie rasch wirksame Techniken
„Was die Seele aufrichtet,
nutzt auch dem Körper.“
Seneca
Verringern Sie Ihre körperliche
Anspannung mittels Entspannungstechniken. Die wichtigsten Entspannungstechniken
sind Atemübungen, autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach
Jacobson, Yoga und Zen-Meditation; immer mehr Bedeutung gewinnen auch Tai chi
und Chi Gong.
Wie Sie sich entspannen können
Fühlen Sie sich durch
chronische Versagensängste ständig angespannt? Entspannung ist ein wichtiger
Gegenspieler der Angst. Wenn Sie entspannt sind, kann sich Ihre Angst zu
versagen nicht so leicht aufschaukeln, wie Sie dies vielleicht gewohnt sind.
Wenn Sie sich entspannen, verzichten Sie auf die bewusste Kontrolle über sich
selbst. Bei östlichen und westlichen Entspannungsmethoden müssen Sie eigentlich
nur zwei mentale Grundeinstellungen beachten:
1.
Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf
einen Punkt. Das kann ein Gedanke sein, ein Wort, ein Bild, ein Ton, ein Mantra
oder unser Atem. So unterbrechen Sie Ihren Strom an Alltagsgedanken.
2.
Verhalten Sie sich ausgesprochen
passiv gegenüber Ablenkungen und eindringenden Gedanken. Blenden Sie Stressoren
von außen und belastende Gedanken aus, indem Sie sich immer neu auf den
gewählten Aufmerksamkeitsschwerpunkt konzentrieren. Wenn Sie dagegen direkt
gegen unerwünschte Gedanken ankämpfen, halten Sie daran fest.
Möchten Sie lernen, sich besser
zu entspannen? So erleichtern und beschleunigen Sie Ihre Entspannung:
·
Wählen Sie einen bestimmten
Aufmerksamkeitsschwerpunkt (ein Wort oder Bild) oder konzentrieren Sie sich auf
Ihr Ein- und Ausatmen.
·
Nehmen Sie eine bequeme und ruhige
Körperhaltung ein. Spüren Sie, wie die Unterlage Sie trägt, sodass Sie sich
fallen lassen können.
·
Schließen Sie Ihre Augen. Dies lenkt
Sie von der Umwelt ab und vertieft Ihr inneres Erleben.
·
Entspannen Sie Ihre Muskeln. Langsames
Ausatmen löst auf einfache Weise Ihre muskuläre Verkrampfung.
·
Atmen Sie langsam und natürlich.
Vergegenwärtigen Sie sich bei jedem Ausatmen das gewählte Wort oder Bild.
·
Ignorieren Sie abschweifende Gedanken.
Konzentrieren Sie sich ständig neu auf den gewählten Aufmerksamkeitsschwerpunkt
und bleiben Sie passiv.
·
Üben Sie am besten täglich zwischen 10
und 20 Minuten.
Erlernen Sie
Entspannungstechniken nicht nur aus Büchern, Kassetten, CDs und DVDs. Suchen Sie
sich einen geeigneten Trainer. Viele Volkshochschulen bieten beispielsweise
Kurse an. Sehr aktive Menschen können übermäßige körperliche Anspannung
schneller abbauen, wenn sie sich leicht mit Armen und Beinen zum Rhythmus des
Atems bewegen.
Entspannen Sie sich durch die richtige Atmung
Nutzen Sie die einfache Technik
der Verlangsamung Ihrer Atmung. Bei verlängertem Ausatmen entspannen Sie sich,
bei verstärktem Einatmen spannen Sie Ihre Muskulatur an. Atmen Sie ruhig,
betonen Sie dabei das Ausatmen. Dies vermindert Ihren Herzschlag und Ihre
Muskelspannung. Auf diese Weise können Sie sich rasch und ohne großen Aufwand
angenehm entspannen.
Menschen mit Sprechängsten atmen anders. Sie spannen verstärkt Muskeln im
Kehlkopf und im Atmungsapparat an. Dadurch beginnt ihre Stimme zu zittern, ihre
Tonlage wird höher und gepresster, sie leiden unter Atemnot. Vermeiden Sie
übermäßige Brustatmung, die nur den oberen Lungenbereich ausnutzt. Atmen Sie
bewusst über Ihr Zwerchfell. Das kann die innere Anspannung vermindern, das
Sprechen fällt Ihnen leichter. Über Ihren Atem können Sie Ihren Körper direkt
beeinflussen und die angstbedingte Anspannung vermindern.
Spüren wir starke Gefühle wie Freude, Angst, Ärger, Wut oder sexuelle Lust, dann
atmen wir schneller. Bei Schreckreaktionen dagegen halten wir sprichwörtlich den
Atem an. Wir atmen leicht zu rasch und zu flach, wenn wir körperlich und
seelisch verspannt sind. Dabei vergessen wir auf die Zwerchfellatmung, wir atmen
einseitig durch die Brust und ziehen dazu noch die Schultern hoch. Entspannt
atmen wir über das Zwerchfell. Atmen Sie dazu durch die Nase ein, nicht durch
den Mund. Dies regt die Zwerchfellatmung an. Die Zwerchfellatmung heißt auch
Bauchatmung, weil sich beim Einatmen die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen
senkt. Die richtige Atmung zeigt sich auch in einer Erweiterung der Taille beim
Einatmen.
Atmen Sie in Stress- und Angstsituationen bewusst aus, bevor Sie zu sprechen
beginnen, anstatt reflexartig einzuatmen. Sie verhindern dadurch einen Luftstau
unter dem Kehlkopf und eine innere Anspannung, die mangels Bewegung bestehen
bleibt. Sie entspannen sich leichter, wenn Sie doppelt so lang ausatmen, als Sie
einatmen. Stellen Sie sich beim Ausatmen vor, wie Sie alles ausatmen, was Sie
stresst. Nehmen Sie beim Einatmen bildhaft neue Energie auf, um Ihre Aufgaben zu
bewältigen. Spüren Sie eine Kurzatmigkeit, dann atmen Sie zuerst ganz aus. Atmen
Sie nach einer kurzen Sprechpause in den Bauchraum ein.
Sehr hilfreich sind folgende Atemübungen: Vergegenwärtigen Sie sich Ihren
Lieblingsduft, während Sie langsam und intensiv durch die Nase einatmen. Bremsen
Sie beim Ausatmen mit Ihren Lippen: Atmen Sie bei leicht geschlossenen Lippen
langsam aus. Stellen Sie sich dabei vor, wie Sie Ihren Atemstrom auf eine
Kerzenflamme oder einen Löffel mit heißer Suppe richten.
Nutzen Sie die Kraft des Autogenen Trainings
Beim autogenen Training
schalten Sie Ihren Körper in einen konzentrierten Entspannungszustand um. Das
erfolgt über sechs körperbezogene Übungen mit formelhaften Sätzen:
1.
Bei der Schwereübung („Der
rechte/linke Arm ist ganz schwer“) entspannen Sie sich körperlich.
2.
Bei der Wärmeübung („Der rechte/linke
Arm ist ganz warm“) entspannen Sie Ihre Blutgefäße.
3.
Mit der Herzübung („Mein Herz schlägt
ruhig und regelmäßig“) normalisiert sich Ihre Herztätigkeit.
4.
Mit der Atemübung („Meine Atmung ist
ruhig und gleichmäßig“) harmonisieren Sie Ihre Atmung.
5.
Bei der Leib- oder Sonnengeflechtübung
(„Sonnengeflecht strömend warm“) entspannen und harmonisieren sich Ihre
Bauchorgane.
6.
Mit der Kopfübung („Stirn angenehm
kühl“) bekommen Sie einen kühlen, klaren Kopf, die dortigen Blutgefäße
entspannen sich.
Wiederholen Sie jede
Übungsformel sechsmal. Zwischen den Übungen vertieft die zweimalige Ruhetönung
(Formel „Ich bin vollkommen ruhig“) die Entspannung. Die Schwere-, Wärme- und
Atemübung reichen aus, um sich einigermaßen zu entspannen. Die Herz-,
Sonnengeflecht- und Kopfübung helfen sehr bei bestimmten organbezogenen
Beschwerden. Entwickeln Sie formelhafte Vorsätze und suggerieren Sie sich den
Erfolg durch Ihre aufmunternden Sätze. In Entspannung, die das Tor zum
Unbewussten öffnet, können Sie Ihre negativen Denkmuster umprogrammieren.
Bestimmte Suggestionen sollen Ihr Selbstvertrauen stärken. Diese Affirmationen
wirken aus den tieferen Schichten Ihrer Persönlichkeit heraus. Formulieren Sie
Ihre Vorsätze kurz, positiv, realistisch und glaubhaft. Alle Inhalte sollten
Ihrer Persönlichkeit entsprechen und sich auf die Gegenwart beziehen. Ihre
Eigensuggestionen wirken umso besser, je bildhafter Sie Ihre Vorsätze
entwickeln. Stellen Sie sich Ihren Erfolg dazu plastisch vor. Typische Beispiele
sind: „Ich will es, kann es, schaffe es“, „Ich spreche und handle sicher und
klar“, „Ich bleibe locker und entspannt“, „Ich erreiche mein Ziel“, „Ich gehe
meinen Weg“, „Ich sage, was ich zu sagen habe.“
Progressive Muskelentspannung – eine alternative Entspannungsmethode für Sie?
Fällt Ihnen Ihre Verspannung
häufig gar nicht auf? Viele Menschen nehmen nicht wahr, wie angespannt ihr
Körper den ganzen Tag ist. Aktivere Entspannungstechniken helfen sehr
verspannten Menschen oft besser als passive Techniken.
Die progressive Muskelentspannung nach Jacobson baut auf der Wechselwirkung
zwischen seelischer und körperlicher Anspannung auf. Das Grundprinzip beruht auf
der Anspannung bestimmter Muskelgruppen mit anschließender Entspannung; dies
bewirkt einen angenehmen körperlichen und psychischen Entspannungszustand. Die
muskuläre Entspannung führt zu einer besseren Durchblutung der jeweiligen
Organe. Die daraus resultierende psychische Entspannung fördert die weitere
muskuläre Entspannung und vertieft das allgemeine Ruhegefühl. Die Bezeichnung
„progressiv“ deutet auf die fortschreitende körperliche Entspannung hin. Sie
entsteht durch die Abfolge bestimmter Übungen. Die Originalversion ist mit mehr
als 30 Einzelübungen relativ langwierig. Heute gibt es gewöhnlich 16, 12 oder 7
Übungseinheiten.
Die Übungen beziehen Hände, Arme, Schultern, Gesicht (Kiefer, Wange, Stirn),
Brustkorb, Rücken, Bauch, Oberschenkel, Gesäß und Unterschenkel mit ein. Im
Laufe der Zeit können Sie sich allein durch die Vorstellung der Entspannung
bestimmter Körperteile angenehm entspannen. Sie spannen bei den Übungen
nacheinander die verschiedenen Muskelpartien Ihres Körpers fünf bis zehn
Sekunden lang an, ohne sich zu verkrampfen. Danach lösen Sie während der
Ausatmung die Anspannung, ohne sich dabei zu bewegen. Während Sie eine
Muskelpartie anspannen, bleiben die anderen Muskeln so entspannt wie möglich.
Sie erkennen dabei, in welchen Körperregionen Sie besonders verkrampft sind.
Viele Muskeln sind durch dauerhafte Anspannung bereits sehr verkürzt, sie
schmerzen leicht. Chronisch verspannte Menschen erkennen mit dieser Technik ganz
gut die Unterschiede zwischen Anspannung und Entspannung. Das erleichtert ihnen
in der Folge die sukzessive Muskelentspannung.
Entspannen Sie sich durch Ruhebilder
Welche Bilder helfen Ihnen, sich zu entspannen? Wir können mit bestimmten
bildhaften Vorstellungen unser Erleben von Ruhe und Entspannung vertiefen.
Schließen Sie die Augen und entwickeln Sie Ihr persönliches Ruhebild, bei dem
Sie sich schnell wohl fühlen. Erleben Sie mit allen Sinnen (Sehen, Hören,
Riechen, Schmecken, Spüren) angenehme Situationen und Erlebnisse. Diese treten
durch Ihre lebendige Fantasie wieder auf und erfüllen Sie neuerlich mit
Wohlbehagen. Wenn Sie sich erholsame Situationen plastisch und
wirklichkeitsgetreu vorstellen können, werden Sie sich leicht und tief
entspannen.
Sie können Ihr Glücksgefühl
intensivieren, indem Sie an einen herrlichen Urlaub denken, an schöne Erlebnisse
mit dem Partner oder an private oder berufliche Erfolgserlebnisse. Visualisieren
Sie diesen imaginären Zufluchtsort immer dann, wenn Sie sich nach Geborgenheit
sehnen. Vertiefen Sie Ihre Entspannung mit Ihrer Lieblingsmusik. Sie können Ihr
Ruhebild „auf Knopfdruck“ abrufen, wenn Sie es mit Sinnesempfindungen,
Schlüsselworten, Symbolen oder Bewegungen verknüpfen. Wenn Sie später einen
dieser Reize setzen, können Sie sich sofort angenehm entspannen.
Entspannen Sie sich mit Bewegung
Entspannen Sie sich gern durch
Bewegung? Wir bauen unangenehme Anspannungen rasch und wirksam ab, wenn wir uns
bewegen. Dies ist wohl einer der Gründe für den Erfolg der chinesischen
Bewegungstechniken Tai Chi und Qi Gong im Westen.
Wenn Sie ständig gestresst und ängstlich sind und sich kaum bewegen, leidet bald
Ihre körperliche Fitness darunter. Ihre Muskeln bilden sich zurück und verkürzen
sich; sie werden dadurch unbeweglich und bereiten Ihnen Schmerzen, vor allem im
Rücken. Körperliche Trainingsprogramme entspannen Körper und Geist. Mit solchen
Aktivitäten lassen Sie Ihre blockierten Energien wieder fließen.
Bei starker Anspannung wirken auch körperliche Arbeit und Ihr Lieblingssport
entspannend. Dabei bauen Sie die im Blut zirkulierenden Stresshormone
(Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol) ab. Stattdessen schüttet Ihr Körper
„Glückshormone“ (Endorphine) aus. Durch die körperliche Betätigung konzentrieren
Sie sich auf etwas anderes als auf Ihre ständigen Versagensängste, gleichzeitig
haben Sie ein Erfolgserlebnis.
Möchten Sie bei Vorträgen und Auftritten manchmal am liebsten davonlaufen? Ihr
Körper hat Sie zur Flucht aktiviert. In solchen Situationen können Sie sich
helfen, indem Sie hin und her gehen, Ihre Hände bewegen und Medien, wie etwa
Flipchart oder Folien, verwenden. Sie reagieren dabei Ihre Anspannung durch
unauffällige Bewegungen ab. Sie hören auf, ängstlich Ihren Körper zu beobachten.
Haben Sie ein Black-out, dann hilft Ihnen vielleicht leichte körperliche
Aktivität, um wieder klar denken zu können.
Überhöhtes Anspruchsniveau berichtigen – Burn-out vorbeugen
„Frauen, die an Burn-out
leiden, sind ehrgeizig und leistungsbereit
und haben hohe Erwartungen an
sich selbst und ihre Umwelt.“
Herbert Freudenberger & Gail North
Stellen Sie ziemlich hohe
Ansprüche an sich selbst? Denken Sie darüber nach und relativieren Sie Ihre
Ansprüche an sich selbst – spätestens wenn ein körperlicher und seelischer
Zusammenbruch droht. Seien Sie realistisch in Bezug auf die Leistungen, die Sie
von sich selbst erwarten. Berücksichtigen Sie Ihre Möglichkeiten und die
gesamten Umstände. Stellen Sie eine gesunde Balance her zwischen Ihren
beruflichen, familiären und individuellen Bedürfnissen.
Identifizieren Sie den Weg zum Burn-out
Möchten Sie gern
Überdurchschnittliches leisten? Das ist schon okay. Ihr Erfolg gibt Ihnen recht:
Sie haben viele Ziele erreicht. Sie können stolz auf sich sein. Von Menschen wie
Ihnen profitiert die ganze Gesellschaft. Bedenken Sie aber: Wie sehr steckt
hinter Ihren hohen Zielen die Angst zu versagen? Wollen Sie Ihre Angst durch
überdurchschnittliche Anstrengungen im Beruf und in der Familie wettmachen?
Unterscheiden Sie zwischen gesundem Ehrgeiz und krank machender Überforderung.
Richten Sie sich gern nach Glaubenssätzen wie den folgenden? „Ich muss alles
perfekt machen“, „Ich muss alles selbst erledigen, damit es richtig ist“, „Ich
muss alles im Griff haben, damit keine Fehler passieren“, „Ich muss besser sein
als die anderen, weil es von mir erwartet wird“, „Ich darf jetzt nicht auf
Urlaub oder in Krankenstand gehen, weil von mir zu viel abhängt“, „Ich darf
jetzt nicht aufhören, sonst erreiche ich meine Ziele nicht oder ich werde als
unfähig angesehen“, „Ich muss es allen recht machen.“ Solche Denkmuster haben
großen Einfluss darauf, ob Sie auf ein Burn-out hinsteuern und sich körperlich,
emotional und geistig kaputt arbeiten.
Sind Sie burn-out-gefährdert? Wie nahe fühlen Sie sich dem Burn-out? Der Weg zur
körperlichen und seelischen Erschöpfung umfasst nach Freudenberger zwölf Phasen.
Ihre Antworten auf die folgenden Fragen machen Ihnen deutlich, wie weit Sie
bereits auf dem Weg zum Burn-out sind:
1.
Sind Sie sehr ehrgeizig? Möchten Sie
sich mit aller Kraft beweisen?
2.
Geben Sie immer mehr Einsatz, um Ihre
selbst gesetzten hohen Ziele zu erreichen? Korrigieren Sie Ihre überhöhten Ziele
nicht?
3.
Vernachlässigen Sie Ihre eigenen
Bedürfnisse, um Ihre hochgesteckten beruflichen und/oder familiären Ziele zu
erreichen?
4.
Verdrängen Sie Ihre inneren Konflikte
und Bedürfnisse gern, statt diese bewusst wahrzunehmen?
5.
Verraten Sie zunehmend Ihre Grundwerte
wie Partnerschaft, Sport und Kultur? Nehmen Sie berufliche Aufgaben immer
wichtiger?
6.
Verleugnen Sie die auftretenden
Probleme immer heftiger? Sind Sie zum Beispiel immer weniger tolerant?
7.
Überspielen Sie Ihre Orientierungs-
und Hoffnungslosigkeit durch Rückzug oder durch eine zynische, nach außen
scheinbar unveränderte Haltung?
8.
Hat sich Ihr Verhalten bereits
verändert? Ärgern Sie sich immer mehr oder verwenden Sie Suchtmittel zu häufig?
9.
Nehmen Sie Ihre Gedanken, Gefühle und
Bedürfnisse immer weniger wahr?
10.
Fühlen Sie sich innerlich leer und
nutzlos? Spüren Sie bisher unbekannte Ängste, wie Platzangst und Panikattacken?
Flüchten Sie regelmäßig zu Alkohol, Beruhigungsmitteln und illegalen Drogen?
11.
Erscheint Ihnen alles zunehmend
sinnlos? Verlieren Sie das Interesse an allem? Werden Sie immer lustloser,
ständig müde? Leiden Sie unter Antriebsmangel? All das deutet auf eine
depressive Erschöpfung hin.
12.
Sind Sie bereits am Endpunkt einer
Burn-out-Entwicklung angelangt? Sind Sie total erschöpft? Dies kann
lebensbedrohend sein. Sie benötigen professionelle Hilfe.
Wie Sie ein Burn-out vermeiden und überwinden können
Waren Sie früher einmal Feuer
und Flamme für Ihren Beruf, Ihren Partner und Ihre Familie? Arbeiten Sie jetzt
auf Sparflamme? Fühlen Sie sich schon total ausgebrannt? Möchten Sie die
erlöschende Glut gern wieder anfachen, wissen aber nicht wie? Haben Sie schon
erkannt, warum Sie ausbrennen? Welche persönlichen Eigenschaften und welche
Umweltfaktoren führen Sie an den Rand des Zusammenbruchs?
Viele Menschen in einer überanstrengenden beruflichen oder privaten Situation
stellen zu hohe Ansprüche an sich selbst. Sie überfordern sich auf die Dauer und
werden physisch und psychisch immer erschöpfter. Wollen Sie sich Ihr
Selbstbewusstsein durch immer neue Leistungen beweisen? Andere Menschen werden
dies schnell für ihre eigenen Zwecke ausnutzen.
Grenzen Sie sich schwer gegenüber anderen ab? Sagen Sie ungern Nein? Auf diese
Weise überbelasten Sie sich körperlich und seelisch sehr schnell. Die Folgen
sind Burn-out und Erschöpfungsdepressionen. Sie beugen Erschöpfung vor, wenn Sie
sich anderen Menschen gegenüber stärker abgrenzen.
Erfolg und Versagen hängen damit zusammen, wie Sie mit sich selbst umgehen. Wenn
Sie ein gutes Gespür für sich selbst entwickeln, werden Sie weiterhin für andere
energievoll und erfolgreich tätig sein können. Geben Sie durchaus Ihr Bestes in
Ihrem Beruf, für Ihre Familie, Ihre Ideale und die Entwicklung Ihrer
Fähigkeiten. Achten Sie dabei jedoch mehr als bisher auf sich selbst, auf Ihre
Wünsche und Bedürfnisse. Engagieren Sie sich wie bisher mit Feuereifer für Ihre
Mitmenschen und Ihre Ziele. Schützen Sie sich jedoch davor, auszubrennen oder
innerlich zu verbrennen.
Hohe Ideale und Ansprüche sind okay. Nur wenn Sie Ihr Bestmögliches geben
wollen, haben Sie die Chance auf Erfolg. Achten Sie dabei jedoch auf den Preis.
Wenn Sie selbst neben den Bedürfnissen anderer Menschen zu kurz kommen, wird
Ihre Seele früher oder später Schaden erleiden. Sie sollen sich durchaus
fordern. Überfordern Sie sich jedoch nicht.
Sie machen sich mehr Stress, wenn Sie Ihre Überlastung durch mehr Einsatz
wettmachen wollen. Suchen Sie nach Wegen aus dem Teufelskreis zunehmender
Überforderung. Folgende Ratschläge können Ihnen weiterhelfen:
·
Erkennen Sie Ihr Grundproblem.
Gestehen Sie sich ein: Sie haben zu viel gearbeitet und andere Bereiche Ihres
Lebens vernachlässigt. Finden Sie heraus: Welche Motive stehen hinter Ihrem
krank machenden Übereifer? Haben Sie Angst, die Kontrolle zu verlieren? Fürchten
Sie, Ihr Selbstwertgefühl zu vermindern? Möchten Sie auf keinen Fall weniger
Anerkennung vonseiten anderer Menschen? Fürchten Sie sich davor, in der
Rivalität mit anderen nicht zu bestehen? Haben Sie Angst, Ihren Arbeitsplatz zu
verlieren? Welche Defizite wollen Sie durch Ihre Arbeit bis zum Umfallen
wettmachen? Erörtern Sie Ihre Situation zusammen mit Menschen, die Sie gut
kennen. Berücksichtigen Sie deren Ratschläge.
·
Setzen Sie Prioritäten. Reihen Sie
Ihre Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Bauen Sie sich ein gutes
Zeitmanagement auf. Es verhindert zukünftige berufliche Überforderung. So finden
Sie mehr Platz für Ihr Privatleben und Ihr Ruhebedürfnis.
·
Gewinnen Sie die Kontrolle über Ihr
Leben zurück. Gestalten Sie Ihr Leben zukünftig nach Ihren Wünschen und
Bedürfnissen. Geben Sie anderen Menschen und Ihrem Beruf weniger Macht über Ihr
Leben. Wenn Sie sich selbst wichtiger nehmen, haben Sie alle Stresssituationen
leichter unter Kontrolle.
·
Achten Sie auf Ihre eigenen
Bedürfnisse, wenn Sie mit anderen Menschen zu tun haben. Beuten Sie sich nicht
aus zum Wohle anderer. Seien Sie gut zu sich selbst. Sie sind es wert. Gehen Sie
liebevoll mit sich um. Wenn Sie mehr für sich selbst tun und sich regelmäßig
erholen, können Sie später auch für andere wieder mehr tun.
·
Werden Sie sich Ihrer selbst besser
bewusst: Spüren Sie Ihre Interessen, Wünsche und Bedürfnisse auf. Gehen Sie
diesen nach. Auf diese Weise halten Sie dem Druck der beruflichen oder
familiären Umwelt viel eher stand. Je mehr Sie Ihre Bedürfnisse verleugnen, umso
stärker geraten Sie in den Sog eines Burn-outs. Fragen Sie sich bei
Überforderung: Wollen Sie weiterhin alles für Ihren Beruf opfern? Möchten Sie
weiterhin auf alles verzichten, was Ihnen lieb und teuer ist?
·
Steigern Sie Ihr Selbstwertgefühl
nicht, indem Sie sich trotz Überforderung zusammenreißen wollen. Suchen Sie nach
anderen ergiebigen Quellen für Ihr Selbstwertgefühl als Ihre berufliche oder
private Leistungsfähigkeit.
·
Stellen Sie Ihr Selbstwertgefühl auf
mehr als ein Standbein. Verlassen Sie sich nicht allein auf Ihre totale und
anhaltende Leistungsfähigkeit im Beruf oder in der Familie. Sonst geraten Sie in
eine existenzielle Krise, wenn Sie gerade in diesem Bereich ein Problem
bekommen.
·
Entwickeln Sie ein Selbstwertgefühl,
das unabhängig von Ihren Leistungen existiert. Dann brauchen Sie gegen das
Gefühl, nicht gut genug zu sein, nicht mit immer höheren Leistungsansprüchen
anzukämpfen. Streben Sie nicht einseitig danach, etwas zu werden. Besinnen Sie
sich darauf, was Sie bereits sind. Bleiben Sie sich treu, wenn andere Menschen
Anforderungen an Sie stellen.
·
Vermindern Sie Ihren Arbeitseinsatz.
Nützen Sie die Zeit für Ihnen wichtige Dinge, die Sie in letzter Zeit
vernachlässigt haben. Erstellen Sie eine Liste jener Interessen und Bedürfnisse,
die zu kurz gekommen sind.
·
Lernen Sie, Nein zu sagen. Grenzen Sie
sich ab gegenüber den zahlreichen Wünschen und Ansprüchen Ihrer Mitmenschen.
Kämpfen Sie dabei jedoch nicht gegen andere Menschen, sondern für Ihre eigenen
Interessen.
·
Delegieren Sie einen Teil Ihrer
Verantwortung an andere. Durchbrechen Sie Ihr übertriebenes Engagement, damit
die anderen mehr Selbstständigkeit entwickeln müssen und sich weniger auf Sie
verlassen.
·
Kümmern Sie sich nicht ständig um
andere, wenn Sie selbst Hilfe brauchen. Nehmen Sie fremde Hilfe an. Sie sind es
anderen Menschen wert, dass diese für Sie sorgen.
·
Reduzieren Sie insbesondere als Frau
Ihre Ansprüche, alles „unter einen Hut zu bringen“. Verzichten Sie auf
Perfektion in Haushalt, Beruf, Kinderbetreuung, Partnerschaft und
Freizeitaktivitäten. Setzen Sie Prioritäten. Erkennen Sie, was Sie in letzter
Zeit vernachlässigt haben und zukünftig verstärkt tun möchten. Gehen Sie mit
sich so fürsorglich um wie mit anderen Menschen.
·
Gehen Sie auf Urlaub, auf Kur oder in
Krankenstand. Tun Sie das, auch wenn Sie das Gefühl haben, gerade jetzt
unersetzlich zu sein. Wie passt dies zusammen: Sie möchten aus der Überforderung
flüchten und vielleicht sogar am liebsten in die Rente gehen – und gönnen sich
dann nicht einmal eine kurze Auszeit?
·
Achten Sie auf ausreichende
zwischenmenschliche Kontakte. Laden Sie sich dabei jedoch nicht zusätzlichen
Stress auf. Soziale Unterstützung durch die Mitmenschen hat sich als wertvolle
Hilfe in Überforderungssituationen erweisen.
Verändern Sie
sich beruflich
Sind Sie mit
Ihrer beruflichen Situation schon länger unzufrieden? Nehmen Sie die nötigen
Veränderungen am Arbeitsplatz vor. Damit verhindern Sie ein Burn-out. Sie haben
drei Möglichkeiten:
·
Love it – Motivieren Sie sich! Begeistern Sie sich neu
für Ihre Arbeit. Betrachten Sie Ihr Aufgabenfeld neu. Bleiben Sie jedoch
realistisch. Welche
Möglichkeiten haben Sie aufgrund Ihrer Fähigkeiten
an Ihrem gegenwärtigen Arbeitsplatz? Bleiben Sie nicht an Traumzielen haften,
die wahrscheinlich auch zukünftig nicht realisierbar sind.
·
Change it – Verändern Sie etwas! Verändern Sie Ihre
Arbeitsplatzbedingungen so gut als möglich, wenn Sie diese nicht ertragen.
Arbeiten Sie dabei mit anderen Personen am Arbeitsplatz zusammen. Niemand wird
Ihnen dafür danken, wenn Sie Unerträgliches stoisch ertragen, bis Sie körperlich
und seelisch erschöpft sind und gehäuft in Krankenstand gehen. Verändern Sie bei
Bedarf Ihre Einstellungen.
Sie können die anderen Menschen, die
Umwelt und die Umstände oft nicht ändern (zumindest nicht allein). Je mehr Sie
jedoch Ihre Sichtweisen verändern, umso besser können Sie mit der Situation
zurechtkommen.
·
Leave it – Kündigen Sie! Verlassen Sie Ihren
Arbeitsplatz, wenn Ihre berufliche Frustration Sie krank macht. Erwägen Sie
vorher alle Alternativen. Wenn Ihnen nur die Kündigung bleibt, ist dies kein
ängstliches Davonlaufen. In diesem Fall ist Ihr Arbeitsplatzwechsel eine
Maßnahme der Vernunft – sofern Sie sich dies aufgrund der Arbeitsmarktsituation
und Ihrer beruflichen Qualifikation erlauben können.
Ich zitiere
einen typischen Dialog mit einem meiner Patienten. Er zeigt, wie fatal
überfordernde berufliche und individuelle Leistungsanforderungen miteinander in
Zusammenhang stehen.
Frage: Was hat
Sie so erschöpft?
Antwort: In
unserer Firma herrscht ein derart großer Arbeitsdruck, dass ich die
Anforderungen nicht mehr schaffe.
Frage: Wenn
Sie weg sind, wird sich dann an den Arbeitsbedingungen etwas ändern?
Antwort: Nein,
sicher nicht. Alles wird noch schlimmer werden.
Frage: Wie
wird Ihr Nachfolger diese Situation ohne Schaden bewältigen können?
Antwort: Er
wird sich viel weniger antun als ich.
Frage: Wenn
Sie wissen, dass es mit weniger Einsatz auch geht: Warum handeln Sie nicht so?
Antwort: Ich
kann nicht damit zufrieden sein, nur halbe Sachen zu machen.
Fazit: Wenn
Sie zu viel von sich selbst erwarten, müssen Sie Ihre Ansprüche herabsetzen,
gerade unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Deswegen versagen Sie nicht. Im
Gegenteil.
Sie sind für
die Bedingungen nicht verantwortlich, unter denen Sie arbeiten müssen. Sie
können nicht mehr und qualitativ hochwertigere Arbeit liefern, wenn die
Voraussetzungen dafür fehlen, wie etwa genügend Personal. Lassen Sie sich
beruflich nicht verheizen.
Legen Sie Überverantwortlichkeit ab – gesunder Egoismus statt Helfersyndrom
„Wenn wir Hilfe anbieten,
bleibt die Verantwortung beim anderen.“
G. B. Lundberg & J. S. Lundberg
Handeln Sie
verantwortungsbewusst, jedoch nicht überverantwortlich. Sie sind nicht für alles
und jeden verantwortlich. Es ist nicht Ihr Versagen, wenn andere ihre
Verantwortung nicht wahrnehmen oder Fehler begehen. Fühlen Sie sich nicht
schuldig, wenn andere Menschen ihren Verpflichtungen nicht gerecht werden. Auch
wenn Sie anderen Menschen helfen, müssen sich diese für Ihr Handeln selbst
verantworten.
Verantwortung ohne Überverantwortlichkeit – überwinden Sie latente Schuldgefühle
Übernehmen Sie gern
(insbesondere als Frau) die Verantwortung dafür, dass beruflich und privat alles
klappt? Fühlen Sie sich, als hätten Sie selbst versagt, wenn jemand anderer
einen Fehler macht? Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Aufgaben. Bleiben Sie bei
sich – nicht bei den anderen. Sorgen Sie sich nicht um den Verantwortungsbereich
anderer erwachsener Menschen. Grenzen Sie sich von den Aufgaben Ihrer
Mitmenschen ab. Geben Sie anderen die Chance, aus ihren eigenen Fehlern zu
lernen.
Sie sind als Mutter und Vater dafür verantwortlich, dass Kinder und Jugendliche
ein zumutbares Ausmaß an Verantwortung erlernen. Sie sind nicht dafür
verantwortlich, wenn Ihre Schützlinge Fehler machen, weil sie etwas erst lernen
müssen. Wir sind mündige Menschen, wenn wir selbständig denken, urteilen und
handeln. Fördern Sie als Elternteil die Eigenständigkeit Ihrer Kinder. Erziehen
Sie sie nicht systematisch zur Hilflosigkeit und Abhängigkeit von Ihnen.
Übernehmen Sie (besonders als Mann) in Ihrer Funktion als Abteilungsleiter oder
Firmenchef gern die Verantwortung für Ihre Mitarbeiter? Sollen ihre
Teammitglieder keine Fehler begehen, weil Sie dies wie Ihr persönliches Versagen
werten? Agieren Sie so, als ob Sie die Fehler Ihrer Untergebenen verhindern
müssten? Wenn Sie Ihren Mitarbeitern nichts zutrauen und in kritischen
Situationen am liebsten alles selbst erledigen, sind Sie erst recht für den
zunehmenden Misserfolg Ihrer Leute verantwortlich. Je weniger Verantwortung Sie
abgeben, desto passiver und unerfahrener werden Ihre Untergebenen. Während Sie
zu viel Verantwortung übernehmen, sind Ihre Mitarbeiter zu wenig gefordert.
Diese verlernen selbstständiges Arbeiten.
Erkennen Sie den gefährlichen Teufelskreis: Je mehr Sie sich als Retter
anbieten, umso mehr verlassen sich andere auf Sie. Wundern Sie sich nicht, warum
Sie immer wieder einspringen müssen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Die
anderen Menschen wälzen so ihr potenzielles Versagen auf Sie ab.
Fazit: Je mehr Hilfe Sie leisten, desto hilfloser verhalten sich die Menschen
rundherum. Lassen Sie die anderen ihre Verantwortung selbst tragen. Tun Sie
nichts, was die anderen selbst tun können. Ausnahme: Sie werden darum gebeten
oder haben es ausdrücklich vereinbart. Nur so entkommen Sie der
Verantwortungsfalle erfolgreich.
Seien Sie sich selbst am nächsten
Leben Sie nach dem biblischen
Spruch „Geben ist seliger als nehmen“? Umsorgen Sie andere gern? Wollen Sie
allen alles geben? Nehmen Sie nur schwer von anderen etwas an? Sind Sie süchtig
danach, dass andere Sie brauchen? Haben Sie ein Helfersyndrom: Opfern Sie sich
gern für andere auf? Was möchten Sie damit erreichen: Ihr schwaches
Selbstwertgefühl kräftigen?
Die Bibel sieht die Eigenliebe als gesunde Einstellung zu sich selbst. Die
Eigenliebe ist der Maßstab für die Nächstenliebe. Handeln Sie gern nach dem
biblischen Spruch: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“?
Beherzigen Sie lieber folgenden Spruch: „Wenn jeder an sich denkt, so ist an
jeden gedacht.“ Fazit: Sie sind dann am sozialsten, wenn Sie auch egoistisch
sind – und bei Bedarf von anderen etwas fordern!
Üben Sie dies gleich: Bitten Sie einige Menschen um Sie herum, Ihnen bei einer
Aufgabe zu helfen oder sich mehr Zeit für Sie zu nehmen. Lassen Sie sich bei
Aufgaben, die bislang nur Sie erledigt haben, vertreten. Sie können in der
gewonnenen Freizeit etwas für sich tun. Betrachten Sie Ihren Wunsch nach
Unterstützung als Ihr Recht. Ihr Wunsch stellt kein Versagen dar, dass Sie nicht
mehr so wie früher alles allein schaffen. Sprechen Sie offen aus, dass Sie
zukünftig mehr auf Ihre Interessen und Bedürfnisse achten werden.
Stellen Sie sich darauf ein: Die Menschen rund um Sie kommen anfangs vielleicht
mit Ihrem Kurswechsel nicht zurecht. Die Leute vermissen vielleicht die gute,
liebe und nette Person, von der jeder alles haben kann. Erkennen Sie: Sie waren
deshalb so beliebt, weil Sie alles getan haben, was andere wollten. Sie werden
bei Ihren Angehörigen und Bekannten nicht nur Applaus ernten, wenn Sie mehr an
sich selbst denken. Dafür bekommen Sie langfristig viel mehr Respekt.
Können Sie sich gut in Ihre Mitmenschen
einfühlen? Dann übersehen Sie Ihren eigenen Standpunkt besonders leicht. Oder
Sie unterschätzen ihn vor lauter Problemen ringsum. Nehmen Sie nicht ständig die
Sichtweise der anderen ein. Fordern Sie von anderen etwas, wo Sie nur an Ihre
Interessen denken. Warten Sie, bis die anderen ihre Bedürfnisse selbst
vertreten. Sie brauchen nicht schon vorher an die Wünsche der anderen zu denken.
Tun Sie mehr für sich selbst
Wie viel gönnen Sie sich
wirklich? Wenn Sie zu selbst-los sind, sind Sie Ihr Selbst bald los. Schauen Sie
auf sich, damit Sie nicht zu kurz kommen. Seien Sie liebevoll zu sich. Sagen Sie
öfter Ja zu sich selbst, zu Ihren Interessen und Bedürfnissen. Damit sagen Sie
leichter Nein zu anderen Menschen. Es geht nicht primär darum, dass Sie für
andere weniger tun. Vor allem sollen Sie mehr für sich selbst tun – alles andere
regelt sich von allein. Wenn Sie Zeit für sich reservieren, beschränken Sie
Ihren Einsatz für andere. Sie gelangen damit elegant vom kämpferischen und
Kräfte raubenden Nein-Sagen zum entschiedenen Ja-Sagen sich selbst gegenüber.
Wie wichtig ist Ihnen Ihre Identität mit Ecken und Kanten? Können Sie Ihren
Selbstwert losgelöst von anderen Menschen betrachten? Tun Sie etwas für sich
selbst, auch wenn andere ständig nach Ihrer Hilfe verlangen? Denken Sie daran,
brach liegende Fähigkeiten wie Malen oder Musizieren zu erweitern. Wenn Sie den
Bezug zu sich selbst verlieren, verändert sich Ihre Beziehung zu anderen
Menschen: Sie werden vom Helfer zum Bedürftigen. Ihre Angehörigen müssen sich um
Sie kümmern, damit Sie nicht ganz zusammenbrechen.
Bauen Sie Ihren Körper und Ihre Seele wieder auf, bevor Sie ausgelaugt sind von
Ihrer Fürsorge für andere. Machen Sie Ihr Selbstwertgefühl unabhängig von Ihrem
Einsatz für andere Menschen. Bestätigen Sie den Wert Ihrer Person durch
Erfahrungen, wo Sie sich selbst etwas Gutes tun. Gönnen Sie sich schöne Stunden,
wo Sie selbst im Mittelpunkt stehen. Bleiben Sie sich treu, indem Sie Ihre
Interessen verfolgen. Intensivieren Sie Ihre Kontakte zu anderen Menschen, ohne
Verpflichtungen. Genießen Sie Besuche bei Freunden, Theaterbesuche, Musik,
Ausflüge, Wellness, Sport, Sauna- oder Solariumbesuche. Sie tanken damit Kraft,
auch für andere.
Können Sie sich selbst eine
Liebeserklärung machen? Sagen Sie sich selbst, dass Sie es wert sind, Dinge nur
für sich zu unternehmen? Wenn Ihnen dies schwer fällt, sollten Sie unbedingt
positive Erfahrungen mit sich selbst sammeln. Was Sie als persönliche
Bereicherung erleben, werden Sie nicht mehr aufgeben.
Verbessern Sie Ihre sozialen Fertigkeiten – treten Sie kompetent auf
„Die Hölle, das sind die
anderen.“
Jean-Paul Sartre
Entwickeln Sie Ihre sozialen
Fertigkeiten, um vor anderen Menschen kompetenter aufzutreten. Es ist heute
zunehmend wichtig, sich selbst besser präsentieren und „verkaufen“ zu können.
Dazu sollten Sie Ihre Angst vor Blamage und Kritik überwinden. Angst hemmt nur
Ihre Spontaneität und Kreativität.
Treten Sie selbstsicher auf
Leidet Ihre Leistungsfähigkeit
unter Ihrer Angst vor sozialer Kritik? Wenn Sie Angst vor Kritik und Ablehnung
haben, kann Ihre Konzentration abnehmen. Dann sinken Ihre Leistungen erst recht.
Sie riskieren damit einen Misserfolg. Sie beschäftigen sich bei großer
Selbstunsicherheit ständig mit sich selbst. Sie denken an die möglichen
Reaktionen der anderen – und zu wenig an Ihre Aufgabe. Am besten tun Sie
einfach, was zu tun ist.
Sind Sie vor anderen Menschen oft so unsicher, dass Ihre fachlichen Fähigkeiten
nicht zur Geltung kommen? Wenn Sie nicht kompetent genug sind im Umgang mit
anderen Menschen, vermitteln Sie leicht einen schlechten Eindruck, trotz Ihres
vorhandenen fachlichen Wissens. Lernen Sie unbedingt, sich besser vor anderen
Menschen zu präsentieren. Wenn Sie sich bescheiden im Hintergrund halten, werden
Sie tatsächlich weniger beachtet als andere Menschen. Sie haben dann seltener
Erfolgserlebnisse als jene, die zwar fachlich weniger gut sind, sich jedoch
besser öffentlichkeitswirksam „verkaufen“ als Sie.
Selbstunsichere Leute erhalten oft einige der folgenden Tipps: Treten Sie
selbstbewusster auf als bisher. Machen Sie durch Ihr Verhalten auf sich
aufmerksam. Stellen Sie sich bewusst in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
anderer Menschen. Stehen Sie zu Ihrer Meinung. Äußern Sie notwendige Kritik.
Wagen Sie zu widersprechen. Stellen Sie berechtigte Forderungen. Schlagen Sie
überzogene Bitten ab. Sagen Sie Nein zu allem, was gegen Ihre Interessen ist.
Tolerieren Sie öffentliche Beachtung. Schauen Sie anderen direkt in die Augen.
Nehmen Sie eine selbstsichere Körperhaltung ein.
Doch Wissen, Wollen und Ratschläge allein sind unzureichend, um Ihr Verhalten zu
ändern. Trainieren Sie systematisch Ihre sozialen Fertigkeiten im Umgang mit
anderen Menschen. Damit werden Sie Auftritte in der Öffentlichkeit erfolgreich
meistern. Ein Training wirkt nur, wenn Sie dabei auch lernen, Ihre ungewohnten
Gefühle auszuhalten.
Ihre Angst, vor anderen zu versagen, von der Umwelt nicht anerkannt zu werden,
hat großen Einfluss auf Sie. Versagensangst macht Sie von Ihren Mitmenschen
abhängig. Angst, die Sie schwächt, gibt den anderen Menschen Macht über Sie.
Lähmende Angst führt zu einer Einbahn-Kommunikation: Die anderen bestimmen Ihr
Verhalten. Wenn Sie Ihre Ängste bewältigen, können Sie umgekehrt auf andere
einwirken: Sie können Ihre soziale Umwelt in Ihrem Sinn verändern.
Halten Sie sich nicht für den selbstsicheren Typ, der sich anderen gegenüber
durchsetzt? Ändern Sie Ihre Sichtweise. Jedes Mal, wenn Sie Ihre Anliegen
hartnäckig vorbringen, entwickeln Sie ein bisschen mehr Selbstbewusstsein.
Überwinden Sie Ihre Sprech- und Auftrittsängste
Fürchten Sie sich vor Blamage
bei beruflichen Präsentationen oder privaten Auftritten? Die folgenden Tipps
können Ihnen darüber hinweg helfen:
·
Verabschieden Sie vom Motto „Reden und
Präsentieren muss einem liegen.“ Wenn Sie dafür eine angeborene Begabung
voraussetzen, bleiben Sie gegenüber anderen, die in kleinen Schritten beständig
dazuzulernen bereit sind, stets im Hintertreffen.
·
Üben Sie Vorträge und freie Reden
vorher vor wohlwollenden Menschen. Halten Sie Ihre Referate und Probeauftritte
auf Tonband oder Video fest. Verbessern Sie Ihre Präsentation durch die
gewonnenen Erkenntnisse. Spielen Sie neue oder gefürchtete Situationen mental
durch. Damit erwerben Sie ein breiteres Verhaltensrepertoire und gewinnen mehr
Sicherheit.
·
Stellen Sie sich bewusst in den
Mittelpunkt der Aufmerksamkeit anderer Menschen. Suchen Sie Gelegenheiten auf,
wo Sie ein wenig auffallen können, um sich daran zu gewöhnen.
·
Bereiten Sie den Text eines Vortrags
nur in Stichworten vor. Lernen Sie ihn nicht auswendig. Sie ermüden sonst Ihr
Publikum. Sie beeindrucken Ihre Zuhörer, wenn Sie gut vorbereitet sind und
trotzdem spontan bleiben. Ein verständlicher Text, den man als Artikel in Ruhe
liest, ist noch keine mitreißende Rede. Gerade weil Sie manchmal nach den
richtigen Worten ringen, kommen Sie durch die Echtheit Ihrer Person dem Publikum
näher. Lesen Sie Ihr Manuskript nicht ohne innere Beteiligung vom Blatt vor, wie
das mancher Professor tut.
·
Befreien Sie sich von Ihrem
perfektionistischen Anspruch, dass Sie alles genau so vortragen wie vorbereitet.
Wenn Sie durcheinander geraten, bedenken Sie: Ihre Zuhörer kennen Ihren Text
nicht und vermissen daher nichts. Wenn Sie etwas Wichtiges vergessen haben,
holen Sie dies später an anderer Stelle nach. Ihre persönliche Wirkung erhöhen
Sie auch, wenn Sie sich in Ihrer persönlichen Sprache ausdrücken, statt nach der
Schrift zu sprechen.
·
Nehmen Sie sich vor einem Publikum
jenen Raum, den Sie brauchen, um frei und souverän aufzutreten. Lassen Sie sich
nicht durch einen vorgegebenen Rahmen einengen. Spüren Sie Ihre Person und Ihren
Körper bewusst mit allen Sinnen. Stehen Sie sicher auf dem Boden und ruhen Sie
in sich. Atmen Sie langsam aus und ein, bevor Sie zu sprechen beginnen. Spüren
Sie die Energie, die Sie mit jedem Atemzug aufnehmen. Überblicken Sie mit Ihren
Augen den ganzen Raum und alle Zuhörer. Auf diese Weise erlangen Sie Kontrolle
über die Situation. Sprechen Sie Ihre ersten Worte bewusst in der Absicht, damit
den Raum zu füllen. Verbreiten Sie die Schallwellen und den Klang Ihrer Stimme
bis in die letzten Winkel des Raumes. Werden Sie sich bewusst, dass Sie etwas zu
sagen haben!
·
Reden Sie bei Sprechängsten bewusst
langsamer und im Rhythmus Ihrer Ausatmung. Bei Redeängsten neigen Sie dazu,
rascher zu atmen und schneller zu sprechen als sonst. Sie möchten Sie Ihren
Auftritt schneller hinter sich bringen. Atmen Sie vollständig aus, bevor Sie
nach Sätzen oder Satzteilen weiterreden. Wenn Sie Angst haben, neigen Sie dazu,
übermäßig einzuatmen. Das verstärkt Ihre innere Anspannung, wenn wir Sie sich
nicht gleichzeitig bewegen. Zeigen Sie Mut zu kurzen Verschnaufpausen. Zuhörer
erleben Sprechpausen bis zu sieben Sekunden als normal. Redner erleben diesen
Zeitraum als länger oder zu lange.
·
Beobachten Sie sich bei einem Vortrag
nicht zu viel. Denken Sie nicht ständig über die möglichen Reaktionen der
anderen nach. Wenden Sie sich bewusst Ihren Zuhörern zu, indem Sie diese etwas
fragen. Führen Sie einen Dialog mit Ihrem Publikum. Ein solches Gespräch lenkt
Sie von Ihrer ängstlichen Selbstbeobachtung und Ihren grüblerischen Gedanken ab.
Schlusswort
„Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden; es ist nicht genug zu
wollen, man muss es auch tun.“
Johann Wolfgang von Goethe
Dieses Buch möchte Ihnen helfen, Ihre Versagensängste in Ausbildung, Beruf und zwischenmenschlichen Beziehungen zu erkennen. Es möchte Sie bei der Umsetzung Ihres Wissens in tatkräftiges Handeln unterstützen.
Unser individuelles Bemühen um Erfolg hat jedoch neben unseren eigenen Einschränkungen auch noch andere Grenzen: die vorgegebenen Leistungsideale unserer Gesellschaft, die keine Schwäche erlauben. Unsere Angst zu versagen kann leichter als früher in die Erfahrung des realen Scheiterns übergehen. Unser Marktwert wird ausschließlich nach unserer Leistung bestimmt. Das Ideal einer humanen Gesellschaft wird in einer Zeit des zunehmenden Leistungsstresses immer mehr gefährdet.
In der Sozial- und Wirtschaftspolitik kommt es zukünftig darauf an, die Prioritäten so zu setzen, dass der Mensch nicht wie eine Maschine behandelt wird: Wenn diese nicht mehr so gut funktioniert wie früher, wird sie einfach ersetzt und entsorgt. Davor haben alle Menschen Angst, vom Manager bis zum Hilfsarbeiter.
Es geht in der heutigen leistungsorientierten Gesellschaft zunehmend darum, wie sehr wir unsere Würde bewahren, wie sehr wir uns vor uns selbst und anderen als liebenswerter Mensch und wertvoller Teil der Gesellschaft erleben. Wir sollten den Wert unseres Menschseins nicht auf unsere körperliche und geistig-seelische Leistungsfähigkeit reduzieren.
Der gesellschaftliche Druck zu funktionieren wird häufig durch persönlichen Druck und krankhaften Ehrgeiz, auf keinen Fall zu versagen, verschärft. Wir sind aufgefordert, eine persönliche Werteordnung zu entwickeln, in der neben der persönlichen Leistungsfähigkeit auch andere Ideale Platz haben, die das Leben sinnvoll und erfüllend machen.
Wenn Ihnen dieses Buch dabei hilft, Ihre Einstellungen und Verhaltensweisen so
zu verändern, dass Sie in unserer Leistungsgesellschaft besser bestehen können,
hat es seinen Zweck erfüllt.
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Kurzfassungen der wichtigsten Schritte dieses Buches habe in verschiedenen Medien veröffentlicht.
Der folgende Artikel ist 2015 in der österreichischen Zeitschrift "Kopfsache" erschienen
Die Angst zu versagen und wie man sie besiegt. In zehn Schritten zum Erfolg
Ängste sollen uns mobilisieren, mögliche Bedrohungen in der Zukunft erfolgreich abzuwenden. Im negativen Fall können uns Ängste so stark blockieren, dass wir handlungsunfähig werden, wie dies häufig bei Leistungs-, Versagens- und Prüfungsängsten der Fall ist. Hinter jeder Angst steht letztlich ein Wunsch, nämlich dass das Gefürchtete nicht eintritt. Starke Versagensängste spiegeln in diesem Sinn das Bedürfnis nach Erfolg wider. Mein Buch „Die Angst zu versagen und wie man sie besiegt“ bietet ein Selbsthilfe-Programm zum erfolgreichen Handeln in zwanzig Schritten an. Im Folgenden werden kurz und bündig zehn Schritte als zentrale Stufen auf dem Weg zum Erfolg beschrieben. Überprüfen Sie, welche der zehn Schritte für Sie selbstverständlich sind und Sie daher in Ihrem Tun bestärken, und welche Ihnen helfen könnten, Ihr Handeln zu optimieren.
Schritt 1: Wollen statt Müssen – motivieren Sie sich durch attraktive Ziele
Der Weg zum Erfolg fällt Ihnen leichter, wenn Sie eine starke Triebfeder für Ihr Handeln entwickeln, eine sogenannte „Zug-Motivation“ („Ich will etwas ganz Bestimmtes erreichen, weil es mir wichtig ist“, „Ich freue mich darauf, meinen Traum verwirklichen zu können“), statt einer „Druck-Motivation“ („Ich muss das machen“, „Ich sollte endlich etwas tun, um negative Folgen zu vermeiden“). Die Angst zu versagen kann man als unangenehme Druck-Motivation verstehen, die mit Unlust verbunden ist. Ziele, die anziehend wirken, erhöhen Ihre Neugierde, Freude und Einsatzbereitschaft – auch Ihre Belastbarkeit, um das Angestrebte trotz vorübergehender Schwierigkeiten verwirklichen zu können. Motivieren Sie sich vor allem durch Ihre inneren Werte. Treffen Sie die Entscheidung, das zu tun, was Ihnen wichtig ist, unabhängig von Ihrer momentanen körperlichen und seelischen Befindlichkeit. Wenn Sie sich gedanklich richtig gepolt haben und ausreichend wissen, was Sie wirklich wollen, werden Ihre Gefühle und körperlichen Empfindungen später nachziehen. Welche Ziele möchten Sie aus welchem Grund unbedingt erreichen?
Schritt 2: Ausrichtung auf Erfolg statt Vermeidung von Misserfolg – maximieren Sie die Erfolgswahrscheinlichkeit
In Leistungssituationen pendeln wir zwischen den Polen „Hoffnung auf Erfolg“ und „Furcht vor Misserfolg“ hin und her. Unternehmen Sie alles nur Mögliche, um den gewünschten Erfolg zu erreichen und zu optimieren, statt das Restrisiko minimieren zu wollen. Ein minimales Restrisiko können Sie trotz der größten Perfektion niemals ausschließen. Kämpfen Sie immer für etwas und nicht gegen etwas. Wenn Sie etwas verhindern wollen, haben Sie noch immer nicht das erreicht, was Sie anstreben. Wenn Sie keinen Fehler machen und nicht scheitern, sind Sie noch immer nicht maximal erfolgreich. Die Angst zu versagen wird Sie auf Dauer nicht ausreichend zu Höchstleistungen motivieren. Angst kann Sie zwingen, etwas zu tun. Aber nur zugkräftige Ziele werden Sie zu bestmöglichen Leistungen anspornen. Das Unbewusste kennt keine Verneinung. Formulieren Sie Ihre Ziele positiv – in dem Sinn, dass das Gute mehr und nicht einfach das Schlechte nur weniger werden soll. Sich selbst erfüllende Prophezeiungen veranschaulichen anhand der Folgen, wie sehr es darauf ankommt, das Gute zu erwarten und anzustreben, statt ständig das Negative zu fürchten und vermeiden zu wollen.
Schritt 3: Realisierung erreichbarer Ziele statt Scheitern an unrealistischen Ansprüchen – streben Sie den Erfolg Schritt für Schritt an
Entwickeln Sie Träume vom erfolgreichen Leben und arbeiten Sie entschlossen an deren Umsetzung. Setzen Sie sich durchaus große Ziele, zerlegen Sie diese aber in überprüfbare und erreichbare Teilziele. Je realistischer, klarer und konkreter Sie Ihre Ziele formulieren können, desto motivierter und energiegeladener werden Sie an alle Aufgabenstellungen herangehen. Verwirklichen Sie Ihre Ziele mithilfe eines detaillierten Stufenplans. Finden Sie Ziele, die zu Ihnen passen und die im Rahmen Ihrer Möglichkeiten realisierbar sind. Erfolge können Sie nur feiern, wenn Sie sich vorher grundsätzlich erreichbare Ziele gesetzt haben, die Sie schließlich durch Ihren Einsatz verwirklichen. Es gilt das Motto: Nichts macht so erfolgreich wie der Erfolg.
Schritt 4: Visualisierung von Erfolg statt Horrorfantasien – trainieren Sie mental wie Spitzensportler
Formulieren Sie Ihre Ziele nicht nur verbal positiv, sondern machen Sie sich auch sehr lebhafte Bilder von Ihren Zielen und deren Umsetzung. Erfolge entstehen zuerst im Kopf. Sie können an Ihren Erfolg umso mehr glauben, je mehr Sie ihn bereits in Ihrer Vorstellung ganz konkret vorwegnehmen, indem Sie ihn mental durchleben. Was Sie sich nicht einmal vorstellen können, werden Sie auch nur schwer erreichen. Ein Bild des Erfolgs hilft Ihnen oft mehr als tausend Worte mit guten Vorsätzen. Mentales Training ist quasi ein Handeln auf Probe im Geist. Stellen Sie sich dabei alle möglichen Szenarien vor, auch Problemsituationen, um dann in der Realität möglichst erfolgreich damit zurechtkommen zu können.
Schritt 5: Konzentration auf die Gegenwart statt Abschweifen in die Zukunft oder in die Vergangenheit – geben Sie jeden Augenblick Ihr Bestes
Bleiben Sie ganz im Hier und Jetzt, im gegenwärtigen Augenblick, während Sie Ihre Leistung erbringen. Konzentrieren Sie sich ganz auf das, was Sie gerade tun. Ihre Aufmerksamkeit auf das aktuelle Handeln wird beeinträchtigt, wenn Sie an etwas anderes denken: sei es ein soeben begangener kleiner Fehler oder eine zukünftige Hürde. Wenn Sie in Leistungssituationen unter Konzentrationsstörungen leiden, denken Sie an zu vieles zu gleich, statt voll und ganz die jeweilige Aufgabe im Blick zu haben. Menschen mit Versagensängsten denken zu viel an vergangene oder zukünftig mögliche Fehler. Erfolgreich handeln können Sie nur in der Gegenwart. Nutzen Sie maximal alle Chancen von Moment zu Moment. Die Vergangenheit ist schon vorbei, Sie können nichts mehr ändern, was bereits geschehen ist; die Zukunft ist noch nicht da, Sie können sie jetzt noch nicht gestalten. Machen Sie sich bewusst: Frühere Erfahrungen und zukünftig mögliche Probleme haben Sie bereits vor der Entscheidung zum Handeln ausgewertet und bedacht; während der Leistungserbringung geht es darum, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Schritt 6: Fokussierung auf die Aufgabe statt auf die soziale Umwelt – konzentrieren Sie sich trotz Kritikangst ganz auf Ihre Aufgabe
Bleiben Sie auch dann ganz im Tun und Erleben, wenn Sie unter Beobachtung stehen. Sobald Sie sich unangenehm beobachtet fühlen und sich mit möglicher Kritik vonseiten der anderen zu beschäftigen beginnen, fangen Sie an, sich zu sehr zu beobachten, statt weiterhin im Fluss des Handlungsablaufs zu bleiben. Achten Sie in Leistungssituationen weder auf jene, die Sie beobachten, noch auf jene, mit denen Sie im Wettbewerb stehen. Kontrollieren Sie in Präsentationssituationen auch nicht ständig Ihren Körper nach Symptomen, die andere wahrnehmen könnten. Ruhen Sie während der Leistungserbringung ganz in sich und stehen Sie nicht ständig neben sich.
Schritt 7: Aufbauende Selbstgespräche statt ständiger Selbstkritik – coachen Sie sich selbst durch positive Selbstinstruktionen
Begleiten Sie Ihr Handeln durch inneres Sprechen und verwenden Sie bestimmte Selbstinstruktionen. So können Sie sich einerseits besser auf Ihre Aufgabe konzentrieren und sich andererseits selbst coachen. Reden Sie so mit sich, wie Sie eine andere Person aufbauend und ermutigend coachen würden. Spornen Sie sich durch innere Dialoge an, als wären Sie Ihr eigener Trainier. Programmieren Sie sich dabei auf den Erfolg hin. Menschen, die mit sich selbst reden, sind leistungsfähiger als jene, die dies nicht tun. Nutzen Sie dabei auch bestimmte hilfreiche Affirmationen, wie etwa „“Ich schaffe das“ oder „Ich will das, denn ich kann das“. Vergegenwärtigen Sie sich Ihre Stärken und bisherigen Erfolgserlebnisse, wenn Sie unsicher und verzagt werden. Ihre Angst zu versagen lässt nach, sobald Sie sich bewusst werden, was Sie in Ihrem Leben bereits geschafft haben. Sagen Sie sich etwa: „Ich habe eine ähnliche Aufgabe schon früher geschafft, es wird mir auch heute gelingen.“
Schritt 8: Gezieltes Lern- und Trainingsprogramm statt Handeln nach Lust und Laune – üben Sie regelmäßig zur Optimierung Ihrer Leistungsfähigkeit
Selbst bei hohem Talent ergeben sich Spitzenleistungen oft erst nach mühseligen und langwierigen Übungsphasen. Regelmäßiges Üben führt zu Routine und immer besseren Leistungen. Bei Routine läuft alles wie von allein; Sie müssen beim Tun nicht ständig mitdenken. Bewusstes Mitdenken ist oft nur vorübergehend erforderlich, wenn Sie neue Verhaltensweisen eintrainieren oder schädliche Gewohnheiten loswerden wollen. Verschieben Sie Ihr Training oder anstehende Aufgaben gern? Die einfachste Gegenstrategie ist ein Lern- und Übungsplan, den Sie unabhängig von Ihrer körperlichen und seelischen Befindlichkeit einhalten. Gestehen Sie sich ein: Ihr Interesse an einer Sache entsteht häufig erst durch regelmäßige Beschäftigung damit – eben in Form eines Trainingsplans.
Schritt 9: Akzeptanz statt Verdrängen von Versagensangst – machen Sie die Angst zu Ihrem weisen Begleiter
Die Angst zu versagen ist nur ein Gedanke, nur ein Bild, nur ein innerer Film. Es handelt sich dabei nicht um die Wirklichkeit, sondern nur um Ihre Fantasien. Wenn Sie Ihre Vorstellungen mit der Wirklichkeit gleichsetzen, kämpfen Sie bereits gegen ein gefürchtetes Versagen, statt sich ganz auf den möglichen Erfolg zu konzentrieren. Es ist kein sinnvolles Ziel, keine Angst mehr zu haben. Es geht vielmehr darum, trotz Angst das zu tun, was Ihnen wichtig ist. Mutig sein bedeutet, mit etwas Angst das tun, was Sie erfolgreich macht, auch wenn Ihnen der Gedanke an das Scheitern unterkommt. Verzichten Sie in Leistungssituationen auf Alkohol und Beruhigungsmittel als Angstdämpfer. Diese Mittel schränken nicht nur Ihre maximale Leistungsfähigkeit ein, sondern unterdrücken auch Ihre Angst genau dann, wenn Sie sie als Ihren weisen Begleiter brauchen könnten, um nicht übermütig und tollkühn zu werden.
Schritt 10: Etablierung von Erholungsphasen statt Verharren im Dauerstress – nutzen Sie Regeneration gezielt für maximale Leistungsfähigkeit
Erfolg ist harte Arbeit. Um durchzuhalten, brauchen Sie auch Erholungspausen. Achten Sie auf die richtige Balance von maximaler Leistung und optimaler Regeneration, von Energieverbrauch und Energieerneuerung. Stress macht nur dann krank, wenn Sie ihn nicht mehr kontrollieren können und wenn Sie Ihr Regenationsbedürfnis missachten. Was sind Ihre Energiequellen? Wie können Sie sich am besten auftanken, um wieder voll leistungsfähig zu sein?
Der folgende Artikel wurde für daz Deutsche Angst-Zeitschrift verfasst: www.daz-zeitschrift.de. Dies ist das Organ der MASH (Münchner Angst-Selbsthilfe) und DASH (Deutsche Angst-Selbsthilfe): www.angstselbsthilfe.de.
Die Angst zu versagen. Leistungsängste erfolgreich bewältigen
Angststörungen, vor allem Panikstörungen und soziale Phobien, hängen oft mit der Angst zu versagen zusammen. Dieser Artikel beruht auf meinem Buch „Die Angst zu versagen und wie man sie besiegt“, das alle möglichen Leistungs- und Versagensängste beschreibt und 20 Tipps im Umgang damit bietet.
Versagensängste als zentrales Thema unserer Leistungsgesellschaft
Haben Sie Angst, nicht das zu leisten, was von Ihnen verlangt wird? Den Erwartungen anderer nicht zu entsprechen? Die Angst, nicht gut genug zu sein, zeigt sich auf der Sachebene als Angst zu versagen und auf der Beziehungsebene als Angst, von den anderen abgelehnt zu werden. Die Angst zu versagen ist zu einem Grundgefühl unserer Zeit geworden. Wir leben heute in einer Leistungsgesellschaft. Erfolg und ständige Leistungsfähigkeit in jedem erdenklichen Bereich unseres Lebens zählen zu den wichtigsten Werten und Zielen. Ständig sollen wir gesellschaftlich vermittelten Leistungsansprüchen genügen. Jeder von uns hat diese im Laufe der familiären und außerfamiliären Sozialisation in spezieller Weise kennen gelernt und dann persönlich ausgestaltet.
In der heutigen Lebens- und Arbeitsmarktsituation werden die Ängste immer größer, zu wenig zu leisten oder völlig zu versagen. Versagensängste führen bei vielen Menschen zu Horrorvisionen. Wer die Leistungserwartungen im Beruf und im Privatleben nicht erfüllen kann, gilt als Versager, ist „out“ und wird ausgetauscht – als Arbeitnehmer ebenso wie als Partner. Wer dem gesellschaftlichen Leistungsdruck nicht entspricht, verliert an Sozialprestige und wird zum Außenseiter. Dies gilt sogar für unsere Freizeit: Wir beurteilen Hobbys, Sport, Urlaub, Kleidung und Sexualität danach, ob wir Leistungsstandards erfüllen oder nicht.
In unserer leistungsorientierten Gesellschaft zählen oft nur Werte wie Erfolg, Sieg, Karriere, Durchbruch, Prestige, Gewinn, Produktivität, Umsatzsteigerung – für das Gegenteil davon ist kein Platz. Worte wie scheitern, verlieren, schief gehen, Fehler, Versagen, Misserfolg, Niederlage, Schwäche, Unterlegenheit, Karriereknick, sozialer Absturz machen Angst, weil die angesprochene Realität Angst erzeugt.
Angst und Leistung – auf die Dosis kommt es an
Leistungs- und Versägensängste sind völlig normal. Unsere Ängste drücken aus, was uns wichtig ist: Erfolg und Anerkennung durch andere Menschen. Je wichtiger uns etwas ist, umso mehr Angst haben wir, es zu verlieren.
Angst in Leistungs- und Prüfungssituationen kann das Erbringen von Leistung fördern oder erschweren. Bei einem mittleren Ausmaß an Angst verstärken wir unsere Anstrengungen. Unsere Konzentration erhöht sich in Situationen, in denen wir etwas leisten. Ein dosiertes Angstausmaß steigert unsere Aufmerksamkeit, unsere Wachheit, die Bereitschaft, intellektuell und motorisch etwas zu bewerkstelligen. Übermäßige Ängste hingegen beeinträchtigen unser Denken, wir können uns schlechter konzentrieren. Das kann so weit gehen, dass wir durch Angst in unseren Fähigkeiten total blockiert sind. Der Zusammenhang zwischen Angst und Leistung entspricht einer Kurve. Zu wenig Angst und Erregung macht sorglos, der Antrieb fehlt. Zu viel Angst und Erregung lässt uns ungeschickt und gehemmt werden, wir fühlen uns gelähmt und geistig blockiert. Ein mittleres Angstausmaß – die angemessene und optimale Prüfungsangst – motiviert und aktiviert uns hingegen zu Höchstleistungen.
Unsere Motivation ist oft, besser zu sein als andere. Wir wollen im sozialen Vergleich günstiger abschneiden. Wir möchten uns aufgrund von Karriere, Geld, Sozialstatus, Lebensstil und Wissen von anderen abheben. Wir haben Angst, nicht dieselben schulischen Leistungen, beruflichen Ziele und Einkommensverhältnisse wie andere erreichen zu können. Die Angst, schlechter dazustehen als unsere Mitmenschen, mobilisiert uns zu Spitzenleistungen. Viele Menschen mit Versagensängsten haben ein hohes Bedürfnis nach Perfektion, das sie zur Höchstform auflaufen lässt. Damit erreichen sie einmalige Leistungen, die von allen bewundert werden.
Versagen und Selbstabwertung – wenn Angst lähmt
Leistungs- und Versagensängste sind dann zerstörerisch, wenn sie unbegründet, zu stark ausgeprägt sind und zu lange andauern. Betroffene sehen sich außerstande, diese Ängste zu bewältigen. Sie erwarten ständig zu versagen und möchten am liebsten jede Herausforderung vermeiden. Destruktive Versagensängste verursachen großes Leiden und vermindern die Lebensqualität. Menschen mit destruktiven Versagensängsten schaffen oft tatsächlich ihre schulischen, beruflichen oder sozialen Aufgaben nicht – und haben dann erst recht wieder einen Grund für ihre Angst zu versagen. Schlimm sind oft nicht die Fehler und Misserfolge an sich, sondern die Einstellung dazu: Wenn wir einen Fehler als schweres Versagen werten anstatt als Chance, daraus etwas zu lernen.
Denken Sie an das Problem oder an dessen Lösung? Erfolgsorientierte und erfolgreiche Menschen lernen aus ihren Fehlern, bei Problemen denken sie an Lösungsmöglichkeiten. Auf Misserfolg orientierte und oft erfolglose Personen werten Erlebnisse, bei denen sie versagt haben, als Beweise für ihre Unfähigkeit. Sie machen sich ständig Selbstvorwürfe, nehmen sich die Vorwürfe anderer zu Herzen. Sie beschäftigen sich angesichts von Schwierigkeiten vor allem mit den Folgen des erwarteten Versagens. Während Erfolgsorientierte ihre Fehler schnell vergessen, beschäftigen sich Misserfolgsorientierte ständig auf destruktive Weise mit ihren Fehlern. Kurz gesagt: Erfolgsorientierte suchen nach einer Lösung, Misserfolgsorientierte denken an das Problem und ihr Versagen dabei.
Versagensängste setzen eine Negativspirale in Gang, aus der ein Entrinnen oft nur schwer möglich ist. Anfängliche Fehler verstärken die Angst zu versagen. Die Betroffenen strengen sich in der Folge noch mehr an, überfordern sich, machen weitere Fehler und sehen sich als Versager bestätigt. Die eigene Prophezeiung erfüllt sich: Jede neue Aufgabenstellung macht die eigene Unfähigkeit für alle sichtbar. Die Betroffenen erleben Versagensängste und reales Versagen umso negativer, je mehr bereits in früherer Zeit der Selbstwert und die soziale Anerkennung ausschließlich auf der persönlichen Leistungsfähigkeit beruht haben.
Versagensängstliche Menschen kritisieren sich selbst am schärfsten. Sie engen ihr ganzes Denken, Gefühlsleben und Verhalten zunehmend auf ihre Angst zu scheitern ein. Sie werden hektisch, manchmal aggressiv und vermeiden notwendige Aktivitäten. Sie verlieren die Lebensfreude, können nicht mehr schlafen, bekommen psychosomatische Beschwerden und neigen zu Alkohol- und Medikamentenmissbrauch. Die drei häufigsten psychischen Störungen (Depressionen, Angststörungen, Alkoholprobleme) sowie einige andere psychische Erkrankungen haben oft eine gemeinsame Grundlage: das Gefühl, die Überzeugung oder die Erfahrung zu versagen, versagt zu haben und immer wieder zu versagen.
Bei beruflich erfolgreichen Menschen mit Angststörungen verlaufen die Symptome häufig nach dem Muster: Sozialphobie – Panikattacken – Erschöpfungsdepression. Der Behandlungsanlass sind oft Panikattacken. Wenn die Betroffenen ein solches Zeichen für eine Überlastungsreaktion ignorieren, kann sich eine Erschöpfungsdepression entwickeln. Häufig bildet eine Sozialphobie den Hintergrund der Überlastungsreaktion: Die Betroffenen möchten alles erstklassig machen, aus dem Bedürfnis heraus, durch Leistung anerkannt und im eigenen Selbstwertgefühl bestätigt zu werden. Dies führt zu Überforderung und verstärkt durch die überhöhten Ansprüche an sich selbst jenen Stress, der durch die schulischen, beruflichen und familiären Umstände ohnehin gegeben ist.
Ursachen und Folgen von Versagensängsten
Es ist im Einzelfall wichtig zu verstehen, wie sich Versagensängste entwickeln und negativ auf das Leben auswirken. Die Ursachen für Versagensängste sind vielfältig:
Wir haben ein zu geringes Selbstwertgefühl und stellen oft gerade dann überhöhte Ansprüche an uns selbst, um nicht schwach zu wirken.
Wir sehnen uns nach Anerkennung und möchten alles tun, um von anderen nicht abgelehnt zu werden.
Wir wurden von Kindheit an überfordert und einseitig an unseren Leistungen gemessen.
Wir haben zu große Angst vor einem Misserfolg und werden dadurch bei vielen Aufgabenstellungen angespannter als nötig.
Wir neigen zu erhöhter Selbstbeobachtung in Leistungssituationen und verlieren dadurch unsere Spontaneität.
Wir lassen uns vom zunehmenden Stress am Arbeitsplatz fertig machen.
Die Folgen von Versagensängsten machen alles noch schlimmer:
Wir neigen zur „Schieberitis“: Aufschieben, Vermeiden und Ablenken von zentralen Aufgaben dienen uns zur kurzfristigen Druckentlastung.
Wir flüchten in einen Perfektionismus zur Fehlervermeidung und streben dadurch eine Scheinsicherheit an, setzen uns dadurch jedoch selbst einem erhöhten Leistungsdruck aus.
Wir neigen zum Missbrauch von Alkohol und Medikamenten zur kurzfristigen Erleichterung.
Wir bekommen Angststörungen, Depressionen, Burn-out und psychosomatische Störungen.
Dieser Artikel möchte Mut machen: Die Angst zu versagen lässt sich zwar nicht ganz beseitigen, jedoch wirkungsvoll bewältigen. Je nach Person und Situation können unterschiedliche Ratschläge hilfreich sein.
20 Tipps zur Bewältigung von Versagensängsten
Tipp 1: Motivieren Sie sich durch attraktive Ziele und lassen Sie sich nicht erst durch äußere Notwendigkeit anspornen. Das Motto lautet: Wollen statt müssen.
Der Erfolg gelingt Ihnen leichter, wenn Sie etwas tun wollen – statt es tun zu müssen. Sie erreichen mehr, wenn Sie eine starke Triebfeder für Ihr Tun haben. Entwickeln Sie eine Zug-Motivation („Ich will etwas verwirklichen“, „Ich freue mich darauf, dieses Ziel zu erreichen“) anstatt einer Druck-Motivation („Ich muss eine Sache angehen“, „Ich sollte endlich etwas tun, damit nicht alles noch schlimmer wird“).
Tipp 2: Streben Sie nach Erfolg und nicht so sehr nach der Vermeidung von Misserfolg. Das Motto lautet: Maximierung der Erfolgswahrscheinlichkeit statt Minimierung der Misserfolgswahrscheinlichkeit.
In Leistungssituationen unterscheiden sich Menschen dadurch, ob sie getragen sind von der Hoffnung auf Erfolg, den sie erreichen wollen, oder von der Furcht vor Misserfolg, den sie vermeiden möchten. Bemühen Sie sich weniger darum, Misserfolge zu verhindern, denn Scheitern ist immer möglich, sondern konzentrieren Sie sich vielmehr darauf, die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zu erhöhen.
Tipp 3: Formulieren Sie Ihre Ziele positiv und setzen Sie sich keine negativ formulierten Ziele, bei denen es nur darum geht, einen Misserfolg zu vermeiden. Das Motto lautet: Kampf für etwas statt gegen etwas.
Das Unbewusste kennt keine Verneinung. Etwas nicht zu wollen, z.B. keinen Fehler zu machen, stellt dies erst recht in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Machen Sie sich klar: Sie möchten etwas erreichen. Anstrebungsziele sind positiv formuliert; sie gewinnen dadurch ihre Anziehungskraft. Verzichten Sie auf negativ formulierte Ziele. Es geht nicht primär darum, etwas zu vermeiden. Vermeidungsziele sollen Sie nur vor einem unangenehmen Zustand bewahren; sie helfen Ihnen nicht, einen erwünschten Zustand zu verwirklichen.
Tipp 4: Setzen Sie sich realistische, erreichbare Ziele und provozieren Sie nicht Ihr Versagen durch unrealistische Ziele. Das Motto lautet: Den Erfolg in Teilschritten anstreben.
Verzichten Sie auf unerreichbare Ideale, die Sie von Anfang an nur entmutigen. Halten Sie durchaus an hohen, prinzipiell erreichbaren Endzielen fest, setzen Sie sich jedoch klare und vernünftige Zwischen- bzw. Teilziele. Sind Ihre Teil- und Endziele konkret formuliert, können Sie später den Erfolg oder Misserfolg auch überprüfen, ohne sich selbst zu täuschen.
Tipp 5: Visualisieren Sie den Erfolg und produzieren Sie keine abschreckenden Horrorvisionen. Das Motto lautet: Mentales Training wie im Spitzensport.
Nutzen Sie die Kraft Ihrer Vorstellungen. Dieselbe „Einbildung“, die Ihre Versagensängste produziert, hilft Ihnen auch, sich erfolgreiche Lösungswege auszumalen. Sie glauben mit Hilfe positiver Bilder stärker an Ihren Erfolg. Stellen Sie sich genau vor, was Sie erreichen möchten. Lenken Sie so Ihre Zukunftsvorstellungen in die gewünschte Richtung. Sie werden an den Erfolg Ihrer Bemühungen umso eher glauben, je mehr Sie ihn in Ihrer Vorstellung bereits vorweggenommen haben. Was Sie sich nicht einmal vorstellen können, können Sie nur schwer tun. Beim mentalen Training handeln wir geistig „auf Probe“: Wir spielen Situationen und unser Verhalten gedanklich Schritt für Schritt durch. So können wir Möglichkeiten entwickeln, neue Situationen erfolgreich zu bewältigen.
Tipp 6: Bleiben Sie in Leistungssituationen im Hier und im Jetzt und verzichten Sie auf negative Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft. Das Motto lautet: Tu’, was genau jetzt zu tun ist.
Konzentration ist eine Einengung der Aufmerksamkeit auf die unmittelbare Gegenwart. Konzentrieren Sie sich ganz auf das, was Sie gerade jetzt tun. Sie leben dann ganz für den Augenblick. Beschäftigen sich aufmerksam mit der aktuellen Aufgabe – und mit sonst nichts. Sie werden unkonzentriert, wenn Sie sich auf zu vieles gleichzeitig konzentrieren. Ihre Konzentration lässt nach, sobald Sie an etwas anderes denken: sei es der soeben begangene kleine Fehler oder eine zukünftige Hürde. Blicken Sie nicht in die Vergangenheit oder Zukunft. Denken Sie auch nicht zu sehr an das Ziel, während Sie gerade eine Leistung erbringen. Bleiben Sie im Hier und im Jetzt und spüren Sie die Kraft Ihres momentanen Tuns.
Tipp 7: Konzentrieren Sie sich intensiv auf die gegenwärtige Aufgabe und achten Sie nicht ständig auf Ihre Mitmenschen oder Ihre körperlichen Reaktionen. Das Motto lautet: Bleiben Sie im Tun, anstatt die Beobachter-Perspektive einzunehmen.
Wenn Sie sich einer Herausforderung stellen, dann ignorieren Sie Ihre Umgebung. Achten Sie nicht auf die anderen Menschen, die Sie beobachten oder mit denen Sie im Wettbewerb stehen. Kontrollieren Sie auch nicht ständig Ihren Körper nach Symptomen, die andere wahrnehmen könnten. Sonst schwindet Ihre Konzentration. Ihre Leistung fällt dann ab. Konzentrieren Sie sich stattdessen voll und ganz auf Ihre Tätigkeit, auf die es jetzt gerade ankommt. Ruhen Sie in Leistungssituationen in sich und stehen Sie nicht ständig neben sich. Begleiten Sie bei Bedarf Ihr Handeln durch ein inneres Sprechen, wenn Sie sich dadurch besser auf Ihre Aufgabe konzentrieren können.
Tipp 8: Lernen und trainieren Sie sich gezielt und vermeiden Sie reine Absichtserklärungen und unkoordinierte Aktionen. Das Motto lautet: Erfolg durch ein detailliertes Trainingsprogramm.
Bereiten Sie sich auf alle Leistungssituationen so gut wie möglich vor. Sie verunsichern sich nur, wenn Sie sich schlecht vorbereiten. Wenn Sie eine Situation immer wieder vermeiden, lernen Sie nicht, damit umzugehen. Erstellen Sie einen konkreten Plan mit Teilzielen, die Sie der Reihe nach umsetzen. Sie bestärken sich mit den erreichten Zwischenzielen und glauben fester an Ihren endgültigen Erfolg. Ihre Fortschritte werden Sie zu weiteren Aktivitäten anspornen. Für Motivationskrisen gilt: Warten Sie nicht zu lange auf den richtigen Schwung. Just do it – tun reicht, es muss nicht immer Spaß machen.
Tipp 9: Erinnern Sie sich an Ihre Erfolge und starren Sie nicht ständig auf Ihre Misserfolge. Das Motto lautet: Rufen Sie in Ihrem Gehirn Ihre Erfolgsfilme ab.
Fühlen Sie sich unsicher und verzagt, dann vergegenwärtigen Sie sich Ihre bisherigen Erfolge. Sie werden sich beim Gedanken daran gleich kompetenter fühlen und sich mehr zutrauen. Spielen Sie vor Ihrem inneren Auge einen Erfolgsfilm bezüglich einer früheren Tätigkeit ab, dann werden diese angenehmen Erfahrungen erneut in Ihnen lebendig. Ihre Angst zu versagen lässt nach, sobald Sie erkennen, was Sie in Ihrem Leben bereits geleistet haben. Sagen Sie sich: „Ich habe eine ähnliche Aufgabe schon öfter geschafft, es kann mir auch heute gelingen.“
Tipp 10: Akzeptieren Sie Ihre Versagensangst und Fehleranfälligkeit und fürchten Sie sich nicht ständig vor Misserfolgen. Das Motto lautet: Aus jedem Fehler können Sie etwas lernen.
Erlauben Sie sich ausdrücklich, Fehler zu machen. Wenn Sie sich diese Möglichkeit zugestehen, brauchen Sie Misserfolge nicht mehr zu fürchten. Sagen Sie sich: „Irren ist menschlich und macht menschlich.“ Nehmen Sie Ihre Angst zu versagen an. Sie brauchen sich deswegen nicht auf Dauer damit abzufinden. Akzeptieren Sie sich selbst mit Ihren Schwächen. Mit diesem Schritt haben Sie sich bereits verändert. Dies ist Ihr bestes Mittel gegen ständige Versagensängste. Die Bereitschaft zu einem Versuch-Irrtum-Lernlernen bietet Ihnen die Chance, etwas Neues dazuzulernen, anstatt aus Angst vor Fehlern immer nur im Gewohnten zu verharr
Tipp 11: Stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl und entwerten Sie sich nicht ständig selbst. Das Motto lautet: Sie sind schon etwas und müssen nicht erst etwas werden.
Vertrauen Sie bei einer Herausforderung auf sich und Ihr Können. Machen Sie sich Ihre Stärken und Fähigkeiten bewusst. Halten Sie sich nicht für unfähig und minderwertig. Erkennen Sie den Wert Ihrer Person. Sie werden so unabhängig von Lob und Anerkennung anderer Menschen. Sie sind dann frei, zu tun und zu lassen, was Ihnen beliebt. Ständige Selbstkritik macht Sie dagegen anfällig für Fremdkritik. Menschen mit Selbstbewusstsein sind sich ihrer selbst bewusst. Sie kennen ihre Fähigkeiten ebenso wie ihre Schwächen. Wenn Sie Ihre Wünsche, Ihre Bedürfnisse und Ihre momentane Leistungsfähigkeit wahrnehmen und akzeptieren, schaffen Sie sich damit eine ideale Basis für ein gesundes Selbstwertgefühl.
Tipp 12: Führen Sie aufbauende Selbstgespräche und machen Sie sich innerlich nicht ständig runter. Das Motto lautet: Innere Dialoge zur positiven Selbstinstruktion nutzen.
Reden Sie mit sich selbst so, wie Sie möchten, dass andere mit Ihnen sprechen. Sprechen Sie nett und aufbauend mit sich. Spornen Sie sich durch Ihre inneren Dialoge an, als wären Sie Ihr eigener Trainer. Schreiben Sie auf, wie Sie vor, in und nach Leistungssituationen denken und mit sich reden. Verändern Sie anschließend Ihre Selbstgespräche so, dass diese Sie auf dem Weg zum Erfolg unterstützen statt hemmen. Wenn Sie innerlich anders mit sich reden, werden Sie anders handeln.
Tipp 13: Gestalten Sie Ihr Leben selbst und fühlen Sie nicht als Opfer der Umstände. Das Motto lautet: Handeln statt jammern.
Betrachten Sie sich nicht immer als das arme Opfer ungünstiger Umstände oder einer schlechten Kindheit. Nutzen Sie Ihre Chancen. Nehmen Sie Ihr Leben aktiv in die Hand. Gestalten Sie Ihre Zukunft. Gehen Sie Ihre Aufgaben aktiv an und handeln Sie gezielt. Verfallen Sie bei einer Herausforderung nicht in das Verhalten Ihrer Kinderzeit mit seinen unangenehmen Erfahrungen. Halten Sie sich lieber Ihre Möglichkeiten als erwachsener Mensch bewusst vor Augen.
Tipp 14: Konfrontieren Sie sich mit Ihren Versagensängsten und körperlichen Symptomen und fliehen Sie nicht ständig vor allen Belastungen. Das Motto lautet: Der Angst ins Angesicht blicken statt davonlaufen.
Angst lebt vom Vermeiden und Ausweichen. Stellen Sie sich Ihren Versagensängsten. Konfrontieren Sie sich bewusst mit Gedanken, Situationen, Symptomen und Personen, die Ihnen Angst einflößen. Suchen Sie alle Situationen ohne äußere oder innere Vermeidung auf. Wenn Sie der Angst ausweichen, wird sie nur immer stärker. Bleiben Sie mindestens so lange in jeder Angstsituation, bis Sie spüren, wie Ihre Angst nach einiger Zeit nachlässt. Je öfter Sie sich in eine Angst machende Situation begeben, umso schneller gewöhnt sich Ihr Körper daran. Führen Sie einen inneren Dialog mit Ihrer Angst. Gehen Sie auf diese Weise mutig auf Ihre Versagensängste zu, dann sind Sie ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert.
Tipp 15: Treten Sie echt und glaubwürdig auf und spielen Sie anderen keine unechten Rollen vor. Das Motto lautet: Bleiben Sie authentisch.
Bleiben Sie bei allen Auftritten echt. Zeigen Sie sich nach außen so, wie Sie sind und sich fühlen. Bleiben Sie Ihrem Wesen treu und spielen Sie keine Rolle, die nicht zu Ihnen passt. Verstellen Sie sich nicht aus lauter Angst vor dem Publikum. Klammern Sie sich bei Ihren Auftritten nicht an vorgefertigte Verhaltensmuster. Verlassen Sie sich nicht so sehr auf Techniken, sondern vielmehr auf Ihre individuellen Fähigkeiten. Handeln Sie aus der Kraft Ihrer Spontaneität. Vertrauen Sie darauf, dass Ihre persönliche Note Sie bei jedem Auftritt sympathisch und überzeugend macht.
Tipp 16: Wechseln Sie Stress und Erholung ab und powern Sie sich nicht mit ununterbrochener Arbeit aus. Das Motto lautet: Systematischer Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung.
Spitzensportler und Führungskräfte sind auf Dauer nur erfolgreich durch den systematischen Wechsel zwischen überdurchschnittlicher Leistungsbereitschaft und maximalem Stress einerseits und angemessenen Erholungspausen andererseits. Bauen Sie sich einen Lebens- und Leistungsrhythmus auf, der Ihnen gut tut. Wechseln Sie regelmäßig und zeitgerecht zwischen Anspannung und Entspannung. Geben Sie vollen Einsatz, gönnen Sie sich anschließend entsprechende Erholungsphasen. Andauernde Anspannung erschöpft Sie und macht Sie krank. Zu viel Muße und Entspannung verhindert den nötigen Energieaufbau; Sie sind dann nicht genug gefordert.
Tipp 17: Achten Sie auf Ihre körperliche Entspannung und vermeiden Sie ständige Anspannung mit der Folge psychosomatischer Störungen. Das Motto lautet: Lernen Sie passende Entspannungstechniken.
Verringern Sie Ihre körperliche Anspannung, indem Sie in einem Kurs bestimmte Entspannungstechniken erlernen. Überprüfen Sie bei ständiger innerer Angespanntheit, ob Sie sich eher durch körperliche Aktivität oder eher durch passive Übungen entspannen können. Die wichtigsten Entspannungstechniken sind Atemübungen, autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga und Zen-Meditation; immer mehr Bedeutung gewinnen auch Tai chi und Chi Gong.
Tipp 18: Stellen Sie keine zu hohen Ansprüche an sich selbst und vermeiden Sie jede länger dauernde Überforderung. Das Motto lautet: Beugen Sie einem Burn-out vor.
Erfolg und Versagen hängen damit zusammen, wie Sie mit sich selbst umgehen. Überprüfen Sie, ob Sie zu hohe Anforderungen an sich selbst stellen und relativieren Sie Ihre Ansprüche – spätestens wenn ein körperlicher und seelischer Zusammenbruch droht. Seien Sie realistisch in Bezug auf die Leistungen, die Sie von sich selbst erwarten. Berücksichtigen Sie Ihre Möglichkeiten und die gesamten Umstände. Stellen Sie eine gesunde Balance her zwischen Ihren beruflichen, familiären und individuellen Bedürfnissen. Geben Sie durchaus Ihr Bestes in Ihrem Beruf, für Ihre Familie, Ihre Ideale und die Entwicklung Ihrer Fähigkeiten. Achten Sie dabei jedoch mehr als bisher auf sich selbst, auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse. Engagieren Sie sich wie bisher mit Feuereifer für Ihre Mitmenschen und Ihre Ziele. Schützen Sie sich jedoch davor, auszubrennen oder innerlich zu verbrennen.
Tipp 19: Legen Sie Ihre Überverantwortung ab und vermeiden Sie ein Helfersyndrom. Das Motto lautet: Schauen Sie auf sich so, dass Sie auch weiterhin anderen helfen können.
Handeln Sie verantwortungsbewusst, jedoch nicht überverantwortlich. Sie sind nicht für alles und jeden verantwortlich. Es ist nicht Ihr Versagen, wenn andere ihre Verantwortung nicht wahrnehmen oder Fehler begehen. Fühlen Sie sich nicht schuldig, wenn andere Menschen ihren Verpflichtungen nicht gerecht werden. Auch wenn Sie anderen Menschen helfen, müssen sich diese für ihr Handeln selbst verantworten. Erkennen Sie den gefährlichen Teufelskreis der Verantwortungsfalle: Je mehr Hilfe Sie leisten, desto hilfloser verhalten sich die Menschen rundherum. Je mehr Sie sich als Retter anbieten, umso mehr verlassen sich andere auf Sie. Tun Sie nichts, was die anderen selbst tun können
Tipp 20: Treten Sie kompetent auf und verkaufen Sie nicht unter Ihrem Wert. Das Motto lautet: Verbessern Ihre soziale Kompetenz.
Entwickeln Sie Ihre sozialen Fertigkeiten, um vor anderen Menschen kompetenter aufzutreten. Es ist heute zunehmend wichtig, sich selbst besser präsentieren und „verkaufen“ zu können. Dazu sollten Sie Ihre Angst vor Blamage und Kritik überwinden. Angst hemmt nur Ihre Spontaneität und Kreativität. Treten Sie selbstbewusster auf als bisher. Machen Sie durch Ihr Verhalten auf sich aufmerksam. Stellen Sie sich bewusst in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit anderer Menschen. Stehen Sie zu Ihrer Meinung. Äußern Sie notwendige Kritik. Wagen Sie zu widersprechen. Stellen Sie berechtigte Forderungen. Schlagen Sie überzogene Bitten ab. Sagen Sie Nein zu allem, was gegen Ihre Interessen ist. Tolerieren Sie öffentliche Beachtung. Schauen Sie anderen direkt in die Augen. Nehmen Sie eine selbstsichere Körperhaltung ein.