Dr. Hans Morschitzky
Klinischer Psychologe, Psychotherapeut
Verhaltenstherapie, Systemische Familientherapie
A-4040 Linz, Hauptstraße 77
Tel.: +43 732 778601 E-Mail: morschitzky@aon.at
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Vegetatives Nervensystem
Das vegetative Nervensystem regelt den inneren Betrieb des Körpers, hält alle
lebenswichtigen Organtätigkeiten aufrecht und passt den Körper an wechselnde
Umweltbedingungen an. Es steuert Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel, Ernährung,
Eingeweide, Verdauung, Drüsentätigkeit, Temperatur, Ausscheidung, Aktivität,
Schlaf, Wachstum, Reifung und Fortpflanzung.
Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei Teilen, die gegensätzliche Funktionen haben und durch ihr Zusammenspiel das vegetative Gleichgewicht des Körpers (Homöostase) aufrechterhalten:
sympathisches Nervensystem: für Aktivität und Leistung;
parasympathisches
Nervensystem: für
Erholung, Entspannung und Energieaufbau.
Sympathikus und
Parasympathikus im Überblick
Körperbereich |
Sympathikus - Aktivierung |
Parasympathikus - Beruhigung |
Herz |
Steigerung
des Herzschlags, Kraftsteigerung,
Erweiterung
der Herzkranzgefäße |
Verlangsamung
des Herzschlags, Verengung
der Herzkranzgefäße |
Blutgefäße der arbeitenden Muskulatur |
Erweiterung |
Verengung |
Blutgefäße der Haut |
Verengung |
Erweiterung
(Erschlaffung) |
Blutdruck |
Steigerung
durch Beschleunigung der Herztätigkeit und Verengung der Blutgefäße der Haut |
Reduzierung
durch verringerte Herztätigkeit und Erweiterung der Blutgefäße der Haut |
Gerinnungsfähigkeit des Blutes |
Erhöhung,
um eventuelle Wunden zu
schließen |
Abschwächung,
d.h. Verdünnung |
Stoffwechsel |
Steigerung,
Energieabbau |
Reduzierung,
Energieeinsparung |
Bronchien (Lunge) |
Erweiterung
|
Verengung,
Schleimproduktion |
Magen/Darm |
Hemmung
der Verdauungsfunktionen, Hemmung der Produktion von Verdauungssäften
bzw. Schleim, Anspannung
der glatten Muskulatur, Gefäßverengung,
Hemmung
der Defäkation |
Förderung
der Verdauungsfunktionen, Anregung der Produktion von Verdauungssäften
bzw. Schleim, Entspannung
der glatten Muskulatur, Gefäßerweiterung,
Anregung
der Defäkation |
Bauchspeicheldrüse |
Hemmung
der Insulinproduktion |
Förderung
der Insulinproduktion |
Schweißdrüsen |
wenig
klebriger Schweiß |
viel
dünnflüssiger Schweiß |
Speicheldrüsen |
Hemmung
des Speichelflusses (zähflüssiger
Speichel) |
Verstärkung
des Speichelflusses (dünnflüssiger Speichel) |
Harnblase |
Hemmung
des Zusammenziehens der Harnblase (Harnverhalten) |
Zusammenziehen
der Harnblase (Harnentleerung) |
Genitalien |
Hemmung
der Durchblutung der Genitalien
(Gefäßverengung), Ejakulation |
Förderung
der Sekretion, Stimulierung
der Durchblutung der Genitalien (Gefäßerweiterung), Erektion |
Auge |
Pupillenerweiterung,
Lidspaltenerweiterung |
Pupillenverengung,
Akkomodation, Lidspaltenverengung |
Tränendrüsen |
geringe
Sekretion |
starke
Sekretion |
Gehirn |
Bewusstseinsaufhellung |
Bewusstseinsminderung |
Die Organe des vegetativen Nervensystems
verfügen über eine glatte Muskulatur, die vom Willen nicht steuerbar ist,
weshalb man auch vom „autonomen“ oder
„unwillkürlichen“ Nervensystem spricht. Emotionale Zustände (Freude,
Ärger, Wut, Leid, Trauer, Angst) bewirken Veränderungen des vegetativen
Nervensystems.
Die
Informationsweiterleitung im sympathischen und parasympathischen Nervensystem erfolgt
über zwei verschiedene Arten von Nervenbahnen:
Efferente Bahnen. Weiterleitung der Informationen
von den übergeordneten Steuerungszentren zu den Muskel- und Drüsenzellen. Für
die efferente Erregungsleitung sind zwei Nervenzellen erforderlich. Die
Umschaltung von der ersten auf die zweite Nervenzelle erfolgt in sog. Ganglien.
Ganglien sind Nervenzellansammlungen bzw. Nervengeflechte außerhalb des
Zentralnervensystems, die aus den Nervenzellkörpern der zweiten efferenten
Nervenzellen bestehen. Das Neuron nach den Ganglien wird auch postganglionäres
Neuron genannt. Das erste efferente Neuron, d.h. die Nervenzelle vor den
Ganglien, dessen Zellkörper innerhalb des Zentralnervensystems in sog.
vegetativen Kernen liegen, wird auch präganglionäres Neuron genannt. Die
sympathischen Ganglien liegen in der Nähe der Wirbelsäule, die
parasympathischen Ganglien meistens in der Nähe der Erfolgsorgane.
Die Informationsweiterleitung von der
präganglionären auf die postganglionäre Nervenzelle erfolgt im sympathischen
und im parasympathischen Nervensystem durch den Transmitterstoff Acetylcholin.
Die erste, präganglionäre Nervenzelle wird daher auch cholinerg genannt.
Das zweite, postganglionäre Neuron, das direkt
auf die Muskel- bzw. Drüsenzelle des Erfolgsorgans einwirkt, weist zwei
Transmittersubstanzen auf:
Die entscheidende
Transmittersubstanz des sympathischen Nervensystems ist das Katecholamin
Noradrenalin, das in den Endigungen der postganglionären Neurone synthetisiert,
in Vesikeln (Bläschen) gespeichert und bei Bedarf freigesetzt wird.
Die Entfernung aus der Synapse
geschieht durch Wiederaufnahme und durch enzymatische Inaktivierung mittels der
Monoaminooxidase (MAO) und der Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT).
Das sympathische Nervensystem
weist
Alpha- und Beta-Rezeptoren in zwei verschiedenen Ausprägungen auf, die jeweils
unterschiedliche physiologische Wirkungen haben.
Die prä- und postganglionäre
Transmittersubstanz des parasympathischen Nervensystems ist der Überträgerstoff
Acetylcholin, der auch für die Informationsübertragung an den motorischen
Endplatten der willkürlich innervierten quergestreiften Skelettmuskulatur
verantwortlich ist.
Periphere adrenerge und
cholinerge Erregungsübertragung
Adrenerge Wirkungen |
|
|
|
|
|
Rezeptor |
Ort |
Effekte von Agonisten |
alpha1 |
Gefäße,
Uterus, Schließmuskeln
(Blase, Darm), Lunge
(Bronchiolen), Magen-
und Darmdrüsen |
Kontraktion,
Hemmung
der Sekretion |
alpha2 |
Gefäße, Niere
(Reninfreisetzung), Leber
(Lipolyse - Fettabbau), Bauchspeicheldrüse
(Insulinfreisetzung) |
Kontraktion
(der Gefäße), Hemmung
der Organfunktion |
beta1
|
Herz Niere
(Reninfreisetzung) |
Steigerung
von Frequenz, Überleitung
und Kontraktilität Steigerung
der Sekretion |
beta2
|
Gefäße,
Uterus, Schließmuskeln
(Blase, Darm), Lunge (Bronchiolen), Bauchspeicheldrüse
(Insulinfreisetzung) |
Erschlaffung, Steigerung
der Sekretion |
|
|
|
Cholinerge Wirkungen |
|
|
|
|
|
Rezeptor |
Ort |
Effekte von Agonisten |
Nikotinrezeptor |
Skelettmuskulatur vegetative
Ganglien |
Relaxation Erregung,
Förderung der Transmission |
Muskarinrezeptor |
Herz glatte
Muskulatur Drüsen |
Abnahme
von Frequenz, Kontraktionskraft
und Leitungsgeschwindigkeit Kontraktion Sekretionssteigerung |
Medikamente wirken auf das vegetative Nervensystem in Form
der Beeinflussung der synaptischen
Erregungsübertragung ein, wobei es zwei Ansatzmöglichkeiten gibt:
Einwirkung bei der
Informationsübertragung vom zweiten, postganglionären Neuron auf das jeweilige
Erfolgsorgan.
Medikamente, die hier eingreifen, wirken spezifischer, d.h. sie beeinflussen
nur die adrenerge Übertragung des sympathischen Nervensystems oder die
cholinerge Übertragung des parasympathischen Nervensystems. Im
parasympathischen Nervensystem dient zwar an beiden Umschaltungsstellen des
efferenten Neurons der Transmitter Acetylcholin als Überträgersubstanz, es sind
jedoch jeweils andere Rezeptorsysteme vorhanden. Die ganglionären
Acetylcholin-Rezeptoren sind so genannte Nikotinrezeptoren, die
postganglionären Acetylcholinrezeptoren sind so genannte Muskarinrezeptoren.
Jeder Stressor bzw. angstmachende Reiz führt
zuerst zu einer unspezifischen Aktivierung der Grohirnrinde (Kortex) und des
limbischen Systems im Zwischenhirn, die eine Stimulierung des zentralen und
peripheren noradrenergen Systems bewirken („arousal
reaction“).
Das
sympathische Nervensystem ist ein aktivierendes System, das Energie freisetzt
(abbaut) und den Körper auf Handlungen und kurzfristige Höchstleistungen
vorbereitet (ausgelöst durch die Hormone Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol).
Stress, Aufregung und Angst
(besonders Panikattacken)
führen zu einer Adrenalinausschüttung mit massiver Körpersymptomatik
(Herzrasen, Schwitzen, Atembeschleunigung, Muskelanspannung u.a.). Bei
chronischem Stress kann der Adrenalinspiegel bis zum 10-fachen erhöht sein.
Angst ist unmöglich ohne körperliche Erregung, körperliche Erregung ist jedoch
möglich ohne Angst. Auch Wut und Freude führen zu einer Aktivierung des
Sympathikus.
Das sympathische Nervensystem hat folgende Aufgaben:
Steigerung des Herzschlags,
Erweiterung der Herzkranzgefäße,
Anspannung der Skelettmuskulatur als
Vorbereitung auf körperliche Aktivität,
Erweiterung der Bronchien (Lunge),
Hemmung der Verdauungsfunktionen, Anspannung der glatten Muskulatur von Magen und Darm, verstärkte Drüsentätigkeit,
vermehrte Ausschüttung von Zucker
und Fettsäuren,
Absonderung von wenig klebrigem
Schleim durch die Schweißdrüsen,
Der Hypothalamushinterteil im Zwischenhirn als oberste
Steuerungsinstanz des sympathischen Nervensystems setzt gleichzeitig zwei
Aktivierungsmechanismen in Gang:
Hormonelle Aktivierung. Botenstoffe (Hormone), die über
die Blutbahn zu bestimmten Organen und Gewebeteilen transportiert werden,
bewirken eine längerfristige Mobilisierung des Körpers durch Aufbau und
Preisgabe neuer Energien.
Neuronale Aktivierung
(Hypothalamus-Nebennierenmark-System)
Der Hypothalamus
im Zwischenhirn als oberste Steuerungsinstanz des vegetativen Nervensystems
stimuliert über eine Nervenbahn die Sympathikuskerne im Rückenmark, von denen
aus über nervöse (elektrische) Impulse im Nebennierenmark die Ausschüttung
eines Hormongemisches von 80% Adrenalin und 20% Noradrenalin in die Blutbahn
bewirkt wird. Die Katecholaminausschüttung erfolgt wegen der neuronalen
Vermittlung sehr rasch und dient im Sinne einer Alarmreaktion einer nur
kurzfristigen Energiemobilisierung durch Rückgriff auf gespeicherte
Energiereserven des Körpers.
Adrenalin hat folgende Funktionen:
verstärkte Durchblutung der
Skelettmuskulatur als Vorbereitung auf Bewegung durch Blutumverteilung
(Blutabzug von Magen, Darm und Haut),
Wegen
der zentral erregenden Wirkung gilt die Adrenalinerhöhung als Anzeichen für
psychische Belastung und Stress (z.B. vorweggenommene Beanspruchung, Konflikte,
Ängste, aber auch positive Gefühle wie freudige Erregung). Adrenalin ist daher
auch bei Flucht- und Vermeidungsreaktionen gegenüber Noradrenalin
überproportional erhöht. Ein Adrenalinstoß führt zu einer erhöhten geistigen
Wachheit, die bei anhaltenden Angst- und Stresszuständen das Abschalten
erschwert. Angstbedingtes, abendliches Grübeln im Bett führt häufig zu
Einschlafstörungen, manchmal zu Panikattacken.
Eine Panikattacke entsteht durch
eine plötzliche Adrenalinausschüttung, die den Körper kurzfristig maximal aktiviert, eine exzessive
Kortisolausschüttung ist dagegen nicht gegeben. Eine vermehrte
Adrenalinfreisetzung kann nicht nur durch Angst, Aufregung und Stress bewirkt
werden, sondern auch durch Ärger, Wut und Aggression.
Noradrenalin hat folgende Funktionen:
Noradrenalin wirkt weder zentral
erregend noch beschleunigt es den Herzschlag oder erhöht es den
Blutzuckerspiegel.
Diese energiesparende Anpassung ermöglicht einen sprunghaften Einsatz von
energieliefernden Prozessen bei Bedarf, z.B. bei plötzlicher körperlicher
Anstrengung oder bei sofort erforderlicher Kampfposition angesichts einer
akuten Bedrohung. Körperliche Belastung allein bewirkt eine gegenüber Adrenalin
überproportionale Noradrenalinerhöhung. Noradrenalin
gilt daher als Anzeichen für eine körperliche Belastung bzw. für eine
Kampfreaktion.
Die maximale Aktivierung des
Sympathikus durch die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin wird nach
einigen Minuten infolge von Gewöhnung an den Stressor (Habituation) gestoppt,
so dass eine Überbeanspruchung des Körpers verhindert wird. Dies erfolgt einerseits durch
Aktivierung des parasympathischen Nervensystems, andererseits durch chemischen
Abbau von Adrenalin und Noradrenalin, was jedoch einige Zeit dauert, so dass
man sich auch nach der Beseitigung der Belastung oder Gefahr noch einige Zeit
angespannt und erregt fühlt.
Hormonelle Aktivierung
(Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System)
Schon während der Alarmreaktion regen die
Katecholamine über den Hypothalamus die Ausschüttung
von Nebennierenrindenhormonen (Kortikosteroide) an, und zwar von so
genannten Glukokortikosteroiden
(Zuckerstoffwechselhormonen), die die
Auffüllung der entleerten Energiespeicher in Gang setzen. Etwa vier Stunden
nach der Alarmreaktion erreichen diese Hormone ihren höchsten Blutspiegel. Ziel
der Verschiebung von der neuronal bewirkten, raschen und kurzfristigen
Leistungsbereitschaft durch die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin auf eine
hormonell ausgelöste, längerfristige Leistungsbereitschaft durch
Nebennierenrinden- und Schilddrüsenhormone ist es, den
Körper durch Aufbau und Preisgabe neuer Reserven leistungs- und
widerstandsfähiger zu machen, ohne ihn dabei so überzuaktivieren, wie
dies durch Adrenalin geschieht. Diese Reaktionsmechanismen benötigen wegen der
hormonellen Informationsübermittlung über die Blutbahn etwas länger bis zur
vollen Wirksamkeit, wirken dafür jedoch langfristiger.
Der Hypothalamus gibt infolge neuronaler Impulse
aus höheren Gehirnzentren über die Blutbahn hormonfreisetzende Hormone ab, die
die Hypophyse stimulieren, die als oberste Steuerungsinstanz aller hormonellen
Prozesse gilt.
Der Hypophysenvorderlappen setzt daraufhin bestimmte Hormone frei, die in den untergeordneten
Drüsen die Ausschüttung bestimmter Endhormone bewirken:
Das thyreotrope
(schilddrüsenstimulierende) Hormon bewirkt in der Schilddrüse die Ausschüttung
von Schilddrüsenhormonen, besonders von Trijodthyronin (T3) und von
Thyroxin (T4) zur Stoffwechselbeschleunigung.
Die Glukokortikosteroide (besonders Kortisol) haben folgende Funktionen:
Erhöhung des Blutzuckerspiegels
durch Umbau von Eiweiß in Zucker, d.h. es erfolgt eine Zuckerneubildung und
damit der Aufbau neuer Energiestoffe (Adrenalin dagegen mobilisiert nur
vorhandenen Zucker).
Eine erhöhte Kortisolausschüttung
ist die normale Reaktion auf Stress. Anormal hohe Kortisolkonzentrationen bei chronischem Stress können zu
Bluthochdruck und Stresszucker führen. Zahlreiche Untersuchungen bei Tieren und
Menschen zur Thematik der gelernten Hilflosigkeit konnten zeigen, dass
unkontrollierbar und unvorhersagbar unangenehme Reize bzw. Situationen zu einer
massiven Kortisolausschüttung führen (leicht nachweisbar durch den
Kortisolspiegel im Blut).
Früher wurde davon ausgegangen, dass eine
stressinduzierte Hypersekretion von Kortisol das Immunsystem schwächt und für
Infektionskrankheiten, Krebs oder Autoimmunkrankheiten anfälliger macht.
Neuerdings wird angenommen, dass Kortisol eine protektive Wirkung besitzt,
indem eines stressinduzierte Immunaktivierung abgebremst wird, um schädigende
Effekte zu vermeiden. Der Zusammenhang zwischen einem Zuviel bzw. Zuwenig an
Glukokortikoiden und der Störung der Immunfunktionen ist noch nicht eindeutig geklärt.
Die Schilddrüsenhormone,
insbesondere T3 (Trijodthyronin), bewirken eine raschere
Sauerstoffaufnahme in den Zellen, so dass mehr Verbrennungsenergie zur
Verfügung steht und die Stoffwechselprozesse dadurch beschleunigt werden. Als
Folge davon wird die Wärmeproduktion vermehrt.
Chronischer
Stress bewirkt eine Drosselung der Produktion der Geschlechtshormone und damit
eine Reduktion des sexuellen Verlangens, bei Frauen zusätzlich oft ein
Aussetzen der Menstruationsblutung, bei Männern eine geringere Samenproduktion.
Das parasympathische Nervensystem - Körperliche Beruhigung und Erholung
Das parasympathische Nervensystem ist ein wiederherstellendes System, das den Körper zurück in
den Normalzustand versetzt und der Ruhe, Erholung und Schaffung neuer Energien
dient. Im Gegensatz zum sympathischen Nervensystem reagiert das
parasympathische Nervensystem nicht als Ganzes, sondern aktiviert nur
diejenigen Funktionen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendig sind. Ein
Teil der parasympathischen Nervenfasern läuft im Vagus (10. Hirnnerv) mit, so
dass man vereinfachend auch von vagotoner Aktivierung spricht.
Alle Entspannungstechniken
(autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Atemtechniken, Meditation,
Selbsthypnose, Yoga, Biofeedback) unterstützen die Aktivität des
parasympathischen Nervensystems. Beruhigungsmittel dienen demselben Ziel,
machen bei Dauergebrauch jedoch abhängig.
Das parasympathische
Nervensystem hat folgende Funktionen:
Psychovegetative Störungen (funktionelle Störungen, die keine Gewebeveränderungen bewirken) zeigen sich kaum in einer isolierten Erregung des gesamten Sympathikus bzw. Parasympathikus, sondern in einer Kombination aus Symptomen beider Nervensysteme. Besonders bei extremen Erregungs- und Panikzuständen bewirken die gleichzeitige Erregung von Sympathikus und Parasympathikus Symptome wie z.B. Herzrasen und Durchfall bzw. Harndrang.
Die meisten
funktionellen Störungen sind Ausdruck dafür, dass Energie für eine körperliche
Leistung bereitgestellt wird, diese aber nicht abgerufen wird (weil sie gar
nicht benötigt wird), so dass ein Spannungszustand bestehen bleibt. Viele
Stresszustände (z.B. Ängste) spielen sich im Kopf ab, ohne dass eine massive
körperliche Aktivität erforderlich wäre.
Unterschiedliche biologische Reaktionsbereitschaft der Menschen
Bei seelischen und körperlichen Belastungen erfolgt in Abhängigkeit von Anlage (Konstitution) und Lernerfahrungen eine individuell sehr unterschiedliche vegetative Reaktionsbereitschaft.
Etwas vereinfacht kann man zwei Typen unterscheiden:
Kampf- und Fluchttypen (Sympathikotoniker)
Schrecktypen (Vagotoniker).
Beide Typen können nicht allein durch psychologische
Faktoren erklärt werden, sondern drücken unterschiedliche konstitutionelle
Bedingungen aus. Die jeweiligen Anlagefaktoren werden jedoch durch bestimmte
Erziehungs- und Milieufaktoren verstärkt und sind innerhalb gewisser Grenzen
auch veränderbar.
Sympathikotoniker (Kampf-Flucht-Typen)
Sympathikotoniker neigen
bei Angst, Aufregung und Stress zu sympathischer Überaktivierung: vermehrte
Herz- und Atemtätigkeit, Blutdruckanstieg, Muskelanspannung, Heiß-Werden,
abnehmender Appetit, Verstopfung. Sie zeigen eine Überanspannung, ein ständiges „Auf-dem-Sprung-Sein“,
eine große innere Unruhe, eine leichte Gereiztheit bis zur Aggressivität, eine
große Hektik in allen Bewegungen, eine überschnelle Kampf- und
Leistungsbereitschaft, eine ständige Überaktivität ohne Entspannung.
Sympathikotoniker neigen im
Krankheitsfall zu Störungen des Gefäß-, Herz- und Kreislaufsystems:
Bluthochdruck, Kreislaufstörungen, Herzkranzgefäßerkrankungen (Angina pectoris
und Herzinfarkt). Ein „Kampftyp“ mit ständiger Anspannung und Ausrichtung auf
Höchstleistungen wird durch bestimmte Risikoverhaltensweisen (z.B. Rauchen)
zusätzlich fixiert.
„Nervosität“ ist eine starke Aktivierung des
Sympathikus. Der Körper ist bereits auf hohe körperliche und geistige Leistung
eingestellt, ohne diese jedoch schon zu erbringen (z.B. Aufregung wegen
bevorstehender Prüfung oder Unternehmung). Es besteht eine große Anspannung,
die nicht durch erholsame Ruhe abgelöst werden kann, weil man sich bewusst und
unbewusst ständig mit der bevorstehenden Belastung beschäftigt. Nicht
bewältigbare Erwartungsängste führen zu chronischer Anspannung, wie diese für
Angstpatienten typisch ist. In harmloser Form zeigt sich eine deutliche
Nervosität oft auch bei bevorstehenden positiven Ereignissen (z.B. Urlaub oder
Hochzeit).
Vagotoniker (Schrecktypen)
Vagotoniker neigen bei
Angst, Aufregung und Stress zu parasympathischer Überaktivierung: Abfall von
Herz- und Atemtätigkeit, Blutdruckabfall, Schwindel, Benommenheit, Ohnmachtsneigung,
Atemnot durch Zusammenziehen der Bronchien, Schwitzen, Kälteempfindung,
Nachlassen der Muskelspannung („weiche Knie“), Schwächegefühl,
Übelkeit/Brechreiz durch Verkrampfung der Magen- und Darmmuskulatur, Harn- oder
Stuhldrang, Erröten, Weinen.
Vagotoniker bleiben in der Schock-/Schreckreaktion wie gelähmt, eben geschockt, stecken und gelangen nicht zu Widerstand und aktiver Auseinandersetzung mit dem Stressor. Das psychische Ohnmachtserleben zeigt sich körperlich in ständiger Benommenheit, Schwindelgefühlen und Ohnmachtsneigung. Die vagotone Befindlichkeit drückt entweder eine starke Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit als Folge einer Schreckbereitschaft bzw. Schockreaktion aus oder eine Erschöpfung nach übermäßiger Anspannung.
Der „Schrecktyp“ wird vor allem gefördert durch
eine Lebensgeschichte, in der Ohnmachtserleben und Hilflosigkeitsgefühle
dominieren, wo von der eigenen Aktivität keine Problemlösung erwartet wird, so
dass man sich den Umweltbedingungen wehrlos ausgeliefert fühlt. Diese
Reaktionsbereitschaft wurde bei vielen Frauen durch das traditionelle weibliche
Rollenklischee wesentlich verstärkt. Eine Frau, die ständig zu
Hilflosigkeitsreaktionen neigt, wird auch durch einen Mann verstärkt, der ihre
Hilflosigkeit und Abhängigkeit als besonders weiblich schätzt bzw. von seiner
Persönlichkeit her eine derartige Frau wünscht.
Vagotoniker neigen im Krankheitsfall zu
übermäßig niedrigem Blutdruck mit zahlreichen Folgesymptomen (z.B.
Kollapsneigung), Magen-Darm-Beschwerden (chronische Verstopfung, Gastritis,
Magenentzündungen, Magengeschwüre, Zwölffingerdarmgeschwüre),
Blasenerkrankungen, Bronchialasthma, asthenisch-depressiven Zuständen.
Die Unterscheidung zwischen Sympathikotonikern (Kampf-Flucht-Typen) und Vagotonikern (Schrecktypen) erlaubt bereits unabhängig von konkreten Situationen die Vorhersage der körperlichen Reaktionsweise bestimmter Menschen in Angstsituationen:
Sympathikotoniker werden durch die
übermäßig schnelle psychovegetative Kampf- oder Fluchtbereitschaft eher über Herzrasen,
Druck auf der Brust, starke muskuläre Verspannungszustände und Atemprobleme
(Hyperventilation als Folge der Überaktivierung) klagen.
Das biologische Reaktionsspektrum bei Furcht und Bedrohung
Bei
Mensch und Tier sind in Furchtsituationen vier Reaktionsmuster möglich, die je
nach situativer Notwendigkeit, individueller Reaktionsfähigkeit, Struktur des
Organsystems, Temperament und individueller Lerngeschichte variieren können:
Flucht,
Das Fluchtverhalten
ist charakterisiert durch eine schnelle motorische Reaktion. Bereits bei der
Vorstellung von Gefahr erfolgt eine massive Aktivierung des sympathischen
Nervensystems (Anstieg des Herzzeitminutenvolumens, des arteriellen Blutdrucks,
der Muskeldurchblutung u.a.), um der Muskulatur den benötigten gesteigerten
Energiestoffwechsel gewährleisten und auf diese Weise die Fluchtreaktion
vorbereiten zu können. Das Muster einer starken Fluchttendenz findet sich z.B.
bei Tierphobikern bei der Konfrontation mit den gefürchteten Tieren (oft schon
vor dem Anblick des Tieres). Die massive Furchtreaktion äußert sich in einer
panikähnlichen Symptomatik.
Immobilität, Bewegungsstarre oder
„Einfrieren der Bewegung“
ist die der Fluchtreaktion entgegengesetzte Reaktionsmöglichkeit. Sie kann in
zwei Formen auftreten:
Tonische Bewegungslosigkeit. Der Organismus ist steif vor Angst und reagiert selbst bei intensiver und schmerzhafter Stimulation nicht mehr.
Die
Immobilitätsreaktion besteht in einer
vagotonen Aktivierung, d.h. in einer
Steuerung durch das parasympathische Nervensystem (Pupillenerweiterung, Abfall
der Körpertemperatur, anfängliche Beschleunigung mit anschließendem
dramatischen Abfall der Pulsfrequenz). Die biologische Sinnhaftigkeit der
tonischen Immobilität („Totstellreflex“) besteht in einer Sicherung des
Überlebens, wenn Flucht oder Kampf aus offensichtlicher Unterlegenheit nicht
möglich oder sinnvoll erscheint. Viele Raubtiere greifen ihre Beute nur bei
Bewegung an und reagieren nicht auf bewegungslose Tiere.
Blut- und Injektionsphobiker
zeigen eine
vagotone Reaktionsbereitschaft, wenn sie medizinischen Eingriffen nicht
ausweichen können oder dem Anblick von Blut ausgesetzt sind. Es tritt ein
zweiphasiges kardiovaskuläres Reaktionsmuster auf: nach anfänglichem Anstieg
von Blutdruck und Herzrate erfolgt ein starker Blutdruckabfall bis hin zur
vagovasalen Ohnmacht.
Aggressive Verhaltensweisen im Sinne
einer Furchtabwehr durch Aggression kommen zum Ausdruck als Drohgebärden in Form bestimmter Körperhaltungen
sowie (insbesondere bei Primaten) als drohendes Fixieren des Gegenüber in Form
heruntergezogener Augenbrauen, geschlossenem Mund und zusammengepressten
Lippen. Bei einer Aggression als Abwehr von Bedrohung werden alle verfügbaren
Mittel des jeweiligen Organismus eingesetzt.
Beschwichtigung oder Unterordnung als Variante des Umgangs mit Bedrohung
wird besonders bei Bedrohung durch die eigenen Artgenossen gezeigt. Hier werden
Gesten der Unterlegenheit und Unterordnung eingesetzt, um dem stärkeren Tier
die Anerkennung seiner Überlegenheit zu signalisieren. Diese untertänige
Reaktionsweise ist bei vielen Tieren (z.B. Wölfen, Hunden, Primaten) zu
beobachten. Menschen mit sozialer Phobie erleben Blickkontakt als recht
bedrohlich und signalisieren unbewusst durch ihr ständiges Wegschauen ihre
Unterlegenheit. Sie harren (ähnlich wie Agoraphobiker) in sozialen Situationen
bei einem generell erhöhten tonischen Erregungsniveau aus.
Bei jeder körperlichen oder seelischen
Belastung kommt es zum Ablauf folgender vegetativer Reaktionsphasen, die von
Selye, dem Begründer der Stressforschung, als „allgemeines
Anpassungssyndrom“ (AAS) des Körpers an den Stressor beschrieben wurden:
Alarmreaktion
bei akutem Stress (durch eine Adrenalinausschüttung),
Widerstandsstadium bei chronischem Stress,
Erschöpfungsstadium
bei unzureichender Stressbewältigung.
Jede akute körperliche oder seelische Belastung
bewirkt eine kurzfristige, maximale Aktivierung des vegetativen Nervensystems
(„Alarmreaktion“). Bei akuter Angst wird extrem schnell das limbische System (namentlich
die Amygdala) aktiviert, das über eine Katecholaminausschüttung eine massive
körperliche Aktivierung bewirkt.
Bei der Alarmreaktion werden zwei Phasen
unterschieden, die für Angst- und Panikreaktionen von zentraler Bedeutung sind:
Schockphase,
Kampf-
oder Fluchtphase.
Bei akuter Bedrohung
erfolgt zuerst eine kurze Schockphase. Umgangssprachlich nennt man diesen
Zustand „Schrecksekunde“. Das vegetative Nervensystem
schaltet einen Moment lang auf die vagotone Spannungslage um, also eigentlich
auf totale Entspannung. Die massive, parasympathische Aktivität bewirkt eine
kurzfristige Reaktionsunfähigkeit, die dem Atemholen, Kräftesammeln und
Abschätzen der Gefahr dient.
Ein schwerer
psychischer Schock führt zum Absacken von Herztätigkeit und Blutdruck
und damit zum Kreislaufabfall bzw. -versagen, der dadurch entstehende
Sauerstoffmangel bewirkt Ohnmacht.
Ein leichterer Schock (Schreckreaktion, „Schrecksekunde“),
wie dieser in der Regel bei akuter Angst und Bedrohung auftritt, zeigt sich in
parasympathisch gesteuerten Reaktionen, z.B. Kreislaufschwäche, Schwindel,
Ohnmachtsangst, Atemnot, Zuschnüren der Kehle, Übelkeitsgefühlen, Harn- oder
Stuhldrang, Durchfall, Magenkrämpfen, Muskelschwäche („weichen Knien“),
Erröten, Tränenausscheidung, Weinkrämpfen.
Die Schockphase ist (bzw. war in der Evolution)
durchaus sinnvoll:
Bestimmte
Menschen, die eher zu einer parasympathisch (vagoton) bestimmten Spannungslage
neigen, bleiben in dieser Schock-/Schreckreaktion stecken, d.h. es kommt nicht
bzw. nicht so rasch zur sympathisch dominierten Kampf- oder Fluchtphase im
Sinne einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Stressor. Sie klagen daher in
Belastungs- bzw. Angstsituationen über anhaltende Zustände von Schwindel,
Ohnmachtsneigung, Atemnot, „weiche Knie“, Harn- oder Stuhldrang, Übelkeit,
Magenkrämpfe, Wechsel von Verstopfung und Durchfall („Reizdarm“).
Nach der Schreckreaktion stellt sich der Körper
in der Kampf- oder Fluchtphase auf eine kurzfristige Höchstleistung
ein. Man
spricht von einer „Bereitstellungsreaktion“, die den sofortigen maximalen Einsatz unseres
ganzen Körpers bewirkt und Kampf oder Flucht zum Ziel hat. Es erfolgt eine
durch den Sympathikus (mittels „Adrenalinschub“)
gesteuerte massive Aktivierung des Herz- und Kreislaufsystems und der Atmung,
eine Anspannung der Skelettmuskulatur u.a. Dabei werden gleichzeitig alle
momentan nicht benötigten Körpervorgänge gehemmt (Appetit, Verdauung, sexuelle
Reaktion, Immunabwehr u.a.), um kurzfristig alle Energien auf die Bewältigung
der aktuellen Stresssituation konzentrieren zu können. Der Zeitablauf für diese
Mobilmachung beträgt etwa ½-1½ Minuten. Gleichzeitig entwickeln sich anstelle
der langsamen und gleichmäßigen Hirnwellen, wie sie in Ruhe typisch sind,
schnelle, unruhige und unregelmäßige Hirnwellen als Zeichen der erhöhten
Erregung und Aufmerksamkeit.
Die massive Aktivierung erfolgt durch zwei
verschiedene Arten von Stresshormonen:
Nebennierenmarkhormone (die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin) bewirken zuerst eine 3-4 Minuten dauernde massive Aktivierung des Sympathikus.
Nebennierenrindenhormone
(die Glukokortikosteroide Kortisol und
Kortison) ermöglichen - zeitlich etwas verzögert und länger wirksam - die
Bewältigung eines länger andauernden Stresszustands.
Herz und Kreislauf arbeiten auf Hochtouren, die
Blutgefäße der Haut verengen sich und der Blutdruck steigt. Die Ankurbelung des
Blutkreislaufs dient dem erhöhten Energietransport, um die Zellen des Körpers
rasch und ausreichend mit Sauerstoff, Nährstoffen und den steuernden
Botenstoffen (Hormonen) versorgen zu können. Die Atmung wird schneller und
tiefer, um möglichst viel Sauerstoff als Verbrennungsenergie für den Körper
aufnehmen zu können. Die Skelettmuskulatur wird angespannt, um den Körper auf
Kampf oder Flucht vorzubereiten, so dass man sich „ständig auf dem Sprung“
fühlt. Die im Körper in Form von Zucker- und Fettreserven gespeicherte Energie
wird bereitgestellt und in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Die erhöhte
Energiezufuhr an die Skelettmuskulatur wird durch eine Intensivierung der
Durchblutung erreicht, indem die Blutgefäße der Skelettmuskulatur erweitert
werden. Angesichts von akuten Gefahren ist auch eine maximale geistige
Aufmerksamkeit gegeben, so dass man sich hellwach erlebt, bis hin zur
unangenehmen Überwachheit (Hypervigilanz).
Alles,
was im Moment nicht lebensnotwendig ist, wird ausgeschaltet. Zur Mobilisierung
vorhandener Reserven wird für den kurzen Zeitraum der Alarmreaktion alles
gehemmt, was einem längerfristigen Energieaufbau dient:
Hemmung
des Appetits,
Bei der Flucht-
und Kampfbereitschaft scheinen
unterschiedliche sympathische Aktivitäten gegeben zu sein. Beim
Fluchtimpuls steht
die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin im Vordergrund. Dieses bewirkt
eine Verengung der Blutgefäße, eine Freisetzung von Blutzucker, eine Förderung
der Blutgerinnung und eine (über)starke geistige Aktivierung. Bei einer
Kampfbereitschaft kommt es dagegen vorwiegend zur Produktion von Noradrenalin, das den Herzschlag und den
Blutdruck erhöht sowie Blutfette freisetzt. Nach einigen Minuten lässt die
Alarmwirkung nach, es kommt zur Entspannung oder (bei Andauer der körperlichen
oder seelischen Belastung) zur Widerstandsphase (Anpassungsphase). Alpha2-adrenerge
und beta-adrenerge Rezeptoren sowie andere neuronale Systeme (insbesondere über
GABA) bewirken im Sinne eines Feedbacksystems ein Abklingen der Reaktion und
ein neues Gleichgewicht.
Die Begriffe „Kampf“ und „Flucht“ sind bei
vielen Stresssituationen nicht wörtlich zu nehmen. „Kampf“ bezeichnet das
Herangehen an die angst- oder Stressauslösende Situation, den Versuch, das
Problem aktiv zu lösen, „Flucht“ jede Art von Rückzug aus den belastenden
Situationen, auch Fluchtimpulse, nicht nur wirkliches Weglaufen.
Zum Verständnis, warum gerade die
körperliche Leistung bei Stress im Vordergrund steht, muss man bedenken, dass
sich diese vegetative Reaktion in Millionen von Jahren allmählich herausgebildet
hat. Die meiste Zeit lebten die Menschen unter Bedingungen, in denen
körperliche Leistungsfähigkeit (Kraft, Schnelligkeit) die entscheidende
Voraussetzung dafür war, in Stresssituationen zu überleben. Unsere biologische
Ausstattung stammt aus einer früheren Phase der Evolution, wo Kampf oder Flucht
die angemessensten Reaktionsweisen waren, um mit Bedrohung fertig zu werden.
Derselbe körperliche
Reaktionsmechanismus der Kampf- oder Fluchtphase läuft auch dann ab, wenn
Situationen nur als bedrohlich vorgestellt werden, d.h. der Körper
unterscheidet nicht zwischen realen und vorgestellten Gefahren. Körperliche
Mobilisierung bereits bei der Vorstellung von Gefahren ist notwendig, um bei
tatsächlicher Gefahr rasch reaktionsbereit zu sein. Der Organismus reagiert
somit bei körperlichen und seelischen Belastungssituationen in gleicher Weise
mit einer Aktivierung des vegetativen Nervensystems. Bei psychischem Stress ist
die körperliche Mobilisierung meist zu stark, weil keine entsprechende
Aktivität (Kampf oder Flucht) erforderlich ist.
Die
körperliche Aktivierung stellt vor allem dann eine Fehlsteuerung dar, wenn
vorschnell und unberechtigt Situationen als gefährlich eingeschätzt werden. Es
kommt zu einem körperlichen Anspannungszustand, der mangels Bewegung bestehen
bleibt, sowie zum Aufbau von Energie und zur Beschleunigung von
Stoffwechselvorgängen, was gar nicht erforderlich ist.
Widerstandsphase (Anpassungsstadium)
Als Widerstandsphase
bezeichnet man die Zeit, in der die Aktivierung des Körpers andauert. Diese
Zeitspanne hängt davon ab, wie lange die belastende Situation weiterbesteht
bzw. wie lange der Körper in der Lage ist, die übermäßige Anspannung aufrecht
zu erhalten. Um die vom Sympathikus gesteuerte Mobilmachung des Körpers zu
bremsen, setzt einige Minuten nach Beginn des Alarmstadiums eine
Gegenregulation über den Parasympathikus ein. Dadurch soll der Körper wieder in
das Gleichgewicht gebracht werden. In dieser Phase der Stressreaktion kann es
zur übersteigerten Aktivierung von Magen- und Darmtätigkeit kommen, verbunden
mit Gefühlen von Übelkeit, Erbrechen, Stuhl- und Harndrang.
Im Widerstandsstadium passt sich der Körper bei
Bedarf an einen längerdauernden bzw. chronischen Stressor durch Mobilisierung
anderer Abwehrkräfte an:
Schilddrüsenhormone: Tri- und Tetrajodthyronin (Thyroxin) beschleunigen die Stoffwechselprozesse.
Es kommt (nach 4 Stunden) zur vollen
Wirksamkeit der Nebennierenrindenhormone, insbesondere des Glukokortikosteroids
Kortisol (Hydrokortison), das Aufbau und Preisgabe neuer Energien ermöglicht.
Dies geschieht durch Zuckerherstellung aus Eiweiß sowie durch verstärkte
Magensaftproduktion (Verdauungsförderung). Gleichzeitig werden die
Katecholamineffekte verstärkt (Herzleistung erhöhende Adrenalinwirkung,
allgemein gefäßverengende Noradrenalinwirkung).
Unkontrollierbarer Stress führt zu
einem langanhaltenden erhöhten Glukokortikoidspiegel. Anhaltender, unbewältigbarer Stress bewirkt
eine „erlernte Hilflosigkeit“, die das Tiermodell für Stresserkrankungen
darstellt. Die Entdeckung von Glukokortikoidrezeptoren im Gehirn weist darauf
hin, dass die Stressreaktion nicht nur vom Gehirn ausgeht, sondern auch darauf
zurückwirkt und degenerative sowie regenerative Folgezustände auslöst. Bei
Dauerstress erfolgt eine Degeneration noradrenerger Axone und eine Verringerung
der noradrenergen Innervationsdichte im Kortex.
Neben der Ausschüttung von
Glukokortikosteroiden kommt es bei längerer Belastung auch zur vermehrten
Freisetzung von Schilddrüsenhormonen, die eine Steigerung der Sauerstoffaufnahme
der Zellen und damit eine Beschleunigung der Stoffwechselvorgänge bewirken.
Insbesondere T3 (Trijodthyronin), das bereits nach Stunden seine
Maximalwirkung erreicht, bewirkt eine gesteigerte Verbrennung von Kohlehydraten
(Zucker und Stärke), Eiweiß und Fetten, eine Steigerung des Grundumsatzes, eine
Erhöhung des Zuckerabbaus bis zur Erschöpfung der Reserven und damit einen
Anstieg des Blutzuckers, eine Entleerung der Fettdepots und einen Mangel an
Eiweiß. Die anfallende Verbrennungswärme wird durch Schwitzen und erhöhte
Durchblutung der Hautgefäße an die Umwelt abgegeben.
Als gefährlicher Nebeneffekt der Konzentration
aller Energien auf die Bewältigung eines Dauerstresses zeigt sich eine erhöhte
Anfälligkeit des Körpers für Krankheiten, da der Körper hierfür nur
unzureichende Abwehrreserven zur Verfügung hat.
Nach der Bewältigung des Stresszustandes in der
Widerstandsphase erfolgt eine Umschaltung in die parasympathische (vagotone)
Spannungslage, die der Erholung dient. Bei unzureichender Stressbewältigung
arbeitet das sympathische Nervensystem weiter, während gleichzeitig das parasympathische
Nervensystem aktiviert wird. Es kommt dadurch zu einer Störung in den
normalerweise gut koordinierten vegetativen Abläufen, zu einem Nebeneinander
von Anspannung und Schwäche. Erst nach einer Weile haben sich die einzelnen
Körperfunktionen wieder so eingespielt, dass man wirklich abschalten und sich
erholen kann.
Diese Störungen werden bei einmaligen oder
seltenen Stresssituationen verhältnismäßig leicht überwunden. Gelingt dies
wegen des anhaltenden physischen oder psychischen Stresszustandes nicht, bleibt
das Missverhältnis zwischen Aktivität und Entspannung auf Dauer bestehen, was
sich entweder mehr im Sinne einer übermäßigen Anspannung (sympathikotone
Richtung) oder in einem Schwächezustand (vagotone Richtung) äußert.
Die
Überforderung der einzelnen Organfunktionen bewirkt Befindensstörungen:
psychosomatische
Krankheiten
(Organstörungen mit Gewebeveränderungen).
Psychische Überlagerungen können bei vielen
organischen Krankheiten auftreten, so dass man gar nicht von einigen typischen
psychosomatischen Krankheiten (z.B. Bluthochdruck, Asthma, Magen-, Darm-,
Zwölffingerdarmgeschwür) sprechen kann. Andererseits können primär körperliche
Faktoren die psychische Befindlichkeit beeinträchtigen. Therapeutisch bedeutet
die Wechselwirkung von körperlichen und geistig-seelischen Vorgängen, dass zur
Gesundung bei schweren Störungen auf beiden Ebenen angesetzt werden muss.
Chronische Stress und Angstzustände beeinträchtigen
die Heilungschancen bei vielen Krankheiten (z.B. bei Krebs,
Infektionskrankheiten). Bei ständiger Überlastung ist die Immunabwehr so
geschwächt, dass selbst ein Schnupfen übermäßig lange anhält.
Eine allgemeine Erschöpfung wird heute auch „chronisches Erschöpfungssyndrom“ genannt. Das äußere
Bild der Erschöpfung kann sehr unterschiedlich ausschauen, z.B.
„Nervenzusammenbruch“, niedriger
Blutdruck, Magenschleimhautentzündung,
Es gibt einige Störungen, die bei fast allen
Erschöpfungszuständen auftreten: Schlafstörungen, Einschränkung der
Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, Nervosität. Die Überforderung und
Erschöpfung zeigt sich immer an dem Organ oder Organsystem, das am wenigsten
belastbar ist.
Die organische Schwäche kann anlagemäßig
vorhanden sein oder nur im Moment bestehen. Jemand mit einer erblichen
Veranlagung zu erhöhter Magensäureproduktion wird bei dauerndem Stress
wahrscheinlich am ehesten an einer Magenschleimhautentzündung oder sogar einem
Magengeschwür erkranken. Wer sich wenig bewegt, wird bei Belastungen vielleicht
mit Rückenschmerzen reagieren.
Das „schwächste Glied in der Kette“, das Organ,
an dem sich die Erschöpfungs- und Krankheitszeichen zuerst zeigen, kann auch
durch bestimmte Risikoverhaltensweisen vorgeschädigt sein. Nikotin-, Alkohol-
und Medikamentenmissbrauch können die Grundlage für eine
Magenschleimhautentzündung sein, das Rauchen die Grundlage für eine chronische
Bronchitis oder Kreislaufstörung, falsche Ernährung für Stoffwechselstörungen
usw.
Angst,
Aufregung und Stress bewirken bestimmte biologisch sinnvolle vegetative
Reaktionen, im negativen Fall bestimmte belastende Fehlregulierungen. Jede
unnötige Adrenalinausschüttung führt zu psychovegetativen Beschwerden. Alles,
was zu einem drastischen Anstieg des Adrenalinspiegels im Blut führt, kann eine
Panikattacke auslösen. Die Alarmierung des Körpers kann dabei durch körperliche
und/oder seelische Stressoren bewirkt werden.
Panikattacken können auch nach einer
starken körperlichen oder seelischen Belastung auftreten. War der Adrenalinspiegel aufgrund
von starkem Stress über einen längeren Zeitraum erhöht, sinkt er mit
nachlassender Belastung nicht sofort auf das Normalmaß zurück, sondern wird oft
über eine Panikattacke abgebaut. Dies erklärt das häufige Auftreten von
Panikattacken gerade in Phasen beginnender Ruhe, d.h. wenn man sich eben in den
Sessel gesetzt oder in das Bett gelegt hat.
Der Umstand, dass man die ungewohnten
körperlichen Reaktionen in einem Ruhezustand nicht zu erklären vermag, und die
einsetzende ängstliche Beobachtung des Körpers, die einem mangels anderer
Tätigkeiten möglich ist, führen zu Beunruhigung und Angst und damit zu einer
Verstärkung der körperlichen Symptome. Panikattacken können sogar im Schlaf
auftreten, und zwar ebenfalls dann, wenn die chronische Verspannung, die man
bis in den Schlaf hinein mitgenommen hat, endlich aufhört.
Die anfänglichen
Schock- und Schrecksymptome bei einer Panikattacke werden durch das
parasympathische Nervensystem erzeugt:
„Weiche Knie“ beruhen auf der
Erschlaffung der Skelettmuskulatur. Der Abfall des Muskeltonus führt oft zur
Angst, bald umzufallen („Meine Knie werden ganz weich“, „Gleich sinke ich zu
Boden“, „Ich muss mich jetzt unbedingt irgendwo anhalten, sonst falle ich um“).
Symptome
der körperlichen Mobilisierung
Die Symptome der Überaktivierung werden durch das sympathische Nervensystem mittels einer Adrenalinausschüttung erzeugt:
Herzklopfen, Herzrasen und
Herzstolpern wird bewirkt durch die plötzliche Beschleunigung des Herzschlags und
die Erhöhung der Pumpleistung des Herzens. Sauerstoff und Nährstoffe, besonders
Zucker, sollen rasch zu den Skelettmuskeln transportiert werden, um den Körper
auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. Das Blut wird dazu bis zu 5 mal schneller
durch den Körper gepumpt, um es besonders stark mit Sauerstoff und Zucker
anzureichern. Ein Adrenalinstoß kann die Herzfrequenz von einem Schlag zum
nächsten verdoppeln („Mein Herz schlägt bis zum Hals“, „Gleich bekomme ich
einen Herzinfarkt“).
Die muskuläre Verspannung des ganzen
Körpers bis hin zum Zittern und Beben ergibt sich durch die Anspannung der
Muskulatur, was gerade bei ausbleibender Bewegung als sehr unangenehm und
schmerzhaft erlebt wird. Der Körper wird für eine Bewegung aktiviert, die nicht
erfolgt, so dass keine Abreaktion der Anspannung stattfindet. Die Verspannung
der Beinmuskulatur führt zu einem unsicheren Stand, so dass nunmehr aus diesem
Grund das Gefühl, bald umzufallen, gegeben sein kann („Ich bin so wackelig auf
den Beinen“, „Meine Knie zittern“, „Mein ganzer Körper bebt“, „Meine Hände sind
so zittrig“).
Mundtrockenheit entsteht durch die übermäßige Atmung mit dem Mund und die Speichelreduktion in Zusammenhang mit der Blockierung der Verdauungsfunktionen („Mein Mund ist so trocken, ich muss etwas trinken“).
Hitzegefühle entwickeln sich durch den erhöhten Energieverbrauch. Deswegen setzt anschließend Schwitzen als Mittel der Kühlung des überhitzten Körpers durch Wasserverdunstung ein („Mir wird so heiß“, „Ich schwitze ständig“).
Geistige Überaktivierung (erhöhte Wachsamkeit), um die Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit angesichts möglicher Gefahren zu steigern, resultiert aus der adrenalinbedingten Stimulierung bestimmter Hirnregionen. Bei Fehlen echter Gefahren wird dies als unangenehme Übersensibilität erlebt („Ich bin so aufgedreht“, „Ich fühle mich ganz überdreht“, „Ich kann nicht abschalten“).
Nach der Sympathikusüberaktivierung
erfolgen parasympathische Reaktionen:
Wenn die Panikattacke aus
verschiedenen Gründen (anhaltende Todes- oder Verlustängste, massive Erregung
durch Wut und Aggressionen, fehlende Bewegung aus Angst umzufallen) nicht
abklingt, kommt es zu einem längerdauernden Nebeneinander von sympathisch und
parasympathisch bewirkten Körperreaktionen mit einem anschließenden
Erschöpfungsgefühl.
Viele Menschen mit Panikstörung und
Agoraphobie haben nach Ausschluss organischer Ursachen ein erhöhtes
Erklärungsbedürfnis für ihre Störung. Sie bleiben aus verständlichen Gründen
weiterhin organisch fixiert, obwohl sie laut Ärzten „nichts Organisches“ haben.
Für Betroffene, denen die bisherigen Erläuterungen über die
Körper-Seele-Zusammenhänge noch immer nicht ausreichend und konkret genug
erscheinen, sowie für interessierte nichtärztliche Psychotherapeuten sind die
folgenden Ausführungen gedacht, die mit Hilfe der entsprechenden Fach- und
Populärliteratur erstellt wurden. Recht informativ ist das
allgemeinverständlich und humorvoll geschriebene Buch „Der gesunde Kranke“ von
Lieb und Pein, Fachleuten ist das Buch „Biologische Psychologie“
von
Birbaumer und Schmidt zu empfehlen.
Umfangreicheres Wissen von Menschen mit Angststörungen kann dazu führen, die ärztlichen Erläuterungen, die im Rahmen einer Kassenpraxis mit dem damit verbundenen Zeitdruck oft nur knapp ausfallen, besser zu verstehen und eventuell spezifischere Fragen an den behandelnden Arzt zu richten. Für Angstpatienten, die medizinische Informationen aus Angst vor Beunruhigung vermeiden, stellt der folgende Text eine Art Konfrontationstherapie dar.
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das sympathische
Nervensystem eine Beschleunigung des Herzschlags, eine Erhöhung der
Pumpleistung des Herzens und eine Erweiterung der Herzkranzgefäße,
infolgedessen eine Blutkreislaufsteigerung. Subjektiv wird dies erlebt als
starkes Herzklopfen, Herzrasen oder Herzstolpern, Stechen, Schmerzen oder
Engegefühl in der Brust.
Jede körperliche oder seelische Belastung
erhöht die Aktivität des Herzens. Die vermehrte Durchblutung bewirkt eine
verstärkte Versorgung aller Körperzellen mit Nährstoffen und mit Sauerstoff als
der Verbrennungsenergie sowie den anschließenden raschen Abtransport der
Stoffwechselprodukte aus dem Gewebe. Das Blut wird 5 mal schneller durch den Körper gepumpt, um es
stark mit Sauerstoff und Zucker anzureichern. Bei physischer und psychischer
Belastung werden die Skelettmuskeln, die für Kampf- und Fluchtverhalten
benötigt werden, besonders versorgt. Anders formuliert: wenn die Muskeln durch
Bewegung mehr Sauerstoff fordern, arbeitet das Herz härter, um mehr Blut in
Umlauf zu bringen.
Bei Angst, Aufregung und Stress kommt es
manchmal zu Herzrhythmusstörungen (Herzstolpern, Extraschläge, Herzschläge
„außer der Reihe“, sog. Extrasystolen).
Extrasystolen entstehen bei
raschem Umschalten auf Beschleunigung oder Verlangsamung der Herzschläge. Nach
raschen Herzschlägen macht das Herz anschließend eine (von vielen als
beängstigend erlebte) kurze Pause, um den Rhythmus wiederherzustellen. Dies ist
eine völlig normale, ungefährliche Reaktion. Die Herzaussetzer sind ein Zeichen
der Beruhigung nach einer größeren Belastung. Ein Ausschluss organischer
Ursachen ist aber dennoch erforderlich. Übermäßiges Rauchen bzw. Kaffeetrinken
kann ebenfalls (neben der Pulsbeschleunigung) Herzrhythmusstörungen bewirken.
Angst, Aufregung und Stress kann auch zu einer nervös
bedingten Verkrampfung der Herzkranzgefäße
führen („spastische Angina pectoris“ infolge spastischer Verengung) und
damit zu einer verminderten Durchblutung und unzureichenden Sauerstoffzufuhr
zum Herzen, oft verbunden mit ausstrahlenden Schmerzen vorwiegend in den linken
Arm und Herzinfarktängsten. Es treten ähnlich massive und beängstigende
Schmerzen auf wie bei Angina pectoris (wörtlich „Brustenge“). Im Gegensatz zu
Angina pectoris sind diese jedoch vorübergehend, weil sie rein „nervös“ bedingt
sind. Die Schmerzen lassen sich durch Ruhe oft nicht lindern, auch nicht durch
Medikamente wie Nitroglyzerin, sondern sind intensiv und dauern lange an. Die
Schmerzen können einige Stunden bis Tage anhalten, während ein
Angina-pectoris-Anfall nur 2-20 Minuten dauert. Die Schmerzzustände treten am
Tag oder in der Nacht auf, d.h. oft auch während des Schlafs. Auslöser können
neben Stressfaktoren auch Koffein, bestimmte Substanzen im Zigarettenrauch und
Kälte sein. Häufig entstehen daraus Panikattacken.
Hilfen sind: den linken Arm langsam immer
tiefer in warmes Wasser tauchen, was entspannend wirkt und die Herzdurchblutung
fördert; die Formel „Linker Arm ganz warm“ aus dem autogenen Training,
verbunden mit der Vorstellung des Armes in warmem Wasser; eine verlängerte
Ausatmung zur Beruhigung des Herzens.
Die Beschwerden bei einer Angina pectoris
beruhen auf einer Verengung der Herzkranzgefäße durch Ablagerungen in den
Gefäßen, so dass zuwenig Blut hindurchfließen kann. Bei körperlicher Belastung
braucht das Herz mehr Blut, d.h. mehr Sauerstoff und Nährstoffe als durch die
verstopften Herzkranzgefäße zugeführt werden kann. Als Folge davon kommt es zu
heftigen Brustschmerzen: plötzliche, meist anfallsweise auftretende Schmerzen
hinter dem Brustbein, die typischerweise in den linken Arm ausstrahlen,
manchmal auch auf die obere Brust, die Schultern, den Hals, den Unterkiefer und
den Oberbauch, oft erlebt als Druck auf der Brust, als beklemmendes,
schmerzendes, brennendes Gefühl, als Engegefühl in der Brust, wie wenn ein
Reifen um die Brust gelegt würde. Bei schweren Anfällen treten oft
Kollapszustände auf, verbunden mit Übelkeit, Schwitzen und Angstgefühlen.
Bei der Prinzmetal-Angina, einer Sonderform der
Angina pectoris, treten Schmerzen in Ruhe bei ansonsten guter Belastbarkeit
auf. Die Symptomatik ist charakterisiert durch eine starke ST-Hebung im Anfall,
die sich nach 1-2 Stunden normalisiert, und durch Kammerarhythmien ohne
zusätzliche enzymatische Auffälligkeiten.
Bei einem Herzinfarkt besteht das Hauptsymptom
in einem intensiven Schmerz, der sich im Zentrum des Brustraums ausbreitet. Der
veränderte Herzrhythmus, der bei Panikattacken so beunruhigend ist, wird
dagegen als zweitrangig erlebt. Bei Bewegung werden der Schmerz und der Druck
ärger, bei Ruhigstellung geringer, bei Panikattacken dagegen verschwinden die
Symptome durch Bewegung rasch und können in Ruhe sogar zunehmen. Während ein
kürzerer und weniger ausgeprägter Sauerstoffmangel durch Verengung der
Herzkranzgefäße eine Angina pectoris bewirkt, kommt es bei einem längeren und
vollständigen Sauerstoffmangel durch Gefäßverschluss zu einem Herzinfarkt. Wenn
das Herz einige Sekunden lang überhaupt keinen Sauerstoff mehr erhält, stirbt
der betroffene Teil des Herzmuskels ab. In bestimmten Fällen kann eine durch
arteriosklerotische Ablagerungen bedingte Angina pectoris zu einem Herzinfarkt
führen. Ist ein großes Blutgefäß und damit ein großer Herzbereich vom Infarkt
betroffen, kommt es zum sofortigen Tod, sind nur kleine Bereiche betroffen,
bleibt der Infarkt fast unbemerkt („stummer Infarkt“, mit kurzen
Brustschmerzen).
Typische Herzinfarktsymptome sind: heftige
Schmerzen hinter dem Brustbein, oft ausstrahlend in den linken Arm, Übelkeit,
kalter Schweiß und niedriger Puls.
In den hochindustrialisierten Staaten zählen
Brustschmerzsymptome zu den häufigsten Beschwerden. Laut einer repräsentativen
Studie in den USA haben 17,4% der Bevölkerung ein Unbehagen im Brustbereich,
13,8% erleben Druckgefühle und 7,6% heftige Schmerzen über eine halbe Stunde
oder länger.
1995 wurden in der BRD 409159 Herzkathederuntersuchungen durchgeführt, von denen nur 26,8% der Fälle eine Koronarintervention zur Folge hatten. Die weitere Betreuung der Untersuchten ohne positiven Koronarbefund ist in individueller und sozial-medizinischer Hinsicht oft unbefriedigend.
Untersuchungsreihen an Patienten mit einem starken Verdacht auf eine stenosierende Koronarerkrankung haben gezeigt, dass mindestens 20-30%, eher sogar ein Drittel der Fälle, keine organische Symptomatik aufweisen. Heidelberger Forscher, die im Laufe von 10 Jahren die Daten einer repräsentativen Akutklinik-Stichprobe von fast 50000 Patienten gesammelt hatten, zeigten auf, dass unter den mit der Verdachtsdiagnose Angina pectoris stationär aufgenommenen Patienten in 15,8% der Fälle keine organische Diagnose gesichert werden konnte und diesen Patienten auch keine klare Alternativdiagnose angeboten wurde.
Die wichtigsten Ursachen für die
Fehlklassifikation waren folgende Krankheitsbilder: Refluxösophagitis,
costovertebrales Syndrom und Herz-(Angst-)Neurose. Eine Angststörung stellt die
häufigste nichtorganische Ursache von Brustschmerzen dar. Verschiedene
amerikanische Studien mit Hilfe von Herzkathederuntersuchungen führten die
falsch-positiven Befunde der betroffenen Personen auf deren hohe Belastung
durch Angst, Depression oder körperliche Fixierung zurück.
Andererseits weisen oft auch herzkranke
Patienten psychische Belastungsfaktoren auf, so dass unklar bleibt, ob
organisch und nichtorganisch bedingte Brustschmerzen anhand bestimmter
psychopathologischer Kriterien klar voneinander unterschieden werden können.
Genau diese Fragestellung wurde in einer aktuellen Studie der kardiologischen
Ambulanz der Universitätsklinik Heidelberg untersucht, die sich mit der
Thematik der psychischen Komorbidität bei Patienten mit alarmierender
Brustschmerzsymptomatik beschäftigte.
Von 77 Patienten, die mit dem Schmerzbild einer
Angina pectoris in Ruhe zur medizinischen Abklärung kamen, konnte mittels einer
invasiven Herzkathederuntersuchung bei 35% keine stenotische Lumeneinengung
gefunden werden. Die kardiologische Unauffälligkeit dieser Personengruppe wurde
durch ein negatives Belastungs-EKG und ein unauffälliges Langzeit-EKG
bestätigt.
Im Gegensatz zu der häufigen Behauptung, dass
eine „Pseudo-Angina-pectoris“ hauptsächlich bei weiblichen Personen auftritt,
setzte sich die Gruppe der Patienten mit nichtorganisch bedingten Herzschmerzen
aus 81% Männern und 19% Frauen zusammen. Der durchschnittliche Frauenanteil bei
nichtorganisch bedingten Brustschmerzen liegt auch nach anderen Studien unter
50%.
Die organisch gesunden Patienten mit
Herzbeschwerden waren nur geringfügig depressiver als die herzkranken
Patienten, während hinsichtlich des Ausmaßes an Hilflosigkeit und Klagsamkeit
eine gleich große Belastung und somit kein signifikanter Unterschied zwischen
beiden Gruppen bestand.
Patienten mit nichtkoronar bedingten Herzschmerzen wiesen zumindest in dieser Studie kein höheres Ausmaß an psychischer Irritabilität auf als Patienten mit ischämischen Herzschmerzen. Die verwendeten psychodiagnostischen Erhebungsinstrumente waren nicht in der Lage, zwischen beiden Gruppen zu unterscheiden.
Zur Erklärung der Befunde weisen die Autoren darauf hin, dass eine chronifizierte Schmerzsymptomatik beide Gruppen eher homogenisiert als differenziert. Chronische Schmerzen können ein depressives Zustandsbild bewirken, eine Depression wiederum kann die Schmerzschwelle senken und damit das Schmerzerleben verstärken.
Die gängigen Vorstellungen der Kardiologen und Psychosomatiker über eine leichte diagnostische Unterscheidbarkeit zwischen beiden Gruppen sind nach den Heidelberger Forschern kritisch zu beurteilen. Menschen mit psychisch bedingten Brustschmerzen, die eine medizinische Durchuntersuchung bis zur Koronarangiographie erleben, stellen eine heterogene Patientengruppe dar. Typische Panikpatienten wurden zu diesem Untersuchungszeitpunkt in der Regel bereits sicher diagnostiziert und ausgefiltert.
Die Studie stellt einen Beleg dafür dar, dass viele Menschen mit chronifizierter angina-pectoris-artiger Symptomatik ohne organischen Befund weniger eine Panik- und Angststörung aufweisen als vielmehr eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Dieser Aspekt ist insbesondere auch bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (z.B. bei Zuständen nach einem Unfall, einer Vergewaltigung oder einem Überfall) zu bedenken, wo Brustschmerzen mit angstbetonten Herzsensationen im Vordergrund stehen.
Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit einer organischen Durchuntersuchung bei Brustschmerzen. Das Vorhandensein psychischer Belastungsfaktoren stellt kein verlässliches Zeichen für eine nichtorganische Brustschmerzsymptomatik dar. Andererseits weisen 15-20% aller Patienten nach einem akuten Infarkt eine Depression auf. Rund 15% der Herzinfarktpatienten erleben Panikattacken.
In einer unausgelesenen Stichprobe von 3705
Patienten, die zur Abklärung mittels Belastungs-EKG überwiesen wurden, hatten
19,7% auffällige Angstwerte und 9,1% hohe Depressionswerte.
Menschen mit einer Herzneurose, die heute als
Herztod-Phobie bezeichnet wird, fürchten plötzliche Tachykardien (bis zu 160
Schläge/min), starken Blutdruckanstieg (bis zu 200/100 mg Hg),
Schweißausbrüche, Gesichtsröte und gelegentliche Atembeschleunigung. Sie klagen
über Herzschmerzen und Stiche mit ausstrahlenden Schmerzen in den linken Arm,
die sich in unregelmäßigen Abständen wiederholen.
Funktionell bedingte Herzschmerzen sind
charakterisiert durch einen dumpfen Druck und ein Brennen (einige Stunden bis
mehrere Tage) und kurze nadelartige Schmerzen unter der linken Brustwarze. Die
psychogenen Schmerzzustände treten ohne körperliche Belastung auf. Wenn sie bei
körperlicher Belastung einsetzen, dann deshalb, weil die von Herztod-Phobikern
wahrgenommenen Körpersensationen immer Angst auslösen.
Nach dem ersten Anfall kommt es zu einer
gedanklichen und erlebnismäßigen Einengung auf ein stark angstbesetztes
Herzerleben. Im Sinne einer Erwartungsangst besteht eine ständige Angst vor
einem Herzinfarkt, die durch bestimmte Strategien zu bewältigen versucht wird.
Herztod-Phobiker kontrollieren dauernd ihren Puls, bestehen auf häufigen
Herzuntersuchungen trotz fehlendem pathologischen Befund und wandern von einem
Arzt zum anderen, wenn sie sich nicht verstanden fühlen.
Eine der Hauptängste bei Menschen mit
Panikattacken, wo das Herzrasen im Vordergrund steht, ist die Angst vor einem
Herzinfarkt, so dass das Herz bei diesem Gedanken sofort noch schneller zu
schlagen beginnt. Viele Panikpatienten haben von Natur aus einen niedrigen
Blutdruck, der bei einer anfänglichen Schreckreaktion noch weiter sinkt. Um
eine Ohnmacht zu vermeiden, setzt Herzrasen als Mittel der Gegensteuerung ein.
Bei einem Herzinfarkt (Verschluss von Gefäßen) würde Herzrasen nichts
nützen.
Bei Herzrasen und infolgedessen steigendem
Blutdruck kann man nicht mehr ohnmächtig werden! Bewegung wäre allerdings
besser als die ängstliche Beobachtung des Herzrasens beim Sitzen oder Liegen.
Bewegung führt rasch zu Blutdrucksteigerung und vermehrter Atmung, wodurch die
Sauerstoffzufuhr zum Gehirn verbessert und Schwindelzustände rasch beseitigt
werden. Sport lässt Herzrasen normal erscheinen.
Herzrasen hat angesichts von körperlichem oder
seelischem Stress die Funktion der Blutdruckerhöhung (und damit der
verbesserten Sauerstoffzufuhr zum Gehirn zwecks Vermeidung von
Schwindelzuständen), so dass die Angst vor einem Herzinfarkt unbegründet ist
(niedriger Blutdruck schützt vor einem Herzinfarkt). Herzrasen führt weder zu
einem Herzinfarkt noch kann es einen Herzinfarkt verhindern, der - wie erwähnt
- in einem Verschluss eines Blutgefäßes besteht, das der Herzversorgung dient.
Herzängste führen oft zu Schonung und
mangelnder körperlicher Betätigung. In der Folge davon kommt es schon bei
geringer Belastung rasch zum Herzrasen, weil die fehlende Kraft des Herzens
durch mehr Herzschläge ausgeglichen werden muss. Der Druck, den das Herz auf
die Blutsäule in den Arterien ausübt (systolischer Blutdruck), hängt von der
Kraft des Herzmuskels und der Herzschlagzahl ab.
Ein untrainiertes, geschwächtes oder krankes
Herz kann oft keinen ausreichenden Druck mehr durch die Kraft seiner
Kontraktion aufbauen und versucht dann häufig, dies durch eine vermehrte
Schlagzahl auszugleichen, damit der Körper ausreichend durchblutet wird.
Während bei Untrainierten Blutdruck und Puls unter Belastung stark ansteigen,
ist dies bei Trainierten kaum der Fall.
Bewegung und Konditionstraining sind sehr
wichtig, um Herzrasen und Atemnot vorzubeugen. 3-4 mal pro Woche sollen während
30-60 Minuten 65% der maximalen Kreislauftätigkeit erreicht werden, d.h. ein
Puls von 180 minus Alter. Ein Pulsanstieg auf 160 pro Minute unter
Trainingsbedingungen ist durchaus normal und gesund, ein höherer Wert bringt
dagegen keine zusätzlichen positiven Wirkungen auf das Herz. Ein sportlicher
Trainingseffekt ist überhaupt erst ab einer Herzfrequenz von 100 und mehr pro
Minute zu erwarten.
Durch ein Konditionstraining wird das Herz
leistungsfähiger. Die Größe der Herzkammern, die Dicke der Herzwände und die
Weite der Herzkranzgefäße nehmen zu. Das Herz pumpt mit jedem Schlag mehr Blut
und verbessert damit die Blutzirkulation und die Versorgung des Körpers mit
Sauerstoff. Es werden auch neue Blutgefäße (insbesondere Kapillargefäße)
gebildet, um die Muskelfasern und die Haut besser versorgen zu können.
Durch ein regelmäßiges Konditionstraining
steigt der Puls unter Belastung weniger stark an, gleichzeitig sinkt der
Ruhepuls ab. Der Ruhepuls erreicht bei Untrainierten oft Zahlen über 90,
während bei Trainierten eine Verlangsamung auf Werte zwischen 32 und 40 möglich
ist. Ein Konditionstraining (z.B. auf einem Hometrainer) kräftigt nicht nur das
Herz und den Körper, sondern stellt auch eine Art Angstbewältigungstherapie bei
Panikpatienten mit der Angst vor Herzrasen dar.
Bei Herzrasen kann der Herzschlag folgendermaßen verlangsamt werden:
doppelt so lang ausatmen als
einatmen;
Bei Ruhe und Entspannung bewirkt das
parasympathische Nervensystem eine Verlangsamung des Herzschlags, eine
Verringerung der Pumpleistung und eine Verengung der Herzkranzgefäße. In der
Folge davon kommt es zu einen Abfall des Kreislaufs. Im Schockzustand kann ein
Kreislaufversagen eintreten. Subjektiv äußern sich Schock- und
Schreckreaktionen als Kreislaufschwäche.
Unter Blutdruck versteht man den vom Herzmuskel
erzeugten Druck, unter dem die Blutmasse des ganzen Körpers durch die Adern
(Arterien) getrieben wird. Der Blutdruck ist abhängig von der Schlagkraft des
Herzens, von der Elastizität der Gefäßwandung und dem Widerstand der Arteriolen
und Kapillargefäße (den kleinen arteriellen Blutgefäßen). Der Blutdruck steigt
durch eine erhöhte Herztätigkeit und die Verengung der kleinen arteriellen
Blutgefäße der Haut.
Die Steigerung des systolischen Blutdrucks
(Pumpdruck auf die Arterien beim Auswurf des Blutes aus dem Herzen, d.h. zum
Zeitpunkt des Zusammenziehens des Herzmuskels) erfolgt durch die verstärkte
Herzleistung.
Die Steigerung des diastolischen Blutdrucks
(Blutdruck in den Arterien zwischen zwei Herzschlägen, Widerstand der
Arterienwände zum Zeitpunkt der Erschlaffung des Herzens, d.h. während der
Füllung mit Blut) erfolgt aufgrund der Verengung der kleinen Arterien
(Arteriolen) durch Noradrenalin. Die kleinsten Arterien sind die eigentlichen
Widerstandsgefäße des Blutstroms und bestimmen, wie viel Blut zu den Organen
und Geweben fließt.
Die Arterien (vom Herzen wegführende
Blutgefäße) haben Muskeln in ihren Wänden und können sich daher bei der Systole
(Blutauswurf des Herzens mit entsprechendem Pumpdruck) elastisch ausdehnen und
bei der Diastole (Ruhephase des Herzens) wieder zusammenziehen, wodurch das
Blut weiterbefördert wird.
Die Venen (zum Herzen hinführende Blutgefäße)
haben einen niedrigen Druck und sind eher weit gestellt. Es besteht eine
schwächer ausgeprägte Muskulatur als bei den Arterien. Deshalb befindet sich in
den Venen mehr Blut als in den Arterien. Auf dieses sog. „Reserveblut“ kann bei
besonderen Belastungen zurückgegriffen werden.
Der Blutdruck wird gemessen in Millimeter
Quecksilbersäule (mm Hg). Die Blutdruck-Normalwerte (systolisch/diastolisch)
sind:
für 10-30jährige: 120/80 mm Hg,
für 30-40jährige: 125/85 mm Hg,
für 40-60jährige: 135-140/90-95 mm Hg.
Grenzwerthypertonie: 140-160/90-95 mm Hg (mehr
als 140/90 mm Hg ist überhöht).
Hypertonie (Bluthochdruck):
Werte über 160/95 mm
Hg.
Niedriger Blutdruck (Hypotonie): Werte unter
100/70-65 mm Hg.
Die angeführten Grenzwerte gelten nicht für
gelegentliche Blutdruckschwankungen, sondern für den durchschnittlich gegebenen
Blutdruck. Besonders kritisch ist ein zu hoher diastolischer Blutdruck (über 95
mm Hg), der auf eine zu geringe Elastizität der Gefäße und damit auf eine
Verkalkung und Verhärtung der Arterien hinweist. Er kann aber auch Ausdruck
einer psychisch bedingten, chronischen Verspannung sein.
Der Blutdruck schwankt im Tagesverlauf. Die
höchsten Werte ergeben sich am Vormittag (8.00-11.00), späten Nachmittag und
frühen Abend (16.00-20.00). Während der Mittagszeit (besonders nach dem
Mittagessen) sinkt der Blutdruck deutlich ab, am stärksten während der Nacht
(tiefste Werte gegen 3.00). Frühaufsteher haben einen starken Blutdruckanstieg
in den frühen Morgenstunden.
„Morgenmuffeln“ haben einen verzögerten und
langsameren Anstieg im Laufe des Vormittags (viele Menschen mit niedrigem
Blutdruck klagen über Morgenmüdigkeit). Umgekehrt sinkt der Blutdruck am Abend
bei den Frühaufstehern früher ab als bei den Morgenmuffeln. Entsprechend den
Blutdruckschwankungen ändern sich auch die Körpertemperatur und die allgemeine
Leistungsfähigkeit.
Hypertonie (hoher Blutdruck) bedeutet, dass
sich das Herz zu sehr anstrengen muss, um zur Versorgung der Gewebe das Blut
durch den ganzen Körper zu pumpen. Der Blutdruck wird zu hoch, wenn das Herz
mit jedem Zusammenziehen eine erhöhte Blutmenge ausstoßen oder einen erhöhten
Widerstand der Arterienwände überwinden muss (bedingt durch mangelnde
Elastizität der Gefäße infolge von Verkalkung).
Bei Bluthochdruck muss das Herz mehr Kraft
aufwenden, weshalb sich ein verstärktes Muskelwachstum entwickelt. Der vergrößerte
Herzmuskel benötigt mehr Sauerstoff, der jedoch gerade bei Gefäßverkalkungen
nur unzureichend zugeführt wird.
Typische Bluthochdrucksymptome: pulsierende Kopfschmerzen, Schwindel
(oft mit Ohrensausen und Flimmern vor den Augen), Kribbeln in Armen und Beinen,
Wetterfühligkeit, Nasenbluten, leichter Druckschmerz in der Brust, Atemnot
(besonders bei physischem und psychischem Stress), Herzbeschwerden, Müdigkeit,
Leistungsminderung, Nervosität, Reizbarkeit, Unruhegefühl.
Angst, Aufregung und Stress führen
häufig zu steigendem Blutdruck, bewirkt durch das sympathische Nervensystem.
Obwohl der Blutdruck in Angst-, Stress und Konfliktsituationen messbar erhöht
ist, wird dies oft gar nicht so erlebt. Bei extremer körperlicher oder
seelischer Belastung (z.B. bei heftigem Streit) kann der Blutdruck bis auf
240/130 mm Hg ansteigen.
Viele Menschen glauben, sie könnten
in Stress und Ärgersituationen ganz ruhig bleiben, und erkennen ohne Messung
gar nicht, wie hoch ihr Blutdruck in diesen Situationen ansteigt. Sie sind
stolz darauf, wie gut sie sich beherrschen können.
Wenn der Blutdruck aufgrund von Stress
dauerhaft erhöht ist, kann eine funktionelle Störung in eine organische
übergehen. Der Körper lernt, dies als Normalzustand zu verstehen, und sorgt
nicht mehr für Maßnahmen zur Senkung des Blutdrucks.
Bei Ruhe und Entspannung bewirkt das
parasympathische Nervensystem ein Absinken des Blutdrucks als Folge der
reduzierten Herztätigkeit und der Erweiterung der kleinen arteriellen
Blutgefäße der Haut.
Schock- und Schreckreaktionen sowie
überfordernder Stress bewirken eine parasympathische Überaktivität mit starkem
Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufzusammenbruch. Subjektiv macht sich dies
bemerkbar in Schwindel- und Ohnmachtsgefühlen, eventuell sogar in kurzer
Ohnmacht.
Der so häufige und belastende Schwindel (Schwankschwindel: der Boden unter den
Füßen scheint zu schwanken) resultiert oft aus folgenden Kreislaufproblemen:
Alarmreaktion des Körpers (Bereitstellungsreaktion) ohne anschließende Bewegung. Die Erweiterung und vermehrte Durchblutung der Gefäße der Muskulatur führt zu einer unzureichenden Durchblutung des Kopfes.
Schulter-Nacken-Verspannungen. Die
Verspannung dieser Muskelgruppen beeinträchtigt die Blutzufuhr und damit auch
die Sauerstoffzufuhr zum Kopf.
Das Versacken des Blutes in den Venen (und
damit die Schwindelzustände) bzw. der Stau in den Muskeln kann durch drei
Methoden leicht behoben werden:
Ausreichende Ernährung, salzreichere
Kost und vermehrte Flüssigkeitszufuhr erhöht bei niedrigem Blutdruck die
Flüssigkeitsmenge in den Gefäßen.
Als niedriger
Blutdruck (Hypotonie) gilt ein systolischer Blutdruck unter 105 mm Hg und ein
diastolischer Blutdruck unter 70-65 mm Hg. Die Gefäße sind durch eine
Fehlsteuerung der Gefäßnerven so erweitert, dass die vom Herzen ausgeworfene
Blutmenge nicht ausreicht, um einen normalen Blutdruck herzustellen. Dies führt
zu Blut- und Sauerstoffmangel im Gehirn sowie zu Beeinträchtigungen aller
Körperfunktionen.
Niedriger Blutdruck äußert sich in folgenden
Symptomen: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Antriebsschwäche, Unlust, Erschöpfung,
Konzentrations- und Leistungsschwäche, Schwindelgefühle, Ohnmachtsneigung,
Ohrensausen, Kopfschmerzen, Schwarzwerden vor den Augen, blasses Gesicht, kalte
Hände und Füße, Herzschmerzen (Mangeldurchblutung des Herzmuskels und damit
Sauerstoffmangel), Herzklopfen (Ankurbelung des Blutdrucks), Herzstechen,
Krämpfe innerer Organe (Mangeldurchblutung), Übelkeit, Appetitlosigkeit,
Magendrücken, Blähungen, bei Frauen oft Unterleibskrämpfe,
Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, depressive Verstimmung, Wetterfühligkeit,
Schlafbedürfnis, Schlafstörung (Blutleere im Gehirn, besonders zwischen 2 Uhr
und 4 Uhr). Schwarzwerden vor den Augen, Flimmern oder Sternchensehen beruht
auf einer Mangeldurchblutung der Sehbahn und des Augenhintergrundes.
Bei „nervösem Niederdruck“ sollten keine
blutdrucksteigernden Mittel eingenommen werden, die den Sympathikusnerv reizen
und eine Zusammenziehung der Blutgefäße bewirken, weil sich dadurch alle
angeführten Symptome noch verschlechtern können. Besser sind sportliche
Betätigung und Kneipp-Methoden. Menschen mit niedrigem Blutdruck kamen vor dem
Ausbruch von Panikattacken mit ihrer körperlichen Befindlichkeit ganz gut
zurecht.
Viele Menschen mit Panikstörung haben einen
generell niedrigen Blutdruck (z.B. 95/65 mm Hg), ohne in der Vergangenheit
darunter gelitten zu haben. In einer bestimmten Situation fiel der Blutdruck
noch weiter ab, so dass es zu einer bedrohlichen Unterversorgung des Körpers
mit Blut und damit auch mit Sauerstoff und Nährstoffen (namentlich Glukose,
d.h. Zucker) kam, die der Körper durch eine Ankurbelung von Herz und Kreislauf
zu beheben versuchte. Dies wird oft als Panikattacke erlebt.
Panikattacken mit anfänglicher Ohnmachtsangst
und anschließendem Herzrasen haben oft eine ganz einfache Erklärung. Vor
Panikattacken sind die großen Gefäße häufig erweitert, der Blutdruck sackt ab,
es kommt zu Schwindel, Druck auf der Brust, Schweißausbruch, Übelkeit und im
Extremfall zu Ohnmacht. Das Herz fängt daraufhin zu rasen an, um den Kreislauf
wieder anzukurbeln. Solche vegetativen Symptome machen Angst. Die aufkommende
Panikreaktion bewirkt zusätzlich einen massiven Adrenalinschub und damit eine Umkehr
der Symptomatik: Kreislauf und Blutdruck werden weiter erhöht (durch Herzrasen
und Verengung der Blutgefäße), die Atmung wird beschleunigt. Diese
Alarmreaktion schützt wirksam vor Ohnmacht.
Herzrasen ist das Mittel der Wahl, um bei
niedrigem Blutdruck in bestimmten körperlichen oder seelischen
Stresssituationen den Blutdruck rasch zu erhöhen. Bei steigendem Blutdruck kann
man nicht mehr ohnmächtig werden!
Patienten mit einem Kreislaufschock (extreme
Gefäßerweiterung) wird vom Arzt Adrenalin gespritzt, das sofort die Gefäße
verengt und vor einem Kollaps schützt. Eine Panikattacke bewirkt dasselbe.
Es gibt vier verschiedene Arten von niedrigem
Blutdruck:
Psychovegetativ bedingte Hypotonie äußert sich
im Extremfall in einem kurz andauernden Verlust des Bewusstseins und der
Muskelspannung. Dieser langsam sich entwickelnden vagovasalen Ohnmacht
(Synkope) gehen folgende Vorzeichen voraus: Muskelschwäche, Schwindelgefühl,
Übelkeit, Schweißausbruch, Unruhe, Blässe, Seufzeratmung, Gähnen (als Zeichen
von Sauerstoffmangel).
Sinken der systolische Blutdruck (infolge geringerer Herztätigkeit) und der diastolische Blutdruck (infolge Entspannung der Blutgefäße der Haut) weiter ab, kommt es zunächst zu einer Pulsbeschleunigung, bei Erreichen von systolischen Blutdruckwerten zwischen 60 und 55 mm Hg zu einem plötzlichen Absinken der Pulsfrequenz mit anschließendem Bewusstseinsverlust. Dauert die Bewusstlosigkeit länger als 10-20 Sekunden an, können auch klonische Muskelkrämpfe auftreten. 30% aller gesunden Erwachsenen haben schon einmal eine vagovasale Synkope erlebt.
Der Blutdruckabfall lässt sich rasch beenden,
wenn der Betroffene in die horizontale Lage gebracht wird (mit den Füßen
hochgelagert), Bewegungen macht oder die Muskeln der Arme und Beine mehrfach
fest anspannt (dadurch steigt der Blutdruck).
Der vagovasale Anfall hängt mit einer Hemmung
der Fluchtreaktion zusammen. Die physiologische Vorbereitung auf die
Fluchtreaktion führt zur Mehrdurchblutung der Muskulatur. Wenn man wegen einer
Hemmung der Fluchtreaktion in Bewegungslosigkeit verharrt, kommt es zu einer
unphysiologischen „inneren Verblutung“ in die Muskulatur und damit zu einem
verminderten Rückstrom des Blutes zum Herzen. Es erfolgt eine Abnahme des
Herzzeitvolumens (Herzfrequenz mal Schlagvolumen pro Minute). Überschreitet die
Verminderung des Herzzeitvolumens ein kritisches Ausmaß, tritt Bewusstlosigkeit
ein. Voraussetzung ist eine Immobilisierung der Motorik in aufrechter Haltung,
die Betroffenen stehen steif da ohne Bewegung. Im Liegen erfolgt keine
vagovasale Ohnmacht, weil sich das Blut gleichverteilt und nicht in den Beinen
versackt.
Die vagovasale Ohnmachtsneigung beruht auf
einer Alarmreaktion des Körpers, d.h. auf einer Aktivierung für Kampf oder
Flucht, ohne anschließende Bewegung, so dass durch den reduzierten Rückfluss
des Blutes von den Muskeln zum Herzen eine Minderversorgung des Gehirns mit
Blut und Sauerstoff erfolgt, was zu Schwindel und Ohnmachtsneigung führt. Jede
körperliche Bewegung beseitigt den Schwindel und die Ohnmachtsneigung, weil der
Blutdruck steigt und die Blutgefäße der Haut verengt werden, so dass mehr Blut
und damit auch mehr Sauerstoff in das Gehirn gelangt. Selbst lautes Schreien
oder Singen sowie die spontane Äußerung der Angstgefühle führt bereits zur
Normalisierung von Puls- und Blutdruck.
Psychodynamisch wird die Ohnmacht in Form einer
Synkope als Mechanismus gesehen, einer ausweglos erscheinenden Situation zu
entkommen, da Kampf oder Flucht nicht möglich sind oder nicht gewagt werden.
Die Betroffenen fühlen sich in großen seelischen Belastungssituationen hilflos
und „ohnmächtig“. Dissoziative („hysterische“) Anfälle treten dagegen ohne
Blutdruck- und Herzfrequenzänderungen auf.
Symptomatische Hypotonie tritt auf als Folge
von Krankheiten, Allergien, Medikamentennebenwirkungen oder bestimmten
körperlichen Zuständen:
Nikotinentzug. Die Blutgefäße der
Haut erweitern sich nach der Nikotin-bedingten Verengung, was zu Herzrasen
führt, weil der Blutdruck dadurch gehoben wird.
Orthostatische Hypotonie (mit der Folge von
orthostatischem Schwindel) ist eine Sonderform des niedrigen Blutdrucks, die
beim Übergang vom Liegen zum Stehen oder bei längerem Stehen auftritt
(orthostatisch = aufrecht stehen). Sie zeigt sich besonders bei jüngeren
Frauen, bei großen, hageren Menschen, bei Personen mit Krampfadern (die
erweiterten Beinvenen nehmen zuviel Blut auf) und bei vielen Patienten nach
krankheitsbedingten Liegephasen.
Diese Störung ergibt sich aus dem
vorübergehenden Versagen der Kreislaufregulation beim Aufstehen oder im Stehen.
Das Blut folgt der Schwerkraft und versackt deshalb beim Aufrichten oder
längeren Stehen nach unten in die Beine. Im Liegen dagegen entspricht der
Blutdruck der Betroffenen der Norm. Da die dünnwandigen Venen leichter dehnbar
sind als die Arterien und sich kaum selbst zusammenziehen können, versacken
beim Aufstehen kurzfristig 400-600 ml Blut in den Beinen. Diese Menge wird den
Blutgefäßen in Oberkörper und Kopf entzogen, so dass weniger Blut zum Herzen
zurückfließen kann. Wenn sich aber die Herzkammern weniger füllen, dann sinkt
auch die Pumpleistung des Herzens und der Blutdruck fällt ab.
Bei normalem Blutdruck wird dieser Reaktion
sofort durch Verengung der Beingefäße und Abgabe von gespeichertem Blut aus den
Depots des Körpers gegengesteuert, so dass man von dem kurzen Blutdruckabfall
nichts bemerkt. Das gelingt bei der orthostatischen Hypotonie nicht schnell
genug. Es kommt beim plötzlichen Aufstehen oder nach längerem Stehen zu
Schwindel, Übelkeit, Flimmern und Schwarzwerden vor den Augen oder sogar zu einer
kurzen Ohnmacht infolge der Blutleere im Gehirn. Zugleich wirkt sich die
verzögerte Gegenregulation des Sympathikus (vermehrte Ausschüttung der
Stresshormone) in Form von Herzrasen, Schweißausbrüchen und Angstgefühlen
blutdrucksteigernd aus.
Der orthostatische Schwindel wird beim Stehen
vor allem dann provoziert, wenn der Blutdruck ohnehin schon niedrig und nur im
Liegen normal ist, sowie bei Krampfadern, wo an sich bereits bis zu 20% des
Blutes in den Venen versacken.
Essentielle Hypotonie (anlagebedingt, ohne
zugrundeliegende Krankheit) kommt familiär gehäuft vor und kann durch
psychosoziale Faktoren verstärkt werden.
Die Hypotoniesymptome Antriebsschwäche,
chronische Müdigkeit, Ohnmachtsneigung und reduziertes Leistungsvermögen können
verschlüsselter Ausdruck einer bestimmten Persönlichkeit sein. Konstitutionell
niedriger Blutdruck hat dann keinen Krankheitswert, wenn er (wie oft der Fall)
keine Lebensbeeinträchtigung darstellt.
Ein zu niedriger Blutdruck kann oft viele Jahre
lang unerkannt und ohne belastende Auswirkungen vorhanden sein, dann aber durch
psychosoziale Stressfaktoren, die zu einem ständigen psychischen
Ohnmachtserleben führen, zu einem großen Problem werden. Ohnmachtserleben
gegenüber den Anforderungen des Alltags und Unvermögen, die Konflikte zu lösen,
führt zu Erschöpfung und Blutdruckabfall.
Eine Tasse Kaffee oder Schwarztee sind bewährte
blutdrucksteigernde Mittel. Bei erniedrigten Blutdruckwerten sind nur in extremen
Fällen Medikamente sinnvoll.
Sympathomimetika (z.B. Präparate wie Effortil®,
Novadral®, Dihydergot®) führen direkt zu einer Verengung
der Venen in Armen und Beinen und damit zu einem verbesserten Rückfluss des
Blutes zum Herzen. Sie haben meist nur eine vorübergehende Wirkung und sollten
bei akutem Bedarf nicht länger als 4-6 Wochen eingenommen werden, da ein
Gewöhnungseffekt (nachlassende Wirkung) mit einer anschließenden
Verschlechterung des Allgemeinbefindens eintreten kann.
Die medikamentöse Sympathikuserregung kann über
die Gefäßverengung die Pulsrate beängstigend steigern. Die Blutdrucksteigerung
führt oft zu einer als unangenehm erlebten, erhöhten Allgemeinerregung und
Unruhe. Es können auch Herzrhythmusstörungen und Angina-pectoris-ähnliche
Beschwerden auftreten.
Die Arzneimittelkommission der
Deutschen Ärzteschaft empfiehlt bei niedrigem Blutdruck anstelle von
Medikamenten ein intensives Trainingsprogramm: Wassertreten, Kneippgüsse,
Wechselduschen, Atemgymnastik und regelmäßige sportliche Betätigung.
Morgengymnastik, Krafttraining und Ausdauersportarten wie Leichtathletik
(Zirkeltraining), Schwimmen, Radfahren, Ballspiele, Tennis, Laufen, Wandern
oder Schilanglauf stärken den Kreislauf.
Blut ist das Transportmittel, das
den ganzen Körper mit Sauerstoff, Zucker, anderen Nährstoffen, Abwehrzellen und
Hormonen versorgt und die Abfälle beseitigt. Die fünf Liter Blut des Körpers
werden jeweils durch Erweiterung bzw. Verengung der Blutgefäße der verschiedenen
Organe so umverteilt, wie es dem aktuellen Bedarf entspricht.
Bei Angst, Aufregung und Stress
bewirkt das sympathische Nervensystem eine Erhöhung der Durchblutung durch die
Erweiterung der Blutgefäße in den Organen, die für die momentane Aktivität bzw.
für das Überleben besonders wichtig sind (Herz, Lunge, Leber,
Skelettmuskulatur, vor allem die großen Muskeln wie z.B. Bizeps und
Oberschenkeln). Es erfolgt eine vermehrte Versorgung der Arm-, Bein- und
sonstigen Kampf-Flucht-Muskulatur mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Gleichzeitig wird die Durchblutung
der Gefäße in den Organen, die für die momentane Tätigkeit nicht unbedingt
nötig sind (Magen, Darm, Nieren, Haut, Schleimhäute, Geschlechtsorgane),
vermindert zugunsten der erhöhten Durchblutung der aktuell wichtigen Organe.
Sympathikotone Hautgefäßverengung (Vasokonstriktion der peripheren Hautgefäße)
wird technisch gewöhnlich als Abnahme der Fingerpulsamplitude festgestellt,
Vasodilatation der Muskelgefäße als Zunahme des Blutvolumens im Unterarm.
Die Mangeldurchblutung bestimmter Organe führt
zu Übelkeit („Schmetterlinge im Bauch“), Nachlassen der Verdauungstätigkeit und
verminderter sexueller Reaktion. Die blutleere Haut wirkt blass, Hände und Füße
sind kalt und kribbelig. Taubheits-, Kribbel- und Kältegefühle sind typische
Zeichen einer angstbedingten Blutumverteilung zur arbeitenden Muskulatur. Die
Verengung der Blutgefäße an der Körperoberfläche reduziert die Gefahr der
Verblutung bei Verletzungen in Kampf- und Bedrohungssituationen. Diesem Zweck
dient auch die Verkrampfung von Brust und Bauchdecke bei realer bzw.
gefürchteter Bedrohung. In geringerem Maße ist auch die Durchblutung des
Gehirns von der Blutumverteilung betroffen. Dies führt zu Schwindelgefühlen,
die bei angstbedingter massiver sympathischer Aktivierung sehr oft beklagt
werden.
Diese Vorgänge erklären, warum bei
Angst, Aufregung und Stress oft geklagt wird über Herzrasen, blasse und kalte
Haut, blasses Gesicht, kalte Hände und Füße, Verdauungsstörungen und mangelnde
sexuelle Reaktionsfähigkeit.
Eine wirksame Blutumverteilung hängt
von der Schnelligkeit ab. Dies wird durch die Beschleunigung des Herzschlags
und das Schlagvolumen bewirkt. Das Schlagvolumen ist jene Menge Blut, die das
Herz, und zwar die rechte Herzkammer, während eines Schlages aufnimmt und
wieder über die linke Herzkammer in den Körper pumpt.
Bei einer Notfallreaktion kann der
Puls von durchschnittlich 70 Schlägen pro Minute auf 180 und mehr pro Minute
ansteigen, während sich das Schlagvolumen verdoppelt. In Ruhe wird das Blut in
einer Minute einmal „umgewälzt“. Während der Alarm- oder
Bereitstellungsreaktion werden infolge des stark erhöhten Pulses die 5 Liter
Blut bis zu 5 mal pro Minute durch den Körper gepumpt und dabei immer wieder
mit Energie (Sauerstoff und Zucker) angereichert.
Bei Ruhe und Entspannung, wie sie
über das parasympathische Nervensystem bewirkt wird, werden die Blutgefäße von
Herz, Lunge, Leber und Skelettmuskulatur verengt und damit die Durchblutung verringert,
während die Blutgefäße von Haut, Verdauungsorganen, Schleimhäuten und
Geschlechtsorganen erweitert und damit die Durchblutung erhöht wird. Zur Verdauung
wird vermehrt Blut benötigt und den anderen Organen entzogen (insbesondere dem
Kopf und der Muskulatur). Man fühlt sich daher nach dem Essen geistig und
körperlich müde. Fortgesetzte Tätigkeit erfordert eine erhebliche
Mehranstrengung.
Die Entspannung der Muskeln im Unterleib (und damit die vermehrte Durchblutung) kann durch Wärmevorstellungen und Wärmeerfahrungen gefördert werden:
Sonnengeflecht-Übung des autogenen
Trainings: „Sonnengeflecht strömend warm“,
warme Hände, Wärmeflasche oder Sonnenstrahlen auf der Bauchdecke.
Schock- und Schreckreaktionen äußern sich -
parasympathisch bedingt - als Erröten. Rotwerden beruht auf einer vagotonen
Fehlregulierung in Überraschungssituationen.
Der Mensch kann ohne Essen etwa 40
Tage, ohne Trinken nahezu 5 Tage, ohne Sauerstoff nur einige Minuten überleben.
Bei fehlender Sauerstoffzufuhr zum Gehirn treten bereits nach einigen Sekunden
Schwindel und zunehmende Bewusstseinstrübung, nach 4 Minuten bleibende
Gehirnschäden auf.
Ängste sind stets mit
Atmungsveränderungen verbunden, so dass dem Verständnis der richtigen Atmung
eine ganz besondere Bedeutung zukommt.
Bei der Einatmung gelangt die Luft
über die Nase oder den Mund durch die Luftröhre zur Lunge. Im Brustkorb teilt
sich die Luftröhre, um beide Lungenflügel versorgen zu können. Die beiden
Luftröhrenäste werden Bronchien genannt. Diese verzweigen sich in der Lunge in
immer feinere Verästelungen (Bronchiolen). Durch diese gelangt die Luft
schließlich in die Lungenbläschen (Alveolen), die extrem dünn und von feinsten
Blutgefäßen durchzogen sind. Hier erfolgt der Gasaustausch: Aufnahme von
Sauerstoff aus der Luft und Abgabe von Kohlendioxid aus dem Blut.
Im Rahmen des so genannten Lungenkreislaufs
wird das verbrauchte Blut, das die rechte Herzkammer aus den großen Körpervenen
aufnimmt, über die Lungenarterie in die Lunge befördert, bis hin zu den
Lungenbläschen. Dort gibt das Blut das Abfallprodukt Kohlendioxid (CO2)
zum Ausatmen ab und nimmt aus der eingeatmeten Luft den Sauerstoff (O2)
auf. Das mit Sauerstoff angereicherte Blut gelangt dann in die linke Herzkammer
und wird dort über die Körperhauptschlagader (Aorta) je nach Bedarf im Körper
verteilt. Das Atmungszentrum im Hirnstamm koordiniert die gesamte Atmung.
Der Sauerstoff muss mit dem Blut in der Lunge
in Kontakt kommen, um aufgenommen und verwertet werden zu können. Aufgrund des
aufrechten Ganges des Menschen und der Schwerkraft ist das Blut in der Lunge sehr
unterschiedlich verteilt. An der Lungenspitze, in der Nähe des Schlüsselbeins,
beträgt die Durchblutung weniger als ein Zehntel Liter pro Minute, im untersten
Drittel der Lunge dagegen einen Liter pro Minute. Für eine maximale Aufnahme
von Sauerstoff ist das Hineinatmen in den unteren Bereich der Lunge
erforderlich. Bei flacher Atmung werden nur 0,2 statt 0,5 Liter Sauerstoff
aufgenommen, wodurch die unteren Lungenbläschen unterversorgt bleiben.
Sauerstoff ist die Verbrennungsenergie des Körpers,
durch die alle Stoffwechselprozesse ermöglicht werden. Sauerstoff sorgt in den
Körperzellen für die Verbrennung der Nährstoffe, wodurch diese zur
Energiegewinnung nutzbar gemacht werden. Während der Sauerstoff verbrannt wird,
entstehen Kohlendioxid (Kohlensäure) und Wasser als Stoffwechselabfälle. Zuviel
Kohlendioxid und zuwenig Sauerstoff im Blut führen zum Einatmen. Bei
Sauerstoffüberangebot und Kohlendioxidmangel (z.B. nach einer Hyperventilation)
kommt es zur Atemruhe oder zum Atemstillstand. Hyperventilation bewirkt somit
Atemnot, führt jedoch nicht zur Bewusstlosigkeit.
Atem- und Herzrhythmus sind eng aneinander
gekoppelt. Das Verhältnis von Atmung und Herzschlag beträgt in Ruhe sowie im
Schlaf 1:4. Bei 15-20 Atemzügen pro Minute erfolgen 60-80 Herzschläge. Die
Ruheatmung sollte nicht mehr als 15 Atemzüge pro Minute umfassen (bei Männern
12-14, bei Frauen 14-15 Atemzüge). Unter Belastung erfolgen bis zu 30 Atemzüge,
bei gezielter Entspannung 6-10 Atemzüge pro Minute. Schneller atmen beschleunigt
den Herzschlag, weil der vermehrt eingeatmete Sauerstoff zu den Organen
weiterbefördert werden muss. Langsamer atmen verlangsamt den Herzschlag. Viele
Panikpatienten haben bereits in Ruhe einen zu hohen Puls.
Einatmen bedeutet Anspannung, Ausatmen bewirkt
Entspannung. Je flacher die Atmung, desto schneller ist sie und desto höher ist
in der Regel auch die Herzfrequenz.
Die Einatmungsluft enthält 20%
Sauerstoff, 78% Stickstoff, 0,03% Kohlendioxid und andere Stoffe wie z.B.
Reizstoffe, Umweltgifte, Staub. Die Ausatmungsluft enthält 14% Sauerstoff, 69%
Stickstoff, 5% Kohlendioxid sowie etwas Wasserdampf und Spuren anderer Gase.
Das maximale Sauerstoffaufnahmevermögen hängt
von der Größe des Herzminutenvolumens (Schlagfrequenz mal Schlagvolumen/Minute)
ab. Ausdauerbelastung verbessert das Herzschlagvolumen. Das Sportlerherz
schlägt in Ruhe oft nur 40 mal pro Minute und kann bei Belastung mit weniger
Schlägen mehr Blut befördern als das von Untrainierten. Ein trainierter Körper
hat infolgedessen eine bessere Aufnahme und Verwertung von Sauerstoff als ein
untrainierter Körper.
Sportler atmen Luft mit 20% Sauerstoff ein und
Luft mit 12% Sauerstoff aus. Nichtsportler atmen ebenfalls 20% Sauerstoff ein,
jedoch 17% wieder aus: sie nutzen mit jedem Atemzug nur 3% des vorhandenen
Sauerstoffs. Untrainierte müssen daher fast dreimal soviel atmen wie
Trainierte, um dieselbe Energie zu erhalten.
Ausdauersport (Laufen, Schwimmen, Radfahren,
Skilanglauf) ist das beste Atemtraining, weil dadurch eine maximale Sauerstoffaufnahme
und -verwertung erfolgt.
Unzureichendes Ausatmen vor dem Einatmen, wie
dies oft bei Angst, Aufregung und Stress der Fall ist, führt dazu, dass sich
Kohlendioxid und Schlacken als Abfallprodukt des Atmens in der Lunge stauen und
ins Blut abgedrängt werden, was eine vorübergehende Vergiftung bewirkt, die
sich in Unruhe, Müdigkeit, Erschöpfung u.a. äußert. Vollständiges Ausatmen
ermöglicht erst intensives Einatmen.
Ständige Sauerstoffunterversorgung des Körpers
führt langfristig zu Verspannungen, Kopfweh, Kreislaufproblemen, rascher
Ermüdung und Konzentrationsschwäche.
Asthma und Bronchitis werden durch psychogen
bedingte Verkrampfungen der Atmungsorgane verstärkt. Asthma ist eine Störung
der Ausatmung als Folge von Verkrampfung oder schleimbedingter Verstopfung der
Bronchiolen.
Bei Arbeitsbedingungen ohne ausreichende
Sauerstoffzufuhr kann der Körper Energie durch Glykolyse (Zuckerspaltung)
gewinnen. Zu Beginn jeder intensiven Arbeit schaltet der Organismus von der
Oxydation (Energiegewinnung unter Sauerstoff) auf Glykolyse um. Dabei wird
Glukose in Laktat (Milchsäure) umgewandelt.
Man unterscheidet drei Formen der Atmung:
Brust-, Zwerchfell- und Vollatmung.
Die Zwischenrippenmuskeln (Interkostalmuskeln) sorgen
dafür, dass das Volumen des Brustkorbs beim Einatmen zunimmt und beim Ausatmen
abnimmt, was jedoch nur bei körperlicher Belastung verstärkt erforderlich ist
(in Ruhe reicht die Zwerchfellatmung). Jede dieser Bewegungen überträgt sich
auf die Lunge, die sich dann entsprechend ausdehnt oder verkleinert. Bei der
reinen Brustatmung wird nur das obere und mittlere Drittel der Lunge
durchlüftet.
Zur Brustatmung gehört auch die
Schulter-(Schlüsselbein-), Flanken-(Untere Rippen-) und Rückenatmung. Bei der Schulteratmung
bewegen sich in der Einatmungsphase die Schultern in Richtung der Ohren.
Weil bei der Schulteratmung Muskeln des
Schlüsselbeins benutzt werden, die normalerweise zum Atmen nicht gebraucht
werden, spricht man auch von Schlüsselbein- oder Hochatmung. Die
Schulter-(Schlüsselbein-)Atmung ist die schlechteste und ineffizienteste
Atmungsform, weil mit sehr viel Energie relativ wenig Luft bewegt wird. Durch
das Hochziehen der Schultern wird der Brustkorb nicht erweitert, sodass sich
die Lunge nicht genügend ausdehnen kann. Es kommt zu einem unangenehmen
Luftstau im oberen Brustkorb, der eine Einatmung im unteren Lungenbereich
verhindert. Die muskuläre Verspannung im Schulter- und Brustbereich verhindert
ein entspanntes Ausatmen.
Die Schulteratmung tritt auf bei
Angstzuständen, wenn der Atem zu stocken beginnt. Bei einer Schreckreaktion
zieht man die Schultern hoch, hält den Atem an und atmet ineffektiv aus dem
oberen Brustkorb heraus weiter, in der irrigen Meinung, über den Mund maximal
viel Luft aufzunehmen. Tatsächlich wird jedoch nur ein kleiner Teil der
Lungenkapazität genutzt, was verstärkte Atemnot bewirkt und Hyperventilieren
begünstigt. Es werden Muskelgruppen aktiviert, die für den normalen Atemvorgang
nicht benötigt werden, um den Preis, dass „mehr Arbeit für weniger Luft“
erfolgt. Gleichzeitig wirkt die hochsitzende Luftfülle bedrängend (Druckgefühl
auf der Brust).
Etwa zwei Drittel der Menschen atmen falsch.
Sie ziehen beim Einatmen den Bauch ein und heben die Schultern, beim Ausatmen drücken
sie den Bauch heraus. Sie atmen zu flach in den oberen Brustraum hinein und
haben eine zu hohe Atemfrequenz Mehr als 15 Atemzüge pro Minute werden von
vielen Atemtherapeuten bereits als Stresssignal angesehen. Wenn man bei der
Aufforderung, mit dem Mund tief einzuatmen, um eine maximale Menge Luft
aufzunehmen, die Schultern in Richtung der Ohren hebt, hat man eine völlig
ineffiziente Schulter- oder Schlüsselbeinatmung. Bei überwiegender Brustatmung,
wie sie für viele Menschen typisch ist, hebt und senkt sich nur der Brustkorb,
entsprechend dem früheren militärischen Motto „Brust heraus, Bauch hinein!“.
Eine falsche Atmung hängt heutzutage öfters
auch mit dem herrschenden Schlankheitsideal zusammen. Verschiedene Menschen
möchten nicht durch eine stärkere Bauchatmung in unangenehmer Weise an ihren
Bauch erinnert werden.
Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel,
weil er bei richtiger Atmung 80% des Atemvolumens bewirkt. Es handelt sich
dabei um eine gewölbte Muskelplatte, die aussieht wie ein aufgespannter
Regenschirm und die den Brustraum vom Bauchraum abgrenzt. Eigentlich sind zwei
Zwerchfellkuppeln vorhanden, je eine im rechten und linken Oberbauch. Der Zwerchfellmuskel
und die Zwischenrippenmuskeln sorgen gemeinsam für die Ausdehnungsfähigkeit der
Lunge und ausreichende Atemluft.
Die Zwerchfellatmung ist die „normale“ Atmung
in Ruhe. Sie beruht auf einer Anspannung (Abflachung) des Zwerchfells beim
Einatmen, wodurch die Lunge sich ausdehnen kann und das untere Drittel der Lunge
durchlüftet werden kann, und einer Entspannung (Krümmung) beim Ausatmen,
wodurch die Lunge zusammengepresst wird.
Die beiden Lungenflügeln hängen frei im
Brustkorb und werden bei der Einatmung auseinandergezogen. Durch das
Auseinanderziehen der Lunge beim Tiefertreten des Zwerchfells entsteht
scheinbar ein Hohlraum (ein Unterdruck in Wirklichkeit), in den die Luft passiv
hineingesogen wird.
Die Lunge kann sich durch die Zwerchfellatmung
nach unten weiter ausdehnen und mehr Luft aufnehmen. Im untersten Drittel ist
aufgrund der Schwerkraft auch das meiste Blut zur Sauerstoffaufnahme.
Das Ausatmen
ist ein rein passiver Vorgang für Zwerchfell, Lunge und Luft. Die vorher
angespannte Zwerchfellmuskulatur entspannt sich und wölbt sich deshalb wieder
in den Brustkorb vor. Die vorher gedehnte Lunge kann nun wie ein Gummiband auf
ihre ursprüngliche Größe zusammenschrumpfen. Dabei entweicht die Luft
automatisch und passiv aus der Lunge über die Nase oder durch den Mund.
Beim Einatmen flacht sich die bis dahin hochgewölbte
Zwerchfellkuppel durch aktives Zusammenziehen der Muskulatur ab (das Zwerchfell
steht dann um 1-3 cm tiefer). Dadurch wird der Brustraum größer, zunächst auf
Kosten des Bauchraums. Die Eingeweide im Bauchraum können aber nicht beliebig
zusammengedrückt werden. Folglich drängen sie nach vorne und wölben den Bauch
vor (Heben und Senken der Bauchdecke bei guter Zwerchfellatmung). Man spricht
deshalb auch von der Bauchatmung.
Bei der Zwerchfellatmung werden auch die
seitlichen Rippenmuskeln bewegt. Die unteren Rippen werden auseinandergezogen,
so dass sich der Brustraum erweitert. Diese Form der Atmung nennt man
Flankenatmung. Es weitet sich auch der untere Rücken.
Die Zwerchfellatmung erleichtert auch andere
Körpervorgänge:
Erleichterung der Verdauung. Das Auf
und Ab des Zwerchfells ist für die Eingeweide eine verdauungsfördernde Massage
(besonders hilfreich bei Verstopfung).
Schonung der Stimme. Die Stimmritze
wird durch die Zwerchfellanspannung beim Einatmen geöffnet, was eine gute
Stimme ermöglicht, während sie bei der Brustatmung geschlossen bleibt. Bei
reinen Brustatmern kommt es daher leicht zur Beeinträchtigung der Stimme.
Die Vollatmung (Brust- und Zwerchfellatmung) ist die effizienteste Atmung. Zuerst
hebt sich die Bauchdecke (Zwerchfellatmung), dann erweitern sich auf der Höhe
der Einatmung infolge der Aufwärtsbewegung der Luft die unteren Rippen
(Flankenatmung) und der Rücken (Rückenatmung), schließlich heben sich die
Schultern (Schlüsselbeinatmung), so dass der ganze Atemraum vom Zwerchfell bis
zum obersten Lungenbereich, den Lungenspitzen, benutzt wird. Anschließend wird
sofort ausgeatmet. Ein ergiebiger tiefer Atemzug steigt somit immer von unten,
aus dem Bauch heraus, nach oben bis in die Lungenspitzen. Die Atmung gleicht
einer Wellenbewegung.
Atmung und körperliche bzw. psychische
Befindlichkeit hängen eng zusammen. Es ist unmöglich, einerseits ruhig und
entspannt zu atmen und andererseits aufgeregt zu sein. Über die Art der Atmung
wird der Körper entspannter oder angespannter.
Bei Angst, Aufregung und Stress
bewirkt das sympathische Nervensystem eine Erweiterung der Luftröhre und der
Bronchien (Luftröhrenverzweigungen in der Lunge), was eine tiefere Atmung
ermöglicht, um mehr Sauerstoff für die bevorstehende Muskeltätigkeit zur
Verfügung zu haben. Atemhäufigkeit und Atemmenge steigen an. Durch eine
vertiefte Atmung kann bedeutend mehr Sauerstoff aufgenommen werden als durch
eine beschleunigte. Der bei Angst vermehrt aufgenommene Sauerstoff bleibt
mangels Bewegung in den Bronchien und wird nicht zu den Lungenbläschen in den
Randbezirken der Lunge transportiert, was das Gefühl der Atembeklemmung
bewirkt.
Bei Ruhe und Entspannung bewirkt das
parasympathische Nervensystem eine Verengung der Luftröhre.
Schock- bzw. Schreckreaktionen führen durch die
parasympathische Überaktivität zu einer Verkrampfung der Bronchiolen (kleine
Verästelungen der Bronchien) bei der Ausatmung sowie zu einer reduzierten
Atemhäufigkeit und -menge, was als Atemnot erlebt wird. Subjektiv äußern sich
Schock- und Schreckreaktionen als Atemanhalten, Zuschnüren der Kehle, „Knödelgefühl“
im Hals, (durch Sauerstoffmangel bedingte) allgemeine Schwäche, Schwindel,
Benommenheit, Erstickungsangst.
Bei Schreck hält man die Luft an. Bleibt der
Schreck bestehen, so dass man nicht erleichtert ausatmen kann, bleibt diese
Luft im Körper, und man atmet anschließend mit angespanntem Brustkorb wieder
ein, wie dies auch bei Asthmatikern der Fall ist. Dies führt zu einem
Spannungsgefühl um die Brust, meist linksseitig, was oft herzbezogene Ängste
auslöst.
Atemanhalten wird häufig auch zur Unterdrückung
von unangenehmen Gefühlen und zur Linderung von Schmerzzuständen eingesetzt.
Tiefes Durchatmen führt dagegen oft zu Weinen. Weinen bei Angst und Stress kann
durchaus gut und entspannend sein und sollte nicht unterdrückt werden. Weinen
soll deswegen aber nicht gefördert werden, weil Untersuchungen zeigen, dass es
einem danach nicht unbedingt besser geht.
Grundsätzlich dient ein „Tief-Luft-Holen“ in
Schrecksituationen dazu, innezuhalten, sich voll zu konzentrieren und dann
gezielt zu reagieren (was bei „Schrecktypen“ unterbleibt).
Kleine Spannungsveränderungen der Atemmuskeln
verändern das Gesamtvolumen der Lunge beträchtlich. Schon leichte
Muskelverspannungen können Störungen der Atmung bewirken, wie dies bei Angst,
Aufregung, Stress und verschiedenen körperlichen Krankheiten der Fall ist. Die
Verspannung des Brustkorbs (zusammen mit der häufigen
Schulter-Nacken-Verspannung und der Anhebung der Schlüsselbeine und des
Brustbeins) behindert die Atmung und kann zu Hyperventilation mit Panikattacken
führen. Verstärkte Brustatmung bei Verspannung bzw. Verkrampfung der
Zwischenrippenmuskulatur führt zu einem Enge- und Druckgefühl im Brustkorb.
Durch die Füllung der oberen Lungenhälfte bei gleichzeitiger Anspannung des
Brustkorbs entsteht der Eindruck, dass kein Platz mehr zum Atmen da sei. Als
Folge davon wird noch intensiver mit dem Mund eingeatmet, wodurch das
Engegefühl im Brustkorb verstärkt wird. Es kommt zu einer „aufgesetzten
Hyperventilation“.
Bei Angst, Aufregung, Wut und Stress ist die
Atmung oft entweder rasch und flach mit eingestreuten Seufzerzügen oder sie
wechselt von unruhiger Mittellage zur Hyperventilation (schnell und tief).
Plötzliches Erschrecken kann zu einem vorübergehenden Atemstillstand führen,
gefolgt von einer intensivierten Atmung.
Das Hyperventilationssyndrom wird heute als
eine Unterform der Panikstörung angesehen, ähnlich wie die Herzphobie. Beiden
gemeinsam ist der appellative Charakter der Symptomatik. Das
Hyperventilationssyndrom tritt vor allem bei jüngeren Menschen auf, bevorzugt
im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt.
Die Symptomatik kommt bei Frauen dreimal so
häufig vor wie bei Männern. 60% der Angstpatienten hyperventilieren bei Angst.
Menschen mit chronischem Hyperventilationssyndrom weisen in weniger als 1% der
Fälle eine Zwerchfellatmung auf.
Die Art der Atmung (fast ausschließlich
Brustatmung, geringe oder fehlende Bauchatmung) kann bei ansonsten unklaren
Symptomen den Verdacht auf ein Hyperventilationssyndrom untermauern. Zur
Überprüfung dient ein Hyperventilationstest für drei Minuten, wobei die
Betroffenen erkennen lernen, wie ihre Symptome entstehen.
Hyperventilation ist in über 95% der Fälle
psychisch bedingt. Wenn keine Auslösung durch psychische Erregung (Angst,
Ärger, Wut) erkennbar ist, sollten mögliche organische Ursachen ausgeschlossen
werden, z.B. Kaliummangel oder -überschuss, Magnesiummangel, Kalziummangel,
metabolische Azidose oder Alkalose.
Menschen mit Ängsten, chronischer
Stressbelastung und Verspannung atmen flach und unergiebig aus dem oberen
Brustkorb heraus und nutzen damit nur ein Drittel bis zur Hälfte der
Lungenkapazität. Bei mehr Sauerstoffbedarf atmen sie noch stärker mit dem
Brustkorb statt intensiver mit dem Zwerchfell. Durch die schnelle Atmung kommt
es zum belastenden Herzrasen. Den Betroffenen fällt die Hyperventilation oft
gar nicht auf, so dass sie diese auch nicht als die Ursache ihres Herzrasens
erkennen können.
Die generelle Einatmung durch den Mund, wie sie
insbesondere bei Menschen mit Allergien, Asthma oder Atemwegserkrankungen
vorkommt, begünstigt bei Angst, Aufregung oder Stress ohne gleichzeitige
Bewegung eine Hyperventilation. Oft wird die Hyperventilation nicht durch
Angst, sondern durch Wut oder Aggression ausgelöst.
Hyperventilation wird einerseits häufig durch
chronische Muskelverspannungen im Brustkorb begünstigt, führt andererseits aber
auch zu Brustschmerzen, wenn bei fast vollständig gefüllter Lunge
hyperventiliert wird (sog. aufgesetzte Hyperventilation). Hyperventilation
führt zur Überdehnung der Muskeln zwischen den Rippen, was Schmerzen bzw.
Ziehen in der Brust hervorruft. Weiteres, noch tieferes Einatmen führt zu
verstärktem Schmerz bzw. Ziehen.
Die Betroffenen sollten die körperlichen
Vorgänge bei einer Hyperventilation genau verstehen, um die so häufige
Beunruhigung durch die dabei auftretenden Symptome zu vermindern. Deshalb wird
im folgenden eine ausführliche Erklärung geboten.
Unter dem Hyperventilationssyndrom versteht man
eine über das physiologische Bedürfnis hinausgehende Beschleunigung und
Vertiefung der Atmung, wodurch im Blut der Sauerstoffanteil ansteigt und der
Kohlendioxidgehalt stark abfällt. Das Atemminutenvolumen liegt durchschnittlich
95%, im Anfall sogar bis zu 500% über dem Soll.
Hyperventilation bedeutet, dass man schneller
und/oder tiefer atmet, als es für die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und
den Abbau von Kohlendioxid nötig ist. Es wird zuviel Sauerstoff eingeatmet und
zuviel Kohlendioxid ausgeatmet. Ohne körperliche Bewegung sinkt der
Kohlendioxidanteil im Blut besonders stark ab, weil nicht genügend Kohlendioxid
in den Muskeln gebildet wird.
Hyperventilation bewirkt eine Fehlregulation
des Gasstoffwechsels im Bereich der Lungenbläschen und infolgedessen eine
Verminderung des Kohlendioxidpartialdrucks, wodurch es zu einer Verschiebung
des Säure-Basen-Gleichgewichts kommt. Kohlendioxid ist zwar ein Abfallprodukt,
muss jedoch in einem bestimmten Verhältnis zum Sauerstoff im Körper vorhanden
sein. Durch den Kohlendioxidmangel steigt der pH-Wert (Säure-Basen-Verhältnis
im Blut): das Blut wird basisch. Das massive Absinken des Säuregehalts im Blut
wird „respiratorische Alkalose“ genannt. Bei starker Hyperventilation kann der
Kohlendioxidanteil im Blut in weniger als 30 Sekunden um 50% abnehmen.
Innerhalb einer Minute treten Symptome auf.
Hyperventilation bewirkt über die
Kohlendioxidreduktion eine Erniedrigung der Kalziumionen-Konzentration im Blut,
d.h. der Anteil von ionisiertem Kalzium im Blut sinkt ab, wodurch die
Nervenzellen erregbarer werden und leichter eine Alarmreaktion
(Bereitstellungsreaktion) ausgelöst werden kann. Wenn das Kohlendioxid, das von
Eiweißkörperchen im Blut transportiert wird, durch die Hyperventilation
(insbesondere bei fehlender körperlicher Bewegung) im Blut stark abnimmt,
lagert sich normalerweise neben anderen Stoffen das Erdalkalimetall Kalzium
enger an das Eiweiß.
Kalzium ist ein wichtiger Bestandteil des
Blutes und wird neben der Stärkung der Knochen u.a. auch zur Funktionsfähigkeit
der Nervenzellen und der Muskel benötigt. Kalzium ist im Blut teilweise an
Eiweiß gebunden, teilweise schwimmt es als freier Bestandteil ohne Verbindung
zu anderen Blutbestandteilen im Blut herum. Das freie Kalzium im Blut wird um
so weniger, je mehr Stellen am Bluteiweiß wegen des stark abgeatmeten
Kohlendioxids frei werden.
Das freie Kalzium im Blut ist u.a. dafür
verantwortlich, dass die Muskeln geschmeidig arbeiten können. Wenn weniger
freies Kalzium im Blut ist, werden die Nerven erregbarer, und die Muskeln
beginnen sich zu verkrampfen. Gewöhnlich merkt man dies zuerst an einem
Kribbeln in den Lippen bzw. im Bereich des Mundes, bald darauf ziehen sich die
Lippen zusammen („Kussmundstellung“). Dann kribbelt es in Händen und Füßen, und
die Finger ziehen sich zusammen, so dass die Hände wie Pfoten aussehen
(„Pfötchenstellung“) und im Extremfall gar nicht mehr bewegt werden können.
Neben Kribbeln, Pelzigkeit und Taubheitsgefühlen können in Brust und Hals auch
Druck- oder Engegefühle entstehen.
Durch die engere Bindung der Kalziumionen an
das Eiweiß im Blut verengen sich auch die Blutgefäße im Gehirn, was die
Sauerstoffzufuhr zum Gehirn beeinträchtigt und zu Schwindel,
Konzentrationsstörungen und Schwarzwerden vor den Augen führt und die bestehende
Angst und Unruhe verstärkt. Gleichzeitig wird das sympathische Nervensystem
aktiviert, so dass eine Notfallsreaktion immer wahrscheinlicher wird, die dann
als Panikattacke erlebt wird.
Hyperventilation führt über den Kalziumabfall
zur Verkrampfung der Bronchien und der Stimmritzen. Wegen der zunehmenden
Angst, keine Luft zu bekommen, und wegen des Drucks im Brustkorb atmen die
Betroffenen noch tiefer und heftiger. Da weiterhin keine Bewegung erfolgt, wird
der Kohlendioxidmangel im Blut noch größer.
Nicht einmal im Extremfall führt
hyperventilationsbedingte Sauerstoffnot zur Ohnmacht, wie eine niederländische
Studie an Versuchspersonen ergab, die mindestens 90 Minuten lang so schnell und
tief atmeten, als sie konnten. Es ist jedoch eine Hyperventilationstetanie
möglich, d.h. ein krampfartiger Anfall, der für Unerfahrene wie ein
epileptischer Anfall ausschaut, so dass Beobachter unnötigerweise den Notarzt rufen.
Der Arzt verabreicht oft eine Kalziumspritze
zur Krampflösung. Die künstliche Zufuhr von Kalzium löst rasch den Muskelkrampf
(Tetanie). Eigentlich handelt es sich dabei um einen typischen Placeboeffekt,
weil bei einer Hyperventilation nur ein relativer und kein absoluter
Kalziummangel gegeben ist. Die Kalziuminjektion bewirkt ein subjektives
Wärmegefühl in Händen und Füßen, was dem Gefühl des Absterbens der Extremitäten
entgegenwirkt.
Bei starken Tetanien wird oft auch eine
Beruhigungsspritze (Valium®, Rivotril®) verabreicht, was
meist unnötig ist, weil deren Wirkung weit über den Hyperventilationszeitraum
hinaus anhält, so dass man sich noch Stunden später benommen fühlt.
Richtige, langsame Atmung, gleichzeitige
Bewegung während der Atmung bzw. eine Papiertüte, ein Taschentuch oder die
hohle Handinnenfläche vor dem Mund, um das ausgeatmete Kohlendioxid wieder
einzuatmen, sind gut geeignet, den Kohlendioxidgehalt im Blut rasch zu steigern
und die Muskeln geschmeidiger zu machen.
Eine Hyperventilation bewirkt folgende
Symptome: anhaltendes Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können, verbunden mit
dem Zwang, ein paar Mal tief durchatmen zu müssen, Atemnot und Druck auf der
Brust, Herzklopfen und Herzrasen, Herzschmerzen, Brustschmerzen (durch
Überspannung der Muskeln zwischen den Rippen), Engegefühl über der Brust
(Gürtel- und Reifengefühl), Gefühllosigkeit, Kribbeln („Ameisenlaufen“) und
Zittern an Händen (besonders in den Fingerspitzen), Füßen und Beinen, Kribbeln
um die Mundregion, taube Lippen, Globusgefühl (Zusammenschnüren der Kehle),
Verkrampfung der Hände („Pfötchenstellung“), kalte Hände und Füße, Zittern,
Muskelschmerzen, Druck im Kopf und Oberbauch, Bauchbeschwerden (durch das
Luftschlucken), Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Unwirklichkeitsgefühle,
Pupillenerweiterung, Sehstörungen, Gefühl, wie auf Wolken zu gehen, Angst,
ohnmächtig zu werden, und Todesangst (wegen der Erstickungsgefühle).
Im Extremfall einer Hyperventilationstetanie
führt der Sauerstoffmangel zu Ohnmacht und Krampfzuständen. In der Ohnmacht
normalisiert sich die Blutzusammensetzung schnell wieder, weil man richtig
atmet, so dass man rasch und problemlos von alleine zu sich kommt.
Hyperventilation führt auch zu Veränderungen der Wahrnehmung. Sehen und Hören
sind beeinträchtigt, das Selbsterleben bekommt eine andere, angstmachende
Dimension, was die Paniksymptome verstärkt, insbesondere die Angst vor dem
Verrücktwerden. Bei starker Hyperventilation treten binnen einer Minute
Symptome auf. Sie sind zwar unangenehm, bewirken aber keine bleibenden Schäden.
Eine zu rasche und zu tiefe Atmung im Sinne
einer Hyperventilation führt paradoxerweise zu einem Sauerstoffmangel,
verbunden mit dem Angstgefühl zu ersticken, so dass noch schneller und tiefer
geatmet wird (was die Symptomatik verschärft).
Trotz des Überatmens besteht ein Gefühl von Luftnot,
das sich bis zur Erstickungsangst steigern kann. Dies hängt damit zusammen,
dass die Atmung vor allem durch einen Kohlendioxidüberschuss und in geringerem
Ausmaß auch durch einen Sauerstoffmangel angeregt wird. Bei einer
Hyperventilation ist gerade das Umgekehrte der Fall, so dass das Atemzentrum
die Atmungsvorgänge vermindert.
Menschen, die chronisch hyperventilieren, haben
oft keine eindeutig abgrenzbaren akuten Anfälle, nur relativ unspezifische und
vage Beschwerden, selten Atemstörungen oder Tetaniezeichen. Als Leitsymptome
des chronisches Hyperventilationssyndroms gelten: Schwindel, Brustschmerzen,
kalte Hände und Füße sowie verschiedene psychische Beschwerden (Müdigkeit,
Schlappheit, Schläfrigkeit, Wetterfühligkeit, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit,
Reizbarkeit, Angespanntheit, ängstliche oder depressive Symptomatik).
Panikattacken lassen sich nach
neueren Untersuchungen nicht generell durch die direkte biologische Wirkung der
Hyperventilation erklären, wenngleich im Einzelfall Hyperventilation oft zu
Panikattacken führen kann. Panikattacken dürfen nicht einfach mit dem
Hyperventilationssyndrom gleichgesetzt werden. Viele Panikpatienten
hyperventilieren überhaupt nicht. Provokationstests bewirkten bei
Panikpatienten keinen erniedrigten Kohlendioxidpartialdruck des Blutes, der bei
chronischer Hyperventilation zu erwarten gewesen wäre.
Angst, Aufregung, Stress, Ekel,
Trauer und Depressionen bewirken häufig ein Fremdkörper- und Engegefühl im
Rachen. Es entsteht ein Würgegefühl und ein Schluckzwang, wie wenn man einen im
Rachen steckenden Fremdkörper (Globus = Kugel, Ball) schlucken sollte, der sich
jedoch trotz Schluckens nicht von der Stelle bewegt. Der Schluckakt ist im
Gegensatz zu einer Schluckstörung nicht beeinträchtigt.
Das Globusgefühl kann folgende
Empfindungen umfassen: Kloß im Hals, Fremdkörpergefühl, Kratzen, Brennen,
Trockenheitsgefühl, Schleimgefühl, Räusperzwang, Schluckzwang, Schmerzen im
Hals, die gelegentlich bis zu den Ohren ausstrahlen, im Extremfall ein
Zuschnüren der Kehle, das als angstmachendes Erstickungsgefühl erlebt wird. Das
Zuschnüren der Kehle ist ein typisches Angstsymptom. Bei bestimmten
Panikpatienten beginnt die Attacke mit einem Globusgefühl, das zu einer Erstickungsangst
und erst infolgedessen zu massivem Herzrasen führt. Das Globusgefühl beruht auf
einer angst- und Stressbedingten Krampfneigung der Muskulatur des
Speiseröhrenmundes.
Ein weiteres nicht-organisches
Globusgefühl entsteht durch Verspannungen der Schluck- und Halsmuskulatur,
bedingt durch extreme körperliche Belastung, aber auch durch extremes
Zurückbeugen des Kopfes (z.B. beim Zahnarzt) und der damit verbundenen
Überdehnung der Halsmuskulatur. Verschiedene Angstpatienten fürchten den
Zahnarzt gerade wegen dieses Globusgefühls. Sie haben Angst, etwas zu
verschlucken und dabei zu ersticken. Die Angst vor dem Verschlucken und dem
darauffolgenden Ersticken stellt eine gar nicht so seltene spezifische Phobie
(Verletzungsphobie) dar.
Ein psychogen bedingtes Globusgefühl
kann durch Trinken und Essen leicht beseitigt werden, während beim
Leerschlucken keine Erschlaffung der Muskelspannung des Speiseröhreneinganges
erfolgt. Angstpatienten führen deshalb nicht selten eine Flasche mit einem
Getränk mit sich, das die Verspannung ebenso rasch beseitigt wie die oft
gleichzeitig gegebene Mundtrockenheit.
Laut Psychoanalyse symbolisiert ein
Globusgefühl bestimmte „Schluckprobleme“. Man schluckt ein Problem hinunter und
würgt daran. Als Konversionssymptom wurde das Globusgefühl deshalb früher auch
„Globus hystericus“ genannt.
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das
sympathische Nervensystem eine Verminderung des Speichelflusses und der
Schleimbildung, was die Luftzufuhr in die Lunge verbessert. Stress hemmt
Appetit und Verdauung und damit auch den Speichelfluss. Subjektiv äußert sich
dies häufig in trockenem Mund bzw. dickflüssigem Speichel.
Das parasympathische Nervensystem bewirkt eine
Erhöhung des dünnflüssigen Speichelflusses und eine vermehrte dünnflüssige
Schleimabsonderung. Dadurch wird beim Essen der Bissen schlüpfrig und
schluckfähig.
Subjektiv äußert sich Entspannung durch
vermehrte Speichelbildung, so dass man öfter schlucken muss. Vermehrtes
Schlucken tritt auch bei Entspannungsübungen auf.
Alle Muskeln haben eine bestimmte Grundspannung
(Tonus), ohne die wir ganz in uns zusammensinken würden, wie dies z.B. bei
einem Ohnmachtsanfall passiert. Der Muskeltonus ändert sich ständig, ohne dass
uns dies auffällt. Wenn bereits bei potentieller Gefahr die Skelettmuskeln
angespannt werden, ist bei tatsächlichem Bedarf eine rasche Reaktionsmöglichkeit
im Sinne von Kampf oder Flucht gegeben. Bei häufiger Fehlalarmierung kommt es
jedoch zu einer chronischen Muskelverspannung.
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das
sympathische Nervensystem eine Anspannung der Skelettmuskulatur als
Vorbereitung auf körperliche Aktivität (Flucht oder Angriff). Die vermehrte
Energiezufuhr erhöht den Spannungszustand in den Muskeln. Gedanken und Gefühle,
d.h. innere Reize, führen zur gleichen muskulären Anspannung wie Anforderungen
vonseiten der Umwelt. Dies ist für das Überleben unbedingt notwendig. Die
Erregungsbereitschaft der Gelenke äußert sich oft in einem unsicheren Stand,
der subjektiv als typischer Schwankschwindel erlebt werden kann. Die hohe
Muskelanspannung führt zu Zittern, solange keine gerichteten Bewegungen
erfolgen. Das Zittern der Muskeln dient auch der Bereitstellung von Wärme, um
der Skelettmuskulatur Höchstleistungen abzuverlangen. Damit die Muskeln
Höchstleistung erbringen, müssen sie warm sein, wie aus dem Sport bekannt ist.
Viele Betroffene haben vor dem von anderen
Menschen beobachtbaren Zittern der Hände
oft mehr Angst als vor dem von anderen nicht sichtbaren Herzrasen. Sie
fürchten oft, wie Alkoholiker auf Entzug zu wirken, wenn sie in einem Lokal
eine Tasse Kaffee zum Mund führen. Das feinmotorische Zittern wird durch
Anspannung zu unterdrücken versucht, so dass bei Überspannung eine
grobmotorische Reaktion sichtbar werden kann, die erst recht auffällig macht.
Die Verspannung und Verkrampfung in den Muskeln kann so weit gehen, dass sich
diese nicht einmal in Ruhestellung zu ihrer ursprünglichen Länge und Form
ausdehnen können. Dies beeinträchtigt die Durchblutung der Muskeln und die
Funktion des Lymphsystems, so dass nicht alle Giftstoffe aus den Muskeln
ausgeschieden werden können. Die im Körper verbleibenden Giftstoffe bilden
Kristalle und verursachen Schmerzen, Steifheit und manchmal Entzündungen und
Schwellungen. Chronische Muskelverspannung führt nicht nur zu örtlich
begrenztem Muskelschmerz, sondern auch zu Gelenkverrenkungen und ihren Folgeschmerzen.
Die Verspannung der Beine hängt nicht nur mit
der Vorbereitung auf Kampf oder Flucht zusammen, sondern oft auch mit einer
Urangst vor dem Fallen, der man durch Anspannung der Beine zu begegnen sucht.
Übungen des entspannten und sicheren Stehens (in der Bioenergetik „Erden“
genannt) sind hilfreiche Bewältigungsstrategien.
Viele Menschen drücken ihre Knie fest zusammen
und stehen mit den Beinen steif durchgestreckt da, weil sie Angst haben
umzufallen. Die Beine elastisch etwas durchzubeugen (wie beim Schifahren) und
den Körperschwerpunkt zu senken, gibt dagegen Sicherheit vor dem Fall. Beim
Schifahren kommt es gerade dann zu Knochenbrüchen, wenn man die Beinmuskeln
anspannt und sich gegen den Fall wehrt (in 90% der Fälle). Übermäßige
Anspannung in Phasen von körperlicher Untätigkeit führt nicht selten zu
Panikattacken.
Es ist typisch, dass Panikanfälle oft in Ruhe,
d.h. ohne anschließende Bewegung, auftreten (beim Sitzen oder Liegen, in
Pausen, am Wochenende). Möglichst ruhiges Stehen-, Sitzen- oder Liegen-Bleiben
bei Panikattacken aus Angst, dass noch Ärgeres passieren könnte, verstärkt die
Symptomatik. Durch Bewegung wird dagegen die Anspannung rasch abgeführt.
Hilfreich ist das Ausschütteln der Arme und Beine.
Muskuläre Verspannung bewirkt häufig
Schlafstörungen, besonders dann, wenn tagsüber keine Bewegung und damit keine
Ermüdung der Muskeln erfolgt, die angenehme Entspannung garantiert.
Einschlafstörungen treten verstärkt auf, wenn vor dem Einschlafen oft langes
ängstliches Grübeln erfolgt, wodurch der Körper immer wieder aktiviert wird und
nicht auf Entspannung umschalten kann. Ein- und Durchschlafstörungen bzw.
Schlaflosigkeit sind oft Ausdruck einer Befindlichkeitsverschlechterung.
Chronische Anspannung führt zu chronischer Müdigkeit, die sich
ähnlich wie eine Depression äußert. Die Betroffenen klagen über Erschöpfung,
ohne dass sie sich angestrengt hätten (sog. asthenische Symptomatik, d.h.
Kraft- und Energielosigkeit). Diese Müdigkeit lässt sich am raschesten durch
körperliche Betätigung überwinden, auch wenn man sich anfangs kaum dazu
aufraffen kann. Bei der Behandlung von Depressionen und Angststörungen gewinnen
körperliche Aktivierung, Sport (Langsamlauftherapie), Massagen, Bäder zur
Muskelentspannung und körperorientierte Psychotherapie zunehmend an Bedeutung.
Chronische Muskelverspannungen bewirken oft
starke Schmerzzustände, weil die angespannten Muskeln die Gefäße verengen und
die Blutzufuhr beeinträchtigen. Die Erfahrung des Muskelkaters nach einer
ungewohnten körperlichen Betätigung, d.h. nach einer Überforderung der
Skelettmuskulatur, ist jedermann bekannt.
Die Schmerzen resultieren aus den zweifachen
Folgen der Minderdurchblutung:
Stressbedingte, chronische Muskelverspannungen
zeigen
sich in vielen Bereichen:
Kopfbereich. Eine Gefäßverkrampfung ist die Ursache häufiger Spannungskopfschmerzen, eine Schulter-Nacken-Verspannung die Ursache der dumpfen Kopfschmerzen im Hinterkopf und des Gefühls der Verschwommenheit.
Schulter-Nacken-Bereich. Hinterkopfspannungsschmerzen, Schwindel, Sehstörungen, Klingeln in den Ohren als Folge der verspannten Blutgefäße, die den Kopf versorgen.
Rücken. Rücken- und Kreuzschmerzen als Folge der ständigen Verspannung der Wirbelsäule. Es kommt zu einem Halswirbelsäulen-(Zervikal-)Syndrom: schmerzhafte Nackenversteifung, ausstrahlende Schmerzen in Schultern, Arme und Hände und Durchblutungsstörung der Hände. Muskelverspannungen des oberen Rückens, die zu Schmerzen unterhalb des Herzens oder im linken Arm führen, werden von den Betroffenen häufig als Herzkrämpfe oder Herzschmerzen und damit als panik-auslösend erlebt. Fehlstellungen der Wirbelsäule im Hals- und Brustbereich aufgrund chronischer Verspannung führen zu einem Druck auf die Nerven, der als Schmerz im vorderen Brustbereich empfunden wird, weil dort die Nerven endigen.
Brustkorb. Die Verspannung des
Brustkorbs (zusammen mit der Schulter-Nacken-Verspannung und der Anhebung von
Schlüsselbeinen und Brustbein) behindert die Atmung und führt oft zu
Hyperventilation mit Panikattacken.
Angstbedingte chronische Verspannungen werden
fälschlich oft als Bandscheibenleiden oder Rheumatismus diagnostiziert. Wenn
alle Behandlungsversuche scheitern, erhebt sich der Verdacht auf Angst,
Depression oder Stress als Ursache der Verspannungen. Oft wirken sich
psychische Faktoren bei organisch bereits vorgeschädigten Körperteilen im Sinne
einer psychischen Überlagerung aus.
Subjektiv äußern sich Angst,
Aufregung und Stress als Anspannung der Muskulatur, was sich manchmal bis zu
deutlich sichtbarem Zittern oder Beben ausweitet. Ohne anschließende körperliche
Betätigung wird die chronische Anspannung der Muskulatur als unangenehme
Verspannung erlebt, oft verbunden mit Schmerzen. Bei einer Gesamtaktivierung
des Organismus drückt sich emotionale Anspannung vorrangig in erhöhter
Muskelspannung aus.
Bei Ruhe und Entspannung bewirkt das
parasympathische Nervensystem eine Erschlaffung der Skelettmuskulatur. Die
Muskulatur umfasst mehr als die Hälfte der Körpermasse, so dass eine Lösung und
Erschlaffung der Muskulatur zu einer weitreichenden Umschaltung des Organismus
in Richtung Entspannung führt.
Muskelentspannung bei sich oder bei anderen
wird als Schwere erlebt. Entspannte, schlafende und ohnmächtige Menschen wirken
deshalb schwerer als sonst. Das autogene Training beginnt mit der
„Schwere-Übung“ als Mittel der muskulären Entspannung.
Bei Entspannung sowie vor dem Einschlafen
treten öfters Muskelzuckungen in den Armen und Beinen sowie im Gesicht auf, die
eine elektrische Entladung der vorher angespannten Muskeln darstellen.
Zahlreiche Menschen, die um diese Vorgänge nicht Bescheid wissen, fürchten sich
daher, an einer unbekannten Störung zu leiden, wenn derartige Zustände plötzlich
auftreten.
Die parasympathische Überaktivität bei Schock- bzw.
Schreckreaktionen führt zu „weichen Knien“, weil die Spannung nachlässt, im
Extremfall zum Zusammensinken des Körpers, was bei Angstpatienten praktisch
nicht vorkommt. Entsprechende Muskelschwächen in den Beinen sind eher durch
eine Tranquilizerüberdosierung verursacht, wie dies bei älteren Menschen häufig
vorkommt.
Temperaturumverteilung
Bei Angst, Aufregung und Stress
bewirkt das sympathische Nervensystem eine Erhöhung der Temperatur im
Körperinneren (Kerntemperatur) und eine Verminderung der Hauttemperatur als
Folge der Blutumverteilung und der erhöhten Stoffwechselprozesse. Dies
geschieht durch die Verengung der Blutgefäße der Haut.
Bei Ruhe und Entspannung erfolgt über das
parasympathische Nervensystem eine Reduzierung der Temperatur im Körperinneren
(Kerntemperatur) und eine Erhöhung der Hauttemperatur als Folge der
Blutumverteilung und der verminderten Stoffwechselprozesse. Die Senkung der
Körpertemperatur geschieht größtenteils durch Erweiterung der Hautgefäße.
Ungefähr 75% der Wärmeabgabe erfolgt durch Wärmestrahlung und Wärmeleitung.
Der Schweiß erhöht die Leitfähigkeit der Haut
und damit die Reaktionsgeschwindigkeit. Der Anstieg der Hautleitfähigkeit
(Absinken des Hautwiderstands) ist ein beliebtes Maß für die sympathikotone
Erregung, weil die neuronale Kontrolle der Schweißdrüsen ausschließlich durch
den Sympathikus erfolgt. Ein emotionaler Reiz führt innerhalb von 1-4 Sekunden
zum Absinken des Hautwiderstands.
Der Schweiß dient als natürliches Kühlsystem
für den erhitzten Körper, ähnlich wie das Kühlwasser beim Auto. Im Rahmen der
Evolution diente der Schweiß wohl auch dazu, den Körper glitschiger und damit
für einen möglichen Feind unangreifbarer zu machen. Bei Tieren werden durch den
Schweiß die Geruchsreize für Artgenossen intensiviert. Es gibt einen kalten und
einen warmen Schweiß.
Bei Angst, Aufregung und Stress kommt es -
bewirkt über das sympathische Nervensystem - zum Auftreten von kaltem und
klebrigem Schweiß. Die Schweißdrüsen sondern vermehrt Schweiß ab zur Kühlung
des vermeintlich hart arbeitenden Organismus. Der Schweiß trifft jedoch (im
Gegensatz zum Arbeitsschweiß) auf kalte Haut, bedingt durch die verminderte
Durchblutung der Blutgefäße der Haut bei akutem Angst- und Stresszustand, wo er
sofort kalt wird. Das emotionale Schwitzen („kalter Angstschweiß“) geht im
Gegensatz zum thermischen Schwitzen nicht mit einer Gefäßerweiterung einher.
Wegen des Schwitzens wird oft ein Händedruck vermieden.
Das parasympathische Nervensystem bewirkt das Auftreten von warmem, dünnflüssigem
Schweiß großen Ausmaßes. Vermehrtes
Schwitzen bei Anstrengung (Arbeitsschweiß) dient dazu, den Körper angesichts
des hohen Energieverbrauchs und der damit verbundenen Erhitzung zu kühlen und
vor Überhitzung zu bewahren. Über die Verdunstungskälte, die durch das
Schwitzen entsteht, wird das Blut unter der Haut gekühlt, bevor es in das
Körperinnere gepumpt wird. 20% der Wärme wird durch Wasserverdunstung
abgegeben, die zum Teil unmerklich durch Haut und Lunge erfolgt.
Drei Viertel der durch die Stoffwechselprozesse
entstehenden übermäßigen inneren Wärme wird durch eine intensive Durchblutung
der Haut an die Umwelt abgestrahlt. Bei körperlicher Anstrengung ist die Haut
gut durchblutet, da die Blutgefäße weit gestellt sind. Ist bei hoher
Außentemperatur die Luft mit Wasserdampf gesättigt, kann es zu einer
Wärmestauung (Hitzschlag) kommen.
Unter Stoffwechsel versteht man alle
chemischen Vorgänge im Inneren des Körpers, in jeder lebenden Zelle. Das gilt von
dem ursprünglichen Ausgangsstoff der zugeführten körperfremden Nahrung über
deren Umbau bis zu den Endprodukten.
Zu den Stoffwechselsubstanzen
gehören Kohlehydrate (z.B. Zucker oder Getreidestärke), Fette, Proteine
(Eiweißstoffe), Mineralsalze, Spurenelemente, Vitamine, Sauerstoff und Wasser.
Der durch die Atmung aufgenommene
Sauerstoff sorgt in den Körperzellen für die Verbrennung der Nährstoffe,
wodurch diese nutzbar gemacht werden. Die dem Körper zugeführte Nahrung wird
um- bzw. abgebaut. Im Verdauungsvorgang werden die verwertbaren Bestandteile
chemisch umgeformt und in kleine Teile zerlegt, damit sie die Darmwand
durchdringen und in das Blut eintreten können. Über den Blutkreislauf werden
sie den Zellen zugeführt und helfen dort entweder deren eigene Substanz
aufzubauen (Zellstoffwechsel) oder dienen der Energiegewinnung
(Betriebsstoffwechsel).
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das
sympathische Nervensystem eine Beschleunigung der gesamten Stoffwechselprozesse
und infolgedessen eine verbesserte Leistungsfähigkeit des menschlichen
Organismus (energieabbauender Stoffwechsel). Subjektiv fühlt man sich durch den
erhöhten Energieverbrauch oft heiß und erhitzt, hinterher oft müde und
ausgelaugt.
Bei körperlicher und/oder seelischer Belastung
zeigt sich folgender Stoffwechsel:
Der Stoffwechsel kann durch eine
Schilddrüsenstörung zu stark oder zuwenig ausgeprägt sein (übermäßige oder zu
geringe Verbrennung der Nahrungsstoffe).
Eine Schilddrüsenüberfunktion (vor allem zuviel
Trijodthyronin) führt zu folgenden Symptomen: starke Erhöhung des
Grundumsatzes, übermäßiges Hitzegefühl, Gewichtsabnahme trotz Appetit (Magerkeit),
Herzrasen, Verdauungsstörungen, Durchfall, Unruhe und Nervosität, psychische
Veränderungen (Depressivität, Schlafstörungen). Eine Schilddrüsenüberfunktion
kann Panikattacken bewirken.
Bei Ruhe und Entspannung kommt es -
vermittelt durch das parasympathische Nervensystem - zur Reduzierung der
gesamten Stoffwechselprozesse. Dies ermöglicht eine Erholung des ganzen Körpers
und energieaufbauende Stoffwechselprozesse.
Glukose ist der Treibstoff, mit dem der Körper läuft.
Das Gehirn kann nicht (wie z.B. das Muskelgewebe) Proteine aufnehmen und
nutzen. Deshalb treten bei sinkendem Blutzuckerspiegel (insbesondere bei einem
Nüchternblutzuckerspiegel unter 50 mg %) viele Symptome auf, die eine große
Beunruhigung auslösen. Die gegenteilige Situation (z.B. „Stresszucker“ als
Folge andauernder seelischer Belastung) wird dagegen subjektiv meist gar nicht
wahrgenommen. Wir brauchen keine großen Zuckereinlagerungen, um den Nachschub
an Glukose zu gewährleisten, denn die meisten Lebensmittel können vom Körper in
Glukose und Fruktose gespalten werden.
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das
sympathische Nervensystem eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels durch Umwandlung
des in der Leber und Skelettmuskulatur gespeicherten Glykogen in Glukose
(Traubenzucker) mit anschließender vermehrter Zuckerausschüttung in das Blut,
um mehr Energie für den sofortigen Verbrauch der Muskeltätigkeit bereitzustellen.
Zuckerüberschüsse sind in der Leber gespeichert, um bei Bedarf darauf zurückgreifen
zu können, wenn der Verdauungstrakt leer ist. Angstpatienten weisen in der
Regel keinen Zuckermangel auf, sondern Schwankungen des Blutzuckerspiegels
(instabile Blutzuckerwerte).
Symptome erzeugt eher ein rasches Absinken des
Blutzuckerspiegels als ein zu niedriger Blutzuckerwert. Eine regelmäßige und
ausgewogene Ernährung ist daher sehr wichtig. Als Soforthilfe sind 3 Stück
Dextroenergen anzuraten, länger wirksam ist jedoch ein Stück Vollkornbrot oder
Obst.
Bei Angst, Aufregung und Stress wird schnell
viel Insulin produziert, was zur Folge hat, dass mehr Insulin ausgeschüttet
wird als der Körper benötigt. Dies wiederum führt dazu, dass die verfügbare
Glukose schnell aufgebraucht wird und der Blutzuckerspiegel drastisch sinkt.
Ein erniedrigter Blutzuckerspiegel trägt dazu bei, dass schon kleine
Veränderungen in der Atmung, wie sie in Angstsituationen immer auftreten,
körperliche Symptome produzieren. Es treten die typischen Hypoglykämiesymptome
auf, die der Körper durch einen massiven Adrenalinschub zu bewältigen versucht.
Der Verzehr von Süßigkeiten (z.B. Pralinen) bei
Stress und Traurigkeit erhöht nachweislich den Serotoninspiegel, was die
subjektiv angenehmen Zustände begründet, führt jedoch bei zu großen Mengen zu
einem Blutzuckerabfall und infolgedessen zu einem erhöhten Adrenalinschub mit
umfassender sympathischer Überaktivierung, was als Auslöser für Panikattacken
dienen kann.
Bei Angst, Aufregung und Stress
besteht oft eine Appetitlosigkeit, die zu einer zeitweiligen Unterzuckerung
führt, so dass Angst- und Stresssituationen eine noch größere Unterzuckerung
bewirken. Es treten dann die Symptome von Hypoglykämie auf, die der Körper
durch einen massiven Adrenalinschub zu bewältigen versucht und damit eine
massive körperliche Aktivierung auslöst.
Hypoglykämie (Unterzucker) führt zu folgenden
Symptomen: Herzklopfen und Herzrasen, Blutdrucksenkung, Schwindel bis hin zur
Ohnmacht, dumpfe Kopfschmerzen, Schweißausbruch (kalter Schweiß), Zittern
(meistens inneres Zittern ohne entsprechende äußere Anzeichen), Blässe der
Haut, kalte Hände und Füße, Übelkeit, Magenkrämpfe, innere Unruhe, Angstzustände
(Panik), plötzliche Traurigkeit, Schlaflosigkeit zwischen zwei und drei Uhr
morgens (wegen Blutleere im Gehirn), Müdigkeit am Vormittag und am Nachmittag,
Koordinationsstörungen, Zucken der Augenlider, Sehstörungen (Doppelbilder),
Ataxie, Bewusstseinsstörungen, Heißhunger (Hunger auf Süßes), Hungergefühl eine
Stunde nach der Mahlzeit.
Bei Angst- und Panikpatienten ist
das Phänomen der Unterzuckerung mit anschließender Ankurbelung des Sympathikus
eine Erklärung dafür, dass nach einer längeren Konfrontationstherapie keine
Gewöhnung (Habituation) an die angstmachenden Situationen eintritt. Sollte im
Rahmen einer Konfrontationstherapie das Gefühl eines inneren Zitterns auftreten
(von dem die Betroffenen meist irrtümlich annehmen, dass es auch äußerlich
sichtbar sein müsse), dann empfiehlt sich zur Überprüfung eines eventuellen
Zuckermangelsyndroms ein kleiner Imbiss. Wenn aus Angst und Aufregung keine
Nahrungsaufnahme möglich ist, erhärtet sich der Verdacht auf eine Hypoglykämie.
Die Betroffenen sollten dann ihren
Blutzuckermangel als Folge ihrer angst- und Stressbedingten Appetitlosigkeit
erkennen lernen, weil sie dadurch in Angstsituationen weniger angstmachende
Ursachenzuschreibungen vornehmen können.
Über das parasympathische Nervensystem kommt es
zur Reduzierung des Blutzuckerspiegels durch
verminderte Zuckerausschüttung.
Eine Hypoglykämie kann durch folgende Faktoren
bedingt sein:
Zufuhr von zuviel Zucker zur
Leistungssteigerung bzw. Verzehr von zuviel Süßigkeiten. Dadurch steigt der
Blutzuckerspiegel steil an, was die Bauchspeicheldrüse durch vermehrte
Insulinproduktion ausgleicht. Der Blutzuckerspiegel fällt daraufhin steil ab
und bewirkt eine Unterzuckerung. Der Abfall von einem anfänglich sehr hohen
Blutzuckerspiegel auf das Normalniveau innerhalb kurzer Zeit, wie dies beim
Sport der Fall ist, kann das Bild einer Hypoglykämie bewirken, z.B. von 500 mg
% auf das Normalniveau von 90 mg %. Zuviel Zucker bzw. Süßes macht müde.
Unterzuckerungs-Angstsyndrom
bei Zuckerkrankheit
Besonders jüngere Menschen mit
insulinpflichtigem Typ-I-Diabetes müssen ihre Warnsignale rechtzeitig erkennen
lernen. Unterzuckerungsbedingte Angstsymptome sind bei ihnen vorwiegend durch
„gegenregulatorische“ Hormonausschüttungen und nicht so sehr durch den
Zuckermangel im Gehirn selbst bedingt.
Unterzuckerungs-Angstsyndrom
Gegenregulationssymptome (Adrenerge Symptome) |
Zuckermangelsymptome |
Angst, nächtliche Alpträume |
Konzentrationsminderung |
Unruhe, Reizbarkeit |
Merkfähigkeitsstörung |
Zittern |
Kopfschmerzen |
Schwitzen |
Müdigkeits- und Schwächegefühl |
Herzklopfen/-rasen |
Sehstörungen (Verschwommensehen) |
Atembeklemmung |
Schläfrigkeit |
Körpermissempfindungen |
Zunehmende Bewusstseinsstörung und |
Gefühl der Unwirklichkeit (Derealisation) |
schwere neurologische Störungen |
Anhand der Zuckerkrankheit können sehr gut die
Körper-Seele-Zusammenhänge aufgezeigt werden, ebenso die Probleme monokausaler
Erklärungsmodelle, d.h. ob ein Symptom rein körperlich oder rein seelisch
bedingt ist. Bei gut eingestelltem Diabetes kann im Rahmen einer großen
körperlichen oder seelischen Belastung plötzlich eine Unterzuckerung auftreten,
die zu Angstsymptomen führt.
Aus Angst vor Unterzuckerungssymptomen bzw. aus
Unsicherheit in der Wahrnehmung dieser Symptome nehmen Zuckerkranke
gelegentlich zuviel Zucker, Obstsäfte, Süßigkeiten usw. zu sich und gefährden
dadurch die Diabetes-Einstellung.
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt der
Sympathikus eine Reduzierung der Verdauungsprozesse durch Hemmung der Magen-
und Darmtätigkeit, um Energie zu sparen und den Körper kurzfristig ganz auf die
Kampf- oder Fluchtreaktion einzustellen (verminderte Beweglichkeit bzw.
reduzierte Muskelspannung von Speiseröhre, Magen und Darm, weniger Magensäure,
Gefäßverengung). Zum Ausgleich erfolgt etwas später eine verstärkte
Parasympathikus-Aktivität mit Magen- und Darmreaktionen (auch ohne vorherige
Nahrungsaufnahme). Während eines Dauerlaufs ist keine Verdauung möglich.
Leistungssportler (z.B. Marathonläufer) ergänzen ihren Energiehaushalt durch Flüssigkeitslösungen
oder Traubenzucker, nicht jedoch durch feste Nahrung.
Subjektiv äußern sich Angst und Stress oft in
funktionellen Oberbauchbeschwerden (Appetitlosigkeit, Unwohlsein,
Schlechtwerden, Völlegefühl, Magenschmerzen, Erbrechen, Aufstoßen, Sodbrennen
usw.) und funktionellen Unterbauchbeschwerden (Durchfall, Verstopfung,
Reizdarm: Wechsel von Durchfall und Verstopfung).
Funktionelle und organisch fundierte Magen- und
Darmstörungen gehen zwar mehrheitlich mit einer vagotonen (parasympathischen)
Fehlsteuerung einher, können jedoch auch durch eine sympathische Überaktivität
mitverursacht sein (neben Anlagefaktoren und Risikoverhaltensweisen). Bei der
Kampf- oder Fluchtreaktion werden Skelettmuskeln, Herz und Gehirn stärker
durchblutet als im entspannten Zustand, die Verdauungsorgane dagegen weniger.
Die kleinen Arterien in der Magenschleimhaut verengen sich unter dem Einfluss
der Stresshormone. Durch die mangelhafte Durchblutung wird auf die Dauer die
Schleimhaut geschädigt, so dass die Magenwände selbst bei verminderter
Magensäure nicht mehr geschützt sind. Somit sind nicht nur die Schreckhaften,
Hilflosen in Gefahr, ein Magengeschwür zu entwickeln, sondern auch Menschen,
die ständig „eine Wut im Bauch“ haben.
Oft bewährt sich folgende Differenzierung:
Angst, Trauer, Depressionen und
stressende Aktivitäten senken die Magensaftproduktion und die Muskeltätigkeit
der Verdauungsorgane (deshalb oft Verstopfung oder Unwohlsein).
Dies ist biologisch-evolutionär sinnvoll (vgl. die Tierwelt):
Bei Angst muss man eher davonlaufen, also braucht die Muskulatur das ganze Blut und nicht der Verdauungstrakt.
Bei Aggressionen muss man sich auf
Nahrungsverarbeitung (Fressen) vorbereiten.
Bei Ruhe und Entspannung bewirkt das
parasympathische Nervensystem eine Anregung der Verdauungsprozesse durch die
Aktivierung der Magen- und Darmtätigkeit in Form von Anspannung der Muskulatur,
Anregung der Peristaltik (wellenförmige Bewegung von Magen und Darm zum
Weitertreiben des Speisebreis), Verstärkung der Drüsentätigkeit (mehr Magensäure)
und Gefäßerweiterung. Die parasympathische Überaktivität in Schock- und
Schreckreaktionen bewirkt zahlreiche Symptome.
Funktionelle oder organisch fundierte Magen-
und Darmstörungen treten häufig auf bei Menschen, die sich ständig hilflos
fühlen und chronisch schreckhaft sind, denen die Möglichkeiten fehlen, sich zu
wehren, die sich nicht durchsetzen können und daher allem und jedem
ausgeliefert erleben. Klinisch ist oft eine Depression oder eine Angststörung
vorhanden.
Viele Magen- und Darmstörungen sind funktioneller Natur:
Schluckbeschwerden können auf einer
dauerhaften Verspannung der Speiseröhre beruhen, z.B. als Folge von Angst oder
Stress. Speiseröhrenverkrampfungen bewirken ein Knödelgefühl (Globusgefühl) im
Hals.
Der überhöhte Säuregehalt des Magens bewirkt saures Aufstoßen oder
Sodbrennen, besonders bei leerem Magen, aber auch Übelkeit.
Blähungen (Meteorismus) sind nicht die Folge vermehrter Gasproduktion, was bei der Verdauung völlig normal ist, sondern Folge von Verkrampfungen der Darmwände aufgrund des trägen Transports des Kotes bei falscher Ernährung.
Diffuser Magenschmerz beruht oft auf einer Reizung der Magenschleimhaut durch
mangelhafte Durchblutung der
Magenwand als Folge sympathischer Übererregung durch Überlastung, Stress und
Verspannung (sympathische Überaktivierung);
Diese Kombination kann auf einem Hin- und Her-Gerissen-Sein zwischen zwei Haltungen beruhen. Jemand weiß nicht, ob er
„angreifen“ soll: Aktivierung des
Parasympathikus (Säureproduktion, weil im Rahmen der Evolution zum Angreifen
auch „Fressen“ gehört) oder
Übermäßige Verkrampfung des Dickdarms kann
zweierlei bewirken:
Spastische Verstopfung:
Spannungsbedingte Behinderung des Transports des Darminhalts, gelegentlich auch
Blähungen bei fast leerem Magen, was ebenfalls ein Verstopfungsgefühl bewirkt.
Dieses wird begleitet von Völlegefühl, Blähungen, Leibschmerzen und
Appetitlosigkeit.
Ein Reizdarm
(colon irritabile) ist eine funktionelle Dickdarmstörung mit folgenden
Symptomen: unklare Bauchbeschwerden, Wechsel von Durchfall (Diarrhoe) und
Verstopfung (Obstipation), oft nur fallweise Verstopfung oder häufige
Durchfälle, Neigung zu Blähungen, „Blähbauch“ und reichlicher Abgang von
Winden. Nach einer deutschen Studie führen Ängste zu einer erhöhten,
Depressionen zu einer verminderten Darmmotilität. Die durchschnittliche
Passagezeit des Nahrungsbreis im Darm betrug bei Gesunden 42 Stunden, bei
Angstpatienten 14 Stunden, bei Depressiven 49 Stunden. Angstpatienten bekommen
leicht Durchfall, Depressive leicht Verstopfung.
Bei chronischer vagotoner Fehlsteuerung, d.h.
bei ständigen Schreck- und Hilflosigkeitsreaktionen, können in Verbindung mit
Anlagefaktoren und Risikoverhaltensweisen bestimmte Geschwüre entstehen (z.B.
Magengeschwür, Zwölffingerdarmgeschwür). Vererbung (Neigung zu erhöhter
Magensäureproduktion) und Risikoverhaltensweisen (Rauchen, Alkohol, Kaffee,
falsche Ernährungsgewohnheiten, zu viele Medikamente u.a.) gelangen oft erst
durch chronischen Stress zur vollen Auswirkung.
Dafür gibt es zwei Voraussetzungen:
Schäden (Reizung) an der Schleimhaut
des Magens bzw. des Darms,
Magen und Darm reagieren mit Überanspannung und
erhöhter Säureproduktion. Dadurch werden die Schleimhäute geschädigt. Durch die
Verkrampfung der Muskulatur ist die Blutversorgung der Schleimhäute gestört.
Schlecht oder gar nicht durchblutetes Gewebe wird geschädigt. Es bekommt
zuwenig Sauerstoff, und die Abfallprodukte des Stoffwechsels werden nicht
abtransportiert. Das durch die geschädigte, vielleicht abgestorbene Schleimhaut
nicht mehr geschützte Muskelgewebe entzündet sich durch die Einwirkung der
recht aggressiven Magensäure. Es kann zu Blutungen, aber auch zum Magen- oder
Darmdurchbruch kommen. Ständiges Unterdrücken der Entspannungsbedürfnisse des
Körpers führt im Ausgleich zu überschießender Parasympathikusaktivität,
besonders in der Nacht, wo es nichts mehr zu verdauen gibt.
Ausscheidungsorgane
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das
sympathische Nervensystem eine Hemmung der Ausscheidungsorgane durch die
Anspannung der Schließmuskulatur (keine Darm- und Blasenentleerung). Subjektiv
kann sich dies als Harnverhalten äußern.
Das parasympathische Nervensystem bewirkt eine Aktivierung
der Ausscheidungsorgane (Darm- und Blasenentleerung).
Subjektiv äußern sich Schock- oder
Schreckreaktionen häufig als Harndrang („Reizblase“), tatsächlicher Harnverlust
(Stressinkontinenz), Stuhldrang, Durchfall und allgemeines Gefühl, gleich „in
die Hose zu machen“.
Darm- und Blasenentleerungen bei Angst und
Gefahr sind im Rahmen der Evolution zu verstehen. Durch den Gewichtsverlust
wird die Flucht erleichtert.
Augen
Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das
sympathische Nervensystem eine Erweiterung der Pupillen, um mehr Licht
durchzulassen und damit die Augen lichtempfindlicher zu machen und das Sehfeld
zu vergrößern. Eine vergrößerte Pupille, also größere Blende wie beim
Fotoapparat, verringert die Schärfentiefe und erhöht damit die Möglichkeit,
unterschiedliche Entfernungen besser voneinander zu unterscheiden. Dadurch
können möglicherweise bedrohliche Objekte besser wahrgenommen werden. Subjektiv
kann sich dies in Sehstörungen äußern (verschwommenes Sehen, Pünktchen vor den
Augen). Das parasympathische Nervensystem bewirkt eine Verengung der Pupillen.
Bei Angst, Aufregung und Stress kommt es -
gesteuert über das sympathische Nervensystem - zur Abflachung der Augenlinsen.
Die infolgedessen geringere Brechkraft/größere Brennweite ermöglicht eine
verbesserte Fernsicht (Objekte in 3-10 Meter Entfernung werden besonders gut
wahrgenommen). Chronische Verspannung im Bereich der Augen kann die Entwicklung
einer Kurzsichtigkeit fördern.
Subjektiv kann sich Angst, Aufregung und Stress
in dem Gefühl äußern, nicht gut zu sehen, soweit es die Nahsicht betrifft (z.B.
beim Lesen und Schreiben).
Bei Ruhe und Entspannung bewirkt das
parasympathische Nervensystem eine Krümmung der Augenlinsen. Die dadurch
größere Brechkraft/geringere Brennweite ermöglicht eine verbesserte Nahsicht.
Subjektiv kann sich ohnmächtig machende Angst
und Stressbelastung in dem Gefühl äußern, nicht gut zu sehen, soweit es die
Ferne betrifft (beim Autofahren).
Viele Menschen mit Angststörungen klagen über
Sehstörungen. Verschiedene Sehstörungen hängen jedoch nicht mit dem aktuellen
Zustand der Pupillen und der Augenlinsen zusammen, sondern mit
Durchblutungsstörungen bzw. Blutumverteilungen zur arbeitenden Muskulatur bei
einer Alarmreaktion:
Schwarzwerden vor den Augen,
Flimmern oder Sternchensehen beruht speziell auf einer Mangeldurchblutung der
Sehbahn und des Augenhintergrundes.
Westphal wies bereits 1871 bei der
Darstellung der Agoraphobie auf den psychologischen Zusammenhang von Angst und
Schwindel hin. Freud beschrieb 1895 in seinen „Studien über Hysterie“ anhand
des Falles der 18jährigen Katharina sehr eindrucksvoll den Schwindel als eines
der zentralen Symptome bei einem Angstanfall.
Schwindel ist eines der häufigsten
und lästigsten Symptome bei Angst, insbesondere bei Agoraphobie. Menschen mit
Agoraphobie ohne ausgeprägte Panikstörung behaupten oft, dass sie ihr
Vermeidungsverhalten nur wegen ihres unerklärlichen Schwindels entwickelt
hätten. Sie fürchten zumeist ein unangenehmes Schwindelgefühl, verbunden mit
der Angst umzufallen, so dass sie ihre Aktivitäten einschränken. Sie leiden in
der Regel unter einem ungerichteten Schwindel. Störungen des
Gleichgewichtsorgans im Ohr oder neurologische Schwindelzeichen sind nicht
vorhanden.
38% der Deutschen (32% der Männer
und 44% der Frauen) leiden unter geringem, mittlerem oder starkem Schwindel,
bei 8% ist der Schwindel krankheitswertig. Schwindel ist keine Krankheit,
sondern ein Symptom, das viele Ursachen haben kann. Eine organische Abklärung
ist nötig, insbesondere dann, wenn außer dem Schwindel keine Angstsymptomatik erkennbar
ist. Eine umfassende Schwindelabklärung besteht in einer ohrenärztlichen,
augenärztlichen, internistischen, neurologischen und psychiatrischen
Begutachtung. Viele Angstpatienten bleiben nach Ausschluss organischer Ursachen
oft ratlos und frustriert zurück, weil sie weder ein plausibles
Erklärungsmodell noch Hilfestellungen für den besseren Umgang mit ihren
Schwindelzuständen erhalten haben.
Der Neurologe Lempert beschreibt in
seinem allgemeinverständlichen Ratgeber „Schwindel - was steckt dahinter.
Informationen und Ratschläge“ die verschiedenen Arten und Ursachen von
Schwindelzuständen. Seine hilfreichen Darstellungen werden für
schwindelgeplagte Angstpatienten ausführlich wiedergegeben (bestimmte rein
organische Ursachen werden allerdings nicht dargestellt).
Schwindel als Folge einer Störung des
Gleichgewichtssystems
Schwindel ist die Folge einer Störung des Gleichgewichtssystems durch Ausfälle oder widersprüchliche Informationen vonseiten des vestibulären, visuellen und sensiblen Systems. Schwindel ist ein Warnhinweis für den Betroffenen, vorsichtig zu sein. Das Gleichgewichtssystem wird durch Informationen aus drei Sinnesorganen gesteuert:
Das Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan, Labyrinth) im Innenohr registriert die Haltung und Bewegung des Kopfes (vestibuläres System).
Die Augen vermitteln ein Abbild der Umwelt (visuelles System).
Zahlreiche sensible Nervenendigungen
erhalten Informationen über Haltung und Bewegung der Körperglieder und
registrieren den Kontakt zum Boden (sensibles System).
Das sensible System empfängt
einerseits die Druck- und Berührungsreize von den Fußsohlen und der
Körperoberfläche als Rückmeldung über den jeweiligen Kontakt zum Boden und
ermöglicht andererseits die Eigenwahrnehmung des Körpers (Spannung der Muskeln
und Stellung der Gelenke). Im Gleichgewichtsorgan werden alle aus dem ganzen
Körper einlaufenden Informationen zur Haltung und Bewegung verarbeitet.
Enge funktionelle Verknüpfungen der
Zentren der Raumorientierung mit dem limbischen System begründen die
Zusammenhänge zwischen Schwindel und Angst bzw. Depression.
Drehschwindel als Folge einer Störung im
vestibulären System
Beim Drehschwindel dreht sich alles
wie nach einer Karussellfahrt. Während der Fahrt macht das Drehen Spaß, die
fortgesetzten Dreherlebnisse am Boden wirken dagegen recht unangenehm. Die
Umgebung scheint sich um einen zu drehen, teilweise nach rechts, teilweise nach
links. Solange man sich auf den Beinen halten kann, tritt man unruhig hin und
her. Derartige Erfahrungen hängen mit der Funktionsweise des
Gleichgewichtssystems im Ohr zusammen.
Ein spontaner Drehschwindel stellt
immer eine Störung des vestibulären Systems dar, das vom Gleichgewichtsorgan im
Innenohr über den Gleichgewichtsnerven bis zum Gleichgewichtszentrum im
Stammhirn reicht, wo die Drehreize wahrgenommen und verarbeitet werden.
Das Gleichgewichtsorgan im Labyrinth
des Innenohrs (in den drei Bogengängen) ist mit Flüssigkeit gefüllt. Diese
Flüssigkeit gerät bei jeder Kopfbewegung in Fluss und erregt dabei bestimmte,
in die Flüssigkeit hineinragende Haare, was an das Gleichgewichtszentrum im
Stammhirn weitergeleitet wird.
Ein harmloser, nichtorganischer
Drehschwindel entwickelt sich nicht beim Drehen, sondern beim anschließenden
Stehen bleiben, weil sich die Flüssigkeit in den Bogengängen im Innenohr noch
weiterdreht, was nicht zur Wahrnehmung des Stehens passt. Wenn die
Informationen des Gleichgewichtsorgans nicht mit denen des Auges und der
Körperwahrnehmung übereinstimmen, entsteht ein unangenehmer Schwindel.
Ein krankhafter Drehschwindel lässt sich durch eine von vier Ursachen erklären:
Ausfall des rechten oder linken Gleichgewichtsorgans oder des Gleichgewichtsnervs (Neuritis vestibularis). Es kommt zu mehrtägigem Drehschwindel, Übelkeit und Fallneigung zur erkrankten Seite.
Menière-Krankheit. Es handelt sich dabei um eine Innenohrerkrankung mit wiederholten, anfallsartig auftretenden und einige Stunden andauernden Drehschwindelattacken, begleitet von Fallneigung, Nystagmus (Augenrucken mit einem Wechsel von langsamen Augenbewegungen in einer Richtung und schnellen Rückstellbewegungen in Gegenrichtung), Hörminderung, rauschenden oder pfeifenden Ohrgeräuschen (Tinnitus), Übelkeit oder Erbrechen sowie Völlegefühl im betroffenen Ohr. Die Menière-Anfälle beruhen auf einer bislang ungeklärten Störung der Flüssigkeitsbalance des Gleichgewichtsorgans im Innenohr, weshalb es auch keine ursächliche, sondern nur eine symptomdämpfende Therapie gibt.
Durchblutungsstörungen im Gleichgewichtszentrum. Eine mangelhafte Durchblutung des Gleichgewichtszentrums im Hirnstamm bewirkt eine einige Minuten anhaltende Drehschwindelattacke, die insbesondere bei älteren Menschen auf eine Arteriosklerose (Verhärtung und Verengung der Blutgefäße) hinweisen kann und als möglicher Vorbote eines Schlaganfalls erkannt und behandelt werden muss.
Migräne. Schwindelzustände sind bei
der Hälfte der Migränekranken vorhanden.
Lageabhängiger
Schwindel
Man unterscheidet zwei Formen von
lageabhängigem Schwindel:
Zentraler Lageschwindel. „Lageschwindel“ bedeutet, dass der
Schwindel nur bei einer bestimmten Kopfposition auftritt. „Zentral“ bezeichnet
den Umstand, dass die Störung nicht im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs liegt,
sondern im Gehirn (Störung des Gleichgewichtszentrums des Hirnstamms oder im
nahegelegenen Kleinhirn). Die Ursachen hierfür können in folgenden
Gehirnerkrankungen bestehen: Tumore, Metastasen, Multiple Sklerose,
Hirnblutungen, Infarkte und Migräneattacken.
Der Schwindel besteht in einer
Irritation des Gleichgewichts, die allein durch Sehreize ausgelöst wird. Der
visuelle Schwindel ist erklärbar durch die enge Zusammenarbeit von vestibulärem
und visuellem System bei der Steuerung des Gleichgewichts. Neben dem
Brillenschwindel (anfänglicher Schwindel bei neuen Augengläsern mit anderer
Brechkraft) sind zwei Schwindelarten besonders zu erwähnen:
Schwindel durch
Augenbewegungsstörungen (Nystagmus). Diese Schwindelform wird durch ständig ruckende oder pendelnde
Bewegungen (Nystagmus) verursacht. Als mögliche Ursachen kommen Erkrankungen
des Gleichgewichtsorgans, des Hirnstamms, des Kleinhirns oder Lähmungen der
Augenmuskeln in Betracht. Viele Panikpatienten haben einen sehr sensiblen,
nicht organisch bedingten Nystagmus, d.h. ein nicht bewusstes Zittern des Augapfels
in Form von rasch aufeinanderfolgenden waagrechten, senkrechten oder kreisenden
Bewegungen aus innerer Unruhe. Dadurch entsteht eine größere Abweichung
zwischen Augen- und Kopfbewegungen, die zu unstimmigen Informationen über die
räumliche Orientierung führen. Das kurzfristige Fixieren eines Punktes wirkt
beruhigend.
Schwindel als Folge einer Störung im
sensiblen System
Die Eigenwahrnehmung des Körpers ist
ein gerade von Agoraphobiepatienten oft unterschätzter Sinn zur Stabilisierung
des Gleichgewichts. Über die sensiblen Nerven und die Rückmarksbahnen wird dem
Gehirn andauernd die Spannung der Muskeln und die Stellung der Gelenke
gemeldet. Mit Hilfe des sensiblen Systems können wir auch bei geschlossenen
Augen die Position der Körperglieder und alle Bewegungen millimetergenau
wahrnehmen. Bei einem Ausfall des sensiblen Systems muss das visuelle System
verstärkt einspringen.
Eine gestörte Körperwahrnehmung wird
anfangs oft als Schwindel erlebt, obwohl es sich tatsächlich um eine
Gangunsicherheit handelt. Die sensible Wahrnehmung der Haut ist beeinträchtigt,
weshalb die Fußsohlen den Boden nicht gut spüren können. Der Untergrund
erscheint als weich, nachgebend oder bewegt. Man hat den Eindruck, als ginge
man auf Watte oder auf Eiern. Im Dunkeln tritt die Gangunsicherheit wegen des
Ausfalls der kompensatorischen Wirkung des visuellen Systems verstärkt auf.
Bei einem Schwankschwindel fühlt man
sich unsicher auf den Füßen, die Erde scheint zu schwanken, das Körpergewicht
wird auf eine Seite gezogen. Man glaubt zu torkeln und möchte sich festhalten
oder anlehnen. Derartige Schwindelzustände sind bei Agoraphobiepatienten oft
anzutreffen und rein psychogen bedingt.
Bei organischen Ursachen ist die
gestörte Körperwahrnehmung oft begründet in einer Polyneuropathie (Erkrankung
der peripheren Nerven), manchmal in einer Rückenmarksschädigung. Von den über
100 Ursachen einer Polyneuropathie sind die häufigsten die Zuckerkrankheit und
der Alkoholmissbrauch.
Kontrovers diskutiert wird der
zervikale Schwindel, der in einer Erkrankung der Halswirbelsäule besteht.
Weiters führen Verspannungen der Muskulatur, Verklemmungen der Gelenke und
Erstarrungen des Bewegungsablaufs einerseits zu Blutgefäßverengungen im
Schulter-Nacken-Bereich oder im Bereich der Halswirbelsäule und damit zur
Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, andererseits durch die Fehlstellung des
Kopfes im Raum zu irritierenden Informationen für das Gleichgewichtsorgan im
Ohr.
Die Nackenmuskulatur ist maßgeblich
am Gleichgewichtsgefühl beteiligt. Das Ungleichgewicht der Muskelspannung
(stärkere Anspannung auf einer Seite des Nackens) erzeugt das Gefühl der
Instabilität und des Schwindels.
Motorische Gleichgewichtsstörungen äußern
sich meist als Gangunsicherheit, manchmal auch als Schwankschwindel. Die Art
der Gangstörung wird durch die Art der Erkrankung und den Ort der Schädigung
bestimmt. Bei einer Kleinhirnschädigung sind die Schritte breitbeinig,
ausfahrend wackelig und verfehlen ihr Ziel. Bei der Parkinson-Krankheit ist der
Gang kleinschrittig schlurfend und manchmal mit einer Starthemmung beim
Losgehen verbunden. Bei fortgeschrittener Erkrankung fallen die
Gleichgewichtsreflexe aus, die unerwartete Bewegungen bewältigen helfen.
Die Reise- oder Bewegungskrankheit
(in Autos, Schiffen, Flugzeugen) äußert sich in folgenden Symptomen: Schwindel,
allgemeines Unwohlsein, Müdigkeit, Gähnen, Blässe, kalter Schweiß, vermehrter
Speichelfluss, Druckgefühle im Kopf und Oberbauch, Übelkeit, Würgreiz oder
Erbrechen. Nach einigen Stunden bzw. nach einigen Tagen (bei Schiffsreisen)
bessert sich die Schwindelsymptomatik. Lesen im Bus erzeugt bei vielen Menschen
Schwindel.
Die Reisekrankheit wird durch ungewohnte
bzw. unerwartete Bewegungen sowie durch widersprüchliche Sinnesmeldungen
ausgelöst. Während das Gleichgewichtsorgan die Fahrbewegung wahrnimmt, sieht
das Auge im Inneren des Fahrzeugs keine Bewegung. Ein Blick aus dem Fenster von
Bus, Schiff oder Flugzeug schafft mögliche Fixierungspunkte. Diese sollten
nicht zu weit entfernt sein.
Schwindel, Benommenheit,
Schwarzwerden vor den Augen (Flimmern), Ohnmachtsneigung und Ohnmacht sind oft
die Folgen einer Mangeldurchblutung des Gehirns, zumeist bedingt durch harmlose
oder vorübergehende Kreislaufstörungen.
Der Kreislaufschwindel als Folge
eines Blutdruckabfalls wird von den Betroffenen folgendermaßen beschrieben:
Benommenheit, Leichte oder Leere im Kopf, Verlangsamung oder Verwirrung des
Denkens, manchmal Entrückung von der Umwelt.
Bei stärkerer Mangeldurchblutung
zeigen sich folgende Symptome: unscharfes Sehen, Zusammenziehen oder Verdunkeln
des Gesichtsfeldes, Verschlagen oder Rauschen der Ohren, flaues Gefühl im Bauch
oder Übelkeit, Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Standunsicherheit, im
Extremfall kurze Ohnmacht (Synkope) mit spontanem Wiedererwachen.
Ein erhöhter Blutdruck kann
ebenfalls Schwindel auslösen, typischerweise begleitet von Kopfschmerzen. Die
Ursache liegt in einer reflektorischen Verengung der Hirngefäße und einer
daraus resultierenden Minderdurchblutung, insbesondere bei einem Blutdruck über
200 mm Hg.
Herzrhythmusstörungen können durch
die ungleichmäßige Durchblutung des Gehirns in gleicher Weise Schwindelzustände
bewirken, insbesondere bei älteren Menschen.
Ein Alkoholrausch führt zu
vorübergehenden Schwindelzuständen und Gleichgewichtsstörungen. Alkohol bewirkt
eine Hemmung der Funktionen des Kleinhirns (Feinabstimmung der Körper- und
Augenbewegungen). Dies erklärt Phänomene wie Standunsicherheit, schwankenden
Gang, ausfahrende Bewegungen und unkontrollierte Zungenbewegungen von alkoholisierten
Personen.
Der Alkohol gelangt auch in das
Gleichgewichtsorgan und ändert dort die mechanischen Eigenschaften des
Bogengangsystems. Die daraus resultierende Erregung der Sinneszellen macht sich
(auch ohne Bewegungsreiz) als Drehschwindel bemerkbar.
Eine entsprechende Schwindelsymptomatik
kann als konditionierte Reaktionsweise auch bei völliger Abstinenz auftreten.
Nicht selten geben die Betroffenen an, dass sie wegen einer lästigen
Schwindelsymptomatik zu trinken begonnen hätten, wodurch alles im Laufe der
Zeit noch schlimmer geworden sei.
Die gefäßerweiternde Alkoholwirkung
hat einen blutdrucksenkenden Effekt, was die Schwindelzustände verstärkt. Dies
wirkt sich besonders bei niedrigem Blutdruck recht negativ aus.
Chronischer Alkoholkonsum kann zu
schweren und dauerhaften Gleichgewichtsstörungen führen, bedingt einerseits
durch eine Polyneuropathie, andererseits durch einen Mangel an Vitamin B12,
was ohne Ersatz zu einer Beeinträchtigung der sensiblen Rückenmarksbahnen
führt.
Schwindel als Folge einer medikamentenbedingten
Beeinträchtigung
Die meisten Medikamente können
Schwindel als Nebenwirkung haben. Dies trifft sogar auf Placebos zu, d.h. die
Teilnehmer an Medikamentenstudien halten das eingenommene Placebopräparat für
die Ursache eines aktuell erlebten Schwindelzustands. Schwindel zählt sogar zu
den häufigsten Placebophänomenen.
Medikamentös bedingter Schwindel
beruht meistens auf einer Überdosierung oder zu raschen Dosissteigerung, die
dem Körper zuwenig Zeit für eine Anpassung lässt, kann aber auch bei richtiger
Dosis auftreten.
Es gibt folgende potentiell schwindelerzeugende Medikamentengruppen:
Medikamente, die das
Gleichgewichtsorgan beeinträchtigen und besonders im Dunkeln eine Stand- und
Gangunsicherheit bewirken, z.B. bestimmte Antibiotika.
Blutdrucksenkende Medikamente, die auch die Hirndurchblutung und damit die Sauerstoffversorgung mindern, z.B. Medikamente gegen Bluthochdruck, gefäßerweiternde und harntreibende Mittel, die meisten Psychopharmaka und Schlafmittel, einige Migränemedikamente und schwindeldämpfende Medikamente.
Andere schwindelauslösende Medikamente.
Kortikosteroide, weibliche Geschlechtshormone, herzstärkende Medikamente vom
Digitalistyp, Entzündungshemmer, Gichtmedikamente, Asthmamittel, Appetitzügler
usw.
Wenn eine Durchuntersuchung keinen
Hinweis auf eine organisch bedingte Schwindelsymptomatik ergibt und auch ein
psychogener Schwindel unwahrscheinlich erscheint, sollte auf den Beipackzetteln
eventuell eingenommener Medikamente nachgelesen werden, ob die beklagte
Schwindelsymptomatik eine Medikamentennebenwirkung darstellen könnte.
Schwindeldämpfende Medikamente
sollten nur kurzfristig (z.B. bei Reisen) eingenommen werden, keinesfalls
länger als zwei Tage, da sie den Erholungsprozess im Gleichgewichtssystem
hemmen. Bei Lageschwindel und chronischen Schwindelformen sind derartige Medikamente
nicht angezeigt. Bei Dauerbehandlung können schwindeldämpfende Medikamente
selbst wiederum Schwindel hervorrufen.
Der Angstschwindel ist ein eher
diffuser Schwindel, häufig erlebt als Benommenheit, Unsicherheit auf den Beinen,
mangelnde Standfestigkeit, Schweben wie auf Wolken, wie wenn man den Kontakt
zum Boden verloren hätte, oft verbunden mit Unruhe, manchmal auch mit Übelkeit.
Haltungsveränderungen beeinflussen diese Schwindelform kaum. Bei normalem Gang
fühlt man sich wie betrunken schwankend.
Menschen mit Panikattacken
beschreiben verschiedenartige Schwindelzustände: Benommenheit, Leere im Kopf,
schwankende Bewegung des Bodens, der Umwelt oder des eigenen Körpers,
Unsicherheit beim Gehen oder Stehen, Gefühl des drohenden Sturzes oder einer
bevorstehenden Ohnmacht.
Eine Begleitperson, Sitzen oder
Liegen bewirkt oft eine Besserung der Schwindelsymptomatik, Kopfbewegungen
können dagegen die Schwindelzustände verstärken.
Viele Agoraphobiker klagen über
Schwindel, Ohnmachtsangst und Übelkeit, wurden im Laufe des Lebens jedoch kaum
ohnmächtig (dies war nur bei 1% der Agoraphobiker der Fall).
Bei Menschen mit Angststörungen, die über Schwindelzustände klagen, obwohl keine neurologischen oder vestibulären Ursachen festgestellt werden können, lassen sich zwei relativ gut abgrenzbare Syndrome unterscheiden:
Phobischer Attacken-Schwankschwindel mit und ohne Paniksymptome.
Psychogene Stand- und Gangstörung.
Schreckreaktionen führen zu „weichen Knien“ als Folge der Dominanz des
parasympathischen Nervensystems. Ohne subjektiven Schwindel im Kopf fühlen sich
die Betroffenen “schwindlig auf den Füßen“. Sie beschreiben ein Schwanken beim
Stehen und Gehen und bewegen sich langsam und zögerlich (wie auf Eis). Ständige
Angst führt zu chronischer (sympathisch bedingter) Muskelverspannung mit
Gleichgewichtsstörungen.
Bei vielen Menschen mit Agoraphobie
steht der phobische Attacken-Schwankschwindel mit situativ verstärkter Stand- und
Gangunsicherheit ohne subjektiv erlebte Angstsymptomatik im Mittelpunkt des
Erlebens. Agoraphobie und phobischer Attacken-Schwankschwindel weisen folgende
Zusammenhänge auf:
„Welche zentrale Rolle die Angst beim psychogenen Schwindel einnimmt,
zeigt sich nicht zuletzt an der häufigsten umschriebenen klinischen
Erscheinungsform des psychogenen Schwindels, dem phobischen Attackenschwindel.
Diesen erleiden Patienten in bestimmten sozialen Situationen (Kaufhäuser,
Restaurants, Konzerte, Besprechungen, Empfänge) oder angesichts typischer
auslösender Sinnesreize (Brücken, leere Räume, Treppen, Straßen, Autofahren).
Der Schwindel entspricht von seiner Erlebnisqualität her dem Höhenschwindel und
ist durch die Kombination eines Benommenheitsgefühls mit subjektiver Stand- und
Gangunsicherheit sowie einer Crescendo-Vernichtungsangst charakterisiert. Im
Unterschied zur Agoraphobie oder unspezifischen Panikattacken klagen die
Patienten mit phobischem Attackenschwindel nicht in erster Linie über die
‘Angst’, sondern über den ‘Schwindel’, der allenfalls die schreckliche Angst
ausgelöst habe. Sie fühlen sich organisch krank. Zum Schwindel führende
Sinnesreize und Situationen können rasch konditioniert werden und sich
generalisieren. Es bildet sich ein entsprechendes Vermeidungsverhalten aus.“
In der Münchner Spezialambulanz für
Schwindel war unter 768 Patienten nach dem benignen paroxysmalen
Lagerungsschwindel (20,6%) der phobische Schwankschwindel (16,8%) als
zweithäufigste Schwindelart anzutreffen.
Ein phobischer Schwankschwindel ist
durch sechs Kriterien charakterisierbar:
Die illusionäre Wahrnehmungsstörung
des Schwankschwindels und der Standunsicherheit der Betroffenen wird dadurch zu
erklären versucht, dass viele Schwindelpatienten mit ängstlicher
Selbstbeobachtung in übersensibler Weise sensomotorische Regelvorgänge
registrieren, die normalerweise unbewusst ablaufen, so dass die beim freien
aufrechten Stand entstehenden feinen Körperschwankungen oder unwillkürlichen
Kopfbewegungen als beängstigende Beschleunigungen wahrgenommen werden.
Bei Menschen mit Schwindel zeigen
sich auffällig oft Angst, Verunsicherung oder Depression. Aktuelle Konflikte
und psychosoziale Stressfaktoren (partnerschaftliche oder berufliche Konflikte,
Trennungen, Verluste, existentielle Erschütterungen) bzw. krisenhafte
Zuspitzungen bereits seit langem bestehender Probleme lösen dann in bestimmten
Situationen recht unangenehme Schwindelattacken aus, die sich die Patienten
anfangs überhaupt nicht erklären können, so dass sie wegen des gefürchteten
Schwindels eine Vermeidungshaltung im Sinne einer Agoraphobie entwickeln, d.h.
ihren Aktionsradius einengen. Das Hauptproblem sind jedoch nicht die vielen
situativen Bedrohungsmöglichkeiten, sondern die aktuellen Lebensumstände, die
den Betroffenen oft buchstäblich „den Boden unter den Füßen“ weggezogen haben.
Angesichts einer bestimmten Lebenssituation kann einem richtig „schwindlig“
werden.
In der Stand- und Gangunsicherheit
drücken sich symbolisch oft zentrale Lebensfragen aus: Wie sehr kann man bzw.
möchte man auf „eigenen Füßen“ stehen? Was passiert, wenn man im Leben loslässt
und fällt? Wer oder was fängt einen auf?
Verhaltenstherapeuten, die diesen
Hintergrund im Rahmen einer geplanten Konfrontationstherapie bei einer
Agoraphobie, die primär durch Schwindelzustände und Fallängste bedingt ist,
nicht berücksichtigen, gehen oft am Kern des Problems vorbei.
Eine symptombezogene Behandlung zu Therapiebeginn ist dann sinnvoll,
wenn eine derartige Therapie dem
Wunsch der Betroffenen entspricht (Psychotherapeuten sollen ihren Patienten
durchaus in deren Modell begegnen),
Bei Depressionen äußert sich
Schwindel häufig als Leere oder Nebel im Kopf, als eine Art Schleier über
Wahrnehmung und Denken, als Benommenheit oder Unsicherheit beim Gehen. Bei
einer somatisierten Depression kann Schwindel ein ständig beklagtes
Hauptsymptom sein. Schwindel tritt auch im Rahmen einer Neurasthenie auf, d.h.
bei einer „nervösen Erschöpfung“.
Schwindel kann durch eine
Hyperventilation im Rahmen einer angst- oder wutbedingten Erregung ausgelöst
werden. Es kommt zu einer Verschiebung des Sauerstoff-Kohlendioxidverhältnisses
im Blut, in weiterer Folge zu Gefäßverengungen und mangelhafter Blut- und
Sauerstoffversorgung im Gehirn, was als Schwindel erlebt wird.
Bei älteren Menschen mit Erfahrungen
von Stürzen oder längerer Bettruhe äußert sich Schwindel - abgesehen vom
typischen Altersschwindel, der Ausdruck einer Mehrfachschädigung ist - häufig
als Gangunsicherheit, bewirkt durch die erhöhte Selbstbeobachtung und die
ängstliche Erwartung zu fallen, oft auch als Folge einer schlechten
körperlichen Konstitution oder einer langzeitigen Tranquilizereinnahme.
Körperliche Schonung bei Angst - Ein
sicherer Weg zur Angstverstärkung
Körperliche Schonung führt zu
mangelnder Fitness. Alltägliche Belastungssituationen lösen dann übermäßige
körperliche Reaktionen aus (Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Muskelkater usw.).
Wenn Menschen mit ohnehin niedrigem Blutdruck in Belastungs- und
Angstsituationen (z.B. bei einer Agoraphobie) einen weiteren Blutdruckabfall
erleben und sich deshalb zur Schonung hinlegen, sind sie derartigen
Kreislaufreaktionen zukünftig noch stärker ausgeliefert.
Wissenschafter der NASA, der
amerikanischen Weltraumbehörde, haben nachgewiesen, dass bei Gesunden allein
eine Bettruhe von 7 Tagen das Koordinationssystem des Gleichgewichts und damit
die körperlichen Erholungsmöglichkeiten beeinträchtigt.
Vaitl und Hamm studierten den Effekt
der kardiovaskulären Dekonditionierung, der in den bisherigen
Erklärungskonzepten von Angststörungen noch zuwenig Beachtung gefunden hat. Die
vielbeklagten Herz-Kreislauf-Beschwerden von Angstpatienten könnten hierin ihre
Ursache haben.
Dieser Effekt kann unter folgenden
Umständen auftreten:
Alle genannten Bedingungen führen zu
einer Verschiebung der Körperflüssigkeiten in den Brustbereich und
infolgedessen zu einer Zunahme des zentralen Blutvolumens.
Das Kreislaufsystem des Menschen ist
hauptsächlich dem aufrechten Gang und den Bedingungen der Schwerkraft der Erde
angepasst, weshalb starke Verschiebungen der Körperflüssigkeiten heftige
körperliche Gegenmaßnahmen hervorrufen, die das Ziel haben, das Flüssigkeitsvolumen
des Körpers wieder zu reduzieren (z.B. verstärktes Harnlassen und andere Flüssigkeitsverluste
bei Bettlegrigkeit).
Diese Effekte entstehen regelmäßig
nach längerem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit im Weltraum. Sie lassen sich
auf der Erde dadurch provozieren und simulieren, dass die Versuchspersonen über
längere Zeit eine Körperposition einnehmen, bei der ihr Kopf 6° unter die
Horizontale abgesenkt ist. Die Flüssigkeitsverteilung im Körper entspricht bei
dieser Lagerung annähernd derjenigen, die unter Schwerelosigkeitsbedingungen
vorherrscht.
Diese Simulationsmethode wird
außerhalb der Raumfahrt dazu verwendet, um die nachteiligen Effekte
verlängerter Bettruhe auf die Herz-Kreislauf-Funktion zu untersuchen. Der
einzige Unterschied zwischen der Bettruhe in horizontaler Position und dem
Liegen mit einer Kopfhaltung 6° unter der Horizontalen ist der, dass diese
Effekte bei der abgesenkten Kopfposition rascher eintreten und damit der
Untersuchungszeitraum verkürzt wird. Kreislaufstabile Versuchspersonen zeigten
bereits nach einem Tag eine erhebliche kardiovaskuläre Dekonditionierung
(bestimmt mit Hilfe des Orthostoasetests und der Fahrrad-Ergometrie), wenn sie
sich in dieser Zeit in einer 6°-Kopf-nach-unten-Position befanden. Innerhalb eines
Tages wurde der Kreislauf gesunder Probanden derart intolerant gegenüber dem
„Stress“ der aufrechten Position, dass 4 von 10 Versuchspersonen während der
Orthostoasetests einen Ohnmachtsanfall erlitten.
Durch die Untersuchung von
Agoraphobikern im Vergleich zu anderen Personen konnte die Hypothese bestätigt
werden, dass die bei Agoraphobikern zu beobachtende kardiovaskuläre
Dekonditionierung darauf zurückzuführen ist, dass sich diese aufgrund
übertriebenen Schonverhaltens zu lange in der horizontalen Position aufhalten.
Infolge des Schonverhaltens
vermeiden Angstpatienten nicht nur körperliche Anstrengungen und Belastungen,
sondern legen sich schon bei den geringsten Anzeichen von Unwohlsein oder bei
noch unklaren Beschwerden hin und verbleiben möglichst lange Zeit in dieser
Position. Bei längerem Stehen tritt dann vermehrt Herzrasen auf.
Beim Übergang vom Liegen in die
aufrechte Position kommt es bei vielen Agoraphobiepatienten zu körperlichem
Unwohlsein, das durch eine Orthostase-Labilität oder durch starke Blutdruckschwankungen
bedingt sein kann. Die körperlichen Missempfindungen führen zu weiterer
Schonung, indem sich die Betroffenen neuerlich in die Horizontale begeben und
sich weiter schonen.
Die Befürchtung, an einer
undefinierten Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems zu leiden, verstärkt die
Symptomatik, sobald die Betroffenen erkennen, dass Maßnahmen wie Hinlegen und
Schonen nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Diese Befunde bestätigen eine
amerikanische Untersuchung, wonach bei Panikpatienten verstärkt Tachykardien
unter Orthostase-Belastung auftraten.
Aus dem Umstand, dass bei
Angstpatienten nach dem Aufstehen oft Anzeichen von Kreislaufschwäche auftreten
(z.B. Herzrasen und Herzklopfen, Schwindelattacken, Muskelzittern, Übelkeit und
Schweißausbrüche), ergibt sich die Schlussfolgerung, schrittweise die
körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen zu steigern, um eine
Konfrontationstherapie nicht durch mangelnde Kondition zum Scheitern zu
bringen.
Viele Angstpatienten klagen nicht
nur über Kreislaufprobleme, sondern auch über eine Schwäche in den Beinen,
verbunden mit der Angst umzufallen. Die mangelnde Bewegung im Rahmen der
ständigen Schonhaltung führt rasch zu einem Muskelschwund (Atrophie) der Beine.
Schon der altgriechische Arzt Hippokrates formulierte ein Gesetz des Lebens:
„Was gebraucht wird, wächst; was nicht gebraucht wird, geht zugrunde.“
Unbenutzte Beinmuskeln bilden sich bereits innerhalb einiger Wochen zurück, was
Sportler ohne Training, Verunfallte nach einem sechswöchigen Gipsverband,
ältere Menschen nach einer mehrmonatigen Liegephase und Astronauten ohne
körperliches Trainingsprogramm im Weltraum bald zu spüren bekommen.
Ein geeignetes Konditionstraining
stärkt die Muskulatur (insbesondere auch die Waden- und Oberschenkelmuskulatur),
verbessert die Knochenfestigkeit (größere Knochendichte als Schutz vor
Brüchen), vermehrt die Blutgefäße im Gehirn und fördert dadurch die geistige
Fitness, senkt den Blutdruck und die Herzfrequenz, verbessert die
Sauerstoffversorgung des Körpers und beseitigt das chronische Müdigkeitssyndrom
vieler Angstpatienten. Ständige Müdigkeit wird nicht durch Schonung, Ausrasten
und Energiesparen überwunden, sondern durch häufigeres Ermüden als Folge
vermehrten Energieverbrauchs durch Sport und körperliche Betätigung.
Selbst in der Rehabilitation von
Patienten nach einem Herzinfarkt gehört körperliche Aktivität so früh als
möglich zum Standardtherapieprogramm. Die Erkenntnisse der Sportmedizin werden
zunehmend auf die Behandlung von Herzinfarktpatienten übertragen. Strenge
Bettruhe, wie sie früher verordnet wurde, schwächt den Patienten zusätzlich,
besonders, wenn er älter ist. Das Konditionstraining nach einem Herzinfarkt
sollte mit etwa 60-70% der maximalen Leistungsfähigkeit erfolgen.
Das beste Trainingsprogramm für die Gesamtfitness besteht aus einer Kombination von Ausdauersportarten und muskelkräftigenden Elementen. Nach dem Kriterium des Sauerstoffverbrauchs können vier Trainingsmethoden unterschieden werden:
Isometrisches Muskeltraining (isometrisch = in gleicher Länge
bleibend). Übungen, die für mehrere Sekunden eine Muskelanspannung bewirken,
aber keine Bewegung
verlangen und daher wenig oder
keinen Sauerstoff verbrauchen. Meistens handelt es sich darum, zwei Gliedmaßen
kräftig gegeneinander oder gegen ein Objekt zu drücken. Diese Muskelspannung
bewirkt einen Druck auf die Blutgefäße, die sich dadurch entleeren. Das Blut
wird in den Venen zum Herz befördert. Die isometrische Spannung aktiviert den
Kreislauf und sichert die Sauerstoffversorgung. Menschen mit niedrigem
Blutdruck lernen auf diese Weise, ihren Blutdruck zu steigern.
Beispiele: kräftiges
Gegeneinanderdrücken der Hände, Spreizen der Arme zwischen zwei Türpfosten,
jede Druckverstärkung gegen einen Widerstand, Expanderübungen, progressive
Muskelentspannung nach Jacobson, Übungen zur Kräftigung der
Beckenbodenmuskulatur.
Ein derartiges Krafttraining führt
zum Muskelwachstum. Der stärkste Reiz für die Zunahme der Muskelkraft liegt
nicht in häufigen Belastungen, sondern in kurzen, nur wenige Sekunden
anhaltenden, maximalen isometrischen Kontraktionen. Durch Überschreiten der
Reizhäufigkeit ist keine stärkere Muskelkräftigung zu erzielen. Je dicker der
Muskel ist, um so kräftiger ist er. Bei hohem Krafteinsatz unter anaeroben (sauerstoffarmen)
Bedingungen wird der Muskel in einen Spannungszustand versetzt, der das
Dickenwachstum bewirken soll. Die hohe Sauerstoffschuld bringt eine hohe
Übersäuerung durch Kohlendioxid, Milchsäure und saure Stoffwechselschlacken mit
sich. Sie führt rasch zur Ermüdung. Es ist daher wichtig, dass nach hohem
Krafteinsatz eine Erholungspause von 3-5 Minuten folgt. Es sollen jeweils kurz
unterschiedliche Muskelgruppen trainiert werden (Prinzip des
Circuit-Training/Zirkeltraining; circuitus = Rundgang).
Aerobes Training (aerob = mit Sauerstoff lebend):
Sportarten, die genügend Sauerstoff erfordern, lange genug anhalten und somit
zu einem Trainingseffekt führen. Sämtliche Ausdauersportarten: Wandern, Laufen,
Geländelauf, Schwimmen, Radfahren, Schilanglauf, Rudern, längeres
Stiegensteigen. usw. Laufen ist die billigste und beste Sportart. Der Sauerstoffbedarf
des Körpers ist bereits bei langsamem Laufen relativ hoch. Dadurch werden die
sauerstoffaufnehmenden, -transportierenden und -verwertenden Systeme des
Körpers intensiv angeregt und entwickelt. Infolge des Einsatzes großer
Muskelgruppen ist auch der Energieaufwand beim Laufen höher als bei anderen
Sportarten. Beim Laufen gilt als Faustregel: man muss sich so belasten, dass
das Herz mindestens um 50% schneller schlägt. Diese Belastung muss man längere
Zeit durchhalten. Für ein effizientes Herz-Kreislauf-Training ist die
Steigerung der Pulsfrequenz um mindestens 50% erforderlich. Man sollte immer
nur so schnell laufen, dass man nicht in Atemnot gerät. Beim langsamen Laufen
zu Trainingsbeginn wird den Muskeln nie mehr Energie abverlangt als der
Kreislauf noch liefern kann. Sauerstoffaufnahme und -verbrauch halten sich die
Waage. Aerobes Laufen verhindert einen Muskelkater.
Der Effekt der Leistungssteigerung
durch Sport lässt sich durch eine Laktatuntersuchung messen. Aus dem
Ohrläppchen werden ein paar Tropfen Kapillarblut gewonnen, und der Laktatspiegel
(Milchsäure) wird im Labor bestimmt. Dieser Wert gibt verlässlich Auskunft über
die Leistungsfähigkeit.
Sport verbessert die oft depressive Stimmung
vieler Angstpatienten, weil dabei die Ausschüttung von Endorphinen, d.h.
körpereigenen Opiaten, bewirkt wird (was bislang trotz häufiger Behauptungen
allerdings nicht ausreichend klar erwiesen ist), steigert den oft niedrigen
Blutdruck und verbessert die Gehirndurchblutung.
Bei Ängsten und Depressionen werden
durch Sport Muskelspannungen abgebaut und intensivere Atemzüge bewirkt. Von
Menschen mit belastenden Erlebnissen litten jene weniger häufig unter
verschiedenen Krankheiten, die regelmäßig Sport betrieben.
Ein Forscherteam aus Göttingen hat
in den letzten Jahren den Stellenwert von Sport in der Behandlung psychischer
Erkrankungen untersucht und den aktuellen Forschungsstand zusammenfassend dargestellt.
Im folgenden werden diese bedeutsamen Erkenntnisse ausführlich referiert.
Zahlreiche Studien an Gesunden haben
den positiven Einfluss eines Ausdauertrainings auf Faktoren wie Ängstlichkeit,
Depressivität, Selbstbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit und Stressbewältigung
nachgewiesen. Sport senkt die Eigenschaftsangst (trait anxiety) und beeinflusst
in positiver Weise physiologische Faktoren, die als Ausdruck von Angst und Spannung
angesehen werden. Aerobes Training hat auch günstige Auswirkungen auf die
Schlafqualität (erhöhter Tiefschlafanteil, größere REM-Latenz).
Bei Sportlern mit einer
Trainingspause weist das „akute Entlastungssyndrom“, d.h. eine
„Sport-Entzugssymptomatik“, auf die Bedeutung neurobiologischer
Adaptationsprozesse hin. Eine akute Sportpause führt nach 1-2 Wochen bei
durchtrainierten Sportlern zu Symptomen wie Herzstichen, Schwindel,
Verdauungsstörungen, Unruhezuständen, Schlafstörungen und depressiver
Verstimmung. Bei Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung verschwinden alle
Symptome innerhalb kurzer Zeit. Die neurobiologischen Ursachen dieses Phänomens
sind derzeit noch unbekannt, man schreibt jedoch dem serotonergen
Neuronensystem eine bedeutsame Rolle zu.
Die erste größere praktische und
wissenschaftliche Bedeutung im psychiatrischen Kontext erlangte die
Sporttherapie Ende der 70er Jahre in den USA, wo depressive Patienten mit
Erfolg an einem Ausdauertrainingsprogramm teilnahmen.
Verschiedene Studien an psychisch
Kranken belegen mittlerweile eindeutig, dass Sport bei Depressionen und
Angststörungen heilsam wirkt (zu anderen psychischen Störungen liegen noch
zuwenig Studien vor). Die Göttinger Arbeitsgruppe legte 1997 die erste
vollrandomisierte, placebokontrollierte Studie zur therapeutischen Wirksamkeit
von Ausdauertraining bei Patienten mit Panikstörung und/oder Agoraphobie vor.
Im Rahmen der 10 Wochen dauernden Studie wurden die Therapieeffekte bei 49
Panikpatienten untersucht, die drei verschiedenen Behandlungsbedingungen
zugeordnet wurden: Ausdauertraining (3-4 mal 30-60 Minuten Laufen pro Woche),
Clomipramin (112,5 mg pro Tag) und Placebo. Clomipramin und Ausdauertraining
führten im Vergleich zur Placebogruppe zu einer deutlichen Besserung der
Angstsymptomatik, gleichzeitig sank auch das Ausmaß der Depressivität. Die
gemessene Steigerung der körperlichen Fitness bestätigt die Wirksamkeit des
Ausdauertrainingsprogramms. Diese Studie weist darauf hin, dass bei
Panikpatienten bereits ein Ausdauertraining ohne spezifische Begleittherapie zu
einer deutlichen Besserung der Symptomatik führt.
Das Ausdauertraining beeinflusst das
autonome Nervensystem und zentrale Neurotransmittersysteme. Das Göttinger
Forscherteam befasst sich mit verschiedenen möglichen Wirkmechanismen. Vor
allem wird die Frage geprüft, ob ein Ausdauertraining die Reaktionsbereitschaft
zentraler serotonerger Neurone verändert und dies wiederum das psychische
Befinden von Gesunden und Angstpatienten beeinflusst.
Nach der Endorphinhypothese führt
ein Ausdauertraining akut zu einem Anstieg von Beta-Endorphinen im Plasma,
Trainingswiederholungen bewirken eine potenzierte Ausschüttung von
Beta-Endorphinen. Die häufige Annahme, dass der Anstieg an Endorphinen zu einer
Stimmungsverbesserung führt, ließ sich bislang durch Korrelationsstudien nicht
empirisch bestätigen. Psychische Zustandsverbesserungen scheinen daher beim
gegenwärtigen Wissensstand nicht durch die Ausschüttung von Endorphinen aus der
Adenohypophyse erklärbar zu sein, vor allem auch deshalb nicht, weil das
Protein Beta-Endorphin die Blut-Hirn-Schranke nicht überschreiten kann.
Nach der Serotoninhypothese führt
eine intensive motorische Aktivität zu einem erhöhten Umsatz von Serotonin.
Möglicherweise kommt es dadurch nach einiger Zeit zu einer adaptiven
Rezeptor-Downregulation in einer Weise, wie dies dem postulierten
Wirkmechanismus von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern entspricht.
Ausdauertraining aktiviert auch das
Noradrenalin- und Dopaminsystem. Bei Depressiven wurde nach einem körperlichen
Training eine erhöhte Zahl von Noradrenalin- und Serotoninmetaboliten im Liquor
cerebrospinalis gefunden.
Nach zahlreichen Untersuchungen
weisen Angstpatienten eine reduzierte Belastbarkeit des Herz-Kreislauf-Systems
und der Atmung auf:
Herzneurotiker zeigten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eine mangelnde ergometrische Belastbarkeit auf und lagen mit ihren Werten nur knapp oberhalb der Leistung von Patienten mit organischen Herzerkrankungen. Der Beta-Blocker Metoprolol (Beloc®, Lopresor®) bewirkte eine höhere Belastungsfähigkeit.
Angstpatienten zeigten im Vergleich zu Gesunden eine höhere Herzfrequenz im Stehen und bei submaximaler Belastung.
Bei Patienten mit Panikstörung bzw. Depression war die maximale Sauerstoffaufnahme im Vergleich zu einer Kontrollgruppe deutlich erniedrigt, obwohl die Lungenfunktion unbeeinträchtigt war.
Die verminderte kardiopulmonale
Leistungsfähigkeit stellt nach Auffassung des Göttinger Forscherteams eine pathogenetisch
wirkende Komponente innerhalb eines multifaktoriellen Modells zur Genese der
Panikstörung dar. Stress in Verbindung mit Bewegungsmangel und einer
entsprechenden biologischen Disposition führt zu einem erhöhten Sympathikotonus
und infolgedessen zu einer vegetativen Übererregbarkeit.
Die Wahrnehmung von
Kreislaufsymptomen (diffuser Schwindel, Ohnmachtsgefühl, Herzrasen) und deren
Bewertung als gefährlich führt zu Herzangst, Hyperventilation und Panikattacken.
In weiterer Folge kommt es zu ausgeprägtem Vermeidungsverhalten, psychosozialem
Rückzug und vollständigem Verzicht auf sportliche Betätigung, auch wenn diese
früher oft einen wichtigen Teil des Lebens darstellte. Der Mangel an Bewegung
und körperlicher Fitness verstärkt den Teufelskreis der Angst.
Bei Ausdauertrainierten wurden im
Vergleich zu anderen Personen folgende positive Effekte hinsichtlich der
körperlichen Fitness festgestellt:
Nach Stresstests bestand eine geringere kardiovaskuläre Reaktion, während Untrainierte bei körperlicher Belastung einen stärkeren Anstieg der Herzfrequenz, d.h. eine Neigung zu Tachykardie, aufwiesen und auch in Ruhe eine höhere Herzfrequenz zeigten.
Nach einer sportlichen oder psychischen Belastung war ein geringerer Anstieg des Kortisolspiegels nachweisbar.
Die Ausschüttung von Adrenalin war vermindert.
Sportler weisen anders als unsportliche Personen bei Belastung keine wesentliche Erhöhung der Herz- und Atemfrequenz auf, vielmehr arbeitet das Herz durch den Auswurf einer größeren Blutmenge effektiver, und die Lunge erreicht eine bessere Sauerstoffausbeutung der Einatemluft.
Bei Trainierten ist ein geringerer Laktatanstieg feststellbar als bei Untrainierten.
Ein Teil der Angstpatienten weist
eine erhöhte Laktatsensitivität auf, wie bei experimentellen Panikstudien
festgestellt wurde. Bei Laktatinfusionen wird oft geklagt über Parästhesien
(Körpermissempfindungen), Zittern, Schwindel, starkes Herzklopfen, Kälte,
Nervosität und Atemnot. Dieser Umstand könnte auch für das Vermeidungsverhalten
verschiedener Panikpatienten gegenüber sportlicher Betätigung bedeutsam sein.
Ein Ausdauertraining reduziert bei
Angstpatienten die vegetative Erregbarkeit, führt zu einer gesunden Abhärtung
des Körpers, stellt eine aktive Bewältigungsstrategie angesichts von
unvermeidlichen Härten des Lebens dar und verbessert das allgemeine körperliche
Befinden und Selbstbewusstsein.
Körperliche Betätigung führt zu
einer sofortigen Unterbrechung des ängstlichen und/oder depressiven Grübelns,
weil durch die Konzentration auf die Umwelt, in der die Ausdauersportart
ausgeführt wird, eine sofortige Aufmerksamkeitsumlenkung erfolgt, z.B.
Konzentration auf die Natur beim Laufen oder Radfahren, Kontakt mit anderen
Menschen im Schwimmbad oder während des Schiurlaubs.
Ein Ausdauertraining stellt für
viele Agoraphobiepatienten mit und ohne Panikstörung bereits eine Art Konfrontationstherapie
dar, so dass sportliche Betätigung in ein verhaltenstherapeutisch orientiertes
Angstbehandlungsprogramm leicht und gut integrierbar ist. Gleichzeitig führt
vermehrte körperliche Aktivität zu der oft gewünschten körperlichen Entspannung,
ohne dass zu diesem Zweck Medikamente (vor allem zum Schlafen) eingenommen
werden müssen, wie dies ansonsten häufig der Fall ist.
Die alleinige Anwendung eines
Ausdauertrainings ohne weitere Behandlungskomponenten kann nach neuesten
Befunden bei bestimmten Panikpatienten mit und ohne Agoraphobie bereits eine
ausreichende Besserung bewirken.
Die Erfahrungen des Göttinger
Forscherteams zeigen jedoch auch, dass Angstpatienten eine entsprechende
Information, Motivation und Handlungsanleitung benötigen, um in dieser Weise
aktiv zu werden. Die gutgemeinten Ratschläge, sich etwas mehr zu bewegen und in
die frische Luft zu gehen, weil dies gesund sei, bleiben in der Regel so lange
wirkungslos, als sie nicht in ein konkretes Erklärungsmodell zur Wirksamkeit bei
Angststörungen eingebettet werden.