Dr. Hans Morschitzky
Klinischer und Gesundheitspsychologe
Psychotherapeut
Verhaltenstherapie und Systemische Familientherapie
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Substanzinduzierte
Angststörung – Angstzustände durch Substanzen
Das amerikanische Diagnoseschema DSM-IV führt unter den Angststörungen auch die substanzinduzierte Angststörung an, die aus ausgeprägter Angst, Panikattacken, Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen bestehen kann. Die Angstsymptome treten während oder innerhalb eines Monats nach einer Substanzintoxikation (Vergiftung) oder nach einem Entzug auf und stehen in ursächlichem Zusammenhang mit der Substanzeinnahme (Alkohol, Koffein, Nikotin, Medikamente, Drogen oder andere Substanzen).
Alkohol, Nikotin, Kaffee, Medikamente und Drogen können durch Herz-Kreislauf-Veränderungen (Kollapsneigung oder Kreislaufankurbelung) sowie durch einen Blutzuckerabfall Panikattacken verursachen. Bei Panikpatienten findet man in der Vorgeschichte oft Alkohol- oder Drogen-(Tranquilizer-)Missbrauch, verstärktes Rauchen und übermäßigen Kaffeekonsum. Nach dem Auftreten von Panikattacken wird der übermäßige Konsum von Alkohol oder Tranquilizern eher noch gesteigert. Wenn eine Droge mit beruhigender Wirkung plötzlich abgesetzt wird, steigt der Adrenalinspiegel, wodurch eine Panikattacke ausgelöst werden kann.
Aufputschende Drogen können eine übermäßige Kreislaufreaktion bewirken, die als Panikattacke erlebt wird, sodass Erwartungsängste bestehen bleiben, auch wenn schon seit längerer Zeit keine Substanzen mehr eingenommen werden.
Überdosierungen bzw. psychische und körperliche Entzugserscheinungen können aufgrund der erlebten Wirkungen eine ängstliche Körperbeobachtung zur Folge haben.
Viele Drogen (z.B. Kokain, Amphetamine, LSD)
entfalten ihre biochemischen Wirkungen gerade in jenen Gehirnstrukturen, die mit
emotionalen Reaktionen und Gedächtnisvorgängen zu tun haben (mediobasaler Schläfenlappen
mit dem zugeordneten limbischen System). Dies erklärt die emotionalen Veränderungen,
abnormen Erregungs- und Angstzustände („Horrortrips“) sowie Panikattacken.
Der Verdacht auf eine substanzbedingte Angststörung kann sich aus dem Vorhandensein von Merkmalen ergeben, die für eine primäre Angststörung untypisch sind (z.B. untypisches Alter bei Störungsbeginn oder untypischer Verlauf). Bei einer Panikstörung sind dies:
Beginn nach dem 45 Lebensjahr (was selten ist),
Vorhandensein von untypischen Symptomen während einer
Panikattacke (primärer Schwindel, Verlust von Gleichgewichts-, Bewusstseins-,
Blasen- oder Darmkontrolle, Kopfschmerzen, undeutliche Sprache, Amnesie usw.).
Auf eine primäre Angststörung, die bereits vor dem Substanzmissbrauch vorhanden war, weisen dagegen folgende Umstände hin:
Angstsymptome vor dem Substanzgebrauch,
Anhalten der Angstsymptome über eine deutliche Zeitspanne (über einen Monat) nach dem Ende der Substanzeinwirkung oder des akuten Entzugs hinaus,
Entwicklung von Symptomen, die deutlich ausgeprägter sind, als dies aufgrund von Art und Menge der eingenommenen Substanz oder aufgrund der Einnahme zu erwarten ist, früheres Vorhandensein einer primären Angststörung.
Das amerikanische psychiatrische Diagnoseschema (DSM) nennt folgende 10 Substanzklassen, die durch Missbrauch, Vergiftung, Nebenwirkungen oder Entzugserscheinungen eine spezifische substanzinduzierte Angststörung bewirken können (Nikotin und Opiate werden nicht angeführt):
Koffein
Alkohol
Sedativa, Hypnotika, Anxiolytika
Amphetamine oder ähnlich wirkende Sympathomimetika
Kokain
Cannabis
Halluzinogene
Phencyclidine oder ähnlich wirkende Substanzen (hier nicht besprochen)
Inhalanzien, d.h. Schnüffelstoffe (hier nicht besprochen)
andere Substanzen (Medikamente)
Koffein
Koffein beseitigt in kleinen Dosen (50-250 mg) Müdigkeit, Erschöpfung und allgemeine Schwäche und macht das Denken und Fühlen lebhafter. Es zeigt sich eine verkürzte Reaktionszeit, eine leichte Euphorie, eine Anregung der Atmung und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit. Vermehrtes Kaffeetrinken (mehr als 3-4 Tassen Kaffee pro Tag) kann bei Menschen, die zu Angstzuständen neigen, leicht Panikattacken auslösen.
Mittelhohe Tagesdosen (250-600 mg) können folgende Symptome bewirken: Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, gerötetes Gesicht, Magen-Darm-Beschwerden, Rast- und Ruhelosigkeit, Nervosität, Erregung, psychomotorische Agitiertheit, Zittern, Muskelzucken, Einschlafstörung, Schlaflosigkeit, Übersensibilität.
Hohe Dosen (über 600 mg in kurzer Zeit oder über 1000 mg pro Tag) bewirken Herzrasen, Schlafstörungen, Unruhe und Getriebenheit, Übelkeit und Erbrechen.
Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 3-7 Stunden. Koffein bindet an den Adenosinrezeptoren im Zentralnervensystem und hemmt die beruhigende Wirkung von Adenosin, wodurch die aufputschende Wirkung von Kaffee entsteht. Es kommt zur Erhöhung erregender Neurotransmitter, insbesondere von Dopamin. Nach einigen Tassen Kaffee sind rund 50% der Adenosinrezeptoren mit Koffein besetzt.
In reiner, konzentrierter Form ist Koffein in vielen Medikamenten enthalten (50-200 mg pro Tablette). Nach der Überwindung der Panikstörung sollte der mäßige Kaffeegenuss wieder möglich sein, wenn dies früher als angenehm erlebt wurde.
Der Koffeingehalt von Getränken und Arzneimitteln ist sehr unterschiedlich:
1 Tasse Röstkaffee (ca. 225 ml) |
125
mg |
1 Tasse Instantkaffee (ca. 225 ml) |
90 mg |
1 Tasse entkoffeinierter Kaffee |
4 mg |
1 Tasse Tee (Blatt oder Beutel) |
60 mg |
1 Tasse Kakao (150 ml) |
5
mg |
1 Dose Coca Cola (333 ml) |
40
mg |
1
Dose energy drink (z.B. Red Bull) |
80 mg |
1 koffeinhaltige Schmerztablette (z.B. Thomapyrin) |
50 mg |
Alkohol, abhängig machende Beruhigungsmittel und verschiedene Drogen haben anfangs zwar eine angstdämpfende Wirkung, führen jedoch später über Langzeiteinnahme, paradoxe Effekte oder Entzugssymptome zu massiven Angstzuständen, sodass erst recht wieder dieselben Mittel zur Bekämpfung verwendet werden, wenn den Betroffenen diese Zusammenhänge nicht bekannt sind.
Das Missbrauchspotential von
Alkohol beruht auf einer Aktivierung dopaminerger Neurotransmittersysteme,
insbesondere dopaminerger Nervenbahnen, die von der Area tegmentalis ventralis
(einer Region der Mittelhirnhaube), zum Nucleus accumbens (einer Nervenzellenanhäufung
im Vorderhirn) und zum frontalen Kortex (vordere Großhirnrinde) verlaufen. Die
erwünschte Wirkung von Alkohol kommt zustande durch eine exzitatorische
(erregende) Wirkung von Alkohol auf die dopaminergen Neurone in der Area
tegmentalis ventralis infolge einer durch GABAA-Rezeptoren
vermittelten Hemmung der hemmenden (inhibitorischen) Interneurone. Ethanol könnte
aber auch direkt die Aktivität der dopaminergen Neurone ohne Zwischenschaltung
von Interneuronen erhöhen.
Angst im Rahmen des Alkoholentzugs wird durch zwei Faktoren bewirkt:
Erniedrigte GABA-Tätigkeit. Ethanol verstärkt die Wirkung der wichtigsten natürlichen hemmenden Transmittersubstanz GABA an bestimmten GABAA-Rezeptoren. Die entspannende und angstlösende Wirkung von Alkohol beruht auf einer Verstärkung der GABA-ergen Wirkungsmechanismen. Chronischer Alkoholkonsum erniedrigt den GABA-Spiegel im Plasma, was bei Absetzen des Alkohols einen Erregungsanstieg bewirkt. Bei einem Alkoholentzug bzw. bei reduziertem Alkoholkonsum von Abhängigen kommt es zu einer länger andauernden Erregbarkeitssteigerung im Zentralnervensystem, was mit Angst verbunden ist und auch bei völligem Absetzen des Alkohols noch monatelang anhalten kann.
Erhöhte noradrenerge Aktivität. Bei einem Alkoholentzug kommt es zu einer Überaktivität im Locus coeruleus, der zentralen noradrenergen Struktur, wodurch eine allgemeine Erregung, speziell auch Angst, entsteht. Häufig werden deshalb Alkoholentzugssymptome mit Tranquilizern bekämpft oder dem Arzt die Symptome einer Panikattacke beschrieben, ohne vom vorausgehenden Alkoholmissbrauch zu berichten, sodass Tranquilizer als (falsche) Behandlungsmethode eingesetzt werden.
Bei einem Alkoholentzug nach übermäßigem und langandauerndem Alkoholkonsum treten mindestens zwei der folgenden Symptome innerhalb einiger Stunden oder weniger Tage auf: Angst, Hyperaktivität des vegetativen Nervensystems (Schwitzen oder Puls über 100), psychomotorische Agitiertheit, Schlaflosigkeit, verstärktes Händezittern (Tremor), Übelkeit oder Erbrechen, vorübergehende visuelle, taktile oder akustische Halluzinationen oder Illusionen, Grand-mal-Anfälle (epileptische Anfälle).
Langjähriger Alkoholmissbrauch
kann durch seine dämpfende Wirkung den Herzmuskel schädigen und durch den
häufigen Vitamin-B1-Mangel das Herz in seiner Pumpkraft beeinträchtigen.
Alkoholkonsum regt auch die Nebennieren zu vermehrter Ausschüttung von Kortisol
an, dem Stresshormon, das den Blutdruck erhöht, indem es die Wasserausscheidung
durch die Nieren hemmt.
Bei Menschen mit hohem Blutdruck werden die ohnehin erhöhten Stresshormone wegen des Alkohols langsamer abgebaut, sodass der Blutdruck noch mehr ansteigt und Symptome auftreten (Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot, Druck auf der Brust, Herzbeschwerden, Leistungsminderung, Unruhegefühl u.a.). Bei niedrigem Blutdruck macht sich die blutgefäßerweiternde Wirkung des Alkohols bemerkbar, sodass beim Stehen besonders viel Blut in den weit gestellten Venen der Beine versackt. Durch die Gegenregulation kommt es zu Herzrasen und Schweißausbrüchen.
Sedativa,
Hypnotika, Anxiolytika
Sedativa (Beruhigungsmittel), Hypnotika (Schlafmittel) und Anxiolytika (angstlösende Mittel) umfassen Benzodiazepine, Carbamate (z.B. Meprobamat®), Barbiturate und barbituratähnliche Hypnotika. Zu dieser Substanzklasse gehören alle Schlafmittel und fast alle sofort wirkenden angstlösenden Medikamente. Diese Mittel haben eine ähnliche Wirkung wie Alkohol: sie dämpfen, können substanzinduzierte Angststörungen auslösen und weisen bei Beendigung oder Reduktion eines schweren oder langanhaltenden Konsums dieselben Entzugserscheinungen wie bei Alkoholabhängigkeit auf.
Der Entzug tritt bei kurz wirkenden Substanzen (z.B. Triazolam) innerhalb von Stunden, bei lang wirkenden Medikamenten (z.B. Diazepam) erst nach 1-2 Tagen oder später auf. Diese Medikamente werden als die klassischen Beruhigungsmittel im Kapitel über Psychopharmakotherapie ausführlich besprochen.
Amphetamine
und ähnlich wirkende Sympathomimetika
Zu dieser Substanzklasse zählen folgende Mittel:
Amphetaminpräparate (oft auch „Weckamine“ genannt);
Methamphetamin: amphetaminähnliche Substanzen, z.B. „Speed“ und „Ice“ (wirkt durch Rauchen rasch und intensiv stimulierend, ähnlich wie „Crack“-Kokain), das Präparat Pervitin® wurde im 2. Weltkrieg von Soldaten vieler Länder eingenommen;
Substanzen mit anderer Struktur, jedoch amphetaminähnlicher Wirkung (z.B. Methylphenidat: Ritalin®, Fenetyllin: Captagon®);
einige Appetitzügler („Diätpillen“).
Die Hauptvertreter dieser Substanzgruppe sind die Amphetaminderivate, die in Österreich mittlerweile verboten und nur mehr illegal erhältlich sind. In der BRD sind die Amphetaminpräparate ebenfalls nicht mehr im Handel, strukturverwandte Substanzen sind verschreibungspflichtig oder finden im Rahmen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung in begrenztem Umfang therapeutische Verwendung (z.B. die Präparate Ritalin® und Captagon®).
Amphetamine zählen zur Gruppe der Psychostimulanzien, die natürliche Substanzen (z.B. Kokain) und synthetische Substanzen (z.B. Amphetamine) umfassen.
Amphetamine und amphetaminähnliche Drogen wirken (abgesehen von der fehlenden anästhetischen Wirkung) ähnlich wie Kokain, nur länger, können jedoch intensivere periphere sympathomimetische Effekte aufweisen (Sympathikusüberregung).
Psychostimulanzien jeder Art haben folgende Effekte:
Dopamin-Wiederaufnahmehemmung. Psychostimulanzien bewirken eine Wiederaufnahmehemmung des Neurotransmitters Dopamin in den präsynaptischen Spalt und damit ein längeres Verweilen von Dopamin im synaptischen Spalt und verstärken und verlängern dadurch die Dopaminwirkung auf das mesolimbische System im Gehirn (Sitz des „Belohnungssystems“).
Ausschüttung von Stresshormonen. Viele Stimulanzien verursachen eine Ausschüttung der stimulierenden Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin).
Hemmung der Monoaminooxidase (MAO). Die MAO baut im präsynaptischen Neuron Katecholamine ab. Die Stimulanzien hemmen diesen Vorgang und bewirken damit eine höhere Katecholaminmenge in der präsynaptischen Nervenendigung.
Manche Stimulanzien haben eine Eigenwirkung auf postsynaptische Katecholaminrezeptoren einschließlich der Dopaminrezeptoren.
Die vielfältigen Wirkungsmöglichkeiten machen den subjektiv belohnenden Effekt („Kick“) im mesolimbischen System des Gehirns aus, wenngleich je nach Substanz eine etwas unterschiedliche Wirkungsweise gegeben ist.
Amphetamin und seine Derivate setzen Dopamin und Noradrenalin aus den präsynaptischen Nervenendigungen frei und hemmen gleichzeitig die Wiederaufnahme in das präsynaptische Neuron, wodurch deren Wirksamkeit steigt. Diese Substanzen unterdrücken durch die bessere Durchblutung und Sauerstoffversorgung Müdigkeit und Schläfrigkeit, beseitigen körperliche Abgeschlagenheit und Schlappheit, bewirken allgemeines Wohlgefühl und leichte Euphorie („high“-Gefühl) und verbessern kurzfristig die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Einige Amphetamine sind „Appetitzügler“, weil sie das Hungergefühl unterdrücken.
Als Nebenwirkungen des Amphetamingebrauchs sind zu erwarten: Herzrasen, Herzstolpern, Blutdruckerhöhung, Schlaflosigkeit, Alpträume, Zittern, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Durchfall u.a.
Psychostimulanzien
gewinnen im Rahmen der Leistungsgesellschaft steigende Bedeutung. Die „neuen
Abhängigen“ möchten erfolgreich sein. Sie haben oft Versagensängste und
versuchen sich durch „Speed“-Präparate fit zu halten.
Eine Amphetaminintoxikation weist nach dem DSM-IV folgende Symptome auf:
Unangepasste verhaltensbezogene oder psychische Veränderungen: Angst, Anspannung, Aggressivität, Euphorie oder affektive Verflachung, Hypervigilanz (übermäßige Wachheit), Veränderung in der Geselligkeit, vermindertes Urteilsvermögen, reduzierte soziale und berufliche Funktionstüchtigkeit.
Mindestens zwei der folgenden Symptome: Tachykardie (Herzrasen) oder Bradykardie (langsamer Herzschlag), erhöhter oder erniedrigter Blutdruck, Schwitzen oder Frösteln, Übelkeit oder Erbrechen, Gewichtsverlust, psychomotorische Agitiertheit oder Verlangsamung, Muskelschwäche, Abfall der Atemfrequenz (Atemdepression), Brustschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheit u.a.
Bei Amphetaminabhängigkeit treten wie bei regelmäßiger Kokaineinnahme oft auch starke Angstzustände und paranoide Vorstellungen auf. Die heutzutage vieldiskutierten Designerdrogen zählen ebenfalls zu den amphetaminähnlichen Stoffen. Es handelt sich dabei um chemisch hergestellte Mischungen aus amphetaminähnlichen und halluzinogenen Stoffen, die je nach Zusammensetzung unterschiedliche Wirkungen haben können.
Der Amphetaminanteil führt zu Antriebssteigerung, Schlaf- und Appetitlosigkeit, innerer Unruhe, gesteigertem Rededrang und Gedankenbeschleunigung. Die bei uns aktuellste Designerdroge ist das Präparat Ecstasy, das letztlich ein Amphetaminmittel ist. Durch die Amphetaminwirkung kann es zu massiven Kreislaufreaktionen, im Extremfall zu Überhitzung und Herz-Kreislauf-Versagen wegen der zu geringen Abkühlung und der fehlenden Flüssigkeitszufuhr kommen (z.B. bei Rave-Parties). Auftretende Panikattacken können zumindest bei dafür sensiblen Personen eine Ecstasy-induzierte Angststörung auslösen.
Kokain
Kokain wurde 1884 von Sigmund Freud als Mittel gegen Depressionen und Angstzustände empfohlen und in jahrelangen Selbstversuchen erprobt, später aber als sehr gefährlich erkannt. Kokain ist eine natürliche Substanz aus den Blättern des Cocastrauches, die in der Drogenszene „Koks“ oder „Schnee“ genannt wird.
Kokain drängt die Neurotransmitter Noradrenalin, Dopamin und Serotonin aus den synaptischen Endknöpfen der Nervenendigungen im Gehirn und bewirkt durch deren Anstieg in den entsprechenden Synapsen eine künstliche Hochstimmung und Munterkeit. Gleichzeitig wird durch die Wiederaufnahmehemmung von Noradrenalin, Dopamin und Serotonin in die präsynaptische Nervenendigung eine längere Wirkdauer der Reizleitung ermöglicht. Die entscheidenden verhaltensverstärkenden und psychostimulierenden Wirkungen von Kokain beruhen auf seiner Einwirkung auf die mesolimbischen dopaminergen Nervenendigungen (lokalisiert im medialen präfrontalen Kortex, Nucleus accumbens, Amygdala-Komplex und Hippocampus).
Die Verstärkung der Dopaminaktivität kann schizophrenieartige Psychosen auslösen oder verschlimmern. Serotonin ist auch an den Wirkungen von Kokain beteiligt (ein Serotoninmangel steigert die Wirksamkeit von Kokain als positivem Verstärker).
Kokain hat die stärkste Wirkung aller Stimulanzien. Wegen der kurzen Eliminationshalbwertszeit (30-90 Minuten) ist eine häufige Einnahme erforderlich, um „high“ zu bleiben. Kokain findet gegenwärtig zunehmende Verbreitung. Es wird anfangs oft als Mittel zur Steigerung der Leistungsfähigkeit eingesetzt.
Kokain hat drei zentrale pharmakologische Wirkungen: Lokalanästhetikum, Verengung der Blutgefäße, starkes Psychostimulans mit ausgeprägten Verstärkungseigenschaften.
Kokain aktiviert über den Noradrenalinanstieg in den Synapsen das sympathische Nervensystem mit allen Folgen: gesteigerte Aufmerksamkeit, motorische Hyperaktivität, Anstieg der Pulsfrequenz, Gefäßverengung, Blutdruckerhöhung, Erweiterung der Bronchien und Bronchiolen, Anstieg der Körpertemperatur, Pupillenerweiterung, erhöhte Glukoseverfügbarkeit und Verlagerung der Durchblutung von den inneren Organen zu den Muskeln.
Kokainkonsumenten befinden sich in folgendem Dilemma:
Appetit, Schlaf und Müdigkeit werden unterdrückt, kehren später aber verstärkt zurück.
Die motorische Aktivität wird erhöht, was sich bald in Erregtheit, Unruhe und Bewegungsdrang äußert.
Bewusstseinsklarheit und geistige Präsenz nehmen wunschgemäß zu, gehen später jedoch in Erschöpfung über.
Es kommt zur erwünschten sofortigen und intensiven Euphorie und gesteigerten Selbstsicherheit, später jedoch zu einem ausgeprägten Angstzustand, der mehrere Stunden hält, zusätzlich treten noch Depressionen und im Extremfall Wahnvorstellungen auf. Das Bedürfnis nach Wiederherstellung der Euphorie führt rasch zur psychischen Abhängigkeit.
Chronischer Kokainkonsum im Sinne einer psychischen Abhängigkeit führt zu Angst, Depression, Verfolgungsideen, aggressiven Verhaltensweisen und Gewichtsverlust.
Ein
Kokainentzug nach Absetzen oder Reduktion der Substanz bewirkt eine dysphorische
(depressive) Verstimmung sowie mindestens zwei der folgenden physiologischen Veränderungen:
Müdigkeit, psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung, lebhafte und unangenehme
Träume, Schlaflosigkeit oder übermäßiges Schlafbedürfnis, gesteigerter
Appetit. Eine körperliche Abhängigkeit mit Entzugssymptomen tritt dagegen
nicht auf.
Eine Kokainintoxikation zeigt sich nach dem DSM-IV in folgenden Symptomen:
Unangepasste verhaltensbezogene oder psychische Veränderungen: Euphorie oder affektive Verflachung, Angst, Anspannung oder Ärger, Hypervigilanz, Veränderungen im Sozialverhalten, beeinträchtigtes Urteilsvermögen oder Beeinträchtigungen im sozialen oder beruflichen Bereich. Es können auch Wahrnehmungsstörungen (Halluzinationen) auftreten.
Mindestens zwei körperliche Symptome: Tachykardie oder
Bradykardie, erhöhter oder erniedrigter Blutdruck, Schwitzen oder Schüttelfrost,
Übelkeit oder Erbrechen, Gewichtsverlust, Pupillenerweiterung, psychomotorische
Agitiertheit oder Verlangsamung, Muskelschwäche, flache Atmung, Brustschmerzen,
Herzrhythmusstörungen, Verwirrung, Anfälle, Dystonie, Dyskinesien.
Cannabis
Cannabis ist die weltweit am häufigsten konsumierte illegale Substanz. Cannabis wird aus den weiblichen Hanfpflanzen gewonnen, und zwar als Marihuana (Gemisch aus getrockneten Blättern, Stielen und Blüten) und Haschisch (aus dem stärker wirksamen Harz der Hanfpflanze).
Der Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) aktiviert die dopaminergen Neurone und bewirkt einen massiven Anstieg des Serotoninspiegels im Gehirn. Serotonin hat eine Funktion bei der Reizübermittlung im limbischen System und im retikulären System und beeinflusst damit Emotionen, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.
Die gleichzeitige Dämpfung und Erregung verschiedener Bereiche des Gehirns führt zu Stimmungsschwankungen und emotionaler Labilität (unmotivierter Wechsel von Heiterkeit und tiefer Traurigkeit). Es erfolgt eine Verstärkung der vorhandenen Stimmungslage. Die Serotoninwirkung bewirkt u.a. eine Verengung der peripheren Blutgefäße (kalte Hände und Füße) und eine Erhöhung der Pulsfrequenz um 20-30 Schläge pro Minute. Bei einem Drittel der Cannabiskonsumenten treten leichte Formen von Angst, Depression oder Reizbarkeit auf. Bei hohen Dosen können „Horrortrips“ einsetzen. Diese können ähnlich wie halluzinogeninduzierte „bad trips“ in Erscheinung treten: als leichte bis mäßige Angstzustände, als schwere Angstzustände im Ausmaß einer Panikattacke, als paranoide Ideen und Halluzinationen.
Bei psychischer Abhängigkeit bewirkt das Absetzen der Substanz psychische Entzugssymptome: Angst, Unruhe, Reizbarkeit, Schlafstörungen und vegetative Störungen. Eine Cannabisintoxikation weist folgende Symptome auf:
Unangepasste verhaltensbezogene oder psychische Veränderungen: zuerst Euphorie (erwünscht), dann Angst, sozialer Rückzug, Beeinträchtigung der motorischen Koordination, beeinträchtigtes Urteilsvermögen.
Mindestens zwei körperliche Symptome: Herzrasen, Mundtrockenheit,
gesteigerter Appetit, Sichtbarwerden von Gefäßen beim Auge.
Halluzinogene
Die
inhomogene Gruppe der Halluzinogene umfasst natürliche oder chemische Stoffe,
die für eine bestimmte Zeit das Bewusstsein und die Stimmungslage verändern
und schizophrenieähnliche Zustände bewirken. Das bekannteste Halluzinogen ist
LSD (Lysergsäurediethylamid), ein Wirkstoff des Mutterkorns, ein Pilz, der auf
Getreideähren wächst, gefolgt von Mescalin und Psilocybin. Designerdrogen
(z.B. Ecstasy) bestehen aus unterschiedlichen Mischungen von Halluzinogenen und
Amphetaminen.
Eine Halluzinogenintoxikation weist folgende Symptome auf:
Unangepasste verhaltensbezogene oder psychische Veränderungen: deutliche Angst oder Depression, Beziehungsideen, Furcht, den Verstand zu verlieren, paranoide Vorstellungen, beeinträchtigte Urteilsfähigkeit, beeinträchtigte soziale bzw. berufliche Funktionsfähigkeit.
Wahrnehmungsveränderungen: Wahrnehmungsintensivierung, Depersonalisation, Derealisation, Illusionen, Halluzinationen, Synästhesien (Miterregung eines Sinnesorgans bei Reizung eines anderen, z.B. Farbensehen bei Tönen).
Mindestens zwei körperliche Symptome (als Folge der stimulierenden Wirkung): Herzrasen, Herzstolpern, Schwitzen, Verschwommensehen, Zittern, Koordinationsstörungen, rascher Wechsel der Pupillenweite (Mydriasis).
Chronischer Halluzinogenkonsum bewirkt oft folgende Angstzustände:
Horrortrips: massive akute Angstanfälle mit paranoid-halluzinatorischer Färbung,
Flash-back-Phänomene: ohne neuerliche Drogeneinnahme erfolgt
unerwartet eine neuerliche Rauschwirkung, begleitet von intensiver Angst und
Desorientierung.
Andere
Substanzen (Medikamente)
Angstzustände können durch zahlreiche Medikamente ausgelöst werden:
Antibiotika: die intramuskuläre Verabreichung von Procain-Penicillin G starke Angst- und Panikzustände auslösen,
Antihistaminika (Allergiemittel)
Antisympathotonika (blutdrucksenkende Mittel): das abrupte Absetzen der Substanz Clonidin, Präparat Catapresan®, bewirkt eine überschießende Freisetzung von Katecholaminen, was mit der vorher erzwungenen noradrenergen Freisetzungshemmung sowie mit Rezeptordichteveränderungen zusammenhängt,
Alpha-Sympathomimetika (gefäßverengende Mittel zur Behandlung hypotoner Blutdruckstörungen und zur Schleimhautabschwellung bei Entzündungen): nach längerem Gebrauch kann das abrupte Absetzen von vasokonstringierenden alpha-sympathomimetischen Nasentropfen, speziell Oxymetazolin, zu Angst- und Panikzuständen führen, bedingt durch den Wegfall der natürlichen Hemmungsprozesse im Locus coeruleus, in dem eine hohe Noradrenalinkonzentration gegeben ist,
Antiarhythmika (gegen Herzrhythmusstörungen): die Substanz Lidocain kann eine ausgeprägte und spezifische Todesangst bewirken,
Asthmamittel,
anabole Steroide (männliches Sexualhormon zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit),
Glukokortikoide (z.B. Kortison),
Schilddrüsenpräparate,
bestimmte Erkältungsmittel,
Antiparkinsonmittel mit anticholinergen Effekten,
Zytostatika (gegen Tumorzellen), z.B. Ifosfamid,
Analgetika (Schmerzmittel),
orale Kontrazeptiva: bestimmte Präparate können eine ängstlich-depressive
Verstimmung bewirken.
Schwermetalle und Toxine (z.B.
flüchtige Stoffe wie Benzin oder Farben, organophosphatische Insektizide,
Nervengas, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid) können ebenfalls Angstsymptome
bewirken.
Nikotin
Nikotin wird im DSM-IV nicht unter den Substanzen angeführt, die eine Angststörung auslösen können. Die Forschungsergebnisse reichen derzeit nicht aus, um von einer Intoxikation durch Nikotin (und daraus resultierender Angst) sprechen zu können. Bei der Darstellung des Nikotinentzugs wird jedoch auf das mögliche Auftreten von Ängsten hingewiesen.
Nikotin stimuliert spezifische Acetylcholinrezeptoren im Gehirn und steigert auf diese Weise die psychomotorische Aktivität, die geistige Leistungsfähigkeit, die sensomotorische Leistung, die Aufmerksamkeit und die Merkfähigkeit.
Gleichzeitig aktiviert Nikotin über die vermehrte Adrenalinausschüttung das sympathische Nervensystem und versetzt den Körper in einen Alarmzustand wie bei einer Stressreaktion.
Nikotin beschleunigt den Herzschlag und verengt die Blutgefäße, wodurch der Blutdruck erhöht wird. Die anfängliche Leistungssteigerung führt jedoch bald zu einer Leistungsminderung (durch Blutdruckabfall und Sauerstoffmangel).
Langfristig bewirkt zu viel Nikotin eine Störung der Serotonin-Speicherverteilung, eine Hemmung der Proteinsynthese, eine Blutgefäßverengung und eine Arterienverkalkung.
Nikotin raubt dem Körper in Belastungssituationen den nötigen Sauerstoff und über die Appetithemmung die nötige Energie, sodass die körperliche Leistungsfähigkeit letztlich gesenkt wird, und zwar gerade dann, wenn aufgrund von körperlicher oder psychischer Belastung ein Mehrbedarf an Sauerstoff gegeben ist. Der Nikotintransport über die Blutbahn beeinträchtigt den Sauerstofftransport.
Sauerstoff wird durch Bindung von Sauerstoffmolekülen an die roten Blutkörperchen transportiert. Das im Rauch enthaltene giftige Kohlenmonoxid bindet in gleicher Weise an die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), und zwar 200 mal leichter als Sauerstoff. Selbst bei niedriger Kohlenmonoxidkonzentration werden 15-20% aller Erythrozyten mit Kohlenmonoxid „besetzt“ und fallen für ihre eigentliche Aufgabe als Sauerstoffträger aus. Das Kohlenmonoxid im Blut verhindert eine ausreichende Sauerstoffzufuhr zum Gehirn und zu anderen Organen, insbesondere zum Herzen, wodurch Herzrhythmusstörungen und Angina-pectoris-artige Anfälle auftreten können.
Beim Nikotinentzug (plötzliche
Beendigung des Rauchens innerhalb von 24 Stunden) treten nach dem DSM-IV
mindestens vier der folgenden Symptome auf: Angst, Unruhe, verminderte
Herzfrequenz, Konzentrationsschwierigkeiten, Ablenkbarkeit, Enttäuschung oder
Ärger, dysphorische oder depressive Stimmung, Schlaflosigkeit, gesteigerter
Appetit oder Gewichtszunahme.
Opiatentzug
Opiatbedingte Angstzustände sind im DSM-IV nicht als substanzbedingte Angststörungen codierbar, weil sie nicht durch die Substanz als solche, sondern erst durch deren Entzug auftreten. Unter den zahlreichen recht belastenden und schmerzvollen Symptomen eines Opiatentzugs (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwitzen, Fieber, Muskelschmerzen, Gänsehaut, Tränenfluss, Schlaflosigkeit, dysphorische Verstimmung) finden sich auch regelmäßig Angst und Unruhe.
Angstzustände gehören nicht nur zu den ersten Entzugssymptomen, sondern treten auch im Rahmen der weniger akuten, über Wochen und Monate anhaltenden Entzugssymptome auf, oft in Verbindung mit dysphorisch-depressiver Verstimmung, Freudlosigkeit und Schlafstörung. Angst und Unruhe treten in ähnlicher Weise auf wie bei einem Entzug von Alkohol, Sedativa, Hypnotika und Anxiolytika.