Dr. Hans Morschitzky

Klinischer Psychologe, Psychotherapeut

Verhaltenstherapie, Systemische Familientherapie

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Angstschwindel - Phobischer Attackenschwindel

Chronischer Schwankschwindel

 

Westphal wies bereits 1871 bei der Darstellung der Agoraphobie auf den psychologischen Zusammenhang von Angst und Schwindel hin.

Freud beschrieb 1895 in seinen „Studien über Hysterie“ anhand des Falles der 18-jährigen Katharina sehr eindrucksvoll den Schwindel als eines der zentralen Symptome bei einem Angstanfall.

Schwindel zählt zu den häufigsten Leitsymptomen, die Patienten zum Hausarzt führen.

Rund 60 % der Patienten in Allgemeinarztpatienten leiden unter Schwindel. 38% der Deutschen (32% der Männer und 44% der Frauen) leiden unter geringem, mittlerem oder starkem Schwindel, bei 8% ist der Schwindel krankheitswertig.  

Schwindel ist nach Kopfschmerzen das zweithäufigste Symptom des Menschen.   

Schwindel ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das viele Ursachen haben kann. Eine organische Abklärung ist nötig, insbesondere dann, wenn außer dem Schwindel keine Angstsymptomatik erkennbar ist.

Eine umfassende Schwindelabklärung besteht in einer ohrenärztlichen, augenärztlichen, internistischen, neurologischen und psychiatrischen Begutachtung.   

Der Neurologe Lempert beschreibt in seinem allgemein verständlichen Ratgeber Wirksame Hilfe bei Schwindel. Was dahinter steckt und wie Sie ihn wieder loswerden“ die verschiedenen Arten und Ursachen von Schwindelzuständen.

Zu allen Schwindelformen gibt es eine hilfreiche Seite der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Zum Angstschwindel gibt es sehr nützliche Informationen des Schwindel-Experten Dr. Schaaf.

Zur Behandlung von somatoformem Schwankschwindel gibt es ein gutes Video von Herrn Dr. Weiss.

Sehr empfehlenswert ist ein ausführlicher Vortrag über Schwindel von Herrn Dr. Best

Sehr informativ ist auch das Video über Schwindel von Herrn Dr. Weigl.

 

Psychogener (somatoformer bzw. dissoziativer) Schwindel

Somatoforme (nichtorganische) Schwindelzustände machen 30–50 % aller Schwindelsymptome aus.

Schwindel ist eines der häufigsten und lästigsten Symptome bei Angst, insbesondere bei Agoraphobie.

Menschen mit Agoraphobie ohne ausgeprägte Panikstörung behaupten oft, dass sie ihr Vermeidungsverhalten nur wegen ihres unerklärlichen Schwindels entwickelt hätten.

Die Betroffenen fürchten zumeist ein unangenehmes Schwindelgefühl, verbunden mit der Angst umzufallen, sodass sie ihre Aktivitäten einschränken.

Sie leiden in der Regel unter einem ungerichteten Schwindel. Störungen des Gleichgewichtsorgans im Ohr oder neurologische Schwindelzeichen sind nicht vorhanden.

Schwindel entsteht durch die widersprüchliche Wahrnehmung eingehender Sinnesempfindungen über die Körperposition im Raum.

Vestibuläre, optokinetische und somatosensorische Bewegungsmelder übermitteln die Reize an Hirnstamm und Kleinhirn.

Viele Angstpatienten bleiben nach Ausschluss organischer Ursachen oft ratlos und frustriert zurück, weil sie weder ein plausibles Erklärungsmodell noch Hilfestellungen für den besseren Umgang mit ihren Schwindelzuständen erhalten haben.

Somatoformer Schwindel tritt in Form von allen möglichen Schwindelqualitäten auf (Drehschwindel, Schwankschwindel, Liftschwindel, diffuser Schwindel, Benommenheit, Gangunsicherheit, subjektive Störung des Gleichgewichts).

Ein somatoformer Schwindel wird durch ständige Selbstbeobachtung und ängstliche Registrierung aller subjektiv unangenehmen körperlichen und kognitiven Symptome mit daraus resultierender Verspannung verstärkt.

Menschen mit somatoformem Schwindel fühlen sich in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt und leiden unter Einschränkungen ihrer sozialen, beruflichen und privaten Aktivitäten.

Aus ständiger Angst vor Schwindelattacken oder als Folge der Belastung durch einen chronischen Schwindel haben viele Betroffene Probleme, allein das Haus zu verlassen und benötigen zu ihrer Sicherheit die Nähe vertrauter Personen.  

Man unterscheidet zwischen primären und sekundären somatoformen Schwindelzuständen.

  1. Primäre somatoforme Schwindelsyndrome haben keine organische Ursache und stehen oft in Zusammenhang mit psychiatrischen Störungen, vor allem depressiven Störungen und Angststörungen (Panikstörungen, Agoraphobie, spezifischen und sozialen Phobien, generalisierter Angststörung). Die Betroffenen erleben Angst und Depression nicht als Ursache, sondern als Folge des Schwindels.

  2. Sekundäre somatoforme Schwindelsyndrome entstehen nach Abklingen organischer, meist vestibulärer Schwindelsyndrome (Neuritis vestibularis, benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel), d.h. ursprünglich organische Ursachen des Schwindels schließen einen späteren somatoformen Schwindel nicht aus. Die aktuelle Schwindelsymptomatik lässt sich durch die organische Grunderkrankung nicht erklären. Es gilt als Fehldiagnose, wenn dies doch versucht wird. Ein sekundärer somatoformer Schwindel ist bei etwa 20–30 % der Schwindelpatienten anzutreffen.  

Somatoformer Schwindel tritt in Form von allen möglichen Schwindelqualitäten auf (Drehschwindel, Schwankschwindel, Liftschwindel, diffuser Schwindel, Benommenheit, Gangunsicherheit, subjektive Störung des Gleichgewichts).

Ein somatoformer Schwindel wird durch ständige Selbstbeobachtung und ängstliche Registrierung aller subjektiv unangenehmen körperlichen und kognitiven Symptome mit daraus resultierender Verspannung verstärkt.

Viele Angst- und Panikpatienten leiden unter heftigen Schwindelzuständen.

Sie fürchten ständig, im Stehen (manchmal auch im Sitzen) umzufallen, einen Kreislaufkollaps zu bekommen, ohnmächtig zu werden oder gar einen Herzinfarkt zu erleiden und infolgedessen zu sterben.

Aus Angst vor Schwindel in Form von Sehstörungen fürchten viele Betroffene auch das Autofahren, wobei eine augenärztliche Untersuchung keinen Befund ergeben hat.

Nach dem Erleben der Betroffenen kann man zwei Arten von nichtorganischen Schwindelzuständen unterscheiden:

Viele Schwindelpatienten erleben sich bei Schwindelattacken oft hilflos verlassen von den Angehörigen oder sonstigen möglichen Rettern.

Wegen massiver Schwindelzustände mit Ängsten umzufallen entwickeln viele Menschen nach einer Panikattacke oft eine lebenseinengende Agoraphobie (Platzangst).

Der Angstschwindel ist ein eher diffuser Schwindel, häufig erlebt als Benommenheit, Unsicherheit auf den Beinen, mangelnde Standfestigkeit, Schweben wie auf Wolken, Gehen wie auf Watte, Glatteis oder Schaumgummi, wie wenn man den Kontakt zum Boden verloren hätte, oft verbunden mit Unruhe, manchmal auch mit Übelkeit. Haltungsveränderungen beeinflussen diese Schwindelform kaum.

Bei normalem Gang fühlt man sich wie betrunken schwankend. 

Menschen mit Panikattacken beschreiben verschiedenartige Schwindelzustände: Benommenheit, Leere im Kopf, schwankende Bewegung des Bodens, der Umwelt oder des eigenen Körpers, Unsicherheit beim Gehen oder Stehen, Gefühl des drohenden Sturzes oder einer bevorstehenden Ohnmacht.

Eine Begleitperson, Sitzen oder Liegen bewirkt oft eine Besserung der Schwindelsymptomatik, Kopfbewegungen können dagegen die Schwindelzustände verstärken.

Viele Agoraphobiker klagen über Schwindel, Ohnmachtsangst und Übelkeit, wurden im Laufe des Lebens jedoch kaum ohnmächtig (dies war nur bei 1% der Agoraphobiker der Fall).

Bei Menschen mit Angststörungen, die über Schwindelzustände klagen, obwohl keine neurologischen oder vestibulären Ursachen festgestellt werden können, lassen sich zwei relativ gut voneinander abgrenzbare Syndrome unterscheiden:

  1. Phobischer Attacken-Schwankschwindel mit und ohne Paniksymptome. Das Auftreten erfolgt attackenartig in phobischen Situationen. Der phobische Schwank- oder Attackenschwindel mit und ohne Panikattacken stellt of ein Symptom einer Agoraphobie dar. Dabei bestehen sekunden- bis minutenlang anhaltende Attacken oder Episoden mit Empfindung einer plötzlichen illusionären Körperschwankung. Die Betroffenen erleben eine subjektive Stand- oder Gangunsicherheit bei normalem neurologischen Befund und unauffälligen Gleichgewichtstests, eine fluktuierende Unsicherheit von Stand und Gang mit attackenartiger Fallangst ohne Sturz sowie vegetative Missempfindungen mit und ohne Angst in (agora)phobischen Auslösesituationen (z.B. Autobahnfahren, Turmbesteigerung, geschlossene Räume, Schlangestehen im Kaufhaus oder Restaurant). Im Laufe der Zeit tritt ein zunehmendes Vermeidungsverhalten bezüglich auslösender Reize auf.

  2. Somatoformer Dauerschwindel in Form einer psychogenen Stand- und Gangstörung aufgrund einer manchmal zu geringen, zumeist jedoch überhöhten Muskelanspannung. Schreckreaktionen und Erschöpfungszustände führen zu „weichen Knien“ als Folge der Dominanz des parasympathischen Nervensystems. Ohne subjektiven Schwindel im Kopf fühlen sich die Betroffenen “schwindlig auf den Füßen“. Sie beschreiben ein Schwanken beim Stehen und Gehen und bewegen sich langsam und zögerlich (wie auf Eis). Ständige Angst und Stresssituationen führen dagegen zu chronischer (sympathisch bedingter) Muskelverspannung mit Gleichgewichtsstörungen (die oberste Regulation des Gleichgewichts erfolgt im Hirnstamm). Die Betroffenen haben gewöhnlich eine massive Schulter-Nacken-Verspannung. Die Mehrzahl der nichtorganischen Schwindelpatienten erleben einen chronischen Schwankschwindel (Benommenheitsgefühl, Leeregefühl im Kopf, Unsicherheit beim Gehen, Gefühl zu kippen) oder einen diffusen Schwindel, sie können aber auch unter einem klassischen Drehschwindel leiden, der mit vegetativen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, Herzrasen oder Schweißausbruch einhergeht. Sie klagen oft auch über Konzentrationsstörungen, Leistungsabfall, Antriebsmangel und affektive Störungen. Chronischer, nichtorgansicher Schwindel hängt gewöhnlich mit anhaltender, massiver muskulärer Verspannung zusammen.  

Wenn der Schwindel die Bedeutung eines Konversionssymptoms hat, spricht man nach dem ICD-10 von einer dissoziativen Störung der Bewegung.

Bei vielen Menschen mit Agoraphobie steht der phobische Attacken-Schwankschwindel mit situativ verstärkter Stand- und Gangunsicherheit ohne subjektiv erlebte Angstsymptomatik im Mittelpunkt des Erlebens.

Agoraphobie und phobischer Attacken-Schwankschwindel weisen folgende Zusammenhänge auf:

„Welche zentrale Rolle die Angst beim psychogenen Schwindel einnimmt, zeigt sich nicht zuletzt an der häufigsten umschriebenen klinischen Erscheinungsform des psychogenen Schwindels, dem phobischen Attackenschwindel. Diesen erleiden Patienten in bestimmten sozialen Situationen (Kaufhäuser, Restaurants, Konzerte, Besprechungen, Empfänge) oder angesichts typischer auslösender Sinnesreize (Brücken, leere Räume, Treppen, Straßen, Autofahren). Der Schwindel entspricht von seiner Erlebnisqualität her dem Höhenschwindel und ist durch die Kombination eines Benommenheitsgefühls mit subjektiver Stand- und Gangunsicherheit sowie einer Crescendo-Vernichtungsangst charakterisiert. Im Unterschied zur Agoraphobie oder unspezifischen Panikattacken klagen die Patienten mit phobischem Attackenschwindel nicht in erster Linie über die ‘Angst’, sondern über den ‘Schwindel’, der allenfalls die schreckliche Angst ausgelöst habe. Sie fühlen sich organisch krank. Zum Schwindel führende Sinnesreize und Situationen können rasch konditioniert werden und sich generalisieren. Es bildet sich ein entsprechendes Vermeidungsverhalten aus.“

In der Münchner Spezialambulanz für Schwindel war unter 768 Patienten nach dem benignen (gutartigen) paroxysmalen (anfallsartigen) Lagerungsschwindel (20,6%) der phobische Schwankschwindel (16,8%) als zweithäufigste Schwindelart anzutreffen.

Ein phobischer Schwankschwindel ist laut Fachleuten durch sechs Kriterien charakterisierbar:

Die illusionäre Wahrnehmungsstörung des Schwankschwindels und der Standunsicherheit der Betroffenen wird dadurch zu erklären versucht, dass viele Schwindelpatienten mit ängstlicher Selbstbeobachtung in übersensibler Weise sensomotorische Regelvorgänge registrieren, die normalerweise unbewusst ablaufen, so dass die beim freien aufrechten Stand entstehenden feinen Körperschwankungen oder unwillkürlichen Kopfbewegungen als beängstigende Beschleunigungen wahrgenommen werden.

Bei Menschen mit Schwindel zeigen sich auffällig oft Angst, Verunsicherung oder Depression.

Aktuelle Konflikte oder psychosoziale Stressfaktoren (partnerschaftliche oder berufliche Konflikte, Trennungen, Verluste, existentielle Erschütterungen, Hausbau, finanzielle Probleme) bzw. krisenhafte Zuspitzungen bereits seit langem bestehender Probleme lösen dann in bestimmten Situationen recht unangenehme Schwindelattacken aus, die sich die Patienten anfangs überhaupt nicht erklären können, so dass sie wegen des gefürchteten Schwindels eine Vermeidungshaltung im Sinne einer Agoraphobie entwickeln, d.h. ihren Aktionsradius einengen.

Das Hauptproblem sind jedoch nicht die vielen situativen Bedrohungsmöglichkeiten, sondern die aktuellen Lebensumstände, die den Betroffenen oft buchstäblich „den Boden unter den Füßen“ weggezogen haben. Angesichts einer bestimmten Lebenssituation kann einem richtig „schwindlig“ werden.

In der Stand- und Gangunsicherheit drücken sich symbolisch oft zentrale Lebensfragen aus: 

Verhaltenstherapeuten, die diesen Hintergrund im Rahmen einer geplanten Konfrontationstherapie bei einer Agoraphobie, die primär durch Schwindelzustände und Fallängste bedingt ist, nicht berücksichtigen, gehen oft am Kern des Problems vorbei.

Eine symptombezogene Behandlung zu Therapiebeginn ist dann sinnvoll,

Bei Depressionen tritt oft ein Dauerschwankschwindel in Verbindung mit depressiven Symptomen auf. Bei Depressionen äußert sich der Schwindel häufig als Leere oder Nebel im Kopf, als eine Art Schleier über Wahrnehmung und Denken, als Benommenheit oder Unsicherheit beim Gehen. Bei einer somatisierten Depression kann Schwindel ein ständig beklagtes Hauptsymptom sein.

Schwindel tritt auch im Rahmen einer Neurasthenie auf, d.h. bei einer „nervösen Erschöpfung“.

Schwindel kann durch eine Hyperventilation im Rahmen einer angst- oder wutbedingten Erregung ausgelöst werden.

Es kommt zu einer Verschiebung des Sauerstoff-Kohlendioxidverhältnisses im Blut, in weiterer Folge zu Gefäßverengungen und mangelhafter Blut- und Sauerstoffversorgung im Gehirn, was als Schwindel erlebt wird.

Bei älteren Menschen mit Erfahrungen von Stürzen oder längerer Bettruhe äußert sich Schwindel - abgesehen vom typischen Altersschwindel, der Ausdruck einer Mehrfachschädigung ist - häufig als Gangunsicherheit, bewirkt durch die erhöhte Selbstbeobachtung und die ängstliche Erwartung zu fallen, oft auch als Folge einer schlechten körperlichen Konstitution oder einer langzeitigen Tranquilizereinnahme.

Es bestehen zwei Kodierungsmöglichkeiten für nichtorganischen Schwindel ohne sonstige psychische Störung:

F45.8  Sonstige somatoforme Störung (somatoformer Schwindel). Der Code umfasst alle sonstigen nichtorganischen Symptome, die nicht durch das vegetative Nervensystem verursacht sind.

F44.4  Dissoziative Bewegungsstörung (psychogene Gangstörung, dissoziativer Schwindel), wenn bestimmte psychogene Ursachen nachgewiesen werden können.

  

Drehschwindel als Folge einer Störung im vestibulären System

Beim Drehschwindel dreht sich alles wie nach einer Karussellfahrt. Während der Fahrt macht das Drehen Spaß, die fortgesetzten Dreherlebnisse am Boden wirken dagegen recht unangenehm.

Die Umgebung scheint sich um einen zu drehen, teilweise nach rechts, teilweise nach links. Solange man sich auf den Beinen halten kann, tritt man unruhig hin und her.

Derartige Erfahrungen hängen mit der Funktionsweise des Gleichgewichtssystems im Ohr zusammen.

Ein spontaner Drehschwindel stellt immer eine Störung des vestibulären Systems dar, das vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr über den Gleichgewichtsnerven bis zum Gleichgewichtszentrum im Stammhirn reicht, wo die Drehreize wahrgenommen und verarbeitet werden. 

Das Gleichgewichtsorgan im Labyrinth des Innenohrs (in den drei Bogengängen) ist mit Flüssigkeit gefüllt.

Diese Flüssigkeit gerät bei jeder Kopfbewegung in Fluss und erregt dabei bestimmte, in die Flüssigkeit hineinragende Haare, was an das Gleichgewichtszentrum im Stammhirn weitergeleitet wird.

Ein harmloser, nicht organischer Drehschwindel entwickelt sich nicht beim Drehen, sondern beim anschließenden Stehenbleiben, weil sich die Flüssigkeit in den Bogengängen im Innenohr noch weiterdreht, was nicht zur Wahrnehmung des Stehens passt.

Wenn die Informationen des Gleichgewichtsorgans nicht mit denen des Auges und der Körperwahrnehmung übereinstimmen, entsteht ein unangenehmer Schwindel.

Angst- und Panikpatienten haben gewöhnlich keinen Drehschwindel in Zusammenhang mit dem vestibulären System, obwohl dies von vielen Ärzten anfangs oft vermutet wird, sondern einen Schwankschwindel als Folge chronischer Verspannung.

Ein krankhafter Drehschwindel lässt sich durch eine von vier Ursachen erklären:

  1. Ausfall des rechten oder linken Gleichgewichtsorgans oder des Gleichgewichtsnervs (Neuritis vestibularis). Es kommt zu mehrtägigem Drehschwindel, Übelkeit und Fallneigung zur erkrankten Seite.

  2. Menière-Krankheit. Es handelt sich dabei um eine Innenohrerkrankung mit wiederholten, anfallsartig auftretenden und einige Stunden andauernden Drehschwindelattacken, begleitet von Fallneigung, Nystagmus (Augenrucken mit einem Wechsel von langsamen Augenbewegungen in einer Richtung und schnellen Rückstellbewegungen in Gegenrichtung), Hörminderung, rauschenden oder pfeifenden Ohrgeräuschen (Tinnitus), Übelkeit oder Erbrechen sowie Völlegefühl im betroffenen Ohr. Die Menière-Anfälle beruhen auf einer bislang ungeklärten Störung der Flüssigkeitsbalance des Gleichgewichtsorgans im Innenohr, weshalb es auch keine ursächliche, sondern nur eine Symptom dämpfende Therapie gibt.

  3. Durchblutungsstörungen im Gleichgewichtszentrum. Eine mangelhafte Durchblutung des Gleichgewichtszentrums im Hirnstamm bewirkt eine einige Minuten anhaltende Drehschwindelattacke, die insbesondere bei älteren Menschen auf eine Arteriosklerose (Verhärtung und Verengung der Blutgefäße) hinweisen kann und als möglicher Vorbote eines Schlaganfalls erkannt und behandelt werden muss.

  4. Migräne. Schwindelzustände sind bei der Hälfte der Migränekranken vorhanden.

 

Lageabhängiger Schwindel

Man unterscheidet zwei Formen von lageabhängigem Schwindel:

  1. Gutartiger Lagerungsschwindel. Diese Schwindelform wird ausgelöst durch eine Veränderung der Kopfposition. Sie zeigt sich am häufigsten einige Sekunden nach der Lagerung auf die linke oder rechte Kopfseite, aber auch beim Hinlegen auf den Rücken, beim Bücken, beim Aufrichten aus gebückter Haltung oder aus dem Liegen, oder auch wenn der Kopf in den Nacken gelegt wird. Oft ist der Schwindel mit Übelkeit, Erbrechen oder Schweißausbruch verbunden. Die Ursache liegt in einer Funktionsstörung im Innenohr. Bestimmte Teilchen der Ohrsteine (Otolithen) lösen sich von ihren Sinneszellen ab, entweder spontan oder (in 20% der Fälle) durch eine Schädelverletzung, schwimmen frei in der Innenohrflüssigkeit herum und lagern sich bevorzugt im nahe gelegenen hinteren Bogengang des Innenohrs ab. Bei einem Lagewechsel geraten sie in Bewegung, bewirken über eine Strömung der Ohrflüssigkeit eine Reizung der Sinneszellen und lösen damit eine intensive Drehempfindung aus. Die Lösung dieses Problems besteht in einfachen, wiederholten Bewegungsübungen, die anfangs durch die Schwindelprovokation als unangenehm erlebt werden. Man setzt sich aufrecht auf eine Bettkante oder ein Sofa und lässt sich möglichst rasch in die Seitenlage fallen, in der der Schwindel auftritt. Der Kopf soll dabei hinter dem Ohr aufliegen, d.h. das untere Ohr ist gut sichtbar. Diese Position gilt es 30 Sekunden lang auszuhalten. Durch wiederholte Bewegung des Kopfes in der Ebene des hinteren Bogengangs werden die verirrten Ohrsteinchen aus dem Bogengang herausgebracht und zu anderen Winkeln des Gleichgewichtsorgans befördert, wo sie keine unerwünschten Erregungen bewirken können.

  2. Zentraler Lageschwindel. „Lageschwindel“ bedeutet, dass der Schwindel nur bei einer bestimmten Kopfposition auftritt. „Zentral“ bezeichnet den Umstand, dass die Störung nicht im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs liegt, sondern im Gehirn (Störung des Gleichgewichtszentrums im Hirnstamm oder im nahe gelegenen Kleinhirn). Die Ursachen hierfür können in folgenden Gehirnerkrankungen bestehen: Tumore, Metastasen, multiple Sklerose, Hirnblutungen, Infarkte und Migräneattacken.

 

Schwindel als Folge einer Störung im visuellen System

Der Schwindel besteht in einer Irritation des Gleichgewichts, die allein durch Sehreize ausgelöst wird. Der visuelle Schwindel ist erklärbar durch die enge Zusammenarbeit von vestibulärem und visuellem System bei der Steuerung des Gleichgewichts.

Neben dem Brillenschwindel (anfänglicher Schwindel bei neuen Augengläsern mit anderer Brechkraft) sind zwei Schwindelarten besonders zu erwähnen:

  1. Höhenschwindel. Höhenschwindel ist durch widersprüchliche Informationen von visuellem und sensiblem System zu erklären, bedingt durch den Ausfall des visuellen Systems für die Gleichgewichtsstabilisierung. Beim Blick aus großen Höhen kann das visuelle System nichts mehr zum Gleichgewicht beitragen. Die Augen erkennen eine Schwankung des eigenen Körpers normalerweise durch eine Verschiebung in Bezug auf ein feststehendes Sehziel. Durch die weite Entfernung der Sehziele in großen Höhen können die Körperschwankungen nicht mehr visuell entdeckt werden, weil die Verschiebung des Körpers in Bezug auf mögliche Fixierungspunkte in der Tiefe zu gering ist. Zur Erkennung von Körperschwankungen mit dem Ziel der Gleichgewichtsstabilisierung verbleibt daher nur mehr die sensible Eigenwahrnehmung des Körpers. In großen Höhen ist es daher nützlich, möglichst viele Nahziele zu fixieren, eine feste Standfläche zu wählen und sich irgendwo festzuhalten. Der Höhenschwindel wird durch psychische Faktoren verstärkt, nämlich durch die bildhafte Vorstellung, in die Tiefe zu fallen, sodass vermehrt Angstreaktionen auftreten, die physiologische Anspannungszustände bewirken, die die Gleichgewichtsstabilisierung erst recht erschweren.

  2. Schwindel durch Augenbewegungsstörungen (Nystagmus). Diese Schwindelform wird durch ständig ruckende oder pendelnde Bewegungen (Nystagmus) verursacht. Als mögliche Ursachen kommen Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans, des Hirnstamms, des Kleinhirns oder Lähmungen der Augenmuskeln in Betracht. Viele Panikpatienten haben einen sehr sensiblen, nicht organisch bedingten Nystagmus, d.h. ein nicht bewusstes Zittern des Augapfels in Form von rasch aufeinander folgenden waagrechten, senkrechten oder kreisenden Bewegungen aus innerer Unruhe. Dadurch entsteht eine größere Abweichung zwischen Augen- und Kopfbewegungen, die zu unstimmigen Informationen über die räumliche Orientierung führen. Das kurzfristige Fixieren eines Punktes wirkt beruhigend. Zu langes Fixieren eines Punktes kann bestimmten Menschen jedoch Angst machen, weil sich dann das fixierte Objekt zu bewegen scheint. Dieses Phänomen ist erklärbar durch den Umstand, dass zum fixierten Objekt kein Vergleichspunkt mehr gesucht wird. Übermäßiges Fixieren ist bekannt als eine Methode zur Einleitung einer Hypnose im Rahmen der klassischen Hypnosetherapie.

 

Schwindel als Folge einer Störung im sensiblen System

Die Eigenwahrnehmung des Körpers ist ein gerade von Agoraphobiepatienten oft unterschätzter Sinn zur Stabilisierung des Gleichgewichts.

Über die sensiblen Nerven und die Rückmarksbahnen wird dem Gehirn andauernd die Spannung der Muskeln und die Stellung der Gelenke gemeldet.

Mit Hilfe des sensiblen Systems können wir auch bei geschlossenen Augen die Position der Körperglieder und alle Bewegungen millimetergenau wahrnehmen.

Bei einem Ausfall des sensiblen Systems muss das visuelle System verstärkt einspringen.

Eine gestörte Körperwahrnehmung wird anfangs oft als Schwindel erlebt, obwohl es sich tatsächlich um eine Gangunsicherheit handelt.

Die sensible Wahrnehmung der Haut ist beeinträchtigt, weshalb die Fußsohlen den Boden nicht gut spüren können.

Der Untergrund erscheint als weich, nachgebend oder bewegt. Man hat den Eindruck, als ginge man auf Watte oder auf Eiern. Im Dunkeln tritt die Gangunsicherheit wegen des Ausfalls der kompensatorischen Wirkung des visuellen Systems verstärkt auf.

Bei einem Schwankschwindel fühlt man sich unsicher auf den Füßen, die Erde scheint zu schwanken, das Körpergewicht wird auf eine Seite gezogen.

Man glaubt zu torkeln und möchte sich festhalten oder anlehnen. Derartige Schwindelzustände sind bei Agoraphobiepatienten oft anzutreffen und rein psychogen bedingt.

Bei organischen Ursachen ist die gestörte Körperwahrnehmung oft begründet in einer Polyneuropathie (Erkrankung der peripheren Nerven), manchmal in einer Rückenmarksschädigung.

Von den über 100 Ursachen einer Polyneuropathie bestehen die häufigsten in der Zuckerkrankheit und im Alkoholmissbrauch.

Kontrovers diskutiert wird der zervikale Schwindel, der in einer Erkrankung der Halswirbelsäule besteht.

Weiters führen Verspannungen der Muskulatur, Verklemmungen der Gelenke und Erstarrungen des Bewegungsablaufs einerseits zu Blutgefäßverengungen im Schulter-Nacken-Bereich oder im Bereich der Halswirbelsäule und damit zur Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, andererseits durch die Fehlstellung des Kopfes im Raum zu irritierenden Informationen für das Gleichgewichtsorgan im Ohr.

Die Nackenmuskulatur ist maßgeblich am Gleichgewichtsgefühl beteiligt. Das Ungleichgewicht der Muskelspannung (stärkere Anspannung auf einer Seite des Nackens) erzeugt das Gefühl der Instabilität und des Schwindels.

 

Schwindel als Folge einer Störung der Körpermotorik

Motorische Gleichgewichtsstörungen äußern sich meist als Gangunsicherheit, manchmal auch als Schwankschwindel.

Die Art der Gangstörung wird durch die Art der Erkrankung und den Ort der Schädigung bestimmt.

Bei einer Kleinhirnschädigung sind die Schritte breitbeinig, ausfahrend wackelig und verfehlen ihr Ziel.

Bei der Parkinson-Krankheit ist der Gang kleinschrittig schlurfend und manchmal mit einer Starthemmung beim Losgehen verbunden.

Bei fortgeschrittener Erkrankung fallen die Gleichgewichtsreflexe aus, die unerwartete Bewegungen bewältigen helfen.

 

Schwindel bei Reisekrankheit

Die Reise- oder Bewegungskrankheit (in Autos, Schiffen, Flugzeugen) äußert sich in folgenden Symptomen: Schwindel, allgemeines Unwohlsein, Müdigkeit, Gähnen, Blässe, kalter Schweiß, vermehrter Speichelfluss, Druckgefühle im Kopf und Oberbauch, Übelkeit, Würgreiz oder Erbrechen.

Nach einigen Stunden bzw. nach einigen Tagen (bei Schiffsreisen) bessert sich die Schwindelsymptomatik. Lesen im Bus erzeugt bei vielen Menschen Schwindel.

Die Reisekrankheit wird durch ungewohnte bzw. unerwartete Bewegungen sowie durch widersprüchliche Sinnesmeldungen ausgelöst.

Während das Gleichgewichtsorgan die Fahrbewegung wahrnimmt, sieht das Auge im Inneren des Fahrzeugs keine Bewegung.

Ein Blick aus dem Fenster von Bus, Schiff oder Flugzeug schafft mögliche Fixierungspunkte. Diese sollten nicht zu weit entfernt sein.

  

Schwindel bei Herz- und Kreislauferkrankungen

Schwindel, Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen (Flimmern), Ohnmachtsneigung und Ohnmacht sind oft die Folgen einer Mangeldurchblutung des Gehirns, zumeist bedingt durch harmlose oder vorübergehende Kreislaufstörungen.

Der Kreislaufschwindel als Folge eines Blutdruckabfalls wird von den Betroffenen folgendermaßen beschrieben: Benommenheit, Leichte oder Leere im Kopf, Verlangsamung oder Verwirrung des Denkens, manchmal Entrückung von der Umwelt.

Bei stärkerer Mangeldurchblutung zeigen sich folgende Symptome: unscharfes Sehen, Zusammenziehen oder Verdunkeln des Gesichtsfeldes, Verschlagen oder Rauschen der Ohren, flaues Gefühl im Bauch oder Übelkeit, Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Standunsicherheit, im Extremfall kurze Ohnmacht (Synkope) mit spontanem Wiedererwachen.

Ein erhöhter Blutdruck kann ebenfalls Schwindel auslösen, typischerweise begleitet von Kopfschmerzen. Die Ursache liegt in einer reflektorischen Verengung der Hirngefäße und einer daraus resultierenden Minderdurchblutung, insbesondere bei einem Blutdruck über 200 mm Hg.

Herzrhythmusstörungen können durch die ungleichmäßige Durchblutung des Gehirns in gleicher Weise Schwindelzustände bewirken, insbesondere bei älteren Menschen.

 

Schwindel als Folge einer alkoholbedingten Beeinträchtigung

Ein Alkoholrausch führt zu vorübergehenden Schwindelzuständen und Gleichgewichtsstörungen. Alkohol bewirkt eine Hemmung der Funktionen des Kleinhirns (Feinabstimmung der Körper- und Augenbewegungen).

Dieser Umstand erklärt Phänomene wie Standunsicherheit, schwankenden Gang, ausfahrende Bewegungen und unkontrollierte Zungenbewegungen von alkoholisierten Personen.

Der Alkohol gelangt auch in das Gleichgewichtsorgan und ändert dort die mechanischen Eigenschaften des Bogengangsystems.

Die daraus resultierende Erregung der Sinneszellen macht sich (auch ohne Bewegungsreiz) als Drehschwindel bemerkbar.

Eine entsprechende Schwindelsymptomatik kann als konditionierte Reaktionsweise auch bei völliger Abstinenz auftreten.

Nicht selten geben die Betroffenen an, dass sie wegen einer lästigen Schwindelsymptomatik zu trinken begonnen hätten, wodurch alles im Laufe der Zeit noch schlimmer geworden sei.

Die gefäßerweiternde Alkoholwirkung hat einen blutdrucksenkenden Effekt, was die Schwindelzustände verstärkt. Dies wirkt sich besonders bei niedrigem Blutdruck sehr negativ aus.

Chronischer Alkoholkonsum kann zu schweren und dauerhaften Gleichgewichtsstörungen führen, bedingt einerseits durch eine Polyneuropathie, andererseits durch einen Mangel an Vitamin B12, was ohne Ersatz zu einer Beeinträchtigung der sensiblen Rückenmarksbahnen führt.

 

Schwindel als Folge einer medikamentös bedingten Beeinträchtigung

Die meisten Medikamente können Schwindel als Nebenwirkung haben. Dies trifft sogar auf Placebos zu, d.h. die Teilnehmer an Medikamentenstudien halten das eingenommene Placebopräparat für die Ursache eines aktuell erlebten Schwindelzustands. Schwindel zählt sogar zu den häufigsten Placebophänomenen.

Medikamentös bedingter Schwindel beruht meistens auf einer Überdosierung oder zu raschen Dosissteigerung, die dem Körper zu wenig Zeit für eine Anpassung lässt, kann aber auch bei richtiger Dosis auftreten.

Es gibt folgende potenziell Schwindel erzeugende Medikamentengruppen:

  1. Medikamente, die das Gleichgewichtsorgan beeinträchtigen und besonders im Dunkeln eine Stand- und Gangunsicherheit bewirken, z.B. bestimmte Antibiotika.

  2. Medikamente, die die Funktionen des Kleinhirns stören, z.B. bestimmte antiepileptische Medikamente oder die Gruppe der Tranquilizer (Benzodiazepine).

  3. Zentral dämpfende Medikamente, die das ganze Hirn dämpfen, z.B. Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antidepressiva, Antiepileptika, Schmerzmittel, Muskelentspannungsmittel, Antihistaminika zur Behandlung von Allergien, sogar schwindeldämpfende Medikamente.

  4. Blutdrucksenkende Medikamente, die auch die Hirndurchblutung und damit die Sauerstoffversorgung mindern, z.B. Medikamente gegen Bluthochdruck, gefäßerweiternde und harntreibende Mittel, die meisten Psychopharmaka und Schlafmittel, einige Migränemedikamente und schwindeldämpfende Medikamente.

  5. Andere Schwindel auslösende Medikamente. Kortikosteroide, weibliche Geschlechtshormone, Herzmittel vom Digitalistyp, Asthmamittel, Entzündungshemmer, Gichtmedikamente, Appetitzügler usw.

Wenn eine Durchuntersuchung keinen Hinweis auf eine organisch bedingte Schwindelsymptomatik ergibt und auch ein psychogener Schwindel unwahrscheinlich erscheint, sollte auf den Beipackzetteln eventuell eingenommener Medikamente nachgelesen werden, ob die beklagte Schwindelsymptomatik eine Medikamentennebenwirkung darstellen könnte. 

Schwindeldämpfende Medikamente sollten nur kurzfristig (z.B. bei Reisen) eingenommen werden, keinesfalls länger als zwei Tage, da sie den Erholungsprozess im Gleichgewichtssystem hemmen.

Bei Lageschwindel und chronischen Schwindelformen sind derartige Medikamente nicht angezeigt. Bei Dauerbehandlung können schwindeldämpfende Medikamente selbst wiederum Schwindel hervorrufen.   

 

Therapie bei psychogenen Schwindelzuständen: Provokation von Schwindel und Fallangst

Lernen Sie, besser mit Schwindel und Fallangst umzugehen! Die bei Menschen mit Agoraphobie bzw. Panikattacken so häufige Angst vor Schwindel ist oft bedingt durch unzureichende Sauerstoffzufuhr zum Gehirn infolge von niedrigem Blutdruck, Blutdruckabfall, Hyperventilation, Schulter- und Nackenverspannungen, nur selten durch ein übersensibles Gleichgewichtsorgan im Ohr oder durch Verschwommensehen.

Der medizinisch meist nicht klärbare und behandelbare Schwindel hängt häufig mit falscher Körperhaltung im Stehen bzw. mit mangelndem Kontakt der Füße zum Boden zusammen, was von der Bioenergetik sehr betont wird. Deswegen sind Bewegungsübungen und keine Liege- und Entspannungsübungen angezeigt.

Bei Angstpatienten ist die Schwindelsymptomatik gewöhnlich durch eine Störung im sensiblen System begründet (Störung in der Körperwahrnehmung). Empfehlenswert sich Übungen bei geschlossenen Augen, die diese Störung provozieren und bewältigen helfen.

Der bekannte Schwankschwindel drückt oft eine durch Angst und Verspannung bedingte Unsicherheit im Stehen aus:

Viele Panikpatienten haben Angst umzufallen, insbesondere bei Schwindel durch niedrigen Blutdruck, verhalten sich daher ruhig und beobachten ständig ihre körperlichen Symptome.

Infolge der Bewegungslosigkeit muss bei einem Blutdruckabfall intensives Herzrasen einsetzen, um den Blutdruck wieder zu heben, was das Wesen vieler Panikattacken ausmacht.

Jede Form von Bewegung würde den Blutdruck schneller und einfacher heben als das Herzrasen im Ruhezustand.

Aus Angst vor dem Fallen spannen die Betroffenen weiters die Beine an, drücken ihre Knie fest zusammen und stehen mit steif durchgestreckten Beinen da, was die Unsicherheit im Stehen verstärkt und den Blutrückfluss zum Herzen reduziert.

Die Beine elastisch etwas durchzubeugen und den Körperschwerpunkt zu senken (wie beim Schifahren), gibt Sicherheit vor dem Fall.

Beobachten Sie Kinder und Erwachsene, die gerade das Schifahren lernen! Wie elegant fahren doch Kinder den Hang hinunter, mit tiefer Hocke bzw. Rückenlage, ohne in den Schnee zu fallen.

Kinder haben meist keine Angst vor dem Fall und verspannen sich daher auch nicht.

Wie steif stehen dagegen viele Erwachsene auf den Brettern. Aus Angst vor dem Fall strecken sie ihre Beine zu stark durch und heben den Körper zu hoch.

Je höher der Körperschwerpunkt, desto leichter fällt man bei einer kleinen Unebenheit hin.

Menschen mit Fallängsten sind wie unsichere Schifahrer. Aus Angst vor dem Fallen strecken sie die Beine durch und heben den Körperschwerpunkt. Sie sind dadurch unelastisch und fühlen sich unsicher auf den Beinen.

Wenn Sie zu wenig Bodenkontakt und Erdverbundenheit spüren, verlieren Sie den „Boden unter den Füßen“ und das Gefühl für Ihren Körperschwerpunkt. Sie geraten dann aus dem Gleichgewicht und bekommen Angst vor dem Fallen.

Beim Schifahren kommt es gerade dann zu Knochenbrüchen, wenn man die Beinmuskeln anspannt und sich gegen den Fall wehrt (trifft auf über 90% der Brüche zu).

Die Knie durchzubeugen, mit dem Fall mitzugehen und sich dann wieder aufzurichten, verhindert dagegen einen Sturz.

Die psychotherapeutische Technik des „Erdens“ (besserer Kontakt mit dem Boden unter den Füßen) ist eine nützliche Hilfe.

Das Verständnis für den bedeutsamen Vorgang des Kontaktnehmens zum Boden lässt sich auch über die „Fußreflexzonen“ noch vertiefen.

Im Fuß haben alle Organe ihre zugeordneten Stellen, die sogenannten Reflexzonen.

Durch Druck auf Zehen-, Ballen-, mittleren oder Fersenbereich des Fußes belebt sich analog der Zuordnung der „Reflexzonen“ des Fußes die Atmung im oberen, mittleren oder unteren Körperbereich.

Durch Lockern, Massieren und Bewegen der Füße kann dieser Kontakt zum Boden verstärkt werden.

Bei akuten Schwindelbeschwerden schützt Hinlegen vor unkontrollierten Reaktionen.

Langfristig hemmt die mit der ständigen Bettruhe verbundene Inaktivität die Koordinationszentren des Gleichgewichtssystems und beeinträchtigt so die körperlichen Erholungsmöglichkeiten.

Wissenschafter der NASA konnten zeigen, dass bei Gesunden schon allein durch eine siebentägige Bettruhe das Koordinationssystem des Gleichgewichts empfindlich gestört werden kann.

Ein Trainingsprogramm gegen Schwindel ist sehr hilfreich:

 Übungen zum Balancieren, Fallen und Pendeln

Klinische Untersuchungsverfahren, wie sie von Neurologen regelmäßig vorgenommen werden, können im Selbstversuch erprobt werden:

  1. Romberg-Stehversuch. Stellen Sie sich aufrecht so hin, dass sich die Füße innen berühren, und halten Sie beide Hände waagrecht ausgestreckt, während die Augen geschlossen sind. Bei Gleichgewichtsstörungen kommt es dabei zu auffälligen Körperschwankungen, manchmal auch mit Fallneigung in eine bestimmte Richtung.

  2. Unterberger-Tretversuch. Treten Sie mit geschlossenen Augen und waagrecht erhobenen Armen kräftig auf der Stelle.

  3. Blindgang. Gehen bzw. laufen Sie mit geschlossenen Augen und waagrecht ausgestreckten Armen auf einer gedachten Linie.

Einige der folgenden Gleichgewichtsübungen stellen Variationen der Übungen aus dem Buch „Atme richtig“ von Hiltrud Lodes dar und können nach Belieben abgewandelt werden, um Schwindelzustände auszulösen und das Vertrauen in die Körperfunktionen Gleichgewicht, Stehen und Gehen wiederzuerlangen (bei vielen Angst- und Panikpatienten löst allein bereits Schwindel eine Panikattacke oder Ohnmachtsangst aus):

  1. Balancieren. Balancieren Sie auf Baumstämmen, Balken usw. Spannen Sie dabei plötzlich Ihren rechten Arm an und machen Sie mit der Hand eine Faust, um das Gleichgewicht halten zu müssen.

  2. Kontaktnehmen zum Boden. Stehen Sie mit den Füßen fest am Boden, strecken Sie die Zehen aus und achten Sie auf einen guten Kontakt zum Boden. Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen und die Teile Ihrer Fußsohlen, die den Boden berühren. Gehen Sie dann mit gutem Kontakt Ihrer Füße zum Boden durch den Raum.

  3. Atmung als Bewegung. Atmen Sie im Stehen bei geschlossenen Augen tief ein, achten Sie dabei auf eine gute Zwerchfellatmung und beobachten Sie, wie Ihre Atmung Ihren Körper in leichtem Ausmaß schwanken lässt.

  4. Pendeln und Kreisen über den Füßen. Stellen Sie Ihre Füße knapp nebeneinander und kreisen Sie mit Ihrem Oberkörper. Stellen Sie sich vor, auf Ihrem Kopf einen Teller zu jonglieren. Bemerken Sie einen Unterschied bei geschlossenen Augen?

  5. Verlagern des Körperschwerpunkts nach vor und zurück. Verlagern Sie den Körperschwerpunkt möglichst weit vor auf die Zehen und anschließend möglichst weit zurück auf die Fersen. Spüren Sie dabei die Atemanregung.

  6. Über den Füßen vor- und zurückschaukeln. Schaukeln Sie in leichtem Grätschstand auf Ihren Füßen vor und zurück, indem Sie beim Einatmen Ihre Fersen anheben und dabei das Körpergewicht auf die Vorderfüße verlagern, beim Ausatmen die Fersen wieder sinken lassen und dabei das Körpergewicht bei gutem Bodenkontakt auf die Fersen verlagern. Die Kniegelenke bleiben dabei immer in lockerer Bereitschaftsstellung.

  7. Verlagern des Körperschwerpunkts nach rechts und links im Wechsel. Verlagern Sie Ihr Körpergewicht abwechselnd auf die rechte und die linke Fußsohle. Vom belasteten Fuß aus soll der Körper durchgehend bis zum Kopf gestreckt sein. Heben Sie dabei den nicht belasteten Fuß ein wenig vom Boden ab. Zur Unterstützung der Bewegung heben Sie die Arme etwas an und balancieren Sie Ihren Körper, während das ganze Gewicht auf einem Fuß ruht.

  8. Wippen aus dem Stand. Stehen Sie mit den Händen in den Hüften aufrecht da und heben Sie schwunghaft beide Fersen, und zwar so hoch wie möglich. Nach 3 Sekunden stellen Sie Ihre Füße wieder flach auf den Boden. Wiederholen Sie diese Übung 20-mal. Diese Übung bewirkt auch eine Kräftigung der Waden.

  9. In die Hocke gehen. Stehen Sie mit den Händen in den Hüften aufrecht da und gehen Sie langsam in die Knie. Wenn die Oberschenkel parallel zum Boden sind, halten Sie diese Position 3 Sekunden lang. Kehren Sie dann langsam in die Ausgangsposition zurück und wiederholen Sie die Übung 10-mal. Diese Übung kräftigt den Quadrizeps, den Muskel an der Vorderseite des Oberschenkels.

  10. Anspannung des Körpers. Spannen Sie Ihren ganzen Körper eine Minute lang an, in dem Sie im Stehen Ihre Arm-, Bein-, Bauch-, Rücken-, Schulter- und Gesichtsmuskeln anspannen und beobachten Sie, welche Gefühle dies in Ihnen auslöst.

  11. Gehen mit einem Krug oder Buch auf dem Kopf. Gehen Sie mit einem Krug, Buch oder ähnlichem Gegenstand auf dem Kopf durch den Raum. Halten Sie dabei nicht den Atem an vor lauter Konzentration! In Sammlung auf die zu lösende Aufgabe belebt sich die Atmung. Der Atemraum weitet sich durch das Aufrichten der Wirbelsäule. Lassen Sie beim Gehen die Beine locker aus der Hüfte schwingen, wobei die Leiste gestreckt ist. Die Füße spüren den Boden und rollen bei jedem Schritt auf den Fußsohlen ab. Um den Gegenstand gut auszubalancieren, richten Sie sich unwillkürlich auf, die Haltung korrigiert sich von selbst. Sobald Sie den Nacken einknicken oder ins Hohlkreuz gehen, fällt der Gegenstand vom Kopf.

Bestimmte Augenübungen können leicht eine Schwindelsymptomatik auslösen:

  1. Augenkreisen. Lassen Sie Ihre offenen Augen Kreisbewegungen ausführen und betrachten Sie dabei Ihre Umgebung ganz genau. Dann führen Sie das gleiche mit geschlossenen Augenlidern aus und entspannen sich wieder.

  2. Spirale. Machen Sie mit geschlossenen Augen die Bewegungen einer Spirale, die sich vom Mittelpunkt nach außen hin erweitert. Dann gehen Sie wieder den umgekehrten Weg von außen nach innen bis zum Mittelpunkt zurück. Beobachten Sie dabei Ihre Atmung. Die Atembewegung folgt der Augenbewegung, indem sie sich einmal erweitert, dann wieder sammelt.

  3. Die Atembewegung folgt den Augen. Schauen Sie mit geschlossenen Augen nacheinander eine Weile nach unten, nach oben, nach rechts und nach links, wobei Sie zwischendurch immer wieder zur Mitte zurückkehren. Beobachten Sie dabei, wo Ihre Atembewegung jeweils spürbar wird. Sie werden feststellen, dass Ihr Atem dahin geht, wohin Ihre Augen schauen: in den unteren, in den oberen Raum, in den Flankenbereich rechts und links.

  4. Fixieren eines Punktes. Wenn Sie längere Zeit einen bestimmten Punkt fixieren, beginnt dieser zu verschwimmen bzw. sich zu bewegen, weil Sie rundherum auf keinen Bezugspunkt achten.

  5. Fixieren konzentrischer Kreise, paralleler Linien oder auf einen Mittelpunkt zusammenlaufender Streifen. Die Vorlagen scheinen bald in Bewegung zu geraten.

  6. Bilder mit sich bewegenden Mustern betrachten. Schauen Sie bestimmte Bilder (z.B. des Malers Escher) bzw. Muster so lange an, bis sich diese scheinbar bewegen.

  7. Nachbilder erzeugen. Schauen Sie für 30 Sekunden in eine Lichtquelle und richten Sie anschließend Ihren Blick auf eine weiße Wand. Dies erzeugt ein Bild auf dem Augenhintergrund bzw. auf der Netzhaut.

  8. Betrachten dahinziehender Wolken. Wenn Sie im Stehen auf sich relativ rasch bewegende Wolken blicken, entsteht die Illusion, in die entgegengesetzte Richtung zu kippen, doch erst die vermeintliche Ausgleichsbewegung führt zum Sturz.

Drehen bzw. schnelles Bewegen des Kopfes kann rasch einen Schwindelzustand („Lagerungsschwindel“) und Benommenheit herbeiführen.

Längeres Üben bewirkt eine Gewöhnung an den Schwindel, sodass er nicht mehr so belastend ist (diese Übungen sollten Sie nur machen, wenn Sie keine neurologischen Probleme haben):

  1. Drehen Sie den Kopf für 30 Sekunden hin und her.

  2. Legen Sie den Kopf für 30 Sekunden zwischen die Beine und bewegen Sie dann den Kopf ganz schnell wieder nach oben.

  3. Drehen Sie sich bei geschlossenen Augen längere Zeit stehend im Kreis, bis Sie schwindlig werden.

  4. Setzen Sie sich in einen Drehstuhl, drehen Sie sich eine Minute lang und halten Sie dann plötzlich an.

Schwindel hängt mit der Angst zu fallen zusammen. Die Fallangst lässt sich nicht einfach nur durch körperliche Übungen wegtrainieren, weil es sich dabei oft um ein ganz zentrales Persönlichkeitsmerkmal handelt.

Die Betroffenen können sich häufig nicht fallen lassen, weil ihnen das Vertrauen fehlt, dass sie aufgefangen werden, was oft durch die Lebensgeschichte verständlich ist.

Gibt es reale Auslöser für Ihre Fallangst? Haben Sie Ohnmacht bei sich oder anderen erlebt?

Ist ein Verwandter oder Bekannter umgefallen und gestorben? Spiegelt sich in Ihrer Fallangst eine ganz reale Überforderung durch die Lebenssituation wider?

In der Fallangst äußert sich oft der beharrliche Wunsch, stets die Standfestigkeit und Kontrolle über sich selbst zu behalten, was gerade angesichts der Erfahrung, dass man – bildlich gesehen – nur ungenügend auf seinen eigenen Füßen stehen kann, ein besonderes Bedürfnis ist.

In der Fallangst zeigt sich neben der Angst vor Kontrollverlust und hilflosem Ausgeliefertsein auch die mangelnde Bereitschaft, von anderen im Bedarfsfall Hilfe annehmen zu wollen.

Übungen des Fallens können als Übungen des Vertrauens gegenüber anderen, aber auch des Loslassens gegenüber sich selbst verstanden werden.

Wenn Sie Angst haben, in der Öffentlichkeit umzufallen, trainieren Sie zu Hause, wie Sie fallen möchten, sollten Sie tatsächlich einmal umfallen.

Machen Sie ein Falltraining mit sich selbst, indem Sie 5 Minuten lang bei geschlossenen Augen stehen bleiben, in der ständigen Erwartung bzw. in der fixen Absicht, danach umzufallen.

Stellen Sie die Füße eng nebeneinander, strecken Sie die Beine durch, schwanken Sie mit dem Oberkörper leicht hin und her und sagen Sie sich: „Ich falle gleich um, gleich falle ich um“, verstärken Sie das Schwanken des Körpers, beobachten Sie Ihre Atmung, Ihren Herzschlag, die Spannung der Muskulatur in Ihren Beinen, achten Sie auf die momentanen Empfindungen und lernen Sie, die dabei auftretenden Gefühle besser auszuhalten. Stellen Sie sich möglichst konkret vor, wie Sie fallen werden, wenn Sie umfallen.

Üben Sie danach, sich auf verschiedene Arten fallen zu lassen: rasch und plötzlich, langsam zusammensinkend, seitlich hinfallend auf der Suche nach einem Halt.

Bleiben Sie dann einige Zeit liegen und lassen Sie alle Gedanken und Gefühle aufkommen bei der Vorstellung, andere Menschen würden miterleben, wie Sie umgefallen sind und nun daliegen. Wie geht es Ihnen da?

Was sind Ihre stärksten Eindrücke? Warum wehren Sie sich so gegen den Fall?

Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn Sie nicht bewusstlos werden und sich beim Fallen auch nicht verletzen?

Üben Sie anschließend das Aufstehen, um die Erfahrung zu verstärken, dass Sie jederzeit wieder von allein auf Ihre Füße kommen.

Lowen, der Begründer der Bioenergetik, setzt Fallübungen therapeutisch ein, um die Hemmungen aufzudecken, die einen Menschen verkrampfen, ihm den Boden unter den Füßen wegziehen und dadurch eine Fallangst auslösen:

„Dann fordere ich den Patienten auf, sein ganzes Gewicht auf ein Bein zu verlagern und dessen Knie vollständig zu beugen. Der Fuß des anderen Beins darf den Boden leicht berühren, dient aber nur zur Balance. Die Anweisungen sind sehr einfach. Der Patient soll so lange in dieser Lage verharren, bis er hinfällt; er darf sich jedoch nicht mit Absicht fallen lassen. Wenn man sich bewußt löst oder lockert, fällt man nicht richtig, weil man den Sturz kontrolliert. Ein ‚wirksamer’ Fall muß ungesteuert und unwillkürlich sein. Wenn man seinen Geist darauf konzentriert, die eingenommene Position zu halten, stellt der Fall die Loslösung des Körpers von der bewußten Kontrolle dar. Da sich die meisten Menschen davor fürchten, die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren, erzeugt schon dieser Vorgang Angst.“

Viele Menschen haben nach Lowen Angst, dass sie nicht mehr aufstehen könnten, wenn sie fallen würden.

Hilflos am Boden liegen zu müssen, ist oft ein unerträglicher Gedanke. Lowen verweist in Anlehnung an Reich auf den Zusammenhang von Fallangst und falscher Atmung.

Der Abfluss von Energie aus Füßen und Beinen, der durch die fehlende Zwerchfellatmung und die Blockade der unteren Körperhälfte bewirkt wird, führt nach Lowen zu einem Verlust des Bodenkontakts.

Sich buchstäblich fallen lassen zu können, stellt auch eine Vertrauensübung gegenüber anderen Menschen dar.

Ersuchen Sie eine Person, sich einen Meter hinter Ihnen aufzustellen und lassen Sie sich steif durchgestreckt zurückfallen. Wie viel Vertrauen haben Sie wirklich, dass Sie der andere auffängt?

Menschen mit Angstschwindel und phobischem Attackenschwindel schonen sich häufig zu sehr, obwohl sie früher oft recht sportlich waren. Sie sollten den folgenden Text beherzigen, der auf die Bedeutung von Bewegung hinweist.

 

Körperliche Schonung bei Angst - Ein sicherer Weg zur Angstverstärkung

Körperliche Schonung führt zu mangelnder Fitness. Alltägliche Belastungssituationen lösen dann übermäßige körperliche Reaktionen aus (Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Muskelkater usw.).

Wenn Menschen mit ohnehin niedrigem Blutdruck in Belastungs- und Angstsituationen (z.B. bei einer Agoraphobie) einen weiteren Blutdruckabfall erleben und sich deshalb zur Schonung hinlegen, sind sie derartigen Kreislaufreaktionen zukünftig noch stärker ausgeliefert.

Menschen mit Schwindelzuständen, die durch chronische Muskelverspannung bedingt sind, sollten sich ebenfalls viel mehr bewegen als sie dies gewöhnlich tun.

Wissenschafter der NASA, der amerikanischen Weltraumbehörde, haben nachgewiesen, dass bei Gesunden allein eine Bettruhe von 7 Tagen das Koordinationssystem des Gleichgewichts und damit die körperlichen Erholungsmöglichkeiten beeinträchtigt.

Vaitl und Hamm studierten den Effekt der so genannten kardiovaskulären Dekonditionierung, der in den bisherigen Erklärungskonzepten von Angststörungen noch zuwenig Beachtung gefunden hat.

Die vielbeklagten Herz-Kreislauf-Beschwerden und Schwindelzustände von Angstpatienten könnten hierin ihre Ursache haben bzw. zumindest eine Verstärkung erfahren.

Dieser Effekt kann unter folgenden Umständen auftreten:

Alle genannten Bedingungen führen zu einer Verschiebung der Körperflüssigkeiten in den Brustbereich und infolgedessen zu einer Zunahme des zentralen Blutvolumens.

Das Kreislaufsystem des Menschen ist hauptsächlich dem aufrechten Gang und den Bedingungen der Schwerkraft der Erde angepasst, weshalb starke Verschiebungen der Körperflüssigkeiten heftige körperliche Gegenmaßnahmen hervorrufen, die das Ziel haben, das Flüssigkeitsvolumen des Körpers wieder zu reduzieren (z.B. verstärktes Harnlassen und andere Flüssigkeitsverluste bei Bettlegrigkeit).

Diese Effekte entstehen regelmäßig nach längerem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit im Weltraum.

Sie lassen sich auf der Erde dadurch provozieren und simulieren, dass die Versuchspersonen über längere Zeit eine Körperposition einnehmen, bei der ihr Kopf 6° unter die Horizontale abgesenkt ist.

Die Flüssigkeitsverteilung im Körper entspricht bei dieser Lagerung annähernd derjenigen, die unter Schwerelosigkeitsbedingungen vorherrscht.

Diese Simulationsmethode wird außerhalb der Raumfahrt dazu verwendet, um die nachteiligen Effekte verlängerter Bettruhe auf die Herz-Kreislauf-Funktion zu untersuchen.

Der einzige Unterschied zwischen der Bettruhe in horizontaler Position und dem Liegen mit einer Kopfhaltung 6° unter der Horizontalen ist der, dass diese Effekte bei der abgesenkten Kopfposition rascher eintreten und damit der Untersuchungszeitraum verkürzt wird. Kreislaufstabile Versuchspersonen zeigten bereits nach einem Tag eine erhebliche kardiovaskuläre Dekonditionierung (bestimmt mit Hilfe des Orthostoasetests und der Fahrrad-Ergometrie), wenn sie sich in dieser Zeit in einer 6°-Kopf-nach-unten-Position befanden.

Innerhalb eines Tages wurde der Kreislauf gesunder Probanden derart intolerant gegenüber dem „Stress“ der aufrechten Position, dass 4 von 10 Versuchspersonen während der Orthostoasetests einen Ohnmachtsanfall erlitten.

Durch die Untersuchung von Agoraphobikern im Vergleich zu anderen Personen konnte die Hypothese bestätigt werden, dass die bei Agoraphobikern zu beobachtende kardiovaskuläre Dekonditionierung darauf zurückzuführen ist, dass sich diese aufgrund übertriebenen Schonverhaltens zu lange in der horizontalen Position aufhalten.

Infolge des Schonverhaltens vermeiden Angstpatienten nicht nur körperliche Anstrengungen und Belastungen, sondern legen sich schon bei den geringsten Anzeichen von Unwohlsein oder bei noch unklaren Beschwerden hin und verbleiben möglichst lange Zeit in dieser Position. Bei längerem Stehen tritt dann vermehrt Herzrasen auf.

Beim Übergang vom Liegen in die aufrechte Position kommt es bei vielen Agoraphobiepatienten zu körperlichem Unwohlsein, das durch eine Orthostase-Labilität oder durch starke Blutdruckschwankungen bedingt sein kann. Die körperlichen Missempfindungen führen zu weiterer Schonung, indem sich die Betroffenen neuerlich in die Horizontale begeben und sich weiter schonen.

Die Befürchtung, an einer undefinierten Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems zu leiden, verstärkt die Symptomatik, sobald die Betroffenen erkennen, dass Maßnahmen wie Hinlegen und Schonen nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Diese Befunde bestätigen eine amerikanische Untersuchung, wonach bei Panikpatienten verstärkt Tachykardien unter Orthostase-Belastung auftraten.

Aus dem Umstand, dass bei Angstpatienten nach dem Aufstehen oft Anzeichen von Kreislaufschwäche auftreten (z.B. Herzrasen und Herzklopfen, Schwindelattacken, Muskelzittern, Übelkeit und Schweißausbrüche), ergibt sich die Schlussfolgerung, schrittweise die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen zu steigern, um eine Konfrontationstherapie nicht durch mangelnde Kondition zum Scheitern zu bringen.

Viele Angstpatienten klagen nicht nur über Kreislaufprobleme, sondern auch über eine Schwäche in den Beinen, verbunden mit der Angst umzufallen.

Die mangelnde Bewegung im Rahmen der ständigen Schonhaltung führt rasch zu einem Muskelschwund (Atrophie) der Beine.

Schon der altgriechische Arzt Hippokrates formulierte ein Gesetz des Lebens: „Was gebraucht wird, wächst; was nicht gebraucht wird, geht zugrunde.“

Unbenutzte Beinmuskeln bilden sich bereits innerhalb einiger Wochen zurück, was Sportler ohne Training, Verunfallte nach einem sechswöchigen Gipsverband, ältere Menschen nach einer mehrmonatigen Liegephase und Astronauten ohne körperliches Trainingsprogramm im Weltraum bald zu spüren bekommen.

Ein geeignetes Konditionstraining stärkt die Muskulatur (insbesondere auch die Waden- und Oberschenkelmuskulatur), verbessert die Knochenfestigkeit (größere Knochendichte als Schutz vor Brüchen), vermehrt die Blutgefäße im Gehirn und fördert dadurch die geistige Fitness, senkt den Blutdruck und die Herzfrequenz, verbessert die Sauerstoffversorgung des Körpers und beseitigt das chronische Müdigkeitssyndrom vieler Angstpatienten.

Ständige Müdigkeit wird nicht durch Schonung, Ausrasten und Energiesparen überwunden, sondern durch häufigeres Ermüden als Folge vermehrten Energieverbrauchs durch Sport und körperliche Betätigung.

Selbst in der Rehabilitation von Patienten nach einem Herzinfarkt gehört körperliche Aktivität so früh als möglich zum Standardtherapieprogramm.

Die Erkenntnisse der Sportmedizin werden zunehmend auf die Behandlung von Herzinfarktpatienten übertragen. Strenge Bettruhe, wie sie früher verordnet wurde, schwächt den Patienten zusätzlich, besonders, wenn er älter ist. Das Konditionstraining nach einem Herzinfarkt sollte mit etwa 60-70% der maximalen Leistungsfähigkeit erfolgen.

Das beste Trainingsprogramm für die Gesamtfitness besteht aus einer Kombination von Ausdauersportarten und muskelkräftigenden Elementen.

Nach dem Kriterium des Sauerstoffverbrauchs können vier Trainingsmethoden unterschieden werden:

1.  Isometrisches Muskeltraining (isometrisch = in gleicher Länge bleibend). Übungen, die für mehrere Sekunden eine Muskelanspannung bewirken, aber keine Bewegung verlangen und daher wenig oder keinen Sauerstoff verbrauchen. Meistens handelt es sich darum, zwei Gliedmaßen kräftig gegeneinander oder gegen ein Objekt zu drücken. Diese Muskelspannung bewirkt einen Druck auf die Blutgefäße, die sich dadurch entleeren. Das Blut wird in den Venen zum Herz befördert. Die isometrische Spannung aktiviert den Kreislauf und sichert die Sauerstoffversorgung. Menschen mit niedrigem Blutdruck lernen auf diese Weise, ihren Blutdruck zu steigern.

Beispiele: kräftiges Gegeneinanderdrücken der Hände, Spreizen der Arme zwischen zwei Türpfosten, jede Druckverstärkung gegen einen Widerstand, Expanderübungen, progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Übungen zur Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur.

Ein derartiges Krafttraining führt zum Muskelwachstum. Der stärkste Reiz für die Zunahme der Muskelkraft liegt nicht in häufigen Belastungen, sondern in kurzen, nur wenige Sekunden anhaltenden, maximalen isometrischen Kontraktionen. Durch Überschreiten der Reizhäufigkeit ist keine stärkere Muskelkräftigung zu erzielen.

Je dicker der Muskel ist, um so kräftiger ist er. Bei hohem Krafteinsatz unter anaeroben (sauerstoffarmen) Bedingungen wird der Muskel in einen Spannungszustand versetzt, der das Dickenwachstum bewirken soll. Die hohe Sauerstoffschuld bringt eine hohe Übersäuerung durch Kohlendioxid, Milchsäure und saure Stoffwechselschlacken mit sich. Sie führt rasch zur Ermüdung.

Es ist daher wichtig, dass nach hohem Krafteinsatz eine Erholungspause von 3-5 Minuten folgt. Es sollen jeweils kurz unterschiedliche Muskelgruppen trainiert werden (Prinzip des Circuit-Training/Zirkeltraining; circuitus = Rundgang).

2.  Isotonisches Training: (isoton = gleichbleibender Druck). Beispiel: Gymnastik.

3.  Anaerobe Trainingsübungen (anaerob = ohne Sauerstoff lebend). Kurzfristige Maximalleistungen. Beispiel: Sprint, rasches Stiegensteigen.

4.  Aerobes Training (aerob = mit Sauerstoff lebend): Sportarten, die genügend Sauerstoff erfordern, lange genug anhalten und somit zu einem Trainingseffekt führen. Sämtliche Ausdauersportarten: Wandern, Laufen, Geländelauf, Schwimmen, Radfahren, Schilanglauf, Rudern, längeres Stiegensteigen. usw. Laufen ist die billigste und beste Sportart. Der Sauerstoffbedarf des Körpers ist bereits bei langsamem Laufen relativ hoch. Dadurch werden die sauerstoffaufnehmenden, -transportierenden und -verwertenden Systeme des Körpers intensiv angeregt und entwickelt. Infolge des Einsatzes großer Muskelgruppen ist auch der Energieaufwand beim Laufen höher als bei anderen Sportarten. Beim Laufen gilt als Faustregel: man muss sich so belasten, dass das Herz mindestens um 50% schneller schlägt. Diese Belastung muss man längere Zeit durchhalten. Für ein effizientes Herz-Kreislauf-Training ist die Steigerung der Pulsfrequenz um mindestens 50% erforderlich. Man sollte immer nur so schnell laufen, dass man nicht in Atemnot gerät. Beim langsamen Laufen zu Trainingsbeginn wird den Muskeln nie mehr Energie abverlangt als der Kreislauf noch liefern kann. Sauerstoffaufnahme und -verbrauch halten sich die Waage. Aerobes Laufen verhindert einen Muskelkater.

Der Effekt der Leistungssteigerung durch Sport lässt sich durch eine Laktatuntersuchung messen. Aus dem Ohrläppchen werden ein paar Tropfen Kapillarblut gewonnen, und der Laktatspiegel (Milchsäure) wird im Labor bestimmt. Dieser Wert gibt verlässlich Auskunft über die Leistungsfähigkeit.

Sport verbessert die oft depressive Stimmung vieler Angstpatienten, weil dabei die Ausschüttung von Endorphinen, d.h. körpereigenen Opiaten, bewirkt wird (was bislang trotz häufiger Behauptungen allerdings nicht ausreichend klar erwiesen ist), steigert den oft niedrigen Blutdruck und verbessert die Gehirndurchblutung.

Bei Ängsten und Depressionen werden durch Sport Muskelspannungen abgebaut und intensivere Atemzüge bewirkt. Von Menschen mit belastenden Erlebnissen litten jene weniger häufig unter verschiedenen Krankheiten, die regelmäßig Sport betrieben.

Ein Forscherteam aus Göttingen hat in den letzten Jahren den Stellenwert von Sport in der Behandlung psychischer Erkrankungen untersucht und den aktuellen Forschungsstand zusammenfassend dargestellt. Im folgenden werden diese bedeutsamen Erkenntnisse ausführlich referiert.

Zahlreiche Studien an Gesunden haben den positiven Einfluss eines Ausdauertrainings auf Faktoren wie Ängstlichkeit, Depressivität, Selbstbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit und Stressbewältigung nachgewiesen. Sport senkt die Eigenschaftsangst (trait anxiety) und beeinflusst in positiver Weise physiologische Faktoren, die als Ausdruck von Angst und Spannung angesehen werden. Aerobes Training hat auch günstige Auswirkungen auf die Schlafqualität (erhöhter Tiefschlafanteil, größere REM-Latenz).

Bei Sportlern mit einer Trainingspause weist das „akute Entlastungssyndrom“, d.h. eine „Sport-Entzugssymptomatik“, auf die Bedeutung neurobiologischer Adaptationsprozesse hin.

Eine akute Sportpause führt nach 1-2 Wochen bei durchtrainierten Sportlern zu Symptomen wie Herzstichen, Schwindel, Verdauungsstörungen, Unruhezuständen, Schlafstörungen und depressiver Verstimmung. Bei Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung verschwinden alle Symptome innerhalb kurzer Zeit.

Die neurobiologischen Ursachen dieses Phänomens sind derzeit noch unbekannt, man schreibt jedoch dem serotonergen Neuronensystem eine bedeutsame Rolle zu.

Die erste größere praktische und wissenschaftliche Bedeutung im psychiatrischen Kontext erlangte die Sporttherapie Ende der 70er Jahre in den USA, wo depressive Patienten mit Erfolg an einem Ausdauertrainingsprogramm teilnahmen.

Verschiedene Studien an psychisch Kranken belegen mittlerweile eindeutig, dass Sport bei Depressionen und Angststörungen heilsam wirkt (zu anderen psychischen Störungen liegen noch zuwenig Studien vor).

Die Göttinger Arbeitsgruppe legte 1997 die erste vollrandomisierte, placebokontrollierte Studie zur therapeutischen Wirksamkeit von Ausdauertraining bei Patienten mit Panikstörung und/oder Agoraphobie vor.

Im Rahmen der 10 Wochen dauernden Studie wurden die Therapieeffekte bei 49 Panikpatienten untersucht, die drei verschiedenen Behandlungsbedingungen zugeordnet wurden: Ausdauertraining (3-4 mal 30-60 Minuten Laufen pro Woche), Clomipramin (112,5 mg pro Tag) und Placebo.

Clomipramin und Ausdauertraining führten im Vergleich zur Placebogruppe zu einer deutlichen Besserung der Angstsymptomatik, gleichzeitig sank auch das Ausmaß der Depressivität.

Die gemessene Steigerung der körperlichen Fitness bestätigt die Wirksamkeit des Ausdauertrainingsprogramms.

Diese Studie weist darauf hin, dass bei Panikpatienten bereits ein Ausdauertraining ohne spezifische Begleittherapie zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik führt. 

Das Ausdauertraining beeinflusst das autonome Nervensystem und zentrale Neurotransmittersysteme.

Das Göttinger Forscherteam befasst sich mit verschiedenen möglichen Wirkmechanismen. Vor allem wird die Frage geprüft, ob ein Ausdauertraining die Reaktionsbereitschaft zentraler serotonerger Neurone verändert und dies wiederum das psychische Befinden von Gesunden und Angstpatienten beeinflusst.

Nach der Endorphinhypothese führt ein Ausdauertraining akut zu einem Anstieg von Beta-Endorphinen im Plasma, Trainingswiederholungen bewirken eine potenzierte Ausschüttung von Beta-Endorphinen.

Die häufige Annahme, dass der Anstieg an Endorphinen zu einer Stimmungsverbesserung führt, ließ sich bislang durch Korrelationsstudien nicht empirisch bestätigen.

Psychische Zustandsverbesserungen scheinen daher beim gegenwärtigen Wissensstand nicht durch die Ausschüttung von Endorphinen aus der Adenohypophyse erklärbar zu sein, vor allem auch deshalb nicht, weil das Protein Beta-Endorphin die Blut-Hirn-Schranke nicht überschreiten kann.

Nach der Serotoninhypothese führt eine intensive motorische Aktivität zu einem erhöhten Umsatz von Serotonin.

Möglicherweise kommt es dadurch nach einiger Zeit zu einer adaptiven Rezeptor-Downregulation in einer Weise, wie dies dem postulierten Wirkmechanismus von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern entspricht.

Ausdauertraining aktiviert auch das Noradrenalin- und Dopaminsystem. Bei Depressiven wurde nach einem körperlichen Training eine erhöhte Zahl von Noradrenalin- und Serotoninmetaboliten im Liquor cerebrospinalis gefunden.

Nach zahlreichen Untersuchungen weisen Angstpatienten eine reduzierte Belastbarkeit des Herz-Kreislauf-Systems und der Atmung auf:

Die verminderte kardiopulmonale Leistungsfähigkeit stellt nach Auffassung des Göttinger Forscherteams eine pathogenetisch wirkende Komponente innerhalb eines multifaktoriellen Modells zur Genese der Panikstörung dar.

Stress in Verbindung mit Bewegungsmangel und einer entsprechenden biologischen Disposition führt zu einem erhöhten Sympathikotonus und infolgedessen zu einer vegetativen Übererregbarkeit.

Die Wahrnehmung von Kreislaufsymptomen (diffuser Schwindel, Ohnmachtsgefühl, Herzrasen) und deren Bewertung als gefährlich führt zu Herzangst, Hyperventilation und Panikattacken.

In weiterer Folge kommt es zu ausgeprägtem Vermeidungsverhalten, psychosozialem Rückzug und vollständigem Verzicht auf sportliche Betätigung, auch wenn diese früher oft einen wichtigen Teil des Lebens darstellte.

Der Mangel an Bewegung und körperlicher Fitness verstärkt den Teufelskreis der Angst.

Bei Ausdauertrainierten wurden im Vergleich zu anderen Personen folgende positive Effekte hinsichtlich der körperlichen Fitness festgestellt:

Ein Teil der Angstpatienten weist eine erhöhte Laktatsensitivität auf, wie bei experimentellen Panikstudien festgestellt wurde.

Bei Laktatinfusionen wird oft geklagt über Parästhesien (Körpermissempfindungen), Zittern, Schwindel, starkes Herzklopfen, Kälte, Nervosität und Atemnot.

Dieser Umstand könnte auch für das Vermeidungsverhalten verschiedener Panikpatienten gegenüber sportlicher Betätigung bedeutsam sein.

Ein Ausdauertraining reduziert bei Angstpatienten die vegetative Erregbarkeit, führt zu einer gesunden Abhärtung des Körpers, stellt eine aktive Bewältigungsstrategie angesichts von unvermeidlichen Härten des Lebens dar und verbessert das allgemeine körperliche Befinden und Selbstbewusstsein.

Körperliche Betätigung führt zu einer sofortigen Unterbrechung des ängstlichen und/oder depressiven Grübelns, weil durch die Konzentration auf die Umwelt, in der die Ausdauersportart ausgeführt wird, eine sofortige Aufmerksamkeitsumlenkung erfolgt, z.B. Konzentration auf die Natur beim Laufen oder Radfahren, Kontakt mit anderen Menschen im Schwimmbad oder während des Schiurlaubs.

Ein Ausdauertraining stellt für viele Agoraphobiepatienten mit und ohne Panikstörung bereits eine Art Konfrontationstherapie dar, so dass sportliche Betätigung in ein verhaltenstherapeutisch orientiertes Angstbehandlungsprogramm leicht und gut integrierbar ist.

Gleichzeitig führt vermehrte körperliche Aktivität zu der oft gewünschten körperlichen Entspannung, ohne dass zu diesem Zweck Medikamente (vor allem zum Schlafen) eingenommen werden müssen, wie dies ansonsten häufig der Fall ist.

Die alleinige Anwendung eines Ausdauertrainings ohne weitere Behandlungskomponenten kann nach neuesten Befunden bei bestimmten Panikpatienten mit und ohne Agoraphobie bereits eine ausreichende Besserung bewirken.

Die Erfahrungen des Göttinger Forscherteams zeigen jedoch auch, dass Angstpatienten eine entsprechende Information, Motivation und Handlungsanleitung benötigen, um in dieser Weise aktiv zu werden.

Die gutgemeinten Ratschläge, sich etwas mehr zu bewegen und in die frische Luft zu gehen, weil dies gesund sei, bleiben in der Regel so lange wirkungslos, als sie nicht in ein konkretes Erklärungsmodell zur Wirksamkeit bei Angststörungen eingebettet werden.