Dr. Hans Morschitzky
Klinischer und Gesundheitspsychologe
Psychotherapeut
Verhaltenstherapie und Systemische Familientherapie
A-4040 Linz, Hauptstraße 77
Tel.: 0043 732 778601 E-Mail: morschitzky@aon.at
Telefonische Anmeldung täglich 17:00 - 17:30 (ansonsten Anrufbeantworter)
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Psychopharmaka: Medikamente bei psychischen Störungen
Als Klinischer Psychologe und Psychotherapeut bin ich für Psychopharmaka bei Angststörungen nicht zuständig, ich möchte jedoch im Folgenden meine Patientinnen und Patienten sowie alle anderen Interessierten über diese Thematik umfassend informieren durch zahlreiche Links zu Artikeln von ausgewiesenen Experten sowie zu sonstigen hilfreichen Informationen im Internet.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin kein Psychopharmaka-Gegner, sondern habe aufgrund meiner 31-jährigen Tätigkeit in der Nervenklinik in Linz laufend die Wirksamkeit von Antidepressiva bei Menschen mit Angststörungen und Depressionen erlebt, und zwar in dem Sinn, dass sie die Betroffenen handlungsfähiger und psychotherapiefähiger gemacht haben.
Ich bin allerdings der Meinung, die praktisch alle psychiatrischen Wissenschaftler teilen, dass sich so komplexe psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen nicht durch einen Mangel an Serotonin und/oder Noradrenalin im Gehirn erklären lassen, auch wenn sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) in verschiedenen Fällen hilfreich sind.
Der Nachweis, dass Antidepressiva zumindest bei schweren Depressionen wirksam sind (bei leichten und mittelschweren depressiven Episoden sind Placebos dagegen gleich wirksam), erklärt noch nicht, wie sie wirken und was die wahren Ursachen von Angststörungen und Depressionen sind.
Ich halte es mittlerweile für gesicherten Wissen, dass die Serotonin-Mangel-Hypothese als monokausale Ursache für Angststörungen und Depressionen falsch ist. Der Serotonin-Stoffwechsel mag zwar im Gehirn vieler Menschen mit Angststörungen und Depressionen gestört sein, dies ist jedoch nicht die Ursache, sondern nur eine Begleiterscheinung der jeweiligen psychischen Störung.
Umfangreiche, von mir erstellte Informationen über Antidepressiva: HIER
Die wichtigsten Psychopharmaka im Überblick
PowerPoint-Präsentation aus der Charité in Berlin
Buch Neue Antidepressiva. Atypische Neuroleptika
Bestes Buch: Antidepressiva: Wie man sie richtig anwendet und wer sie nicht nehmen sollte
Buch: Psychopharmaka: Leitfaden für Psychologen und Psychotherapeuten
Buch: Psychopharmaka: Ratgeber für Patienten und Angehörige
Informationen zum Einsatz von Antidepressiva bei Angststörungen und Depressionen
Leitlinien Behandlung von Angststörungen - Langfassung
Empfehlungen österreichischer Experten bei GAS
Leitlinien Unipolare Depression - Langfassung
Leitlinien Unipolare Depression - Kurzfassung
Patientenleitlinien - Behandlung von Unipolaren Depressionen
Kritik an der unkritischen Antidepressiva-Verschreibung
Artikel von Prof. Kirsch zum Placeboeffekt bei Antidepressiva
Dazugehöriger Deutschlandfunk-Bericht - 2.4.2017
Serotonin-Hypothese der Depression ist falsch!
Spektrum: Die Mär vom Glückshormon
Deutschlandfunkkultur - 2.2.2019
Artikel in Zeitmagazin Nr. 25/2016
ipg-magazin: Interview mit Prof. Bschor
scilogs-spektrum-de: Interview mit Dr. Hengartner
Prof. Dr. Müller-Oerlinghausen zu Antidepressiva
Buch: Unglück auf Rezept. Die Antidepressiva-Lüge und Ihre Folgen
Buch: Tödliche Psychopharmaka und organisiertes Leiden
Buch: Neue Antidepressiva. Atypische Neuroleptika
Kritik am Antidepressiva-Einsatz auf Englisch
Buch: Psychiatric Drugs Explained
Buch: The Emperor's New Drugs: Exploding the Antidepressan Myth
Zur
Antwort des Psychiaters Prof. Dr. Gerhard Gründer zur Frage:
"Hier muss man leider kritisch sagen, dass wir seit etwa der Jahrtausendwende einen Mangel an neuen Medikamenten haben. Wir sprechen von der Krise der Psychopharmakologie.
Die neueren Antidepressiva, die selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer, die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahmehemmer sind Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre auf den Markt gekommen.
Die sogenannten atypischen Antipsychotika sind in den 90er Jahren ganz überwiegend auf den Markt gekommen und nach dem Jahr 2000 hat es wenig wirkliche Innovationen gegeben.
Man kann von schrittweisen, kleinen Verbesserungen sprechen, von der Erweiterung des Arzneimittelschatzes, aber dass wir wirklich innovative Wirkmechanismen neu entdeckt hätten, das ist leider nicht der Fall.
Wir stehen im Moment wo der Situation, dass wir einen Mangel an neuen Arzneimitteln haben und darunter leiden nicht nur Therapeuten, sondern auch Patienten, denn viele unserer Patienten können wir nach wie vor nicht in dem Ausmaße helfen, weder durch psychotherapeutische noch durch pharmakologische Maßnahmen, wie wir uns das wünschen."
Mein Kommentar dazu, der durch das Video von Prof. Gründer ausführlich begründet wird:
Die großen Pharmafirmen haben es in den letzten zwei Jahrzehnten aufgegeben, Unsummen von Geld in die Entwicklung völlig neuer Medikamente zur Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen zu stecken, un dzwar au szwei Gründen:
Bei der Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Menschen mit körperlichen Krankheiten wie Krebserkrankungen ist viel mehr Profit zu erwarten als bei Psychopharmaka.
Es ist bilang nicht gelungen, Psychopharmaka zu entwickeln, die besser wirken als jene vor 40 Jahren. Neuere Antidepressiva, die ohneschon zumeist schon 25-30 Jahre auf dem Markt sind wie die SSRI, sind laut einer großen neuen Studie nicht besser, sondern bloß nur nebenwirkungsärmer.
Im Bereich der Onkologie werden viel mehr Mittel entwickelt und dann auch zu einem höheren Preis zugelassen als in den Bereichen Psychiatrie und Neurologie.
Das ist die Wahrheit trotz der intensiven Werbung der Pharmafirmen: Es ist bislang nicht gelungen, wesentlich bessere Psychopharmaka zur Behandlung von Angststörungen und Depressionen zu entwickeln als in der Vergangenheit.
Es ist einfach nicht wahr, dass so komplexe psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen auf einem reinen Mangel an Serotonin bzw. Noradrenalin beruhen.
Daher wirken die vorhandenen Mittel bei vielen psychisch kranken Menschen entweder überhaupt nicht oder nur unzureichend. Die sogenannte Serotonin-Hypothese bei Angststörungen und Depressionen wird von immer mehr Fachleuten infrage gestellt, was allgemeinverständlich von Dr. Ansarin allgemeinverständlich zusammengefasst wird.
In zahlreichen Medikamentenstudien wirkte das Placebo-Mittel nur geringfügig besser als das neue Mittel, oft zeigte sich in der Placebo-Gruppe mindestens bei der Hälfte der Betroffenen eine ähnliche Wirkung wie beim neuen Antidepressivum.
Der größte Kritiker der unkritischen Anwendung von Antidepressiva ist der amerikanische Psychologie-Professor Irving Kirsch, der seine Thesen durch mehrere Studien belegt hat. Andipressiva seien nur bei schweren, nicht anders behandelbaren Depressionen zumindest etwas hilfreich, bei leichter und mittelgradiger depressiver Episode seien Placebos und andere Methoden genauso wirksam.
Dazu kommt die kostensparende Strategie der Gesundheitsbehörden in Deutschland (entscheidendes Nutzenbewertungsdossier beim Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA), die es für Pharmafirmen uninteressant macht, neue Präparate zur Behandlung von Angststörungen und Depressionen auf den Markt zu bringen, solange diese wiederum nicht anderes sind als nur Mittel, die einen ganz bestimmten Botenstoff im Gehirn beeinflussen sollen, der angeblich die monokausale Ursache einer bestimmten psychischen Störung sei.
Die Pharmafirmen werden vor der Markteinführung eines Mittels gezwungen nachzuweisen, dass das neue Mittel besser ist als frühere vergleichbare Mittel, um einen höheren Preis rechtfertigen zu können, der die immensen Forschungskosten im Laufe der Zeit wieder einspielen würde. Die Präparate müssen entweder zumindest etwas oder sogar viel besser sein als bisher verordnete Mittel. Das gilt übrigens auch für Präpate außerhalb der Psychiatrie.
Sobald nur eine Gleichwertigkeit nachweisbar ist, wird das Präparat nur zum Preis von Generika zugelassen, was Pharmafirmen dazu veranlasst, das Präparat in Deutschland gar nicht auf den Markt zu bringen, weil das Mittel dann bald auch in anderen Ländern zu einem ähnlich niedrigen Preis verkauft werden müsste.
Erstaunlicherweise gilt laut einer neuen Meta-Studie als wirksamstes Antidepressivum zur Behandlung von Depression nach wie vor ein tryzyklisches, das heißt bereits sehr altes Mittel, das bereits 1962 auf den Markt gekommen ist, nämlich die Substanz Amitriptylin (Markenpräparate Saroten und Tryptizol sowie verschiedene Generarika).
Amitriptylin, das früher auch viele Menschen mit Angst- und Schlafstörungen erhalten haben, wird nur wegen der größeren Nebenwirkungen nicht mehr so oft verschrieben wie früher, und zwar zugunsten von Substanzen, die zwar nebenwirkungsärmer, aber grundsätzlich nicht besser sind.
Das hat die bereits erwähnte neue Studie eindeutig bestätigt: Neben Amitriptylin waren die Substanzen Agomelatin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin in der Depressionbehandlung wirksamer als Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon.
Die Substanz Fluoxetin ist übrigens bekannt als das Markenpräparat Fluctin (in Österreich: Fluctine), das bereits in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre als erstes SSRI in den USA unter dem Namen Prozac auf den Markt gekommen ist. Es ist kein Mittel, das bei Angststörungen als Mittel der ersen Wahl verschrieben werden sollte.
Argomelatin (Markenpräparat Valdoxan) ist kein Mittel zur Behandung von Angststörungen, sondern von Depressionen. Vortioxetin (Markenpräparat Brintellix) wurde bereits 2016 von der Herstellung wegen fehlendem Zusatznutzen laut deutschen Gesundheitsbehörden wieder vom Markt genommen.
Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin (Markenpräpart Seroxat) und der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederuafnahmehemmer Venlafaxin (Markenpräparat Efectin) werden von vielen Menschen mit Angststörungen wegen vermehrter Nebenwirkungen (vor allem anhaltende innere Unruhe) nicht so gut vertragen wie Escitalopram.
Die erwähnte Studie stellt einen Beleg dafür dar, dass bei Angststörungen als erstes Mittel der Wahl die Substanz Escitalopram (Markenpräparat) auch zukünftig immer häufiger verschrieben werden wird, bei der seit einigen Jahren ebenfalls der Patentschutz ausgelaufen ist, weil es nunmehr auch schon über 20 Jahre lang auf dem Markt ist.
In der Krise der Psychopharmakotherapie liegen zukünftig die erhöhten Chancen der Psychotherapie, die sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte viel innovativer entwickelt hat als die Psychopharmakotherapie.
Menschen mit Angststörungen wurden in der Vergangenheit mit zwei Gruppen von Medikamenten behandelt:
Tranquilizer zur Kurzeitbehandlung und Bedarfsverordnung, vor allem bei Panikattacken
Antidepressiva zur Langzeitbehandlung: mindestens sechs Monate regelmäßige Einnahme
Die Krise der Psychopharkotherapie zeigt sich vor allem in dem Umstand, dass Menschen mit Angststörungen, die mit Tranquilizern und Antidepressiva nicht ausreichend behandelbar sind, zunehmend Präparate aus drei anderen Medikamentengruppen erhalten, die eindeutig für Menschen mit anderen Krankheiten entwickelt wurden:
Sogenannte atypische Neuroleptika. In hoher Dosis für Menschen mit Schizophrenie entwickelt, werden sie in zunehmendem Ausmaß in niedriger Dosis bei Menschen mit Angst- und Zwangsstörungen eingesetzt (sogenannte "Neurolept-Anxiolyse" bzw. Einsatz zur gedanklichen Distanzierung von emotional aufwühlenden Inhalten, wie dies auch das Ziel bei paranoiden Gedanken ist), vor allem das Markenpräparat Seroquel (Generika Quetiapin und Quetialan).
Antiepilektika. Für Menschen mit Epilepsie entwickelt, werden Antikonvulsiva aufgrund ihrer emotional stabilisierenden Wirkung derzeit vor allem bei Menschen mit Generalisierter Angststörung eingesetzt, insbesondere das Markenpräparat Lyrica (Generikon Pragabalin).
Antihistaminika. Wegen der dämpfenden Wirkung werden zur Absenkung der emotionalen Erregung und des Angstniveaus bei gleichzeitiger Vermeidung von Abhängigkeitseffekten vor allem Mittel wie Atarax und Vistaril eingesetzt, die eigentlich zru Behandlung von Juckreiz und bestimmten Hautkrankheiten entwickelt wurden. Trotz des oft unbedenklichen Einsatzes, abgesehen von der doch deutlich höheren unerwünschten Dämpfung als bei einem Tranquilizer, erfolgt hier für bestimmte Fällen eine wichtige Sicherheitswarnung. Demnach sollte nur die niedrigstmögliche Dosis eingesetzt werden, nämlich 25 mg, zu Beginn zur Austestung vorerst nur eine halbe Tablette, d.h. 12,5 mg.
Beta-Blocker. Zur Beeinflussung einer starken vegetativen Symptomatik (Herzrasen oder -stolpern, Zittern etc) werden manchmal Beta-Blocker eingesetzt. Sie zeigen jedoch keine Wirkung auf Angst oder Panik.
Derzeit erfolgt weltweit eine intensive Suche nach neuen Medikamenten zur Behandlung von Angststörungen und Depressionen. SSRI werden in Zukunft aufgrund des Zusammenbruchs der Serotonin-Hypothese als Urache für Angststörungen und Depressionen nicht mehr jene Bedeutung haben wie jetzt, weshalb andere andere Psychopharmaka entwickelt werden müssen.