Dr. Hans Morschitzky

Klinischer und Gesundheitspsychologe

Psychotherapeut

Verhaltenstherapie und Systemische Familientherapie

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Persönlichkeitsstörungen nach dem ICD10

Persönlichkeitsstörungen sind eine schwere Störungen der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens, die mehrere Bereiche der Persönlichkeit betreffen. Sie gehen meist mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Persönlichkeitsstörungen umfassen tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen. Dabei findet man bei Personen mit Persönlichkeitsstörungen gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen. Solche Verhaltensmuster sind meistens stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche von Verhalten und psychischen Funktionen. Häufig gehen sie mit persönlichem Leiden und gestörter sozialer Funktions- und Leistungsfähigkeit einher.

Persönlichkeitsstörungen unterscheiden sich von Persönlichkeitsänderungen durch den Zeitpunkt und die Art und Weise ihres Auftretens. Sie beginnen in der Kindheit oder Adoleszenz und dauern bis ins Erwachsenenalter an, wo sie sich erst endgültig manifestieren. Daher ist die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor dem Alter von 16-17 Jahren unangemessen.

Persönlichkeitsstörungen beruhen nicht auf einer anderen psychischen Störung oder einer Hirnerkrankung, obwohl sie anderen Störungen voraus- und mit ihnen einhergehen können. Persönlichkeitsänderungen dagegen werden im Erwachsenenalter erworben, in Folge schwerer oder anhaltender Belastungen, extremer, umweltbedingter Deprivation, schwerwiegenden psychiatrischen Störungen und Hirnerkrankungen/-verletzungen.

Sie werden nach den vorherrschenden Verhaltensweisen klassifiziert. Gegenwärtig kann diese Klassifikation aber über eine Beschreibung von Typen und Untertypen, die sich gegenseitig nicht vollständig ausschließen und in einigen ihrer Merkmale überschneiden, nicht hinausgehen. Persönlichkeitsstörungen werden somit anhand von Merkmalsgruppen, die den häufigsten oder auffälligsten Verhaltensmustern entsprechen, unterteilt. Die so beschriebenen Subtypen werden als Hauptformen der Persönlichkeitsabweichungen angesehen.

 

Das internationale Diagnoseschema ICD-10 nennt folgende Persönlichkeitsstörungen:

1.   Paranoide Persönlichkeitsstörung

2.   Schizoide Persönlichkeitsstörung

3.   Dissoziale Persönlichkeitsstörung

4.   Emotional instabile Persönlichkeitsstörung: impulsiver Typus + Borderline Typus

5.   Histrionische Persönlichkeitsstörung

6.   Anankastische Persönlichkeitsstörung

7.   Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung

8.   Abhängige Persönlichkeitsstörung

9.   Sonstige näher bezeichnete Persönlichkeitsstörungen: z.B. narzisstische Persönlichkeitsstörungen

 

Jede Persönlichkeitsstörung besteht aus allgemeinen und speziellen Diagnosekriterien. Die allgemeinen Kriterien gelten für alle Persönlichkeitsstörungen, die besonderen Kriterien beschreiben die verschiedenen spezifischen Persönlichkeitsstörungen:

Nach den klinisch-diagnostischen Leitlinien des ICD-10 sind einige der folgenden allgemeine Merkmale zur Diagnostik einer Persönlichkeitsstörung erforderlich:

·   Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen.

·   Das auffällige Verhaltensmuster ist andauernd und gleichförmig und nicht auf Episoden psychischer Krankheiten begrenzt.

·   Das auffällige Verhaltensmuster ist tief greifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend.

·   Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren sich auf Dauer im Erwachsenenalter.

·   Die Störung führt zu deutlichem subjektiven Leiden, manchmal jedoch erst im späteren Verlauf.

·   Die Störung ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden.

·   Für die Diagnose der meisten Untergruppen müssen mindestens drei der jeweils genannten Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen.

·   In unterschiedlichen Kulturen müssen unter Umständen besondere Kriterien in Hinsicht auf soziale Normen, Regeln und Verpflichtungen entwickelt werden.

 

Nach den präziser gefassten Forschungskriterien des ICD-10 sind folgende allgemeine Merkmale  zur Diagnostik einer Persönlichkeitsstörung erforderlich:

G1. Die charakteristischen und dauerhaften inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster der Betroffenen weichen insgesamt deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben ("Normen") ab. Diese Abweichung äußert sich in mehr als einem der folgenden Bereiche:

  1. Kognition (d.h. Wahrnehmung und Interpretation von Dingen, Menschen und Ereignissen; Einstellungen und Vorstellungen von sich und anderen);

  2. Affektivität (Variationsbreite, Intensität und Angemessenheit der emotionalen Ansprechbarkeit und Reaktion);

  3. Impulskontrolle und Bedürfnisbefriedigung;

  4. Zwischenmenschliche Beziehungen und die Art des Umganges mit ihnen.

G2. Die Abweichung ist so ausgeprägt, dass das daraus resultierende Verhalten in vielen persönlichen und sozialen Situationen unflexibel, unangepasst oder auch auf andere Weise unzweckmäßig ist (nicht begrenzt auf einen speziellen auslösenden Stimulus oder eine bestimmte Situation).

G3. Persönlicher Leidensdruck, nachteiliger Einfluss auf die soziale Umwelt oder beides, deutlich dem unter G2. beschriebenen Verhalten zuzuschreiben.

G4. Nachweis, dass die Abweichung stabil, von langer Dauer ist und im späten Kindesalter oder der Adoleszenz begonnen hat.

G5. Die Abweichung kann nicht durch das Vorliegen oder die Folge einer anderen psychischen Störung des Erwachsenenalters erklärt werden. Es können aber episodische oder chronische Zustandsbilder der Kapitel F00 F59 und F70 – F79 neben dieser Störung existieren oder sie überlagern.

G6. Eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutliche Funktionsstörung des Gehirns müssen als mögliche Ursache für die Abweichung ausgeschlossen werden (falls eine solche Verursachung nachweisbar ist, soll die Kategorie F07.- verwendet werden).

 

F60.0  Paranoide Persönlichkeitsstörung

Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:

  1. übertriebene Empfindlichkeit auf Rückschläge und Zurücksetzungen;

  2. Neigung, dauerhaft Groll zu hegen, d.h. Beleidigungen, Verletzungen, oder Missachtungen werden nicht vergeben;

  3. Misstrauen und eine anhaltende Tendenz, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missdeutet werden;

  4. Streitbarkeit und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen auf eigenen Rechten;

  5. häufiges ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue des Ehe- oder Sexualpartners;

  6. ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker Überheblichkeit;

  7. häufige Beschäftigung mit unbegründeten Gedanken an Verschwörungen als Erklärungen für Ereignisse in der näheren oder weiteren Umgebung.

 

F60.1  Schizoide Persönlichkeitsstörung

Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:

  1. wenn überhaupt, dann bereiten nur wenige Tätigkeiten Freude;

  2. zeigt emotionale Kühle, Distanziertheit oder einen abgeflachten Affekt;

  3. reduzierte Fähigkeit, warme, zärtliche Gefühle für andere, oder Ärger auszudrücken;

  4. erscheint gleichgültig gegenüber Lob oder Kritik von anderen;

  5. wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einem anderen Menschen (unter Berücksichtigung des Alters);

  6. fast immer Bevorzugung von Aktivitäten, die alleine durchzuführen sind;

  7. übermäßige Inanspruchnahme durch Phantasien und Introvertiertheit;

  8. hat keine oder wünscht keine engen Freunde oder vertrauensvollen Beziehungen (oder höchstens eine);

  9. deutlich mangelhaftes Gespür für geltende soziale Normen und Konventionen. Wenn sie nicht befolgt werden, geschieht das unabsichtlich.

 

F60.2  Dissoziale Persönlichkeitsstörung

Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:

  1. herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer;

  2. deutliche und andauernde verantwortungslose Haltung und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen;

  3. Unfähigkeit zur Aufrechterhaltung dauerhafter Beziehungen, obwohl keine Schwierigkeit besteht, sie einzugehen;

  4. sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives einschließlich gewalttätiges Verhalten;

  5. fehlendes Schuldbewusstsein oder Unfähigkeit, aus negativer Erfahrung, insbesondere Bestrafung, zu lernen;

  6. deutliche Neigung, andere zu beschuldigen oder plausible Rationalisierungen anzubieten für das Verhalten, durch welches die Betreffenden in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten sind.

 

F60.30  Emotional instabile Persönlichkeitsstörung - Impulsiver Typus

Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung umfasst zwei Typen: impulsiver Typus (F60.30) und Borderline Typus (F60.31).

Die wesentlichen Charakterzüge des impulsiven Typus sind emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle. Ausbrüche von gewalttätigem und bedrohlichem Verhalten sind häufig, vor allem bei Kritik durch andere.

Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen, darunter 2.:

  1. deutliche Tendenz unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln;

  2. deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden;

  3. Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens;

  4. Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden;

  5. unbeständige und unberechenbare Stimmung.

 

F60.31  Emotional instabile Persönlichkeitsstörung - Borderline Typus

Mindestens drei der fünf eben erwähnten Kriterien des impulsiven Typus müssen vorliegen und zusätzlich mindestens zwei der folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen:

  1. Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und "inneren Präferenzen" (einschließlich sexueller);

  2. Neigung sich in intensive aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen;

  3. übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden;

  4. wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung;

  5. anhaltende Gefühle von Leere.

 

F60.4  Histrionische Persönlichkeitsstörung

Es müssen mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen:

  1. dramatische Selbstdarstellung, theatralisches Auftreten oder übertriebener Ausdruck von Gefühlen;

  2. Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere oder durch Ereignisse (Umstände);

  3. oberflächliche, labile Affekte;

  4. ständige Suche nach aufregenden Erlebnissen und Aktivitäten, in denen die Betreffenden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen;

  5. unangemessen verführerisch in Erscheinung und Verhalten;

  6. übermäßige Beschäftigung damit, äußerlich attraktiv zu erscheinen.

Egozentrik, Selbstbezogenheit, dauerndes Verlangen nach Anerkennung, fehlende Bezugnahme auf andere, leichte Verletzbarkeit der Gefühle und andauerndes manipulatives Verhalten vervollständigen das klinische Bild, sind aber für die Diagnose nicht erforderlich.

 

 F60.5  Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:

  1. Gefühle von starkem Zweifel und übermäßiger Vorsicht.

  2. ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnungen, Organisation oder Plänen.

  3. Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert.

  4. übermäßige Gewissenhaftigkeit und Skrupelhaftigkeit.

  5. unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung bis zum Verzicht auf Vergnügen und zwischenmenschliche Beziehungen.

  6. übertriebene Pedanterie und Befolgung sozialer Konventionen.

  7. Rigidität und Eigensinn.

  8. unbegründetes Bestehen darauf, dass andere sich exakt den eigenen Gewohnheiten unterordnen oder unbegründete Abneigung dagegen, andere etwas machen zu lassen.

 

F60.6  Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (auch selbstunsichere Persönlichkeitsstörung genannt)

Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:

  1. andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgtheit;

  2. Überzeugung, selbst sozial unbeholfen, unattraktiv oder minderwertig im Vergleich mit anderen zu sein;

  3. übertriebene Sorge, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden;

  4. persönliche Kontakte nur, wenn Sicherheit besteht, gemocht zu werden;

  5. eingeschränkter Lebensstil wegen des Bedürfnisses nach körperlicher Sicherheit;

  6. Vermeidung beruflicher oder sozialer Aktivitäten, die intensiven zwischenmenschlichen Kontakt bedingen, aus Furcht vor Kritik, Missbilligung oder Ablehnung.

 

F60.7  Abhängige (dependente) Persönlichkeitsstörung

Es müssen mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen:

  1. Ermunterung oder Erlaubnis an andere, die meisten wichtigen Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen;

  2. Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht und unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber deren Wünschen;

  3. mangelnde Bereitschaft zur Äußerung selbst angemessener Ansprüche gegenüber Personen, von denen man abhängt;

  4. unbehagliches Gefühl, wenn die Betroffenen alleine sind, aus übertriebener Angst, nicht für sich alleine sorgen zu können;

  5. häufiges Beschäftigtsein mit der Furcht, verlassen zu werden und auf sich selber angewiesen zu sein;

  6. eingeschränkte Fähigkeit, Alltagsentscheidungen zu treffen, ohne zahlreiche Ratschläge und Bestätigungen von anderen.

Zusätzlich können sich die Betreffenden selbst hilflos, inkompetent und nicht leistungsfähig fühlen.

 

F60.8  Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Mindestens fünf der folgenden Merkmale müssen vorhanden sein::

  1. Größengefühl in Bezug auf die eigene Bedeutung (z.B. die Betroffenen übertreiben ihre Leistungen und Talente, erwarten ohne entsprechende Leistungen als bedeutend angesehen zu werden);

  2. Beschäftigung mit Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Scharfsinn, Schönheit oder idealer Liebe;

  3. Überzeugung, "besonders" und einmalig zu sein und nur von anderen besonderen Menschen oder solchen mit hohen Status (oder von entsprechenden Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen zusammen sein zu können;

  4. Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung;

  5. Anspruchshaltung; unbegründete Erwartung besonders günstiger Behandlung oder automatische Erfüllung der Erwartungen;

  6. Ausnutzung von zwischenmenschlichen Beziehungen, Vorteilsnahme gegenüber anderen, um eigene Ziele zu erreichen;

  7. Mangel an Empathie; Ablehnung, Gefühle und Bedürfnisse anderer anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren;

  8. häufiger Neid auf andere oder Überzeugung, andere seien neidisch auf die Betroffenen;

  9. arrogante, hochmütige Verhaltensweisen und Attitüden.

 

Menschen mit einer Angststörung weisen oft folgende Persönlichkeitsstörungen auf, was erklärt, warum bei diesen die ansonsten sehr erfolgreichen konfrontativen und kognitiven Interventionsstrategien nicht so rasch wirken wie bei anderen Angstpatienten: