Dr. Hans Morschitzky

Klinischer Psychologe, Psychotherapeut

Verhaltenstherapie, Systemische Familientherapie

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Klaustrophobie: Spezifische Phobie, Situativer Typ

  

Furcht vor Räumen ohne Fluchtmöglichkeit

 

Klaustrophobie besser verstehen und hilfreich analysieren

 

Die krankheitswertige Furcht vor Räumen ohne Fluchtmöglichkeit wird in der Fachwelt als Klaustrophobie bezeichnet, umgangssprachlich dagegen fälschlich Platzangst genannt, was in der Fachwelt die deutsche Bezeichnung für Agoraphobie darstellt. Richtigerweise muss man bei Klaustrophobie von einer Raumangst sprechen.

 

Weltweit wird die Angst vor der Enge und dem Nicht-Entkommen-Können in bestimmten Situationen als Spezifische Phobie, Situativer Typ, bezeichnet.

 

Es bestehen eine starke Angst und Furcht vor Aufenthalten in beengenden Räumen bzw. Situationen in der Natur, die man weder gut aushalten noch jederzeit sofort verlassen kann, wie etwa kleine Räume, Saunen jeder Art, Wärmekabinen, Sonnenbänke, Solarien, Umkleidekabinen, enge, geschlossene oder fensterlose Toiletten bzw. Badezimmer, geschlossene Duschkabinen, stockdunkle Schlafzimmer, finstere Kellerräume, enge Gänge, überfüllte Kinos, Kirchen, Wartezimmer, Theater- oder Konzertsäle, MRT-Untersuchungsräume, hoch gelegene Räume wie Cafés auf Fernsehtürmen oder unterirdische Räume wie Gänge, Katakomben oder von der Natur geformte Höhlen, vor allem auch Aufzüge, öffentliche Verkehrsmittel, Flugzeuge, U-Bahnen, Straßen- und Eisenbahntunnel.

 

Selbst eine längere enge Umarmung, eine enganliegende Kleidung, ein zugeknöpftes Hemd mit Krawatte, ein Taucheranzug, eine Schutzmaske, ein geschlossener Motorradhelm oder nur der Kopf unter Wasser können bei manchen Betroffenen schon Beklemmungsgefühle auslösen.

 

Das lateinische Wort claustrum heißt auf Deutsch Käfig, Verschluss, Schloss, Sperre oder Riegel und weist darauf hin, was die Betroffenen in den gefürchteten Situationen fürchten: Sie fühlen sich eingesperrt, und zwar sowohl in kleinen Räumen, die Beklemmungsgefühle auslösen, als auch in großen Räumen, wenn sich dort viele Menschen dicht aneinandergedrängt aufhalten und dadurch Engegefühle auftreten – Situationen in denen einem buchstäblich und im übertragenen Sinn die Luft zum Atmen fehlt.

 

Die Betroffenen haben in subjektiv beengenden Räumen und Situationen, denen sie nicht jederzeit entkommen können, die unkontrollierbare Angst und Furcht, im schlimmsten Fall zu ersticken, verrückt zu werden, zu randalieren, eine Panikattacke, panikartige Symptome oder eine Ohnmacht zu bekommen.

 

Aufgrund der massiven körperlichen und psychischen Erregung in den gefürchteten, wegen bestimmter Bedürfnisse aber dennoch aufgesuchten Situationen fühlen sich die Betroffenen im Sinne einer sogenannten emotionalen Beweisführung (irrationale Schlussfolgerung von inneren Empfindungen auf eine äußere Bedrohung) in ihren Befürchtungen bestätigt.

 

Wenn die Mitnahme oder die vorherige bzw. spätere Einnahme eines rasch wirkenden Beruhigungsmittels aus der Gruppe der Benzodiazepine Angst und Furcht reduziert, zeigt dies deutlich, welchen Einfluss die hohe psychovegetative Erregung in Angstsituationen auf die Art des Denkens ausübt: Die potenzielle Bedrohung hat sich nicht verändert, sie wird jedoch nicht mehr als emotional belastend erlebt, sodass die Aufmerksamkeit und das Denken auf andere Dinge gerichtet werden können als auf ständige Bedrohungsszenarien.

 

Menschen mit Situativen Phobien neigen angesichts gefürchteter Situationen zu Flucht und Vermeidung, wenn sie keine erfolgreiche Bewältigung erwarten, oder zu Kontroll- und Sicherheitsstrategien, wenn Entkommen nicht möglich ist oder aufgrund bestimmter Ziele gar nicht angestrebt wird. Sie haben ohne Fluchtmöglichkeit und ohne sonstige „Exit-Strategien“ das Gefühl, „in der Falle“ zu sitzen, als wären sie durch die jeweiligen Gegebenheiten eingesperrt und den konkreten Situationen hilflos ausgeliefert. Dahinter steht das Bedürfnis, jederzeit die Kontrolle über alle Umstände und Ereignisse zu haben.

 

Typische Sicherheitsverhaltensweisen sind: Einnahme bzw. Mitnahme von Beruhigungsmitteln, Alkohol oder Notfalltropfen, das Handy als Verbindung zur Umwelt, Sitzen oder Stehen beim Ausgang bzw. Fenster, Reisen mit Autos bzw. Zügen statt mit dem Flugzeug, Fahrt mit Regionalzügen statt mit Schnellzügen, Fahrt mit Bussen und Straßenbahnen statt mit U-Bahnen, Fahrt auf Bundesstraßen statt auf Autobahnen, Fahrt über Umwege statt durch Tunnels, Essen in Selbstbedienungsrestaurants statt in Gasthäusern, Einkaufen in kleinen Geschäften statt in Supermärkten, Haareschneiden durch eine Hausfriseurin und nicht im Friseursalon, Besuch von Veranstaltungen im Freien statt in geschlossenen Räumen.

 

Häufig entwickelt sich auch eine starke Abhängigkeit von Vertrauenspersonen, mit deren Hilfe es unter bestimmten Umständen möglich ist, geschlossene Räume wie Kinos, Kirchen oder Konzertsäle aufzusuchen oder bestimmte medizinische Begutachtungen wie eine MRT-Untersuchung oder Behandlungen wie beim Zahnarzt vornehmen zu lassen, weil man sich sonst ungewohnten Räumen und fremden Menschen ausgeliefert fühlt.

 

Grundsätzlich kann man in Bezug auf die Befindlichkeit der Betroffenen zwei Arten von Spezifischen Phobien des Situativen Typs unterscheiden, was Auswirkungen auf die Art der Behandlung hat: die Furcht vor der Einengung ohne Fluchtmöglichkeit bzw. vor dem Kontrollverlust in einengenden Situationen und die irrationale Furcht vor dem Ersticken in subjektiv beengenden Räumen.

 

Die Angst vor der Enge ohne Fluchtmöglichkeit

 

Eine Klaustrophobie geht in ähnlicher Weise mit einem Gefühl des situativen Kontrollverlusts einher wie die breiter definierte Agoraphobie. Personen mit einer Spezifischen Phobie des Situativen Typs zeigen viele Ähnlichkeiten mit Menschen, die eine Agoraphobie mit oder ohne Panikstörung aufweisen.

 

Bekannt ist auch: Zwei Drittel aller Patienten mit Panikstörung und Agoraphobie entwickeln starke Furchtsymptome in engen Räumen, aus denen sie nicht jederzeit fliehen können, das heißt viele Agoraphobiker sind gleichzeitig auch Klaustrophobiker.

 

Trotz starkem Fluchtreflex kommt es nicht zur subjektiv rettenden oder befreienden Flucht aus dem jeweiligen Raum – außer der Fluchtreflex ist aufgrund von „blinder Panik“ stärker als alle inneren Hemmmechanismen und äußeren Barrieren. Als Folge davon bleibt mangels Bewegung – ähnlich wie bei Panikattacken – eine massive Anspannung in der jeweiligen Situation bestehen, auch wenn diese nach außen hin nicht sichtbar wird, sodass die Betroffenen unter diesem Zustand erheblich leiden.

 

Bewegung ist für Menschen mit Klaustrophobie aufgrund der Umstände keine echte Wahlmöglichkeit, und zwar entweder weil sie sich wegen fehlender Fluchtmöglichkeit gar nicht bewegen können oder wegen einer Veranstaltung gar nicht bewegen wollen. Schließlich befinden sie sich in Räumen, in denen sie ganz bewusst sitzenbleiben möchten, wie etwa in einem Kino, Theater, Restaurant oder auch in Räumen, in denen sie stehen müssen, wie etwa in einem Aufzug oder an der Kassa im Supermarkt.

 

Bereits der Gedanke an die räumliche Beengtheit oder an die belastenden Beklemmungsgefühle kann Panikattacken oder panikähnliche Symptome auslösen, sodass viele Betroffene bald nicht mehr wissen, was sie mehr fürchten: die äußere Situation der fehlenden Fluchtmöglichkeit in einengenden Situationen oder das höchst unangenehme Gefühl der körperlichen Beklemmung.


Die Angst vor der Enge aufgrund einer Kohlendioxidsensibilität

 

Eine Klaustrophobie besteht häufig in der Angst und Furcht vor Situationen, in denen es einem buchstäblich die Luft raubt. Die Betroffenen erleben die typische Enge in der räumlichen Situation als Enge im eigenen Körper, als Beklemmungsgefühl im Brustkorb. Sie befürchten entweder einen Erstickungsanfall aufgrund von subjektiver Atemnot oder einen Herzinfarkt aufgrund eines unangenehmen Druckgefühls beim Brustbein oder eines bedrohlich erscheinenden, oft linksthorakalen Brustschmerzes.

 

Eine Subgruppe von Menschen mit Klaustrophobie mit oder ohne Panikattacken spricht rasch auf Sauerstoffmangel im Raum an. Sie weisen eine erhöhte Kohlendioxidsensibilität auf, sodass sie auf bestimmte Gegebenheiten („Luftmangel“, mangelnde Luftzirkulation) mit einem falschen Erstickungsalarm reagieren. Als Folge der erhöhten Kohlendioxidsensibilität, aber auch der erlebten Atemnot bei einer Panikattacke achten zahlreiche Menschen mit Klaustrophobie darauf, zur Sicherung der Zufuhr frischer Luft stets das Fenster im Büro sowie im Wohn- und Schlafzimmer geöffnet zu haben, oft sogar auch im Winter.

 

Die Betroffenen können aus Angst vor zu wenig Frischluft bzw. aus Angst vor geschlossenen Fenstern und Türen keinen vollbesetzten Kino-, Konzert- oder Gasthaussaal betreten. Sie verlassen in klaustrophobischen Situationen den Raum zwecks „Luftschnappen“, obwohl sie dies manchmal mit dem Besuch der Toilette oder mit dem Rauchen auf dem Gang begründen. Manchmal geben sie den Bedarf an Frischluft auch offen zu, begründen es jedoch mit einer asthmatischen Reaktionsbereitschaft.

 

Viele klaustrophobische Personen schreiben die Empfindung des beengten Brustkorbs äußeren Umständen zu, nämlich der Enge des jeweiligen Raumes, in dem man zu wenig Luft bekomme. Die räumliche Beengtheit wird als Gefangensein und im schlimmsten Fall als tödliche Falle erlebt, weil man dabei ersticken könnte, obwohl die umstehenden Menschen keinerlei sichtbare Probleme damit haben.

 

Es bringt für viele Betroffene bereits eine gewisse Erleichterung, wenn alle Fenster und Türen des Raumes geöffnet werden können oder ein Platz in der Nähe der Ausgangstür frei ist.

 

Wie lässt sich eine derartige irrationale Angst bzw. Furcht erklären, obwohl die Betroffenen vorher oder in einer ruhigen Minute wissen, dass sie in diesen Situationen, die auch andere Menschen durchstehen können, nicht ersticken können?

 

Bei Angst und Stress atmen wir instinktiv rascher als sonst, um möglichst viel Sauerstoff über die Lunge in den ganzen Körper zu bekommen, den wir für körperliche Aktivitäten wie Kämpfen, Fliehen, schwere körperliche Arbeit oder sportliche Betätigung benötigen.

 

Mangels Bewegung bleibt die Lunge mit sauerstoffreicher Luft prall gefüllt und aufgeblasen wie ein Luftballon, während sich neben der arbeitenden Muskulatur (der großen Muskeln in Armen und Beinen) und der Hals-Nacken-Muskulatur auch der Brustkorb stark anspannt, sodass sich ein Beklemmungsgefühl entwickelt, das bei Bewegung und damit verbundener spontaner Ausatmung sofort verschwinden würde.

 

Das ist das unnötigste Problem von Menschen mit Klaustrophobie: Sie entwickeln in Situationen von subjektiver Atemnot nicht selten eine „aufgesetzte“ Hyperventilation, ein hektisches Ringen um Luft ohne Bewegung, die alles noch verschlimmert. Ein Kohlendioxidanstieg im Körper führt bei jedem Menschen zu einer Intensivierung der Atmung. Eine Überatmung im Sinne einer Hyperventilation bewirkt jedoch eine gegensätzliche Stoffwechselreaktion, nämlich einen Kohlendioxidabfall durch die übermäßige Kohlendioxidausatmung (respiratorische Alkalose).

 

Es stellt sich die Frage: Haben Menschen mit Klaustrophobie wirklich eine Übersensibilität gegenüber zu viel Kohlendioxid im Raum, sodass sie zu Erstickungsängsten in kleinen und geschlossenen Räumen neigen, wie etwa in engen und überfüllten Aufzügen oder extrem engen Toiletten?

 

Die Antwort kann man aus Studien bei Menschen mit Panikattacken ableiten: Bei Kohlendioxidinhalationen reagierten viele Betroffene nur so lange panisch, als sie diese Situation als bedrohlich bewerteten, obwohl objektiv keine Gefahr bestand.

 

In Bezug auf die Orte kann man drei Grundformen der Spezifischen Phobie, Situativer Typ, unterscheiden, falls nicht bereits eine Agoraphobie im Sinne einer multiplen Situationsphobie besteht:

die Furcht vor der Beengtheit und fehlenden Fluchtmöglichkeit in engen, niedrigen, geschlossenen, überfüllten, fensterlosen und dunklen Räumen sowie vor einengenden Situationen in der Natur (z.B. Höhlen, enge und tiefe Täler),
die Furcht vor dem Eingesperrtsein in öffentlichen Verkehrsmitteln auf und unter der Erde, aber auch im eigenen Auto auf der Autobahn oder in Tunneln,
die Furcht vor der Beengtheit und dem Ausgeliefertsein in Höhensituationen, vor allem in Flugzeugen, Seilbahnen, Aufzügen, hohen Häusern und Türmen.

 

Diese drei Formen von Klaustrophobie, die nur von mir wegen der besseren Übersichtlichkeit und der Relevanz für die Behandlung so differenziert werden, werden im Folgenden näher dargestellt.

 

Klaustrophobie in Räumen auf der Erde

 

Es bestehen eine große Angst und Furcht vor Räumen, die beengend wirken, seien diese nun fensterlos, dunkel, geschlossen, niedrig, klein oder groß, mit vielen oder wenig Leuten. Die Betroffenen sind geprägt von der Unfähigkeit, kurzfristig die fehlende Fluchtmöglichkeit in bestimmten Räumen zu tolerieren. Sie vermeiden verschiedene Räume selbst dann, wenn jederzeit eine Fluchtmöglichkeit besteht, diese jedoch peinlich wäre, wie etwa im Kino, in der Kirche, in einem Restaurant oder in einem Veranstaltungssaal.

 

In diesen Fällen sind neben klaustrophobischen oft auch sozialphobische Aspekte bedeutsam für das Verhalten der Betroffenen, die durchaus wissen, dass sie jederzeit den Raum verlassen können, sich selbst aber die Flucht wegen sozialer Auffälligkeit und damit verbundener Peinlichkeit verbieten. Bereits die innere Erlaubnis, jederzeit hinausgehen zu können, wenn man es für sinnvoll oder nötig hält, vermindert den Druck, unbedingt auf Biegen und Brechen durchhalten zu müssen.

 

Klaustrophobie in Verkehrsmitteln auf und unter der Erde

 

Es bestehen eine große Angst und Furcht vor dem Eingeschlossensein in Fahrzeugen in der Ebene, in Tunneln, auf einem Berg, auf dem Wasser oder unter der Erde. Gefürchtet und vermieden werden Fahrten mit Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, Zügen und Schiffen.

 

Nicht selten wird auch das Mitfahren mit anderen Menschen in einem Privatauto vermieden, weil dadurch eine Abhängigkeit von diesen Personen gegeben wäre, aber auch ein Beklemmungsgefühl durch mehrere Menschen auf engem Raum entstehen könnte.

 

Die Angst vor der Enge drückt sich in Verkehrsmitteln neben Beklemmungsgefühlen auch in der Form aus, dass diese Orte und Situationen nicht jederzeit fluchtartig verlassen werden können. Derartige Befürchtungen nähren auch die Angst vor der Fahrt mit dem eigenen Auto oder mit Bussen auf Autobahnen, manchmal auch über Brücken, weiters auch die Angst vor Staus auf Straßen jeder Art, vor der Fahrt durch einen Tunnel, nicht selten auch bei der Durchfahrt mit Zügen, vor allem jedoch vor der Fahrt mit U-Bahnen oder anderen unterirdischen Fahrten wie in Bergwerken.

 

Die Beklemmungsgefühle in Fahrzeugen lassen sich in ähnlicher Weise erklären wie die Engegefühle in Gebäuden und Räumen ohne Fluchtmöglichkeit.

 

Bestimmte Personen mit einer Klaustrophobie in Fahrzeugen in unterirdischen Situationen haben neben Erstickungsängsten oft auch noch Befürchtungen, von der Erdmasse darüber im schlimmsten Fall erdrückt zu werden. Obwohl es sich dabei um unterirdische Situationen handelt, geht in diesen Fällen die Bedrohung von der Höhe aus – im Sinne einer Bathophobie, das heißt einer bereits beschriebenen krankheitswertigen Furcht vor der Tiefe bzw. vor einstürzenden Gebäuden und Erdformationen.

 

Bei manchen klaustrophobischen Personen besteht auf Brücken die Angst auszurasten, wenn sie mit dem Auto nicht auskönnen, panisch werden und den Wagen durch das Brückengeländer in die Tiefe lenken könnten. Dann handelt es sich um eine typische Kontrollverlustangst im Sinne einer Klaustrophobie (falls nicht bereits eine Agoraphobie besteht) und nicht um eine Höhenangst im Sinne einer Fallangst.

 

Klaustrophobie in Höhensituationen

 

Das Grundproblem von Klaustrophobie in Höhensituationen besteht in dem Umstand, dass eine Flucht ins Freie prinzipiell nicht so schnell möglich ist wie in Räumen auf der Erde. Spezifische Phobien vom Situativen Typ in Höhensituationen sind für viele Betroffene vor allem auch deswegen so belastend, weil es sich dabei oft um eine Kombination von Klaustrophobie und Höhenangst handelt.

 

Die fehlende Fluchtmöglichkeit besteht für einen längeren Zeitraum, als dies gewöhnlich bei klaustrophobischen Situationen auf der Erde der Fall ist. Gleichzeitig beschäftigen sich die Betroffenen ständig mit der Gefahr eines Absturzes und damit letztlich mit dem Tod. Die Betroffenen fühlen sich derartigen Grenzsituationen auf der Erde nicht so real ausgesetzt wie in der Höhe, obwohl die tägliche Fahrt mit dem Auto tatsächlich viel gefährlicher ist als ein längerer Flug.

 

Bei einer Flugphobie, Gondel- und Aufzugphobie als Ausdruck einer Klaustrophobie in Höhensituationen besteht oft auch eine größere Angst zu ersticken als in subjektiv beengenden Situationen auf der Erde, weil kurzfristig keine offenen Türen und Fenster zur Verfügung stehen, die die Hoffnung auf Frischluft nähren könnten.

 

Die subjektiven Erstickungsängste sind in Panoramaaufzügen und öffentlichen Verkehrsmitteln in der Ebene oft viel geringer, weil aufgrund der großen Fenster ein Blick hinaus ins Weite möglich ist, sodass der aktuelle Raum weniger beengend wirkt.

 

Aufgrund der subjektiven Ausweglosigkeit in Höhensituationen und der massiven Kontrollverlustängste in Bezug auf die Umgebung haben viele Betroffene noch stärker als in klaustrophobischen Situationen auf der Erde große Angst, verrückt zu werden, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren, zu toben oder gar Amok zu laufen.

 

Depersonalisation als Schutz vor massiver emotionaler Überflutung kann sich einstellen – was die Betroffenen mangels besseren Wissens oft als Anzeichen von Verrücktwerden interpretieren und damit ihre Ängste erst recht verstärken.

 

Fürchten Sie nach diesen Ausführungen in klaustrophobischen Situationen mehr die fehlende Fluchtmöglichkeit oder die „schlechte“ Luft mit zu viel Kohlendioxid im Raum oder beides? Welche der angeführten drei Varianten von Klaustrophobie trifft auf Sie am stärksten zu, welche am wenigsten? Falls Sie „nur“ eine Flugangst haben, habe ich für Sie ein eigenes Kapitel verfasst.

 

Haben Sie eine oder mehrere Spezifische Phobien vom Situativen Typ? Listen Sie alle Formen von Klaustrophobie auf und überprüfen Sie, ob Ihre Phobie nicht bereits die Kriterien für eine Agoraphobie als multiple Situationsphobie erfüllt. Wenn Sie bereits eine Agoraphobie entwickelt haben, bietet Ihnen mein Buch „Wenn Platzangst das Leben einengt. Agoraphobie bewältigen“ vielleicht noch mehr Verständnis für Ihre Ängste und Probleme sowie erfolgversprechende Selbstbehandlungsmöglichkeiten.

 

Welche Vermeidungsstrategien nutzen Sie, um Ihre Situative Phobie in subjektiv bedrohlichen Räumen nicht auszulösen? Welche klaustrophobischen Situationen vermeiden Sie gänzlich, in welchen neigen Sie immer wieder zur Flucht? Welche Kontroll- und Sicherheitsstrategien setzen Sie ein, um in gefürchteten Situationen, die Sie nicht vermeiden können, mit Ihrer Klaustrophobie besser zurechtzukommen?

 

Klaustrophobie erfolgreich bewältigen

 

Ändern Sie schädliche Denkmuster.

 

Finden Sie Ihre angstverstärkenden Denkmuster heraus und entwickeln Sie hilfreiche Einstellungen und Sichtweisen, wie etwa: „Nicht jederzeit wegkönnen stellt noch keine Bedrohung dar“, „Was für andere nicht gefährlich ist, stellt auch für mich keine Bedrohung dar“, „Was subjektiv bedrohlich ausschaut, muss objektiv nicht gefährlich sein“, „Der Aufenthalt in dieser klaustrophobischen Situation erfolgt selbstbestimmt und nicht fremdbestimmt, sodass keine Bedrohung der Autonomie und Freiheit gegeben ist“, „Sich auf klaustrophobische Situationen einlassen ist eine selbstgewählte Verpflichtung“, „Man sitzt an bestimmten Orten nicht in der Falle, sondern nutzt die Gelegenheit, dort etwas Schönes zu erleben“, „Sich klaustrophobischen Situationen vorübergehend ausliefern ist möglich im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten“, „In klaustrophobischen Situationen darf man andere Menschen um Hilfe bitten, wenn es einem gerade nicht gut geht.“

 

Verbessern Sie Ihre körperliche Befindlichkeit.

 

Bauen Sie die körperliche Anspannung als Folge einer Kampf-Flucht-Reaktion in Situationen ohne Flucht- und Bewegungsmöglichkeit ab.

Nutzen Sie bei längerem Sitzen verschiedene Möglichkeiten von Bewegung auf dem Stuhl oder im Raum, um Ihre Verspannung im ganzen Körper zu vermindern, vor allem auch im Schulter-Nacken-Bereich sowie in den Beinen.

 

Machen Sie kräftige bzw. rhythmische Bewegungen im Sitzen oder Stehen, atmen Sie im Moment der Bewegung von Armen und Beinen oder des ganzen Körpers aus, statt sich nur durch panische Flucht aus der Situation hinauszubewegen.

 

Gehen Sie in öffentlichen Verkehrsmitteln ein wenig auf und ab oder treten Sie beim Stehen in einem Aufzug oder in einer Schlange im Supermarkt mit beiden Beinen auf der Stelle, wie auf einem Laufband im Fitnessstudio.

 

Schwindelgefühle beim aufrechten Stehen haben in klaustrophobischen Situationen nichts mit Blutdruckabfall im Sinne einer orthostatischen Dysregulation zu tun, sondern mit einer Standunsicherheit aufgrund einer ganzkörperlichen Verspannung.

 

Das gilt auch für den typischen Schwankschwindel beim Gehen aufgrund der Verspannung in klaustrophobischen Situationen.

 

Halten Sie sich nicht an bestimmten Personen oder Objekten fest, sondern finden Sie Ihr Gleichgewicht in sich selbst.

 

Geben Sie in bestimmten Räumen Ihrem Bedürfnis nach Frischluft nach, nicht weil Sie sonst ersticken würden, sondern weil Sie sich wohler und frischer fühlen möchten, um mehr von der Veranstaltung zu haben als sonst.

 

Machen Sie ein Atemtraining als Vorbereitung auf enge Räume mit zu wenig Sauerstoff und zu viel Kohlendioxid, um eine Hyperventilation zu verhindern.

 

Nehmen Sie gefürchtete Situationen und körperliche Reaktionen achtsam wahr.

 

Beengend sind nicht klaustrophobische Situationen an sich, sondern erst Ihre Bewertung als bedrohlich. Lassen Sie Ihre Gedanken und Vorstellungen von Beengung, fehlender Fluchtmöglichkeit und hilflosem Ausgeliefertsein durchaus zu, statt immer nur positiv denken zu wollen, halten Sie sich jedoch vor Augen, dass Ihre Angst und Furcht nur durch Ihre bildhaften Vorstellungen von Gefahr und durch Ihre Bewertungen von harmlosen Situationen als akute Bedrohung entstehen, ohne reale Gefährdung in den jeweils geschlossenen Räumen.

Ihr Gedanke: „Ich kann jetzt nicht hinaus, was wäre, wenn etwas Schlimmes passieren würde?“ ist nur ein Gedanke, der mit der Realität nichts zu tun hat.

Ihre Symptome sind nur die körperlichen Reaktionen auf Ihre Bewertung der subjektiv einengenden Situationen als bedrohlich und weisen auf keine reale Gefahr hin.

Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das, was Sie tun möchten.

Nehmen Sie mit allen Sinnen wahr, was Sie in der klaustrophobischen Situation erleben können, und bleiben Sie geistig ganz im Hier und Jetzt, statt sich auf potenzielle Gefahren in der näheren oder ferneren Zukunft zu konzentrieren, die derzeit gar nicht vorhanden sind.

 

Besinnen Sie sich darauf, warum Sie die jeweilige Situation überhaupt aufgesucht haben, und stärken Sie auf diese Weise Ihre Motivation zum Durchhalten.

 

Bei Angst entwickelt sich ein “Tunnelblick”, eine Einengung auf mögliche Bedrohungen in der Ferne, sodass der Blick weit vorausschweift, um Gefahren rechtzeitig erkennen zu können.

 

Richten Sie ohne reale Gefahr Ihren Blick auf die nähere Umgebung und beobachten Sie, was um Sie herum gerade vorgeht.

 

Konzentrieren Sie sich bei Tunnelfahrten nicht auf den Tunnelausgang, das heißt auf das weit entfernte Licht am Ende des Tunnels, sondern bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit im Sichtbereich rund um das Auto.

 

Durch die Fixierung auf nahe Punkte verhindern Sie auch die häufig auftretenden Schwindelgefühle.

 

Verhalten Sie sich wie Extremsportler oder Bergsteiger, die um die Gefahren für Leib und Leben wissen, sich aber voll und ganz darauf konzentrieren, was es im Moment zu tun gibt.

 

Lernen Sie vom Vorbild anderer Menschen.

 

Begeben Sie sich anfangs zusammen mit Vertrauenspersonen in klaustrophobische Situationen und ahmen Sie deren Verhalten nach.

 

Beobachten Sie andere Menschen in geschlossenen, engen, überfüllten oder hochgelegenen Räumen sowie in Verkehrsmitteln auf und unter der Erde, die denselben Umständen und Bedingungen wie Sie ausgesetzt sind.

 

Was erleichtert es anderen Personen, dieselbe Situation besser als Sie auszuhalten? Welche Empfehlungen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen für Ihr Verhalten in klaustrophobischen Situationen?

 

Sie werden immer wieder dieselbe Erkenntnis gewinnen: Die anderen Menschen akzeptieren die jeweilige Situation, wie sie gerade ist, ohne sich in Fluchtposition zu begeben, weil keine reale Gefahr besteht, und werden erst dann aktiv, wenn tatsächlich eine reale Gefahr droht.

 

Nehmen Sie Kontakt mit einigen Personen der unmittelbaren Umgebung auf, weniger um im Bedarfsfall jemanden zu haben, der sich um Sie kümmert, sondern vor allem deshalb, weil Sie durch Sprechen Ihre Anspannung abbauen und durch den sozialen Kontakt etwas mehr Vertrauen und Wohlbefinden in einer Situation erreichen, in der Sie sich unbehaglich fühlen.


Coachen Sie sich durch wirksame Selbstanweisungen.

 

Stärken Sie Ihren Selbstwirksamkeitsglauben durch hilfreiche Selbstgespräche, wie etwa: „Ich sitze nicht gerne in der Falle, kann es aber ertragen, wenn ich dadurch etwas erreichen und erleben kann, was sonst unmöglich wäre“, „Ich akzeptiere meine Angst und Furcht und stelle mich voll Mut und Selbstvertrauen dieser Situation, weil sie eine große Chance darstellt, neue und persönlich bedeutsame Erfahrungen zu machen“, „Ich habe Angst vor Kontrollverlust, ich konzentriere mich jedoch ganz auf das, was mir im Moment gerade wichtig ist“, „Ich bin bereit, mich auf andere zu verlassen, wenn ich mit der Situation allein nicht zurechtkommen sollte.“

 

Bereiten Sie sich auf gefürchtete Situationen mental vor.

 

Spielen Sie die Konfrontation mit gefürchteten Orten und Situationen möglichst wirklichkeitsnah durch, vor allem auch jene Umstände, die Sie am meisten fürchten, um konkrete Bewältigungsstrategien entwickeln zu können.

 

Sehen Sie sich wie in einem Videofilm erfolgreich handeln und versetzen Sie sich dann so in die Situation, als wären Sie gerade live mitten drin. Suchen Sie bestimmte gefürchtete Situationen erst dann auf, wenn Sie mental damit zurechtkommen.

 

Konfrontieren Sie sich schrittweise mit allen gefürchteten Situationen.

 

Nutzen Sie die allgemeinen Anleitungen zur Konfrontationstherapie in unterschiedlichen Varianten und übertragen Sie die Behandlungsprinzipien auf Ihre situationsspezifische Phobie.

Suchen Sie bei Klaustrophobie in Räumen auf der Erde ganz bewusst enge, geschlossene, überhitzte oder überfüllte Räume mit mangelnder Frischluftzufuhr auf, um Ihren Körper sukzessive daran zu gewöhnen, wie etwa enge Aufzüge mit mehreren Personen, Kinos, Konzertsäle, Saunaräume oder Supermärkte.

Stellen Sie dabei das in den Vordergrund, was Sie in diesen Situationen unbedingt erleben wollen, statt das, was Sie um jeden Preis vermeiden möchten, nämlich körperliches Unwohlsein.

Wählen Sie zusammen mit einer Vertrauensperson Ereignisse aus, an denen Sie großes Interesse haben, unabhängig von den konkreten Umständen, wie etwa interessante Musikbands, Opern, Musicals bzw. Operetten oder spannende Sportveranstaltungen.

 

Gehen Sie bei Klaustrophobie in öffentlichen Verkehrsmitteln folgendermaßen vor:

Sitzen bzw. stehen Sie zuerst zusammen mit einer Vertrauensperson nebeneinander, halten Sie sich danach in einiger Entfernung voneinander auf, fahren Sie anschließend in zwei getrennten Straßenbahnen, Bussen oder U-Bahnen zu einem vereinbarten Ort, an dem Sie sich dann treffen.


Gehen Sie bei Klaustrophobie im Rahmen von Fahrten mit dem eigenen Auto in Situationen ohne sofortige Fluchtmöglichkeit wie etwa Autobahnen oder Tunneln folgendermaßen vor:

Machen Sie alle Übungen zuerst im Beisein einer Vertrauensperson, die zuerst das Auto lenkt, später als Beifahrerin fungiert und anschließend mit ihrem eigenen Auto hinter Ihrem Auto nachfährt, bis Sie bald alle Situationen ohne „Begleitschutz“ aufsuchen können.


Gehen Sie bei Klaustrophobie in Höhensituationen folgendermaßen vor:

Verbinden Sie das Erleben von Höhensituationen mit angenehmen Erfahrungen, wie dem Besuch eines Cafés hoch oben und nutzen Sie dabei die Unterstützung durch eine Vertrauensperson in der beschriebenen Weise.