Dr.
Hans Morschitzky
Klinischer
Psychologe, Psychotherapeut
Verhaltenstherapie,
Systemische Familientherapie
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Emetophobie - Furcht vor Erbrechen
Emetophobie besser verstehen und hilfreich analysieren
Die
Furcht vor dem eigenen Erbrechen, dem Miterleben des Erbrechens anderer Menschen
(oft auch von Tieren) und auch bereits vor Gesprächen über die Themen Übelkeit
und Erbrechen wird als Emetophobie
bezeichnet.
Die Betroffenen verbinden jede Übelkeit vorschnell mit
bevorstehendem Erbrechen und dieses wiederum mit einem unerträglichen
Ekelgefühl und inakzeptablen
Kontrollverlust, in sozialen
Situationen auch mit Gefühlen von Peinlichkeit und Blamage.
Übelkeit und
Gedanken an mögliches Erbrechen lösen nicht nur
Ekelgefühle aus, sondern vor allem auch existenziell bedrohliche Zustände in
Form von situationsgebundenen
Panikattacken.
Die Betroffenen haben nicht Angst vor bestimmten
Speisen und Getränken, sondern davor, dass sie diese erbrechen könnten.
Tatsächliches Erbrechen wird nicht mehr als das gesehen, was es ist, nämlich ein
völlig normaler und gesunder
Schutzreflex
vor giftigen Substanzen, Fremdkörpern oder Viren, sondern wird als
Kontrollverlust und Ekelgefühl sich selbst gegenüber betrachtet.
Die Betroffenen
wissen, dass sie auf Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen überfokussiert sind und
ihre Ängste übertrieben sind, können sie aber nicht bewältigen, sodass sie
erheblich unter ihrem Verhalten leiden.
Emetophobische Personen weisen typische Einstellungen und Verhaltensweisen auf, die sie aufgrund
der Fülle der Merkmale von Menschen mit Essstörungen und funktionellen
(„somatoformen“) Magen-Darm-Störungen, aber auch von Personen mit anderen
Angststörungen wie Panikstörung und Agoraphobie unterscheiden:
Sie bekommen
bei harmlosen Beschwerden wie leichter Übelkeit, diffusen nichtorganischen
Oberbauchbeschwerden, normalen Verdauungsgeräuschen, gelegentlichen
Würgegefühlen im Hals oder Schwindelgefühlen starke Angst und Furcht zu
erbrechen und malen sich im Kopf die schlimmsten Bilder bezüglich des möglichen
Erbrechens aus, auch wenn dies noch nie der Fall war.
Sie rufen
immer wieder die Erinnerung an ein tatsächliches Erbrechen vor langer Zeit sehr
lebhaft ab, als wäre es erst gestern gewesen, auch wenn sie um die damaligen
Umstände wissen, die gegenwärtig gar nicht mehr vorhanden sind.
Sie weisen
ohne konkreten Anlass anhaltende Erwartungsängste bezüglich des möglichen
Erbrechens auf, die den ganzen Tag bestimmen, und zwar auch allein zu Hause, was
darauf hindeutet, dass es sich um keine primär sozialphobische Störung handelt.
Sie vermeiden
viele Nahrungsmittel wie Fleisch, Hackfleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte, fette
Speisen, breiige Speisen, die wie Erbrochenes ausschauen, sowie viele Gerichte,
die nicht vor ihren Augen bzw. mit ihrem Wissen um die Inhalte zubereitet
wurden.
Sie vermeiden
leicht verderbliche Speisen aus Angst vor einer Lebensmittelvergiftung, die zu
Erbrechen führen könnte.
Sie vermeiden
sogar verschiedene Flüssigkeiten wie Milch, Suppen oder alkoholische Getränke
aus Angst vor Erbrechen.
Sie verringern
vor allem auch die Nahrungsmenge und das Ausmaß an Flüssigkeit aus Angst vor
Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen, mit der Gefahr von Unterernährung,
schweren Mangelerscheinungen und sogar Austrocknung.
Sie verzichten
vor wichtigen Ereignissen auf das Essen, aus Angst vor Übelkeit, Bauchschmerzen,
Brechreiz oder Erbrechen, und verwenden zur Rechtfertigung alle möglichen
Ausreden, warum sie nichts essen können oder wollen.
Sie vermeiden
viele Orte und soziale Situationen aus Angst vor Erbrechen und nehmen zahlreiche
Einschränkungen des Lebens in Kauf, was langfristig erheblich depressiv machen
kann.
Sie können
nicht zwischen angst- bzw. stressbedingter Übelkeit und körperlich bedingter
Übelkeit unterscheiden und daher auch nicht angemessen damit umgehen, wenn
bereits die Angst vor Übelkeit unangenehme Empfindungen im Magenbereich auslöst.
Selbst ein angstbedingtes flaues Gefühl im Magen wird bereits als Übelkeit
fehlinterpretiert, sodass die Körper- und Gefühlswahrnehmung unbedingt
verbessert werden muss.
Sie erleben
mögliches Erbrechen außer Haus noch peinlicher als zu Hause, was zu
sozialphobischen Tendenzen führen kann, mit der Einschränkung von sozialen
Aktivitäten, bis hin zum Verzicht auf gemeinsames Essen auswärts oder bei
Bekannten zu Hause.
Sie haben
Probleme beim Anblick des Erbrechens von anderen Menschen, aber auch von Katzen
und Hunden.
Sie nehmen daher verschiedene Umwege in Kauf, um Menschen, die
gerade erbrechen bzw. erbrechen könnten, speziell Betrunkenen oder kleinen
Kindern, nicht zu begegnen, vor allem auch, um Erbrochenes an Orten wie
Bahnhöfen, Volksfesten, Jahrmärkten, Betriebsfeiern, Partys, bestimmten Straßen,
in der Nähe von Gaststätten oder auf Flug- bzw. Schiffsreisen zu vermeiden.
Sie verzichten
oft zugunsten des Privatautos auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus
Angst vor Übelkeit, Brechreiz oder Erbrechen, aber auch aus Sorge um eine
mögliche Ansteckung durch einen Magen-Darm-Virus von Mitreisenden, der zum
Erbrechen führen könnte. Aus diesen Gründen möchten sie nicht selten von
Angehörigen mit dem Auto in die Schule bzw. in die Arbeit gebracht werden,
ähnlich wie Agoraphobikerinnen.
Sie sind
ständig auf der Suche nach Tipps gegen Übelkeit und Erbrechen und versichern
sich oft auch bei Vertrauenspersonen und Fachleuten, dass sie in bestimmten
Situationen weder Übelkeit noch Brechreiz oder gar Erbrechen befürchten müssen.
Sie waschen
sich bei Ansteckungsängsten übermäßig oft wie Zwangskranke die Hände mit Seife
oder gar Desinfektionsmitteln, um keinen Infekt zu bekommen, der zum Erbrechen
führen könnte.
Sie achten
beim Kauf und der Zubereitung von Nahrung streng darauf, die „richtigen“
Nahrungsmittel zu kaufen und nur bestimmte Zusatzstoffe zu verwenden, um keine
Verdauungsprobleme zu bekommen, die ein Erbrechen begünstigen könnten.
Sie
kontrollieren das Haltbarkeitsdatum aller Lebensmittel in Geschäften sowie im
Kühlschrank zu Hause aus Angst vor Schimmel und dem möglichen Erbrechen
verdorbener Nahrung.
Sie vermeiden
aus Angst vor Ansteckung oft auch den Besuch der Schule oder Arbeit, wenn dort
Magen-Darm-Viren kursieren.
Sie sind
abends oft völlig erschöpft, weil sie sich den ganzen Tag mit der Thematik des
Erbrechens und dessen rechtzeitiger Verhinderung beschäftigt haben.
Sie essen vor
allem abends sehr wenig aus Angst vor Übelkeit oder Erbrechen im Bett und nutzen
bestimmte Ablenkungsstrategien wie Lesen, Radiohören, Fernsehen oder das
Internet so lange zur Vermeidung von möglichen Magen-Darm-Empfindungen, bis sie
schließlich spät in der Nacht vom Schlafdefizit überwältigt werden.
Sie verspüren
nicht selten abends im Bett, wenn sie sich nicht mehr bewusst oder unbewusst von
ihrem Körper ablenken können, eine belastende Übelkeit, die sie daran hindert,
normal einschlafen zu können, sodass im Laufe der Zeit Erwartungsängste
bezüglich des Einschlafens entstehen können.
Sie suchen
entweder zahlreiche Ärzte auf, um ihre Übelkeit und diffusen Bauchschmerzen
abklären zu lassen, oder meiden Ärzte und Krankenhäuser aus Angst vor
Ansteckung.
Sie nehmen
bereits vorbeugend ein Medikament, ein pflanzliches oder homöopathisches Mittel
gegen Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall oder selbstverordnet bestimmte
„Magentropfen“. Sie führen häufig auch Brechtüten mit sich.
Sie vermeiden
andererseits oft auch alle von Ärzten verordneten oder empfohlenen Medikamente
aus Angst vor Übelkeit, Sodbrennen, Brechreiz und Erbrechen. Zur Einnahme von
Antidepressiva sind sie schwer zu bewegen, wenn sie wissen, dass Übelkeit bis
hin zum Brechreiz eine der häufigsten Nebenwirkungen zu Beginn der Einnahme sein
kann.
Sie fürchten
geradezu panisch bestimmte körperliche Erkrankungen, wie etwa eine
Magen-Darm-Grippe oder einen Brechdurchfall, auch wenn ihnen dies noch nie
passiert ist, und wenn doch, dann noch viel mehr als bereits vorher.
Mehr
als doppelt so viele
Frauen wie Männer
leiden unter einer Emetophobie, die angesichts der Häufigkeit in der
Öffentlichkeit und selbst bei vielen Fachleuten relativ unbekannt ist.
Die milde
Form erleben bis zu 3 Prozent der Männer und bis zu 7 Prozent der Frauen, die
schwere Ausprägung 0,1 Prozent der Bevölkerung.
Eine Emetophobie beginnt oft schon in der Kindheit,
im Durchschnitt mit 10 Jahren, in bestimmten Fällen ausgelöst durch normales
Erbrechen angesichts bestimmter Umstände.
Eigenes Erbrechen in der Kindheit oder
das erlebte bzw. berichtete Erbrechen von Verwandten oder Bekannten können bei
der Entwicklung einer Emetophobie eine gewisse Rolle spielen, erklären aber
nicht die immer mehr ausufernde Symptomatik der Betroffenen, die eine zunehmende
Aufmerksamkeitseinengung auf ihre Störung entwickeln.
Die Betroffenen verhalten sich wie Menschen mit
einer Zwangsstörung, die alles tun, um
dem Kontakt mit bestimmten Nahrungsmitteln und Substanzen zu entkommen, oder
möchten durch Waschrituale die Gefahr von Übelkeit und Erbrechen als Folge einer
Magen-Darm-Erkrankung durch Keime und Viren verhindern.
Der Symptomatik liegt weder eine Essstörung noch
eine psychisch bedingte Verdauungsstörung zugrunde, auch wenn die Fehldiagnosen
„atypische Anorexie“, „Reizmagen“ oder „Reizdarm“ aufgrund der häufigen
Gewichtsabnahme, besorgniserregenden Mangelernährung und beklagten Übelkeit
öfters gestellt werden.
Die Betroffenen sind nicht vom Ziel der
Gewichtsabnahme wie Magersüchtige getrieben und fühlen sich nicht zu dick, sie
haben meist auch keine funktionelle, das heißt nichtorganische („somatoforme“)
Störung des oberen oder unteren Verdauungstrakts in chronischem Ausmaß, sondern
leben vielmehr in Angst und Schrecken vor entsprechenden Empfindungen wie
Übelkeit und Brechreiz.
Auch wenn die Betroffenen geradezu „panisch“ das
Essen wegen des möglichen Erbrechens fürchten, besteht keine Panikstörung, es
handelt sich vielmehr um situationsgebundene Panikattacken in Zusammenhang mit
den gefürchteten Symptomen von Übelkeit und Brechreiz bzw. den entsprechenden
Auslösern in Form bestimmter Nahrung und essensbezogenen Situationen.
Während Menschen mit einer Bulimie das geplante
Erbrechen als Form der Kontrolle ihres Körpergewichts nach dem Essen betrachten,
vermeiden Personen mit einer Emetophobie alles, was ein ungewolltes Erbrechen
begünstigen könnte.
Anders als Magersüchtige achten sie nicht auf die
Kalorienmenge, sondern darauf, dass sie keine Nahrungsmittel oder Getränke zu
sich nehmen, die zum Erbrechen führen könnten. Wegen der erheblichen
Einschränkung und Veränderung des Essverhaltens wirken die Betroffenen auf die
soziale Umwelt oft wie Essgestörte.
Nur in seltenen Fällen hängt die Symptomatik
mit einer Magersucht (Anorexie) zusammen, bei der aufgrund des extremen
Kontrollbedürfnisses die Nahrungsaufnahme stark eingeschränkt wird, gleichzeitig
aber auch das Erbrechen als weiteres Mittel zur Gewichtskontrolle entschieden
abgelehnt wird.
Wenn aus Angst vor öffentlichem Erbrechen eine
erhebliche Einschränkung des Aktionsradius erfolgt, ähnlich wie bei Menschen mit
einer ausgeprägten Furcht vor Ohnmacht, Harn- oder Stuhldrang, kann durchaus
auch eine sekundäre Agoraphobie
entstehen.
Vielfältige Ausreden dienen dann dazu, bestimmte Situationen wie
öffentliche Feiern, Essen und Trinken im Familien- oder Bekanntenkreis sowie
verschiedene Ausflüge und Reisen zu vermeiden.
Viele emetophobische Frauen fürchten sich vor einer
Schwangerschaft nur deswegen, weil sie
dabei unter morgendlichem Erbrechen leiden könnten, und weil sie danach das
Erbrechen des durchaus ersehnten Babys bzw. Kleinkindes nicht ertragen könnten.
Der Kinderwunsch ist oft größer als die Angst vor Schwangerschaftserbrechen, das
im Rahmen der Schwangerschaft als natürliches Geschehen eher akzeptiert werden
kann als jedes Erbrechen in anderem Zusammenhang.
Die einen können das Erbrechen
von Kindern im Rahmen normaler Erkrankungen im Kindesalter durchaus angemessen
akzeptieren, während die anderen davor panische Angst haben, auch wenn sie dann
im konkreten Fall ein erbrechendes Kind bestmöglich betreuen können.
Ursachenanalysen helfen zwar zum besseren Verständnis der Störung
und der emotionalen und kognitiven Verarbeitung der Auslöser, wie etwa eines
alkoholkranken Vaters oder eines familiären Konflikts, helfen jedoch aufgrund
des Chronifizierungsprozesses, der durch die Strategien von permanenter
Vermeidung und Kontrolle der Nahrung entstanden ist, nicht zu deren dauerhafter
Änderung.
Das
Therapieziel ist nicht, das Ekelgefühl in Zusammenhang mit Erbrechen oder
Erbrochenem durch Gewöhnung (Habituation) „wegzutrainieren“, sondern das Leben
trotz Gefühlen von Übelkeit und raschen Ekelreaktionen ohne Einschränkung des
Essverhaltens und des sozialen Verhaltens besser genießen zu können.
Die
konkrete Form der Selbstbehandlung oder einer Psychotherapie hängt zwar von der
Art der Emetophobie ab, als zentrale Leitlinien gelten jedoch eine gesunde
Breitbandernährung und die Wahrnehmung eines normalen Sättigungsgefühls, statt
die Nahrungsaufnahme aus Angst vor Übelkeit vorzeitig zu beenden, sowie ein
genussbereites Essverhalten beim Zusammensein mit anderen Menschen zu Hause und
außer Haus.
Emetophobie erfolgreich bewältigen
1. Ändern Sie schädliche Denkmuster.
Strukturieren Sie Ihre krank machenden Denkmuster zugunsten von
hilfreicheren Einstellungen und Sichtweisen um, die Ihnen wieder
einen normalen Umgang mit Ihren Körperempfindungen sowie mit allen
Nahrungsmitteln ermöglichen, wie etwa:
„Erbrechen ist ein Reflex und hat nichts
mit Versagen zu tun“, „Erbrechen ist auch anderen Menschen peinlich, die sich
jedoch aus Angst davor nicht das ganze Leben verderben lassen“, „Trotz Übelkeit
bleibt das Essen im Magen“, „Übelkeit ist oft ein Anzeichen von Angst und nicht
von Erbrechen“, „Man kann auch mit Übelkeit seinen Verpflichtungen nachgehen“,
„Gesunde Ernährung ist wichtig für das allgemeine Wohlbefinden.“
2. Verbessern Sie Ihre körperliche Befindlichkeit.
Essen
und trinken Sie ausreichend, um Unterernährung und Austrocknung zu vermeiden,
vor allem auch warme Flüssigkeiten, um Ihren Magen zu spüren und zu entspannen.
Angst und Stress führen zu einer
Minderdurchblutung des Magens, weil das Blut bei einer Kampf-Flucht-Reaktion
vermehrt in die arbeitende Muskulatur befördert wird.
Setzen Sie die
Bauchatmung ein, um das Wohlbefinden im Ober- und Unterbauch zu
fördern. Legen Sie beide Hände auf die Bauchdecke, um ein Gefühl von Wärme und
Entspannung zu erleben.
Bewegen Sie sich bei Angst vor Symptomen wie Erbrechen
und Stuhldrang, die vom parasympathischen Nervensystem gesteuert werden.
Die
Aktivierung des sympathischen Nervensystems hemmt wirksam alle
Ausscheidungsreaktionen zugunsten von körperlicher Aktivität.
Steigern Sie bei
zunehmend besserer Ernährung Ihr Bewegungsausmaß, um einerseits die innere
Anspannung abzubauen und andererseits die körperliche Fitness aufzubauen.
Nehmen Sie gefürchtete Situationen und körperliche
Reaktionen achtsam wahr.
Das
Grundproblem ist nicht das Erbrechen, sondern die Angst vor dem Erbrechen und
die Bewertung von bestimmten Situationen und körperlichen Empfindungen als
bedrohliche Auslöser.
Nehmen Sie alle Empfindungen Ihres oberen Verdauungstrakts
(Speiseröhre und Magen) wahr, ohne Ihre Übelkeit, diffusen Magenschmerzen und
Würgegefühle als bedrohlich zu bewerten.
Bleiben Sie ganz bei dem, was Sie im
Hier und Jetzt empfinden. Akzeptieren Sie alle spontan auftretenden Gedanken und
Vorstellungen von Übelkeit und Brechreiz sowie auch die vorhandenen
Übelkeitsgefühle.
Sagen Sie sich immer wieder: „Übelkeit ist nur Übelkeit, meine
Vorstellungen von Erbrechen sind nur Vorstellungen und nicht die Realität.“
Nehmen Sie Ihre Empfindungen im Oberbauch ohne Ablenkungsstrategien ganz bewusst
wahr, vor allem auch nach einer größeren Mahlzeit.
Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das, was Sie tun möchten.
Machen Sie sich bewusst, was
Sie kontrollieren können und was nicht. Körpergefühle wie Übelkeit sowie spontan
auftretende Gedanken daran können Sie nicht kontrollieren.
Steuern können Sie
dagegen Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Verhalten.
Akzeptieren Sie Ihre körperlichen
Missempfindungen, ohne dagegen anzukämpfen, und konzentrieren Sie sich trotz
leichter Übelkeit auf das, was Sie im Moment gerade tun oder unternehmen
möchten, um Erfolgserlebnisse zu feiern, die unabhängig von Ihrer momentanen
Befindlichkeit erreichbar sind.
Lernen Sie vom Vorbild anderer Menschen.
Essen Sie wieder
gemeinsam mit Ihren Verwandten und Bekannten zu Hause und auswärts sowie
auch an Ihrer Arbeitsstelle, um die Nahrungsaufnahme als soziales Ereignis zu
erleben und vom Verhalten der anderen profitieren zu können.
Reden Sie mit
anderen Menschen, die gelegentliche Missempfindungen im Magen-Darm-Bereich nicht
mit spontanem Erbrechen assoziieren.
Coachen Sie sich durch wirksame Selbstanweisungen.
Ermutigen Sie sich in Situationen des psychischen und körperlichen Unwohlseins,
die kein Fernbleiben von der Arbeit oder vom Ausbildungsort rechtfertigen, durch
hilfreiche
Selbstinstruktionen, wie
etwa:
„Meine Übelkeit ist nur Ausdruck meiner Angst, der ich mich mutig stelle“,
„Ich kann auch mit Übelkeit am Arbeitsplatz, in der Schule oder Universität
erfolgreich sein“, „Ich bin gesund und esse im Laufe der Zeit alles so wie
früher, um meinen Körper zu stärken“, „Ich vertraue meinem Körper und verzichte
auf alle Kontrollen“, „Ich gebe meiner Übelkeit und meinem Brechreiz, der noch
nie zum Erbrechen geführt hat außer bei einer Magen-Darm-Infektion, zukünftig
nicht mehr so viel Macht über mein Leben wie bisher.“
Bereiten Sie sich auf gefürchtete Situationen mental
vor.
Vergegenwärtigen Sie sich möglichst bildhaft, wie Sie bisher gemiedene
Nahrungsmittel und Getränke genussvoll zu sich nehmen, trotz anfänglicher
Übelkeit und Brechangst.
Malen Sie sich aus, wie Sie mit anderen Menschen
auswärts essen gehen und Ausflüge inklusive eines Restaurantbesuchs unternehmen.
Vergegenwärtigen Sie sich möglichst lebhaft, was Sie in Zukunft tun möchten und
in der Vergangenheit an Schönem erlebt haben.
Konfrontieren Sie sich schrittweise mit allen
gefürchteten Situationen.
Toleranz von Ekelgefühlen.
Akzeptieren Sie Ihre Ekelgefühle angesichts von Gedanken, Bildern, Videos und
realen Situationen, die mit Erbrechen und Erbrochenem zu tun haben, indem Sie
sich ganz bewusst mit derartigen Situationen konfrontieren und Ihr inneres und
äußeres Vermeidungsverhalten sukzessive abbauen.
Provokation von
Missempfindungen im Oberbauchbereich.
Nehmen Sie ganz bewusst
Nahrungsmittel zu sich, die Völlegefühle oder Blähungen auslösen können, wie
etwa Nüsse oder Bohnen. Essen Sie manchmal so viel, dass Sie einen „vollen
Bauch“ erleben. Trinken Sie so viel Wasser, dass Sie diese Menge innerlich
spüren. Lernen Sie, harmlose Missempfindungen ohne Erbrechen wahrzunehmen.
Ausweitung des
Speiseplans.
Widerlegen Sie Ihre Befürchtungen durch neue Erfahrungen mit Nahrungsmitteln,
die Sie noch nie oder schon lange nicht mehr zu sich genommen haben. Finden Sie
Schritt für Schritt zu einem normalen Essverhalten zurück und nehmen Sie im
Laufe der Zeit immer mehr von den bisher verbotenen, jedoch gesunden
Nahrungsmitteln zu sich. Gehen Sie auch wieder auswärts essen, um fremden Küchen
vertrauen zu lernen, sowie auf einen Kaffee mit Milch und Kuchen oder auf einen
Eiscafé, denn Sie sind keine Magen-Darm- oder Stoffwechsel-Kranke, die zu ihrem
Wohlbefinden einen Diätplan einhalten muss. Essen Sie wieder vermehrt
Nahrungsmittel, die Sie bisher mit Übelkeit und Erbrechen verbunden haben.
Abbau aller Vermeidungs-
und Kontrollstrategien.
Reduzieren Sie Ihr Vermeidungsverhalten und Ihre Sicherheitsverhaltensweisen,
die dazu gedient haben, Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen zu verhindern.
Verzichten Sie im Laufe der Zeit auf die Mitnahme von Antibrechmitteln,
Notfalltropfen und Brechtüten.
Ausweitung des
Aktionsradius.
Stellen Sie sich zunehmend verschiedenen bisher gemiedenen Situationen, vor
allem auch dem Aufenthalt in allen möglichen öffentlichen Verkehrsmitteln sowie
in öffentlichen Räumen, wie etwa der Schule, der Universität oder der Firma, um
ein agoraphobisches Vermeidungsverhalten zur Vorbeugung von Übelkeit und
vermeintlichem Erbrechen abzubauen oder zu verhindern.
Genusstraining.
Machen Sie die Ernährung wieder zu einem genussvollen Erlebnis, auf das Sie sich
schon freuen und nicht ständig als körperliche Bedrohung fürchten. Essen Sie
wieder mehr von dem, was Sie früher gerne gegessen haben und am ehesten mit
positiven Erinnerungen verbunden ist.
Soziales
Verhaltenstraining.
Achten Sie auf das gemeinsame Essen zu Hause und außer Haus, sodass die
Nahrungsaufnahme wieder zu einem sozialen Ereignis wird. Konzentrieren Sie sich
dabei auf das Zusammensein mit vertrauten Menschen statt auf Ihre körperlichen
Empfindungen, die Sie vom engeren emotionalen Kontakt mit vertrauten Personen
abhalten.
Emotionstraining.
Konfrontieren Sie sich mit Ihren Gefühlen, die „hinter“ Ihren körperlichen
Empfindungen stehen. Lernen Sie, Ihre Gefühle wahrzunehmen, innerlich in
treffende Worte zu fassen, am besten in Form von Tagebuchschreiben, und dann
auch angemessen bestimmten Bezugspersonen gegenüber auszudrücken. Durchbrechen
Sie den Teufelskreis „Angst vor Übelkeit – tatsächlich wahrgenommene Übelkeit –
Angst vor Brechreiz und Erbrechen“, indem Sie Ihre diesbezüglichen Ängste ganz
bewusst zulassen und den Unterschied zwischen psychisch und körperlich bedingter
Übelkeit besser wahrnehmen lernen.