Atmung - Atemtherapie

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Dr. Hans Morschitzky

Klinischer Psychologe, Psychotherapeut

Verhaltenstherapie, Systemische Familientherapie

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Falsche Atmung: Angstatmung 

Der Mensch kann ohne Essen etwa 40 Tage, ohne Trinken nahezu 5 Tage, ohne Sauerstoff nur einige Minuten überleben. Bei fehlender Sauerstoffzufuhr zum Gehirn treten bereits nach einigen Sekunden Schwindel und zunehmende Bewusstseinstrübung, nach 4 Minuten bleibende Gehirnschäden auf.

Ängste sind stets mit Atmungsveränderungen verbunden, so dass dem Verständnis der richtigen Atmung eine ganz besondere Bedeutung zukommt.

Bei der Einatmung gelangt die Luft über die Nase oder den Mund durch die Luftröhre zur Lunge. Im Brustkorb teilt sich die Luftröhre, um beide Lungenflügel versorgen zu können. Die beiden Luftröhrenäste werden Bronchien genannt. Diese verzweigen sich in der Lunge in immer feinere Verästelungen (Bronchiolen). Durch diese gelangt die Luft schließlich in die Lungenbläschen (Alveolen), die extrem dünn und von feinsten Blutgefäßen durchzogen sind. Hier erfolgt der Gasaustausch: Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft und Abgabe von Kohlendioxid aus dem Blut.

Im Rahmen des so genannten Lungenkreislaufs wird das verbrauchte Blut, das die rechte Herzkammer aus den großen Körpervenen aufnimmt, über die Lungenarterie in die Lunge befördert, bis hin zu den Lungenbläschen. Dort gibt das Blut das Abfallprodukt Kohlendioxid (CO2) zum Ausatmen ab und nimmt aus der eingeatmeten Luft den Sauerstoff (O2) auf. Das mit Sauerstoff angereicherte Blut gelangt dann in die linke Herzkammer und wird dort über die Körperhauptschlagader (Aorta) je nach Bedarf im Körper verteilt. Das Atmungszentrum im Hirnstamm koordiniert die gesamte Atmung.

Der Sauerstoff muss mit dem Blut in der Lunge in Kontakt kommen, um aufgenommen und verwertet werden zu können. Aufgrund des aufrechten Ganges des Menschen und der Schwerkraft ist das Blut in der Lunge sehr unterschiedlich verteilt. An der Lungenspitze, in der Nähe des Schlüsselbeins, beträgt die Durchblutung weniger als ein Zehntel Liter pro Minute, im untersten Drittel der Lunge dagegen einen Liter pro Minute. Für eine maximale Aufnahme von Sauerstoff ist das Hineinatmen in den unteren Bereich der Lunge erforderlich. Bei flacher Atmung werden nur 0,2 statt 0,5 Liter Sauerstoff aufgenommen, wodurch die unteren Lungenbläschen unterversorgt bleiben.

Sauerstoff ist die Verbrennungsenergie des Körpers, durch die alle Stoffwechselprozesse ermöglicht werden. Sauerstoff sorgt in den Körperzellen für die Verbrennung der Nährstoffe, wodurch diese zur Energiegewinnung nutzbar gemacht werden. Während der Sauerstoff verbrannt wird, entstehen Kohlendioxid (Kohlensäure) und Wasser als Stoffwechselabfälle. Zuviel Kohlendioxid und zuwenig Sauerstoff im Blut führen zum Einatmen. Bei Sauerstoffüberangebot und Kohlendioxidmangel (z.B. nach einer Hyperventilation) kommt es zur Atemruhe oder zum Atemstillstand. Hyperventilation bewirkt somit Atemnot, führt jedoch nicht zur Bewusstlosigkeit.

Atem- und Herzrhythmus sind eng aneinander gekoppelt. Das Verhältnis von Atmung und Herzschlag beträgt in Ruhe sowie im Schlaf 1:4. Bei 15-20 Atemzügen pro Minute erfolgen 60-80 Herzschläge. Die Ruheatmung sollte nicht mehr als 15 Atemzüge pro Minute umfassen (bei Männern 12-14, bei Frauen 14-15 Atemzüge). Unter Belastung erfolgen bis zu 30 Atemzüge, bei gezielter Entspannung 6-10 Atemzüge pro Minute. Schneller atmen beschleunigt den Herzschlag, weil der vermehrt eingeatmete Sauerstoff zu den Organen weiterbefördert werden muss. Langsamer atmen verlangsamt den Herzschlag. Viele Panikpatienten haben bereits in Ruhe einen zu hohen Puls.

Einatmen bedeutet Anspannung, Ausatmen bewirkt Entspannung. Je flacher die Atmung, desto schneller ist sie und desto höher ist in der Regel auch die Herzfrequenz. 

Die Einatmungsluft enthält 20% Sauerstoff, 78% Stickstoff, 0,03% Kohlendioxid und andere Stoffe wie z.B. Reizstoffe, Umweltgifte, Staub. Die Ausatmungsluft enthält 14% Sauerstoff, 69% Stickstoff, 5% Kohlendioxid sowie etwas Wasserdampf und Spuren anderer Gase.

Das maximale Sauerstoffaufnahmevermögen hängt von der Größe des Herzminutenvolumens (Schlagfrequenz mal Schlagvolumen/Minute) ab. Ausdauerbelastung verbessert das Herzschlagvolumen. Das Sportlerherz schlägt in Ruhe oft nur 40 mal pro Minute und kann bei Belastung mit weniger Schlägen mehr Blut befördern als das von Untrainierten. Ein trainierter Körper hat infolgedessen eine bessere Aufnahme und Verwertung von Sauerstoff als ein untrainierter Körper.

Sportler atmen Luft mit 20% Sauerstoff ein und Luft mit 12% Sauerstoff aus. Nichtsportler atmen ebenfalls 20% Sauerstoff ein, jedoch 17% wieder aus: sie nutzen mit jedem Atemzug nur 3% des vorhandenen Sauerstoffs. Untrainierte müssen daher fast dreimal soviel atmen wie Trainierte, um dieselbe Energie zu erhalten.

Ausdauersport (Laufen, Schwimmen, Radfahren, Skilanglauf) ist das beste Atemtraining, weil dadurch eine maximale Sauerstoffaufnahme und -verwertung erfolgt.

Unzureichendes Ausatmen vor dem Einatmen, wie dies oft bei Angst, Aufregung und Stress der Fall ist, führt dazu, dass sich Kohlendioxid und Schlacken als Abfallprodukt des Atmens in der Lunge stauen und ins Blut abgedrängt werden, was eine vorübergehende Vergiftung bewirkt, die sich in Unruhe, Müdigkeit, Erschöpfung u.a. äußert. Vollständiges Ausatmen ermöglicht erst intensives Einatmen.

Ständige Sauerstoffunterversorgung des Körpers führt langfristig zu Verspannungen, Kopfweh, Kreislaufproblemen, rascher Ermüdung und Konzentrationsschwäche. 

Asthma und Bronchitis werden durch psychogen bedingte Verkrampfungen der Atmungsorgane verstärkt. Asthma ist eine Störung der Ausatmung als Folge von Verkrampfung oder schleimbedingter Verstopfung der Bronchiolen.

Bei Arbeitsbedingungen ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr kann der Körper Energie durch Glykolyse (Zuckerspaltung) gewinnen. Zu Beginn jeder intensiven Arbeit schaltet der Organismus von der Oxydation (Energiegewinnung unter Sauerstoff) auf Glykolyse um. Dabei wird Glukose in Laktat (Milchsäure) umgewandelt.

Man unterscheidet drei Formen der Atmung: Brust-, Zwerchfell- und Vollatmung.

 

Brustatmung

Die Zwischenrippenmuskeln (Interkostalmuskeln) sorgen dafür, dass das Volumen des Brustkorbs beim Einatmen zunimmt und beim Ausatmen abnimmt, was jedoch nur bei körperlicher Belastung verstärkt erforderlich ist (in Ruhe reicht die Zwerchfellatmung). Jede dieser Bewegungen überträgt sich auf die Lunge, die sich dann entsprechend ausdehnt oder verkleinert. Bei der reinen Brustatmung wird nur das obere und mittlere Drittel der Lunge durchlüftet.

Zur Brustatmung gehört auch die Schulter-(Schlüsselbein-), Flanken-(Untere Rippen-) und Rückenatmung. Bei der Schulteratmung bewegen sich in der Einatmungsphase die Schultern in Richtung der Ohren.

Weil bei der Schulteratmung Muskeln des Schlüsselbeins benutzt werden, die normalerweise zum Atmen nicht gebraucht werden, spricht man auch von Schlüsselbein- oder Hochatmung. Die Schulter-(Schlüsselbein-)Atmung ist die schlechteste und ineffizienteste Atmungsform, weil mit sehr viel Energie relativ wenig Luft bewegt wird. Durch das Hochziehen der Schultern wird der Brustkorb nicht erweitert, sodass sich die Lunge nicht genügend ausdehnen kann. Es kommt zu einem unangenehmen Luftstau im oberen Brustkorb, der eine Einatmung im unteren Lungenbereich verhindert. Die muskuläre Verspannung im Schulter- und Brustbereich verhindert ein entspanntes Ausatmen.

Die Schulteratmung tritt auf bei Angstzuständen, wenn der Atem zu stocken beginnt. Bei einer Schreckreaktion zieht man die Schultern hoch, hält den Atem an und atmet ineffektiv aus dem oberen Brustkorb heraus weiter, in der irrigen Meinung, über den Mund maximal viel Luft aufzunehmen. Tatsächlich wird jedoch nur ein kleiner Teil der Lungenkapazität genutzt, was verstärkte Atemnot bewirkt und Hyperventilieren begünstigt. Es werden Muskelgruppen aktiviert, die für den normalen Atemvorgang nicht benötigt werden, um den Preis, dass „mehr Arbeit für weniger Luft“ erfolgt. Gleichzeitig wirkt die hochsitzende Luftfülle bedrängend (Druckgefühl auf der Brust).

Etwa zwei Drittel der Menschen atmen falsch. Sie ziehen beim Einatmen den Bauch ein und heben die Schultern, beim Ausatmen drücken sie den Bauch heraus. Sie atmen zu flach in den oberen Brustraum hinein und haben eine zu hohe Atemfrequenz Mehr als 15 Atemzüge pro Minute werden von vielen Atemtherapeuten bereits als Stresssignal angesehen. Wenn man bei der Aufforderung, mit dem Mund tief einzuatmen, um eine maximale Menge Luft aufzunehmen, die Schultern in Richtung der Ohren hebt, hat man eine völlig ineffiziente Schulter- oder Schlüsselbeinatmung. Bei überwiegender Brustatmung, wie sie für viele Menschen typisch ist, hebt und senkt sich nur der Brustkorb, entsprechend dem früheren militärischen Motto „Brust heraus, Bauch hinein!“.

Eine falsche Atmung hängt heutzutage öfters auch mit dem herrschenden Schlankheitsideal zusammen. Verschiedene Menschen möchten nicht durch eine stärkere Bauchatmung in unangenehmer Weise an ihren Bauch erinnert werden.

 

Zwerchfellatmung

Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel, weil er bei richtiger Atmung 80% des Atemvolumens bewirkt. Es handelt sich dabei um eine gewölbte Muskelplatte, die aussieht wie ein aufgespannter Regenschirm und die den Brustraum vom Bauchraum abgrenzt. Eigentlich sind zwei Zwerchfellkuppeln vorhanden, je eine im rechten und linken Oberbauch. Der Zwerchfellmuskel und die Zwischenrippenmuskeln sorgen gemeinsam für die Ausdehnungsfähigkeit der Lunge und ausreichende Atemluft.

Die Zwerchfellatmung ist die „normale“ Atmung in Ruhe. Sie beruht auf einer Anspannung (Abflachung) des Zwerchfells beim Einatmen, wodurch die Lunge sich ausdehnen kann und das untere Drittel der Lunge durchlüftet werden kann, und einer Entspannung (Krümmung) beim Ausatmen, wodurch die Lunge zusammengepresst wird.

Die beiden Lungenflügeln hängen frei im Brustkorb und werden bei der Einatmung auseinandergezogen. Durch das Auseinanderziehen der Lunge beim Tiefertreten des Zwerchfells entsteht scheinbar ein Hohlraum (ein Unterdruck in Wirklichkeit), in den die Luft passiv hineingesogen wird.

Die Lunge kann sich durch die Zwerchfellatmung nach unten weiter ausdehnen und mehr Luft aufnehmen. Im untersten Drittel ist aufgrund der Schwerkraft auch das meiste Blut zur Sauerstoffaufnahme.

Das Ausatmen ist ein rein passiver Vorgang für Zwerchfell, Lunge und Luft. Die vorher angespannte Zwerchfellmuskulatur entspannt sich und wölbt sich deshalb wieder in den Brustkorb vor. Die vorher gedehnte Lunge kann nun wie ein Gummiband auf ihre ursprüngliche Größe zusammenschrumpfen. Dabei entweicht die Luft automatisch und passiv aus der Lunge über die Nase oder durch den Mund.

Beim Einatmen flacht sich die bis dahin hochgewölbte Zwerchfellkuppel durch aktives Zusammenziehen der Muskulatur ab (das Zwerchfell steht dann um 1-3 cm tiefer). Dadurch wird der Brustraum größer, zunächst auf Kosten des Bauchraums. Die Eingeweide im Bauchraum können aber nicht beliebig zusammengedrückt werden. Folglich drängen sie nach vorne und wölben den Bauch vor (Heben und Senken der Bauchdecke bei guter Zwerchfellatmung). Man spricht deshalb auch von der Bauchatmung.

Bei der Zwerchfellatmung werden auch die seitlichen Rippenmuskeln bewegt. Die unteren Rippen werden auseinandergezogen, so dass sich der Brustraum erweitert. Diese Form der Atmung nennt man Flankenatmung. Es weitet sich auch der untere Rücken.

Die Zwerchfellatmung erleichtert auch andere Körpervorgänge:

 

Vollatmung

Die Vollatmung (Brust- und Zwerchfellatmung) ist die effizienteste Atmung. Zuerst hebt sich die Bauchdecke (Zwerchfellatmung), dann erweitern sich auf der Höhe der Einatmung infolge der Aufwärtsbewegung der Luft die unteren Rippen (Flankenatmung) und der Rücken (Rückenatmung), schließlich heben sich die Schultern (Schlüsselbeinatmung), so dass der ganze Atemraum vom Zwerchfell bis zum obersten Lungenbereich, den Lungenspitzen, benutzt wird. Anschließend wird sofort ausgeatmet. Ein ergiebiger tiefer Atemzug steigt somit immer von unten, aus dem Bauch heraus, nach oben bis in die Lungenspitzen. Die Atmung gleicht einer Wellenbewegung.

 

Atmung und Psyche

Atmung und körperliche bzw. psychische Befindlichkeit hängen eng zusammen. Es ist unmöglich, einerseits ruhig und entspannt zu atmen und andererseits aufgeregt zu sein. Über die Art der Atmung wird der Körper entspannter oder angespannter.

Bei Angst, Aufregung und Stress bewirkt das sympathische Nervensystem eine Erweiterung der Luftröhre und der Bronchien (Luftröhrenverzweigungen in der Lunge), was eine tiefere Atmung ermöglicht, um mehr Sauerstoff für die bevorstehende Muskeltätigkeit zur Verfügung zu haben. Atemhäufigkeit und Atemmenge steigen an. Durch eine vertiefte Atmung kann bedeutend mehr Sauerstoff aufgenommen werden als durch eine beschleunigte. Der bei Angst vermehrt aufgenommene Sauerstoff bleibt mangels Bewegung in den Bronchien und wird nicht zu den Lungenbläschen in den Randbezirken der Lunge transportiert, was das Gefühl der Atembeklemmung bewirkt.

Bei Ruhe und Entspannung bewirkt das parasympathische Nervensystem eine Verengung der Luftröhre.

Schock- bzw. Schreckreaktionen führen durch die parasympathische Überaktivität zu einer Verkrampfung der Bronchiolen (kleine Verästelungen der Bronchien) bei der Ausatmung sowie zu einer reduzierten Atemhäufigkeit und -menge, was als Atemnot erlebt wird. Subjektiv äußern sich Schock- und Schreckreaktionen als Atemanhalten, Zuschnüren der Kehle, „Knödelgefühl“ im Hals, (durch Sauerstoffmangel bedingte) allgemeine Schwäche, Schwindel, Benommenheit, Erstickungsangst.

Bei Schreck hält man die Luft an. Bleibt der Schreck bestehen, so dass man nicht erleichtert ausatmen kann, bleibt diese Luft im Körper, und man atmet anschließend mit angespanntem Brustkorb wieder ein, wie dies auch bei Asthmatikern der Fall ist. Dies führt zu einem Spannungsgefühl um die Brust, meist linksseitig, was oft herzbezogene Ängste auslöst.

Atemanhalten wird häufig auch zur Unterdrückung von unangenehmen Gefühlen und zur Linderung von Schmerzzuständen eingesetzt. Tiefes Durchatmen führt dagegen oft zu Weinen. Weinen bei Angst und Stress kann durchaus gut und entspannend sein und sollte nicht unterdrückt werden. Weinen soll deswegen aber nicht gefördert werden, weil Untersuchungen zeigen, dass es einem danach nicht unbedingt besser geht.

Grundsätzlich dient ein „Tief-Luft-Holen“ in Schrecksituationen dazu, innezuhalten, sich voll zu konzentrieren und dann gezielt zu reagieren (was bei „Schrecktypen“ unterbleibt).

Kleine Spannungsveränderungen der Atemmuskeln verändern das Gesamtvolumen der Lunge beträchtlich. Schon leichte Muskelverspannungen können Störungen der Atmung bewirken, wie dies bei Angst, Aufregung, Stress und verschiedenen körperlichen Krankheiten der Fall ist. Die Verspannung des Brustkorbs (zusammen mit der häufigen Schulter-Nacken-Verspannung und der Anhebung der Schlüsselbeine und des Brustbeins) behindert die Atmung und kann zu Hyperventilation mit Panikattacken führen.

Verstärkte Brustatmung bei Verspannung bzw. Verkrampfung der Zwischenrippenmuskulatur führt zu einem Enge- und Druckgefühl im Brustkorb. Durch die Füllung der oberen Lungenhälfte bei gleichzeitiger Anspannung des Brustkorbs entsteht der Eindruck, dass kein Platz mehr zum Atmen da sei. Als Folge davon wird noch intensiver mit dem Mund eingeatmet, wodurch das Engegefühl im Brustkorb verstärkt wird. Es kommt zu einer „aufgesetzten Hyperventilation“.

 

Hyperventilation

Bei Angst, Aufregung, Wut und Stress ist die Atmung oft entweder rasch und flach mit eingestreuten Seufzerzügen oder sie wechselt von unruhiger Mittellage zur Hyperventilation (schnell und tief). Plötzliches Erschrecken kann zu einem vorübergehenden Atemstillstand führen, gefolgt von einer intensivierten Atmung.

Das Hyperventilationssyndrom wird heute als eine Unterform der Panikstörung angesehen, ähnlich wie die Herzphobie. Beiden gemeinsam ist der appellative Charakter der Symptomatik. Das Hyperventilationssyndrom tritt vor allem bei jüngeren Menschen auf, bevorzugt im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt.

Die Symptomatik kommt bei Frauen dreimal so häufig vor wie bei Männern. 60% der Angstpatienten hyperventilieren bei Angst. Menschen mit chronischem Hyperventilationssyndrom weisen in weniger als 1% der Fälle eine Zwerchfellatmung auf.

Die Art der Atmung (fast ausschließlich Brustatmung, geringe oder fehlende Bauchatmung) kann bei ansonsten unklaren Symptomen den Verdacht auf ein Hyperventilationssyndrom untermauern. Zur Überprüfung dient ein Hyperventilationstest für drei Minuten, wobei die Betroffenen erkennen lernen, wie ihre Symptome entstehen.

Hyperventilation ist in über 95% der Fälle psychisch bedingt. Wenn keine Auslösung durch psychische Erregung (Angst, Ärger, Wut) erkennbar ist, sollten mögliche organische Ursachen ausgeschlossen werden, z.B. Kaliummangel oder -überschuss, Magnesiummangel, Kalziummangel, metabolische Azidose oder Alkalose. 

Menschen mit Ängsten, chronischer Stressbelastung und Verspannung atmen flach und unergiebig aus dem oberen Brustkorb heraus und nutzen damit nur ein Drittel bis zur Hälfte der Lungenkapazität. Bei mehr Sauerstoffbedarf atmen sie noch stärker mit dem Brustkorb statt intensiver mit dem Zwerchfell. Durch die schnelle Atmung kommt es zum belastenden Herzrasen. Den Betroffenen fällt die Hyperventilation oft gar nicht auf, so dass sie diese auch nicht als die Ursache ihres Herzrasens erkennen können.

Die generelle Einatmung durch den Mund, wie sie insbesondere bei Menschen mit Allergien, Asthma oder Atemwegserkrankungen vorkommt, begünstigt bei Angst, Aufregung oder Stress ohne gleichzeitige Bewegung eine Hyperventilation. Oft wird die Hyperventilation nicht durch Angst, sondern durch Wut oder Aggression ausgelöst.

Hyperventilation wird einerseits häufig durch chronische Muskelverspannungen im Brustkorb begünstigt, führt andererseits aber auch zu Brustschmerzen, wenn bei fast vollständig gefüllter Lunge hyperventiliert wird (sog. aufgesetzte Hyperventilation). Hyperventilation führt zur Überdehnung der Muskeln zwischen den Rippen, was Schmerzen bzw. Ziehen in der Brust hervorruft. Weiteres, noch tieferes Einatmen führt zu verstärktem Schmerz bzw. Ziehen.

Die Betroffenen sollten die körperlichen Vorgänge bei einer Hyperventilation genau verstehen, um die so häufige Beunruhigung durch die dabei auftretenden Symptome zu vermindern. Deshalb wird im folgenden eine ausführliche Erklärung geboten.

Unter dem Hyperventilationssyndrom versteht man eine über das physiologische Bedürfnis hinausgehende Beschleunigung und Vertiefung der Atmung, wodurch im Blut der Sauerstoffanteil ansteigt und der Kohlendioxidgehalt stark abfällt. Das Atemminutenvolumen liegt durchschnittlich 95%, im Anfall sogar bis zu 500% über dem Soll.

Hyperventilation bedeutet, dass man schneller und/oder tiefer atmet, als es für die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und den Abbau von Kohlendioxid nötig ist. Es wird zuviel Sauerstoff eingeatmet und zuviel Kohlendioxid ausgeatmet. Ohne körperliche Bewegung sinkt der Kohlendioxidanteil im Blut besonders stark ab, weil nicht genügend Kohlendioxid in den Muskeln gebildet wird.

Hyperventilation bewirkt eine Fehlregulation des Gasstoffwechsels im Bereich der Lungenbläschen und infolgedessen eine Verminderung des Kohlendioxidpartialdrucks, wodurch es zu einer Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichts kommt. Kohlendioxid ist zwar ein Abfallprodukt, muss jedoch in einem bestimmten Verhältnis zum Sauerstoff im Körper vorhanden sein. Durch den Kohlendioxidmangel steigt der pH-Wert (Säure-Basen-Verhältnis im Blut): das Blut wird basisch. Das massive Absinken des Säuregehalts im Blut wird „respiratorische Alkalose“ genannt. Bei starker Hyperventilation kann der Kohlendioxidanteil im Blut in weniger als 30 Sekunden um 50% abnehmen. Innerhalb einer Minute treten Symptome auf.

Hyperventilation bewirkt über die Kohlendioxidreduktion eine Erniedrigung der Kalziumionen-Konzentration im Blut, d.h. der Anteil von ionisiertem Kalzium im Blut sinkt ab, wodurch die Nervenzellen erregbarer werden und leichter eine Alarmreaktion (Bereitstellungsreaktion) ausgelöst werden kann. Wenn das Kohlendioxid, das von Eiweißkörperchen im Blut transportiert wird, durch die Hyperventilation (insbesondere bei fehlender körperlicher Bewegung) im Blut stark abnimmt, lagert sich normalerweise neben anderen Stoffen das Erdalkalimetall Kalzium enger an das Eiweiß.

Kalzium ist ein wichtiger Bestandteil des Blutes und wird neben der Stärkung der Knochen u.a. auch zur Funktionsfähigkeit der Nervenzellen und der Muskel benötigt. Kalzium ist im Blut teilweise an Eiweiß gebunden, teilweise schwimmt es als freier Bestandteil ohne Verbindung zu anderen Blutbestandteilen im Blut herum. Das freie Kalzium im Blut wird um so weniger, je mehr Stellen am Bluteiweiß wegen des stark abgeatmeten Kohlendioxids frei werden.

Das freie Kalzium im Blut ist u.a. dafür verantwortlich, dass die Muskeln geschmeidig arbeiten können. Wenn weniger freies Kalzium im Blut ist, werden die Nerven erregbarer, und die Muskeln beginnen sich zu verkrampfen. Gewöhnlich merkt man dies zuerst an einem Kribbeln in den Lippen bzw. im Bereich des Mundes, bald darauf ziehen sich die Lippen zusammen („Kussmundstellung“). Dann kribbelt es in Händen und Füßen, und die Finger ziehen sich zusammen, so dass die Hände wie Pfoten aussehen („Pfötchenstellung“) und im Extremfall gar nicht mehr bewegt werden können. Neben Kribbeln, Pelzigkeit und Taubheitsgefühlen können in Brust und Hals auch Druck- oder Engegefühle entstehen.

Durch die engere Bindung der Kalziumionen an das Eiweiß im Blut verengen sich auch die Blutgefäße im Gehirn, was die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn beeinträchtigt und zu Schwindel, Konzentrationsstörungen und Schwarzwerden vor den Augen führt und die bestehende Angst und Unruhe verstärkt. Gleichzeitig wird das sympathische Nervensystem aktiviert, so dass eine Notfallsreaktion immer wahrscheinlicher wird, die dann als Panikattacke erlebt wird.

Hyperventilation führt über den Kalziumabfall zur Verkrampfung der Bronchien und der Stimmritzen. Wegen der zunehmenden Angst, keine Luft zu bekommen, und wegen des Drucks im Brustkorb atmen die Betroffenen noch tiefer und heftiger. Da weiterhin keine Bewegung erfolgt, wird der Kohlendioxidmangel im Blut noch größer.

Nicht einmal im Extremfall führt hyperventilationsbedingte Sauerstoffnot zur Ohnmacht, wie eine niederländische Studie an Versuchspersonen ergab, die mindestens 90 Minuten lang so schnell und tief atmeten, als sie konnten. Es ist jedoch eine Hyperventilationstetanie möglich, d.h. ein krampfartiger Anfall, der für Unerfahrene wie ein epileptischer Anfall ausschaut, so dass Beobachter  unnötigerweise den Notarzt rufen. 

Der Arzt verabreicht oft eine Kalziumspritze zur Krampflösung. Die künstliche Zufuhr von Kalzium löst rasch den Muskelkrampf (Tetanie). Eigentlich handelt es sich dabei um einen typischen Placeboeffekt, weil bei einer Hyperventilation nur ein relativer und kein absoluter Kalziummangel gegeben ist. Die Kalziuminjektion bewirkt ein subjektives Wärmegefühl in Händen und Füßen, was dem Gefühl des Absterbens der Extremitäten entgegenwirkt.

Bei starken Tetanien wird oft auch eine Beruhigungsspritze (Valium®, Rivotril®) verabreicht, was meist unnötig ist, weil deren Wirkung weit über den Hyperventilationszeitraum hinaus anhält, so dass man sich noch Stunden später benommen fühlt.

Richtige, langsame Atmung, gleichzeitige Bewegung während der Atmung bzw. eine Papiertüte, ein Taschentuch oder die hohle Handinnenfläche vor dem Mund, um das ausgeatmete Kohlendioxid wieder einzuatmen, sind gut geeignet, den Kohlendioxidgehalt im Blut rasch zu steigern und die Muskeln geschmeidiger zu machen.

Eine Hyperventilation bewirkt folgende Symptome: anhaltendes Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können, verbunden mit dem Zwang, ein paar Mal tief durchatmen zu müssen, Atemnot und Druck auf der Brust, Herzklopfen und Herzrasen, Herzschmerzen, Brustschmerzen (durch Überspannung der Muskeln zwischen den Rippen), Engegefühl über der Brust (Gürtel- und Reifengefühl), Gefühllosigkeit, Kribbeln („Ameisenlaufen“) und Zittern an Händen (besonders in den Fingerspitzen), Füßen und Beinen, Kribbeln um die Mundregion, taube Lippen, Globusgefühl (Zusammenschnüren der Kehle), Verkrampfung der Hände („Pfötchenstellung“), kalte Hände und Füße, Zittern, Muskelschmerzen, Druck im Kopf und Oberbauch, Bauchbeschwerden (durch das Luftschlucken), Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Unwirklichkeitsgefühle, Pupillenerweiterung, Sehstörungen, Gefühl, wie auf Wolken zu gehen, Angst, ohnmächtig zu werden, und Todesangst (wegen der Erstickungsgefühle).

Im Extremfall einer Hyperventilationstetanie führt der Sauerstoffmangel zu Ohnmacht und Krampfzuständen. In der Ohnmacht normalisiert sich die Blutzusammensetzung schnell wieder, weil man richtig atmet, so dass man rasch und problemlos von alleine zu sich kommt. Hyperventilation führt auch zu Veränderungen der Wahrnehmung. Sehen und Hören sind beeinträchtigt, das Selbsterleben bekommt eine andere, angstmachende Dimension, was die Paniksymptome verstärkt, insbesondere die Angst vor dem Verrücktwerden. Bei starker Hyperventilation treten binnen einer Minute Symptome auf. Sie sind zwar unangenehm, bewirken aber keine bleibenden Schäden.

Eine zu rasche und zu tiefe Atmung im Sinne einer Hyperventilation führt paradoxerweise zu einem Sauerstoffmangel, verbunden mit dem Angstgefühl zu ersticken, so dass noch schneller und tiefer geatmet wird (was die Symptomatik verschärft).

Trotz des Überatmens besteht ein Gefühl von Luftnot, das sich bis zur Erstickungsangst steigern kann. Dies hängt damit zusammen, dass die Atmung vor allem durch einen Kohlendioxidüberschuss und in geringerem Ausmaß auch durch einen Sauerstoffmangel angeregt wird. Bei einer Hyperventilation ist gerade das Umgekehrte der Fall, so dass das Atemzentrum die Atmungsvorgänge vermindert.

Menschen, die chronisch hyperventilieren, haben oft keine eindeutig abgrenzbaren akuten Anfälle, nur relativ unspezifische und vage Beschwerden, selten Atemstörungen oder Tetaniezeichen. Als Leitsymptome des chronisches Hyperventilationssyndroms gelten: Schwindel, Brustschmerzen, kalte Hände und Füße sowie verschiedene psychische Beschwerden (Müdigkeit, Schlappheit, Schläfrigkeit, Wetterfühligkeit, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, Reizbarkeit, Angespanntheit, ängstliche oder depressive Symptomatik).

Panikattacken lassen sich nach neueren Untersuchungen nicht generell durch die direkte biologische Wirkung der Hyperventilation erklären, wenngleich im Einzelfall Hyperventilation oft zu Panikattacken führen kann. Panikattacken dürfen nicht einfach mit dem Hyperventilationssyndrom gleichgesetzt werden. Viele Panikpatienten hyperventilieren überhaupt nicht. Provokationstests bewirkten bei Panikpatienten keinen erniedrigten Kohlendioxidpartialdruck des Blutes, der bei chronischer Hyperventilation zu erwarten gewesen wäre.

 

Atemtherapie

Von allen vegetativ gesteuerten Körperfunktionen nimmt die Atmung eine Sonderstellung ein, weil sie willkürlich leicht beeinflussbar ist. Indirekt lässt sich dadurch auch der Herzschlag steuern (verlangsamen).

Die Atmung in Ruhe soll 8-12 Atemzüge pro Minute betragen (5-6 pro Minute wirken sehr dämpfend, 3-4 noch mehr). Schneller atmen beschleunigt den Herzschlag, langsamer atmen vermindert die Herzschlagfrequenz. Verstärktes Einatmen fördert Anspannung und Verkrampfung, tief ausatmen entspannt, lockert und schafft Unterdruck in der Lunge, sodass das Einatmen von selbst erfolgt.

Die verschiedenen Atemtherapien legen großen Wert auf eine frei fließende, möglichst ausgedehnte Ausatmungsphase, um die Blockierung des Ausatmens zu überwinden und den spontan einsetzenden Einatmungsreflex zu ermöglichen. Sportler achten auf die intensive Ausatmung durch den Mund (z.B. beim Laufen und Schwimmen), ungeübte Läufer und ängstliche Schwimmer konzentrieren sich auf die Einatmung mit dem Mund und bekommen bald Seitenstechen, Schwächezustände und Muskelkater.

Das Einatmen in Ruhe sollte stets über die Nase erfolgen, und zwar möglichst lautlos. Bei der Nasenatmung wird die Luft gereinigt, befeuchtet und erwärmt. Bei der Einatmung durch die Nase werden die Nasenflügel durch den Atemsog vorne leicht angesaugt. Die Nase verschmälert sich beim Einatmen, und die Grübchen über den Nasenflügeln werden tiefer. Durch die Schmalstellung der Nasenöffnung (z.B. beim intensiven Einatmen eines angenehmen Geruchs) erhält die einströmende Luft einen Widerstand, wodurch die Einatmung verlangsamt und verlängert und die Zwerchfellatmung angeregt wird. Die Luft verweilt länger in der Lunge, die Durchblutung und Lüftung von Lunge und Herz wird verbessert, die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn erhöht. Der Atem hat genügend Zeit, sich in den Lungenbläschen auszubreiten und in das Blut der Kapillargefäße einzudringen.

Das Blut wird bei der langsamen, tiefen und längeren Atmung mit mehr Sauerstoff gesättigt und gleichzeitig vermehrt vom Abfallprodukt Kohlendioxid befreit. Dem Blut verbleibt mehr Zeit, bis in die Zellen der entferntesten Körperstellen zu gelangen und zu wirken. Eine intensive Zwerchfellatmung bewirkt auch eine bessere Durchblutung der Bauchorgane und erleichtert den venösen Rückstrom des Blutes zum Herzen.

Einatmen durch den Mund führt zu übermäßiger Brustatmung, Verspannungen im Brustbereich (infolge der übermäßigen Atmung) und zu einem trockenen Mund, oft verbunden mit einem Hustenreiz. „Einschnüffeln“ von Luft bei geschlossenem Mund (z.B. sich einen angenehmen Geruch vorstellen und bewusst einatmen) erleichtert die Nasenatmung und lässt die Bewegungen des Zwerchfells besonders gut spürbar werden.

„Lufteinschnüffeln“ (Schnuppern, Riechen) verlagert den Atemschwerpunkt vom Brustkorb in den Bauch. Beim Schnüffeln wird die Nase verengt (tiefere Grübchen über den Nasenflügeln), was die einströmende Luft bremst, eine gute Lüftung des obersten Nasengangs bewirkt, die Zwerchfellbewegungen intensiviert und sogar die Lippenbremse überflüssig macht. Einschnüffeln ermöglicht das Gefühl, ganz durchatmen zu können. Pflanzliche Duftstoffe und ätherische Öle wirken zusätzlich beruhigend. 

Das Ausatmen soll in Ruhe ebenfalls über die Nase erfolgen oder (bei Angst und innerem Druck) über die „Lippenbremse“: bei leicht geschlossenen oder lediglich durch einen kleinen Spalt geöffneten Lippen lässt man den Atemstrom ganz langsam und lange ausströmen, bis das Einatmen durch die Nase ganz von alleine reflexhaft erfolgt. Die Lippenbremse stellt einen Ausatmungswiderstand dar und verlangsamt damit die Ausatmung. Nach einiger Zeit des Ausatmens über die Lippenbremse tritt ein intensiver Entspannungsprozess ein. Der Ausatemstrom klingt langsam und stetig immer mehr ab, die anschließende Atemstille dauert so lange, bis der Körper von selbst nach der Einatmung verlangt. Der Schwerpunkt des Atmungsvorgangs ist immer auf die Ausatmungsphase zu legen. Vollständiges Ausatmen ermöglicht erst intensives Einatmen.

Das Ausatmen soll langsam erfolgen. Bei zu starker und zu rascher Ausatmung verschließen sich die kleinen Bronchien, wodurch die verbrauchte Luft in den Lungenbläschen zurückgehalten wird. Jedes weitere Einatmen behindert dadurch die Zufuhr sauerstoffreicher Luft. Selbst bei sportlicher Betätigung sollte man ruhig ausatmen.

Der Ausatmungsstrom kann durch einen Laut oder Ton hörbar gemacht werden:

Das Atmen soll nicht erzwungen werden, sondern der Atem kommt und geht in rhythmischer Weise. Nach dem Einatmen soll die Luft nicht angehalten werden (dies darf nur bei Yoga-Übungen gemacht werden, die unter Anleitung gelernt werden), sondern es soll sofort ausgeatmet werden. Atemanhalten empfiehlt sich dagegen nach der vollständigen Ausatmung, um zu sehen, was passiert. Nach kurzer Zeit erfolgt ein wohltuender, intensiver Einatemreflex, gesteuert durch das Zwerchfell (vorausgesetzt, der Mund bleibt bei der Einatmung geschlossen), weil die Ansammlung von Kohlendioxid im Blut die Einatmung einfach erzwingt. Wie weit können Sie in dieser Phase der Atemstille zählen, bis Sie von alleine mit der Nase wieder einatmen?

Die Zwerchfellatmung lernen Sie am leichtesten im Liegen. Bei jeder Einatmung hebt sich die Bauchdecke, bei jeder Ausatmung senkt sich die Bauchdecke infolge der Schwerkraft. Dieses Auf und Ab entfällt beim Sitzen oder Stehen, weshalb hier die Zwerchfellatmung etwas schwerer zu erlernen ist. Wenn Ihnen die Bauchatmung schwer fällt, spannen Sie vorerst einmal Ihre Bauchmuskeln an und heben bzw. senken Sie auf diese Weise die Bauchdecke. Es fällt Ihnen dann vielleicht leichter, die Bauchdecke allein über die Zwerchfellatmung zu bewegen. Eine weitere Erleichterung: im Sitzen verschränken Sie zuerst Ihre Hände hinter dem Kopf, dann atmen Sie durch die Nase ein, anschließend werden Sie spüren, wie Sie locker aus dem Bauch heraus atmen.

In den meisten Büchern, die Atemtechniken zur Angstkontrolle empfehlen, wird die „Bauchatmung“ als sichtbarer Ausdruck der Zwerchfellatmung empfohlen. Dies wird von manchen Atemtherapeuten kritisiert, weil die Vorderbauchatmung nur das vordere Drittel des Zwerchfells aktiviere. Die Intensivierung der Zwerchfellatmung sollte eher durch die Konzentration auf die physiologisch richtigeren Vorgänge gefördert werden, nämlich auf das Weiterwerden der ganzen Taille und des ganzen Rumpfes beim Einatmen und auf das Schmalwerden der Taille bei der Ausatmung. Beim Einatmen weiten sich neben der Bauchdecke auch die unteren Rippen (Flanken), an denen das Zwerchfell festgewachsen ist, und der untere Rückenteil (Kreuzbereich).

Viele Menschen mit einer Zwerchfellschlaffheit, d.h. mit einer völligen Verkümmerung der Zwerchfellmuskulatur (als „Zwerchfellhochstand“ diagnostiziert), können nicht gut waagrecht liegen, weil der Bauchinhalt nach oben drückt und die Herztätigkeit behindert. Dies könnte gelegentlich bei jenen Panikpatienten der Fall sein, die Panikattacken bevorzugt im Liegen als Ausdruck der Behinderung der Herztätigkeit erleben.

 

Atemübungen in Ruhe

Ähnliche Atemtechniken finden sich in Atemtherapie-Büchern für Asthmatiker. Asthma stellt eine Blockierung der Ausatmung durch Verschleimung oder Verkrampfung der Bronchiolen dar, sodass bei noch nicht vollständiger Ausatmung aus Angst vor dem Ersticken eine willentliche Einatmung erfolgt. Tatsächlich jedoch sollte die Atemblockade durch eine Forcierung der Ausatmung durchbrochen werden, was Asthmatiker in Atemschulungen durch Physiotherapeuten lernen können.

 

Atemübungen bei Bewegung

Die Atmung wird durch mechanische Atemantriebe über eine Art mechanischer Empfangsapparate (Mechanorezeptoren) in der Nähe der Gelenke angeregt, die mechanische Reize aufnehmen und zum Zentralnervensystem weiterleiten. Viele Bewegungsübungen können daher auch als Atemübungen angesehen werden. Atemübungen bei Bewegung erfolgen ebenfalls durch Einatmen über die Nase und Ausatmen durch die Lippenbremse bzw. über die Nase (wenn möglich).

Bei körperlicher und seelischer Belastung ist es nicht notwendig, durch den Mund viel Luft einzuatmen, sondern im Bereich des Zwerchfells und der unteren Rippen zu atmen, wo Belüftung und Durchblutung der Lunge optimal sind (aufgrund der Schwerkraft ist im unteren Drittel der Lunge das meiste Blut, in das der Sauerstoff übergeht).

Atmen Sie im Moment der stärksten Bewegung bzw. Anstrengung durch die Lippenbremse aus (z.B. auf „SCH“), anschließend atmen Sie durch die Nase ein. „Tief einatmen“ zur maximalen Sauerstoffaufnahme bei Bewegung ist irreführend und falsch, wenn es als intensive Mundatmung, als „tief Luft holen“ und „nach Luft schnappen“ verstanden wird, wo sich die Schultern in Richtung der Ohren heben und die Bauchdecke kaum bewegt. Wenn Sie gründlich ausatmen, geschieht die Einatmung ganz von allein, mit ausreichender Sauerstoffversorgung durch die Nasenatmung auch bei körperlicher und seelischer Belastung.

Üben Sie nicht nur die Kombination von Atmung und Bewegung, sondern beginnen Sie jedes Atemübungsprogramm mit Lockerungsübungen. Sie können sich im Stehen, Sitzen oder bequem im Liegen rekeln, strecken und dehnen. Sie werden dadurch auch empfindungsfähiger und sensibler. Schütteln Sie dann Arme und Beine und den ganzen Körper.

Übungen zur Beweglichmachung sind am Anfang einer Übungseinheit empfehlenswert, um die Gelenke, Bänder, Sehnen und Muskeln einzustimmen und auf alle möglichen Übungen vorzubereiten. „Nachgeben“ (in den Verspannungen) ist dabei das oberste Gebot. Lassen Sie alles schwer sein, lassen Sie alles in den Boden, auf die Unterlage sinken. Spüren Sie die Schwerkraft, die Anziehungskraft der Erde. Wenn Sie können, gähnen Sie dazu, da Ihre Atmungsorgane oder Atemmuskeln dadurch noch mehr entspannt werden und die Atmung tiefer wird.

 

Atemübungen mit Düften (Aromatherapie)

Die Aromatherapie, das Heilen mit Düften, ist seit einiger Zeit recht in Mode gekommen und kann bei Menschen mit Angststörungen durchaus sinnvoll eingesetzt werden. Düfte können durch die Verbindung mit angenehmen Erlebnissen eine Angstreduktion bewirken.

Bei Angst- und Spannungszuständen mit flacher und rascher Atmung kann der Duft ätherischer Öle die Einatmung durch die Nase fördern und damit eine intensivere Atmung sowie eine Beruhigung bewirken. Nehmen Sie bei Agoraphobie ein Duftfläschchen mit, an dem Sie bei Bedarf riechen.

Düfte lösen bestimmte körperliche und seelische Reaktionen aus. Der Geruchssinn steht wie kein anderes Sinnesorgan in direkter Verbindung zu jenen Gehirnzentren, die für die Auslösung emotionaler Reaktionen verantwortlich sind. Die entsprechenden Gehirnregionen haben sich phylogenetisch aus dem Riechhirn entwickelt.

Duftreize wirken auf das limbische System ein, werden dort verarbeitet und lösen über das autonome Nervensystem eine physiologische Aktivierung (Sympathikus) oder eine Beruhigung (Parasympathikus) aus. Die Duftinformationen werden zur Hypophyse geleitet, die den Hormonhaushalt reguliert und alle ihr untergeordneten endokrinen Drüsen steuert, wobei jeweils eine bestimmte Menge eines Hormons produziert wird.

Bei unangenehmen Gerüchen wird der Atem flacher. Bei angenehmen Düften reagiert das autonome Nervensystem mit einer Vertiefung der Atmung. Angenehme Düfte können schöne Erinnerungen mobilisieren, die im Gehirn positive Gefühle, Entspannung und Wohlbefinden auslösen. Düfte führen zu einer vermehrten Produktion stimmungsverändernder Neurotransmitter und wirken belebend .

Der Duft von Ylang-Ylang bremst angeblich die Adrenalinproduktion und soll beruhigend wirken.

Bei Kurzatmigkeit können bestimmte Düfte eingesetzt werden, um die Atmung zu vertiefen oder anzuregen, und zwar alle frischen oder minzigen, eukalyptolhaltigen ätherischen Öle: Latschenkiefer, Fichtennadel, Zirbelkiefer, Tanne, Pinie, Cajaput, Eukalyptus, Minze, Myrte.

Bestimmte ätherische Öle sollen bei Angstzuständen besonders wirksam sein: Basilikum, Benzoe, Bergamotte, Geranie, Jasmin, Lavendel, Mandarine, Melisse, Muskatellersalbei, Neroli (Bitterorangenblüten), Orange, Patchouli, Pampelmuse, Römische Kamille, Rose, Sandelholz, Vetiver, Ylang-Ylang, Zeder.

Lavendel und Neroli werden am häufigsten empfohlen. Nach EEG-Messungen löst Lavendel im Gehirn Alpha-Wellen aus, die für einen entspannten Zustand typisch sind. Vielen Menschen wird ein Orangen- oder Minze-Duft mehr behagen. Eine Mischung aus mehreren Ölen kann noch wirkungsvoller sein als ein einzelner Duft.

Duftlampen und Räucherwerk können die Raumluft verbessern und das angenehme Empfinden fördern.

Aromastoffe können das allgemeine Wohlbefinden fördern, die behaupteten therapeutischen Wirkungen sind jedoch empirisch nicht erwiesen.

 

Empfehlung der Videos des Psychiaters Dr. Thomas Weiss

Auf die Videos von Dr. Thomas Weiss zu den Zusammenhängen von Angst und falscher Atmung sowie zur richtigen Atmung möchte ich hier ganz besonders hinweisen:

Atemstörungen und chronische Hyperventilation

Chronische Hyperventilation und die Folgen

Die akute und die chronische Hyperventilation

Mundatmung hat Folgen

Gehirndurchblutung und Erschöpfung - Teil 1

Chronische Erschöpfung und CFS - Teil 2

Biologie der Panik - Teil 1

Biologie der Panik - Teil 2

Biologie der Panik - Teil 3

Hyperventilation und Panik


Der Psychiater
Dr. Thomas Weiss aus Mannheim zeigt auf, dass Panikattacken durch eine Hyperventilation ausgelöst werden können.

Genau genommen stellt eine
reine Hyperventilation sowie die anhaltende Angst davor keine Panikattacke dar, sondern eine Somatoforme autonome Funktionsstörung, respiratorisches System, ähnlich wie der psychogene Husten.

Die Theorie vom
falschen Erstickungsalarm wurde bereits vor Jahrzehnten vom amerikanischen Psychiater  Donald Klein vertreten, dessen Forschungen bzw. Behauptungen in den 1960er-Jahren dazu geführt hatten, dass die bisher weltweit übliche Diagnose der Angstneurose erstmals 1980 im amerikanischen psychiatrischen Diagnoseschema DSM-III aufgegeben wurde, indem die Symptomatik unterteilt wurde in Panikstörung und Generalisierte Angststörung.

Nur bei einer relativ kleinen Gruppe von Menschen mit Panikattacken wurde die erste Panikattacke durch eine heftige Hyperventilation ausgelöst.

Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat die Behauptung, dass alle Panikattacken durch Hyperventilation ausgelöst würden, überzeugend wiederlegt, wie in meinem Buch
"Angststörungen" nachzulesen ist.

Donald Klein hatte vor seiner Theorie vom falschen Erstickungsalarm behauptet, dass eine Panikattacke durch eine reine Störung im Gehirnstoffwechsel ausgelöst werde und durch
Antidepressiva (damals Tofranil) wirksam behandelt werden könne, ähnlich wie die früher sogenannte endogene Depression eine reine Gehirnstoffwechselstörung sei.

Erwartungsängste, das heißt die Angst davor, könnten dagegen wirksam durch
Tranquilizer (langfristig abhängig machende Beruhigungsmittel) behandelt werden.

Das erste diesbezügliche Medikament heißt
Alprazolam und ist unter den Markennamen Xanax, Xanor und Tafil bekannt.

Es wurde bei Menschen mit Panikattacken in den USA in den ersten Jahren in einer Tagesdosis von 3, 4 oder sogar 6 mg verordnet - bis man im Laufe der Zeit den raschen Abhängigkeitseffekt erkannte.

Das Mittel wird von Ärzten vielfach auch heute noch weltweit als erste Maßnahme gegen Panikattacken verschrieben, bis nach 2-3 Wochen das gleichzeitig verschriebene Antidepressivum (ein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Sertralin/Zoloft, Escitalopram/Cipralex oder Paroxat/Seroxat) zur Wirkung kommt und der Tranquilizer ausgeschlichen wird.

Im ICD-10 heißt anstelle von Angstneurose der Überbegriff
Sonstige Angststörungen (Panikstörung, Generalisierte Angststörung u.a.) - neben der Gruppe der Phobien.

Im neuen ICD-11 wird auf diese Überkategorie gänzlich verzichtet.