Agoraphobie: Psychotherapie, Verhaltenstherapie Linz

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Dr. Hans Morschitzky

Klinischer Psychologe, Psychotherapeut

Verhaltenstherapie, Systemische Familientherapie

A-4040 Linz, Hauptstraße 77     

Tel.: 0043 732 778601  E-Mail: morschitzky@aon.at

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Agoraphobie: Platzangst, Reisephobie - Psychotherapie, Verhaltenstherapie, Selbsthilfe

 

 

Zur bestmöglichen Selbsthilfe empfehle ich Ihnen mein Buch über Agoraphobie:

 

Morschitzky, H. (2017). Wenn Platzangst das Leben einengt. Agoraphobie bewältigen. Ein Selbsthilfeprogramm. Ostfildern: Patmos Verlag. 213 Seiten.

 

Dieses Buch beschriebt die vielfältige Symptomatik der Agoraphobie und deren Ursachen und bietet ein umfassendes Selbsthilfeprogramm in 7 Schritten zur Überwindung der Agoraphobie, und zwar in Form einer Konfrontationstherapie nach vier verschiedenen Konzepten.

 

Durch Anklicken des Titels können Sie das Buch sofort bestellen.

 

 

 

 

 

Lesen Sie meinen Artikel über Agoraphobie in der deutschen Angstzeitschrift daz.

 

Angst, in Angstsituationen keinen Fluchtweg oder Helfer zu haben – Angst, in der Falle zu sitzen: Agoraphobie (Platzangst)

 

 

„Meine frühere Selbstständigkeit und Selbstsicherheit waren wie weggeblasen.“

 

Frau Weber, 29 Jahre alt, verheiratet mit einem Facharbeiter, ist Hausfrau und Mutter von zwei Töchtern im Alter von drei und fünf Jahren. Vor der Ehe war sie in einem großen Modegeschäft als Textilverkäuferin tätig.

 

Die Familie wohnt in einem großen Haus zusammen mit den Eltern des Mannes.

 

Die junge Frau möchte wieder arbeiten gehen, um dadurch den ständigen Spannungen mit der Schwiegermutter zu entkommen, obwohl sie diese eigentlich zur Beaufsichtigung ihrer Kinder benötigt.

 

Nach einem Streit mit der Schwiegermutter fährt Frau Weber noch am gleichen Tag mit dem Bus zur Personalabteilung ihrer früheren Firma, um den raschen beruflichen Wiedereinstieg zu organisieren.

 

Im überfüllten Bus bekommt sie plötzlich Schwindelgefühle, Hitzewallungen, Herzrasen, Atemnot und Übelkeit. Aus Angst umzufallen klammert sie sich an einer Stange fest und beginnt leicht zu zittern.

 

Ihre Schwindelgefühle erinnern sie an einen Beinahekollaps vor einem Jahr in der langen Samstagvormittag-Schlange vor der Kasse eines Supermarkts und sie fürchtet, ohnmächtig umzufallen. Sie verlässt den Bus fluchtartig bei der nächsten Station.

 

Fünf Wochen später ist Frau Weber abends mit den Kindern allein zu Hause. Während sie sich einen Fernsehfilm anschaut, wird ihr Körper von einer heftigen Panikattacke mit Herzrasen, Druck auf der Brust, abwechselnden Hitze- und Kältegefühlen, Schwindel, Übelkeit und Zittern erfasst; eine massive Todesangst ist die Folge. 

 

Frau Weber alarmiert den Notarzt, der nach einer kurzen Untersuchung meint, sie habe wahrscheinlich eine Panikattacke erlebt und solle am nächsten Tag den Hausarzt zwecks weiterer Behandlung aufsuchen.

 

Da sie alleine zu Hause ist, gibt er ihr eine Beruhigungsspritze, die bereits nach kurzer Zeit die gewünschte Wirkung zeigt.

 

Mann und ihre Schwiegermutter raten ihr später zu mehr Schonung, was dazu führt, dass sie ihren Wiedereinstieg in den Beruf aus Angst vor Überforderung aufgibt.

 

Zwei Wochen danach bekommt Frau Weber eine Panikattacke beim Einkauf im nächstgelegenen Geschäft. Sie muss deswegen fluchtartig das Geschäft verlassen.

 

Von da an hat sie Schwierigkeiten, ohne Begleitung etwas zu unternehmen.

 

Sie fährt nicht mehr allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln und vermeidet den Aufenthalt in öffentlichen Räumen. Sie fürchtet sich vor dem Alleinsein unterwegs genauso wie vor dem Alleinsein zu Hause. Sie hat das Vertrauen zu ihrem Körper verloren.

 

Plötzlich ist sie froh, dass die Schwiegereltern im Haus wohnen und sie somit am Vormittag nicht allein sein muss, wenn die Kinder in den Kindergarten gehen. Von nun an ist die Schwiegermutter jederzeit willkommen.

 

Was für Frau Weber eine Hilfe sein sollte, wird bald zu ihrem Gefängnis, zum Gefängnis der Agoraphobie: die zunehmende Abhängigkeit von der Schwiegermutter nimmt ihr den letzten Rest von Selbstvertrauen.

 

Zum Hausarzt wagt sie sich erst zwei Monate später, als sie plötzlich nicht einmal mehr ihre Kinder in den Kindergarten bringen kann aus Angst, vor den anderen Müttern eine Panikattacke zu bekommen oder sonst irgendwie unangenehm aufzufallen.

 

Selbst den Besuch beim Hausarzt hatte sie hinausgeschoben, weil sie sich vor dem vollen Wartezimmer fürchtete und Angst davor hatte, die Leute würden ihre Symptome erkennen und sie als nervenkrank abstempeln.

 

Mit der Diagnose „Agoraphobie mit Panikstörung“ wird sie vom Hausarzt zu einer Verhaltenstherapie überwiesen.

 

 

Fürchten Sie sich vor Menschenmassen, öffentlichen Plätzen, allein zu reisen oder weit weg von Zuhause zu sein?

 

1.

Fürchten und vermeiden Sie beharrlich und anhaltend mindestens zwei der folgenden Situationen: 

 

 

·    Menschenmengen

O

 

·    Öffentliche Plätze

O

 

·    Allein Reisen

O

 

·    Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause

 

O

2.

Traten dabei folgende Symptome auf?

 

 

·     Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz

O

 

·     Schweißausbrüche

O

 

·     Fein- oder grobmotorisches Zittern

O

 

·     Mundtrockenheit

O

 

·     Atembeschwerden

O

 

·     Beklemmungsgefühl

O

 

·     Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust

O

 

·     Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchraum (z.B. Unruhegefühl im Magen)

 

O

 

·     Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit

O

 

·     Gefühl, dass Sie weit entfernt sind, nicht „wirklich hier sind“, „neben sich stehen“ (Depersonalisation) oder die Umwelt und die Objekte unwirklich sind (Derealisation)

 

 

O

 

·     Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“

O

 

·     Angst zu sterben (als Reaktion auf die körperlichen Zustände)

O

 

·     Hitzewallungen oder Kälteschauer

O

 

·     Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle

 

O

3.

Erleben Sie durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome eine deutliche emotionale Belastung und haben Sie dabei die Einsicht, dass diese Ängste übertrieben oder unvernünftig sind?

 

 

  

O

4.

Beschränken sich die Symptome ausschließlich oder hauptsächlich auf die gefürchteten Situationen oder Gedanken an sie?

 

 

O

5.

Können Sie ausschließen, dass Ihre Angstzustände bedingt sind durch eine andere psychische Störung (Depression, Zwangsstörung usw.) oder eine körperlichen Störung?

 

 

 

O

 

Wenn Sie die Fragen 1, 3, 4 und 5 sowie mindestens zwei Symptome bei Frage 2 angekreuzt haben, haben Sie möglicherweise eine Agoraphobie (Platzangst).

 

 

 

 

Das Wesen der Agoraphobie: ständiges Vermeidungsverhalten vor gefürchteten Orten und Situationen

 

Die zentralen Merkmale kurzgefasst:

 

A.  Als „Agoraphobie“ bezeichnet man die starke und anhaltende Furcht vor oder die Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen:

·     Menschenmassen

·     Öffentliche Plätze

·     Allein Reisen

·     Reisen, vor allem mit weiter Entfernung von Zuhause.

 

B.  B. Wenigstens einmal nach der Entwicklung der Störung müssen in den gefürchteten Situationen mindestens zwei der folgenden 14 Angstgsymptome gleichzeiig aufgetreten sein (davon meines aus den ersten vier Symptomen):

  1. Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
  2. Schweißausbrüche

  3. fein- oder grobmotorisches Zittern

  4. Mundtrockenheit

  5. Atembeschwerden

  6. Beklemmungsgefühl

  7. Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust

  8. Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchraum (z.B. Unruhegefühl im Magen)

  9. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit

  10. Gefühl, die Objekte der Umwelt sind unwirklich (Derealisation), oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“, wie wenn man neben sich stehen würde (Depersonalisation)

  11. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“

  12. Angst zu sterben (als Reaktion auf die körperlichen Symptome)

  13. Hitzewallungen oder Kälteschauer

  14. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle

 

C.  Es besteht eine starke emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome, wobei die Betroffenen die Einsicht haben, dass ihre Reaktionen übertrieben oder unvernünftig sind.

 

D.  Die Symptome sind ausschließlich oder hauptsächlich auf die gefürchteten Situationen oder auf die Gedanken an diese beschränkt.

 

E.  Die gesamte Symptomatik ist nicht durch eine andere psychische Störung (z.B. Depression, Zwangsstörung oder Alkoholabhängigkeit) oder eine körperliche Erkrankung bedingt.

 

Die Störung kann in zwei Formen auftreten:

 

 

Geschichtliche Aspekte

 

„Agora“ heißt im Altgriechischen „öffentlicher Platz“ oder „Marktplatz“.

 

Die Bezeichnung Agoraphobie (auf Deutsch „Platzangst“) wurde erstmals 1871 verwendet, um die Angst vor weiten und offenen Plätzen sowie vor bestimmten Straßen zu charakterisieren.

 

Bereits damals wurde erkannt, dass eine Agoraphobie auf der Angst vor körperlichen oder geistigen Symptomen beruht und diese Erwartungsangst („Angst vor der Angst“) durch die Anwesenheit von Vertrauenspersonen reduziert werden kann.

 

Sigmund Freud beschrieb als erster die Agoraphobie als Folge von Panikattacken.

 

Er meinte, in Wirklichkeit sei das, was der Kranke fürchte, das Ereignis eines solchen Anfalls unter speziellen Bedingungen, dass er glaube, ihm nicht entkommen zu können.

 

Angst vor öffentlichen Orten wurde früher der Angst vor engen Räumen (Klaustrophobie) gegenübergestellt.

 

Heute versteht man unter Agoraphobie die Angst vor allen Orten und Situationen, wo im Falle einer Panikattacke, einer panikähnlichen Symptomatik (Ohnmachtsangst, Herzklopfen, Atemnot u.a.) oder eines sonstigen körperlichen Unwohlseins (vor allem Schwindel, Schwitzen, Harn- oder Stuhldrang) eine Flucht schwierig oder gar unmöglich wäre, eine hilfreiche und beruhigende Person nicht zur Verfügung steht und das Ertragen der gefürchteten Situation extrem belastend empfunden wird.

 

 

Die Kernsymptomatik

 

Eine Agoraphobie ist eine starke und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei von vier Situationen (Menschenmengen, öffentlichen Plätzen, allein Reisen, weiten Reisen), wobei die Betroffenen mindestens zwei von 14 körperlichen und kognitiven Angstsymptomen aufweisen.

 

Ausgelöst wird sie, wenn die Betroffenen ihre gewohnte und sichere Umgebung verlassen, keine schützenden und vertrauten Personen um sich haben und keine Fluchtmöglichkeit mehr vorfinden.

 

Das zentrale Gefühl ist: „Du sitzt in der Falle!“ Es taucht zum einen die Angst auf, wildfremden Menschen ausgeliefert zu sein, zum anderen die Erleichterung, dass überhaupt jemand in der Nähe ist, der im Notfall Hilfe leisten könnte.

 

Kurzgefasst: Agoraphobiker leiden unter einer mangelnden Situationskontrolle. Dahinter steht die Angst vor dem eigenen Körper, das heißt Angst, körperliche oder psychische Symptome nicht mehr kontrollieren zu können.

 

Sie ist so dominant, dass weder vernünftige Argumente von außen noch positiv gemeisterte, ähnliche Situationen etwas fruchten – die agoraphobische Angst bleibt.

 

Die Betroffenen befürchten, die Kontrolle über sich und ihren Körper zu verlieren, plötzlich ohnmächtig umzufallen und womöglich mit einem Herzinfarkt hilflos liegen zu bleiben.

 

Nicht weniger Angst macht die Vorstellung, öffentlich einen Schrei- oder Weinkrampf oder gar einen Tobsuchtsanfall zu bekommen oder „durchzudrehen und verrückt zu werden“.

 

Das häufige Gefühl, „neben sich zu stehen“, spiegelt ein stressbedingtes Entfremdungsgefühl gegenüber sich selbst (Depersonalisation) oder gegenüber der Umwelt (Derealisation) wider und ist nicht – wie oft befürchtet wird – Ausdruck einer beginnenden Schizophrenie!

 

Die Betroffenen leiden auch oft unter einem chronischen Schwindel, was im Vorfeld schon zu einer Einschränkung an körperlicher Bewegung geführt hat.  

 

Wie versuchen in der Regel Agoraphobiker, mit ihrem Problem fertig zu werden? Indem sie es möglichst vermeiden! Agoraphobiker entwickeln geradezu perfide Strategien im Vermeiden der Angst machenden Situationen.

 

Somit können sie nie die Erfahrung machen, dass das Problem gar nicht so gefährlich und durchaus bewältigbar wäre.

 

Das führt wie der Dominoeffekt zu einem immer größeren Meidungsverhalten bis hin zur völligen sozialen Isolation. Vom früheren Selbstbewusstsein ist dann kaum mehr etwas vorhanden.

 

Diese Vermeidungsstrategie erklärt auch die paradoxe Situation, dass manche Agoraphobiker relativ wenig Angst erleben.

 

Eine Agoraphobie unterscheidet sich von einer spezifischen Phobie (z.B. ausschließlich Angst vor dem Liftfahren oder vor dem Fliegen) durch den Umstand, dass eine Unzahl an Orten und Situationen gefürchtet wird, so dass man auch von einer „multiplen Situationsphobie“ spricht.

 

 

Agoraphobie umfasst viele Orte und Situationen

 

Es gibt eine Fülle von Situationen, die gemieden oder nur mit Unbehagen ertragen werden können, besonders wenn diese ohne den Schutz einer Begleitperson aufgesucht werden müssen:

 

 

Die Angst vor der Angst – hinter der Angst vor Orten und Situationen steht die Angst vor dem eigenen Körper

 

Agoraphobie-Patienten fürchten sich panisch davor, in bestimmten Situationen mit den unangenehmen Reaktionen ihres eigenen Körpers nicht mehr fertig zu werden.

 

Da sie glauben, ihren Körper nur mangelhaft kontrollieren zu können, vermeiden sie strikt alle Orte und Situationen, die dazu führen könnten.

 

Eigentlich haben Agoraphobiker gar nicht Angst vor den äußeren, sondern vor ihren eigenen inneren Zuständen, denen sie sich hilflos ausgeliefert fühlen. 

 

Besonders schlimm ist es für die Betroffenen, wenn sie wissen, dass vielleicht in einer Woche der Besuch eines besonderen Konzertes ansteht.

 

Es entstehen Erwartungsängste, die oft so dominant werden, dass kaum mehr eine Chance besteht, die Situation so halbwegs entspannt anzugehen und durchzutauchen.

 

Die Angst vor der Angst hat gesiegt. Und wenn sich der Betroffene doch durchgerungen hat, sich dem gefürchteten Ereignis zu stellen und dieses sogar als positiv und angenehm erlebt hat, wird er trotzdem bei der nächsten ähnlichen Erfahrung die gleichen extremen Erwartungsängste verspüren und sich ihnen hingeben. 

 

Agoraphobie-Patienten können mit einem gewissen Restrisiko, mit potentiellen Gefahren und der Unsicherheit, wie eine Situation sein wird, mental nicht richtig umgehen.

 

 

Zwei Arten der Agoraphobie

 

Eine Agoraphobie kann mit oder ohne Panikstörung auftreten, sie entsteht oft als Folge nicht bewältigter Panikattacken. Rückfälle bei einer Agoraphobie hängen häufig mit einer oder mehreren weiteren Panikattacken zusammen.

 

Im klinischen Bereich weisen die meisten Menschen mit Agoraphobie tatsächlich auch Panikattacken auf, während diese Kombination nach umfangreichen Befragungen der Durchschnittsbevölkerung nur bei etwa der Hälfte der Agoraphobie-Patienten vorhanden ist.

 

Als Auslöser für eine Agoraphobie ohne Panikstörung gelten gewöhnlich einzelne körperliche Symptome wie Schwindel, Ohnmachtsangst, plötzlicher Harn- oder Stuhldrang oder allgemeine Schwächegefühle.

 

Eine Panikattacke in einer eindeutig phobischen Situation (z.B. im Lift, auf der Autobahn, in einem Supermarkt) zeigt nur den Schweregrad der Phobie an und macht noch keine Panikstörung aus, zu der auch Angstattacken „aus heiterem Himmel“ gehören.

 

Verschiedene „Agoraphobiker“ haben laut Nachuntersuchungen eher eine spezifische Phobie als eine Agoraphobie im Sinne einer multiplen Situationsphobie.

 

 

Lästiger Schwindel

 

Agoraphobiker fühlen sich oft schwindlig und unsicher auf den Beinen, der Boden scheint zu wanken und nicht ausreichend stabil zu sein.

 

Sie haben den Eindruck, auf Wolken oder Watte zu gehen oder zu schweben, ohne sichere Bodenhaftung.

 

Häufig fürchten sie, nach dem Umfallen hilflos auf dem Boden liegen bleiben zu müssen, nicht selbst aufstehen zu können, einer gaffenden Menge ausgeliefert und auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, die im Bedarfsfall vielleicht nicht einmal erfolgt.

 

Die Betroffenen haben jedoch weder einen Kreislaufschwindel noch einen Drehschwindel, sondern einen Schwankschwindel.

 

Dieser wird durch das Gleichgewichtszentrum im Hirnstamm ausgelöst, das auf die chronische muskuläre Verspannung mit einem Schwindelreiz als Alarmsignal reagiert.

 

Kennen Sie den Spruch von der „Angst im Nacken“? Er verweist auf eine massive Schulter-Nacken-Verspannung, unter der Agoraphobiker häufig leiden.

 

Die Anspannung zeigt sich auch im übrigen Körper: die Fußsohlen liegen nicht voll und entspannt auf dem Boden auf, die Beine sind angespannt, ohne federndes Sich-Durchbeugen und Ausbalancieren, das Rückgrat ist steif und unelastisch (wie wenn ein „Stock im Kreuz“ wäre), aus Angst vor dem Fall wird der Schwerpunkt gehoben statt gesenkt.

 

 

Tausend Tricks und Notlügen

 

Um das Leben bewältigen zu können, greifen die Betroffenen in ihrer Not oft zu tausenden Tricks und Ausflüchten und spielen vor sich und den anderen ein perfektes Theater.

 

Fachleute sprechen von so genannten Sicherheitssignalen, die die Angst reduzieren sollen:

Gerne werden auch Ausreden eingesetzt, um gefürchteten Situationen zu entkommen, so dass das wahre Ausmaß der Symptomatik selbst Freunden und Verwandten lange Zeit gar nicht auffällt – oft nicht einmal den Betroffenen selbst.

 

Beliebte „Notlügen“ sind z.B.

 

Unterschiedliche Ausprägungen der Agoraphobie

 

Eine Agoraphobie ist oft unterschiedlich stark ausgeprägt, was für die Betroffenen sehr zermürbend ist.

 

Sie können angesichts der schwankenden Symptomatik oft keinen roten Faden erkennen – einmal sind dieselben Situationen leichter, einmal schwerer zu bewältigen, je nachdem, ob es sich um „gute“ oder „schlechte“ Tage handelt.

 

Diese Schwankungen sind eine Quelle der Unsicherheit, Unvorhersagbarkeit und Hilflosigkeit! 

 

Ohne Erschöpfungsdepression bringen längere Krankenstände zur Erholung und Entspannung meist keine Besserung.

 

Im Gegenteil: die Agoraphobie kann ohne den Zwang, einen bestimmten Tagesablauf zu bewältigen, erst so richtig ausufern. Daher kann sich die Symptomatik bei Hausfrauen, Studenten und Selbstständigen rasch verschlechtern. 

 

 

Folgen der Agoraphobie

 

Wenn eine Agoraphobie nicht erfolgreich behandelt oder vielleicht erst gar nicht richtig erkannt wird, erfolgt im Laufe der Zeit unumgänglich eine geradezu lebenseinengende Behinderung.

 

Selbstbewusstsein und Zukunftshoffnung schwinden derart, dass Betroffene, Außenstehende und Ärzte schließlich nicht mehr wissen, ob die schützende Wohnung aus hemmender Angst, antriebslähmender Depression oder beidem nicht mehr verlassen werden kann.

 

Es kommt zu einem Teufelskreis: eine nicht bewältigbare oder bewältigte Agoraphobie führt oft zu einer Depression, die wiederum die Phobie verstärkt, so dass ein chronischer Verlauf leider sehr wahrscheinlich wird.

 

Klar, dass im Laufe der Zeit die ganze Familie mitleidet: Urlaube, Ausflüge, Restaurantbesuche, selbst Einkäufe oder die Fahrt in die Arbeit sind kaum mehr oder nur unter sehr belastenden Umständen möglich.

 

Ständige familiäre Spannungen sind vorprogrammiert, wenn der Rest der Familie die Agoraphobie des Betroffenen nicht mehr länger ertragen kann oder unterstützen will.

 

Damit dreht sich die Leidensspirale für den Betroffenen aber nur weiter – er wird sich immer konsequenter aus allen sozialen Kontakten zurückziehen, was bis zur Arbeitsunfähigkeit führen kann.

 

Erschreckend ist: ein Drittel der Patienten lebt so eingeschränkt, dass die Erfüllung der beruflichen und familiären Verpflichtungen nicht mehr möglich ist.

 

Nicht selten greifen Agoraphobiker zu Alkohol oder Beruhigungsmitteln als falsch verstandene Selbstbehandlungsstrategie, bis eine weitere Abhängigkeit entstanden ist.

 

Ohne Behandlung bleibt eine Agoraphobie oft für immer oder zumindest über viele Jahre bestehen. Patienten mit einer Kombination von Agoraphobie und Depression haben unbehandelt eine schlechtere Prognose als solche mit einer reinen Angststörung oder einer reinen Depression.

 

 

Wie ein Behandlungsdruck von außen entsteht

 

Jahrelang kann es ja auch gut gehen: das perfekte Überspielen der Agoraphobie, die ausgeklügelten Argumentationsketten, warum bestimmte Dinge nicht möglich sind usw.

 

Eine gewisse Zeit kann man sich und die Umgebung ganz gut täuschen – nur irgendwann fällt das Kartenhaus aus Ausreden und Ausflüchten in sich zusammen.

 

Akuter Behandlungsbedarf besteht bei:

 

Agoraphobie, soziale Phobie oder Depression?

 

Die Grenzen zwischen diesen drei psychischen Störungen sind oft fließend und in bestimmten Fällen auch für das geschulte Auge schwer zu unterscheiden. Häufig wird vorschnell eine reine Agoraphobie angenommen, wo tatsächlich primär soziale Ängste vorhanden sind.

 

Unter einer sozialen Phobie leiden Menschen, wenn sie sich vor Kritik von anderen fürchten oder überhaupt davor, in der Öffentlichkeit aufzufallen.

 

Alles kreist um die Frage: „Was werden die anderen Menschen von mir denken, wenn sie mich während einer Panikattacke sehen?“

 

Dahinter stehen oft eine soziale Unsicherheit und eine soziale Ängstlichkeit.

 

Agoraphobiker mit einer sozialen Phobie fürchten den „sozialen Tod“, den Verlust des Sozialprestiges, was durch bestimmte sichtbare, durchaus als ungefährlich erkannte Symptome (Rotwerden, Zittern, Schwitzen, Ausbleiben oder Veränderungen der Stimme) verstärkt wird.

 

Die Angst vor Menschenansammlungen tritt bei Agoraphobikern und Sozialphobikern gleichermaßen auf.

 

Bei Agoraphobie ist jedoch die zentrale Befürchtung, die jeweiligen Situationen nicht jederzeit rechtzeitig verlassen zu können bzw. keine Hilfe von Fremden bekommen zu können, bei der sozialen Phobie dagegen sind eher bekannte Menschen der Angst auslösende Faktor, die als potentielle Kritiker gefürchtet werden.

 

In einem Lokal sitzen Agoraphobiker lieber bei der Tür, Sozialphobiker eher versteckt in einer Ecke.

 

Agoraphobiker gehen lieber in kleinere, überschaubare Geschäfte, Sozialphobiker eher in Supermärkte.

 

Bei einer Agoraphobie (vor allem bei gleichzeitiger Panikstörung) kreisen die Befürchtungen um das eigene körperliche und psychische Wohlbefinden (Angst verrückt zu werden, die Kontrolle zu verlieren, zu sterben, in Ohnmacht zu fallen), ohne Sorgen um die Bewertung des Verhaltens durch andere.

 

Bei typischen Agoraphobikern mit Panikattacken ohne Sozialphobie besteht die Angst unabhängig vom sozial relevanten Verhalten.

 

Sie haben einfach Angst, ohnmächtig umzufallen und vielleicht nicht mehr aufzuwachen, auch wenn die umstehenden Leute gute Bekannte sind.

 

Sozialphobiker fürchten die negative Bewertung des eigenen Handelns oder der eigenen Person durch andere.

 

Bei einer typisch agoraphobischen Symptomatik wie der Angst umzufallen kann man über die Frage nach den Konsequenzen des Umfallens rasch erkennen, ob statt der Todesangst eine Sozialphobie gegeben ist: „Ich habe Angst, dass alle Menschen auf mich herschauen und sich denken, ich sei psychisch am Ende“.

 

Bei einer Depression erfolgt der Rückzug nicht aus körperlichen oder sozialen Ängsten, sondern aus Antriebsmangel und Lustlosigkeit.

 

Oft verstärkt eine sekundäre Depression eine ursprüngliche Agoraphobie oder Sozialphobie.

 

Die Beseitigung der Depression ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Angstbewältigung!

 

Personen mit einer Zwangsstörung vermeiden bestimmte Situationen aus einem anderen Grund.

 

Sie fürchten Verunreinigungen vielfacher Art und müssen hinterher dadurch extrem häufiges und intensives Waschen und Reinigen den früheren „sauberen“ Zustand wiederherstellen.

 

Diese Personen vermeiden bestimmte Situationen, um sich stundenlang andauernde Zwangsrituale wie Waschen, Reinigen und Kontrollen zu ersparen.

 

 

Wie eine Agoraphobie entsteht

 

Eine Agoraphobie entsteht meist nach folgendem Schema:

  1. An einem bestimmten vorher neutralen Ort (z.B. Supermarkt, Kino, Restaurant, Veranstaltungssaal, Bus, Autobahn, Wohnung) tritt eine erste Panikattacke oder eine panikähnliche Reaktion (z.B. Übelkeit, Schwindel, Harn- oder Stuhldrang) auf. Dem vorausgegangen ist meistens eine längere psychosoziale Belastungssituation, die mit dem Ort der Panikattacke nichts zu tun hat.

  2. Die panische Reaktionsbereitschaft nimmt zu – vor allem durch die Erfahrung, dass durch das plötzliche Verlassen des Ortes die Symptomatik sofort verschwindet und die Erkenntnis, dass das Meiden des Ortes eine neuerliche Panikattacke verhindert.

  3. Wenn keine sinnvollen Bewältigungsstrategien zur Verfügung stehen, werden ab nun auch ähnliche Situationen „zur Sicherheit“ gemieden – statt etwa vorher nur der Bus werden nun alle öffentlichen Verkehrsmittel als gefährlich angesehen. Man spricht von einer zunehmenden Generalisierung der gefürchteten Orte – vor allem, wenn tatsächlich auch anderswo eine Panikattacke aufgetreten ist. 

  4. So genannte „Sicherheitssignale“ (z.B. Vertrauenspersonen, Medikamente, Alkohol, Handy) werden zur einzigen Garantie gegen agoraphobische Ängste. Sie schwächen das Vertrauen in die eigenen Handlungsmöglichkeiten immer mehr, der Bewegungsradius wird enger und enger, bis hin zur massiven Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit und der völligen Abhängigkeit von bestimmten Bezugspersonen.

Agoraphobiker fürchten sich primär nicht vor bestimmten Orten, Situationen oder Menschenansammlungen, sondern davor, was ihnen dort passieren könnte, wenn sie allein und schutzlos sind, das heißt ohne ein Sicherheitssignal (vertraute Person, Handy, Medikament, Fluchtweg, etwas zum Anhalten u.a.).

 

Eine Agoraphobie zu haben bedeutet, ständig auf der Suche nach Sicherheit oder Sicherheitssignalen zu sein, wenn man sich potentiell bedrohlichen Situationen mental oder real aussetzen soll.

 

Das agoraphobische Vermeidungsverhalten spiegelt ein gestörtes Gleichgewicht zwischen subjektiv empfundener Gefahr und Sicherheit wider.

 

Dies ist oft nur verständlich durch die Lebensgeschichte der Betroffenen.

 

Vor dem Auftreten der Agoraphobie findet man häufig sehr einschneidende Ereignisse: Tod oder schwere Erkrankung von Verwandten (Eltern, Partner, Kinder) oder Freunden, eigene schwere Krankheit mit oft unsicherem Ausgang, Angst vor Tod, Behinderung oder Krankheit, Ehekrise, Scheidung, Fehlgeburt, Gefährdung des Arbeitsplatzes, Kündigung, Konkurs, finanzielle Notlage, Umzug mit sozialer Isolierung, öffentliche Kränkung, bewusste physische oder psychische Bedrohung durch jemand, von dem man abhängig ist, Sinnkrise, Enttäuschung durch einen Bekannten usw.

 

Die Probleme von Menschen mit einer Agoraphobie dürfen nicht reduziert werden auf eine Furcht vor agoraphobischen Situationen.

 

Die Angst ohnmächtig zu werden, physisch zusammenzubrechen, psychisch aus dem Tief nicht mehr herauszukommen, geistig durchzudrehen, keinen Ausweg mehr zu wissen, buchstäblich „in der Falle zu sitzen“ u.a. stellt die Reaktion auf reale und nicht nur auf befürchtete Umstände dar.

 

Traumatisierende Erlebnisse aus früherer Zeit (z.B. Scheidung der Eltern) werden in neuen Situationen (z.B. Krise der eigenen Ehe) immer wieder gefürchtet.

 

Konkrete existentielle Verwundungen haben dazu geführt, dass das frühere Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verloren gegangen ist, so dass man sich allen weiteren potentiellen Bedrohungen der eigenen Person schutzlos ausgeliefert fühlt.

 

Allein gelassen zu sein – eben auch in agoraphobischen Situationen – aktiviert die fundamentale Erfahrung von Hilflosigkeit, Ausgeliefert-Sein und Geborgenheitsverlust, so dass Sicherheitssignale wie eine Person mit unbedingtem Vertrauen oder sonstige Hilfen zentrale Bedeutung gewinnen.

 

Die wesentlichsten Therapieziele sind die Verbesserung des Sicherheitsgefühls und der Aufbau von Kompetenz.

 

 

Der Schlüssel: „Tu das, wovor du dich fürchtest, und die Furcht stirbt einen sicheren Tod!“

 

Das ist der einzig wirksame und Erfolg versprechende Weg heraus aus der Angst-Spirale: eine umfassende Konfrontationstherapie.

 

Dabei konfrontiert sich der Betroffene mit allen gefürchteten äußeren Reizen (Orten und Situationen) und mit den aufgetretenen inneren Zuständen (bestimmten körperlichen Symptomen, Gefühlen, Gedanken und Vorstellungen).

 

Die Konfrontation mit äußeren Situationen ohne Vermeidungsstrategien ist oft nur der Anstoß, sich endlich auch mit den gefürchteten inneren Zuständen auseinanderzusetzen.

 

Sie stehen allzu oft „hinter“ der Agoraphobie und müssen ebenfalls bewältigt werden: 

 

 

Konfrontationstherapie: stellen Sie sich allen Angstsituationen!

 

Leider – agoraphobische Ängste vergehen nicht von alleine.

 

Sie müssen schon etwas tun! So schlimm es vielleicht zunächst klingen mag: Sie müssen sich der Angst aussetzen!

 

Sie müssen in die Angstsituation hineingehen, nur eben anders als bisher!

 

Eine Konfrontationstherapie ist – in Ergänzung zu anderen Strategien – die erfolgversprechendste Methode bei Panikattacken, Agoraphobie, spezifischen Phobien, spezifischer Sozialphobie, Zwangsstörung und teilweise auch bei posttraumatischer Belastungsstörung.

 

Bei einer generalisierten Angststörung und einer Hypochondrie sind eher kognitive Strategien angebracht, wenngleich diese auch für die anderen Angststörungen sehr bedeutsam sind.

 

Halten Sie sich immer vor Augen: Angst lebt von der Vermeidung. Nur wenn Sie sich der Angst stellen, werden Sie diese überwinden.

 

Übermäßig lange Ursachenforschung verzögert nur den Prozess der Veränderung und der aktiven Auseinandersetzung mit der Angst.

 

Oft verläuft der Prozess sogar gegenläufig und Sie erkennen erst nach der Beseitigung die wahren Ursachen Ihrer Ängste.

 

Halten Sie sich an das Motto: „Man hat etwas erst dann verstanden, wenn man es verändert hat.“

 

An diesem Punkt scheiden sich die Geister der Psychotherapeuten: Verhaltenstherapeuten und Psychoanalytiker gehen diesbezüglich völlig unterschiedlich vor – auch wenn schon Sigmund Freud seine agoraphobischen Ängste durch eine Vorgangsweise therapiert hat, die man heutzutage als verhaltenstherapeutische Strategie bezeichnen würde.

 

Freud empfahl allen Psychoanalytikern, ihre phobischen Patienten zur direkten Konfrontation mit den Angst machenden Reizen anzuhalten, da sonst bei der psychoanalytischen Technik der freien Assoziation kein relevantes Material zu Tage gefördert werden könnte.

 

Andererseits anerkennen Verhaltenstherapeuten heute, dass Ängste nicht nur erlernt und nicht immer so einfach wieder verlernt werden können, sondern mit tiefer liegenderen persönlichen oder interaktionellen Konflikten zusammenhängen können.

 

 

Agoraphobie und spezifische Phobien (z.B. Klaustrophobie) durch Konfrontation überwinden

 

 

Zwei Formen der Konfrontationstherapie: gestuft und massiert

 

Es klingt fast paradox: die ganze Macht Ihrer Phobien kommt allein daher, dass Sie diese unbedingt und mit allem Mitteln vermeiden wollen!

 

Dadurch wächst in Ihnen auch die Überzeugung, die betreffende Situation könnte tatsächlich gefährlich sein.

 

Eine Agoraphobie sowie die meisten Phobien können Sie am besten durch eine Konfrontationstherapie überwinden, die Ihre Angstspirale unterbricht und Ihnen die anhaltende Erfahrung vermittelt, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind.

 

Dies ist anfangs sicherlich eine anstrengende Therapie, bringt jedoch rasch Erfolge. Sie stellen sich dabei allen Angst auslösenden Situationen gezielt nach dem Grundsatz „Standhalten statt flüchten“.

 

Halten Sie sich immer vor Augen: nichts wird Sie mehr motivieren als der sichtbare Erfolg.

 

Durch die Erfahrung, dass Sie auch die stärkste Angst aushalten können und nach einiger Zeit (15-30 Minuten) ruhiger werden, ändern sich auch Ihre Einstellungen.

 

Sie erleben, dass Sie Angst aushalten können, daher gewinnen Sie die Zuversicht, dass Sie auch zukünftig Angst durchstehen können. Ein verlockendes Ziel, nicht?

 

Sie können die Konfrontation mit der Angst auf zweifache Art und Weise aufnehmen:

  1. Gestufte Konfrontation. Sie lernen dabei, in kleinen Schritten immer schwierigere Aufgaben zu bewältigen. Auf diese Weise bauen Sie langsam Ihr Vertrauen zu sich und zur Umwelt auf und vermeiden jede Überforderung (auch eine heftige Panikattacke).

  2. Massierte Konfrontation (Reizüberflutung). Bei dieser Methode stellen Sie sich sofort Ihren größten Ängsten, und zwar mit der Bereitschaft zu einer Panikattacke. Dieses Vorgehen empfehlen wir Ihnen vor allem dann, wenn Sie früher ein mutiger Mensch waren und sich nicht vor jenen Situationen gefürchtet haben, die für Sie heute ein Problem darstellen. Ihre Angst vor bestimmten, an sich harmlosen und früher leicht bewältigbaren Situationen kommt wahrscheinlich daher, dass Sie mindestens einmal bei einer solchen Gelegenheit eine Panikattacke oder eine panikähnliche Symptomatik erlebt haben.

 

 

Das bewährte Powerprogramm – den Teufelskreis durchbrechen

 

Die zehn wichtigsten Selbstinstruktionen im Umgang mit Angst machenden Situationen

  1. Meine Angstgefühle und die dabei auftretenden körperlichen Symptome sind verstärkte normale Stressreaktionen.

  2. Ich bin und bleibe körperlich gesund trotz der Angstreaktionen.

  3. Ich schwäche meine Angstreaktionen, wenn ich an etwas anderes denke.

  4. Ich bleibe trotz Panikgefühlen in der Realität. Ich beobachte und beschreibe, was ich momentan wirklich erlebe.

  5. Ich warte in der Situation, bis die Angst vorübergeht.

  6. Ich beobachte, wann und wie die Angst von allein wieder abnimmt.

  7. Ich gebe mir eine Chance, einen Fortschritt zu machen und stelle mich jeder Angstsituation ohne Vermeidung.

  8. Ich führe jede Übung bis zum Abschluss durch.

  9. Ich kann stolz sein auf meine bisherigen Bemühungen und Erfolge, auch die kleinsten.

  10. Ich nehme mir Zeit für die Übungen.

 

 

Die folgenden Handlungsanleitungen ermöglichen Ihnen eine rasche Bewältigung von Platzangst und spezifischen Phobien

 

 

Konkrete Übungsziele stufenweise erreichen – so wächst langsam das Selbstvertrauen

 

Legen Sie klare und konkrete Übungsziele auf einer Liste fest und ordnen Sie diese der Schwierigkeit nach.

 

Die Beschreibungen müssen so exakt sein, dass bei den Übungen Missverständnisse ausgeschlossen sind (z.B. 30 Minuten lang in einem Supermarkt umhergehen, gleichgültig wie es Ihnen dabei geht).

 

Gehen Sie schrittweise vor. Beginnen Sie mit den leichtesten Übungen, wenn Sie sich anfangs wenig zutrauen.

 

Auf diese Weise sichern Sie sich Erfolgserlebnisse, die Ihnen Mut und Zuversicht für das weitere Übungsprogramm geben.

 

Stellen Sie sich im Laufe der Zeit immer schwierigeren Situationen, bis Sie auch diesen erfolgreich begegnen können.

 

Notieren Sie alle Konfrontationsübungen in Ihrem Angsttagebuch nach Zeit, Ort, Art und Dauer der Übung sowie Ihrem jeweiligen Befinden vor, während und nach der Konfrontation.

 

 

Übung macht den Meister – So werden Fortschritte gefestigt

 

Wiederholen Sie die einzelnen Übungen bis zu dreimal täglich (besuchen Sie z.B. mehrere große Geschäfte hintereinander), um Ihre Erfolge zu festigen und Ihr Selbstvertrauen zu stärken.

 

Die wiederholte Erfahrung, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind, stärkt zunehmend Ihr Vertrauen zu sich und vermindert Ihre Erwartungsängste.

 

Auf diese Weise beruhigt sich Ihr Nervensystem im Laufe der Zeit und wird nur mehr dann Alarm schlagen, wenn tatsächlich Gefahr droht.

 

Rechnen Sie damit, dass Sie gute und schlechte Tage haben und Ihnen die Übungen einmal leichter und einmal schwerer fallen werden.

 

Üben Sie in den nächsten Wochen so oft wie möglich täglich mindestens 2-5 Stunden lang.

 

Regelmäßiges Üben schafft rasch neue Gewohnheiten, während gelegentliches Üben stets neue Aufregung verursacht.

 

Je öfter Sie etwas tun, umso selbstverständlicher wird es für Sie.

 

Lassen Sie sich am besten täglich auf eine Konfrontation mit der Angst ein, indem Sie sich in angstbesetzte Situationen begeben und so lange darin bleiben, bis Ihre Angst abnimmt oder überhaupt verschwindet.

 

Wenn Sie einmal keine Fortschritte machen sollten, weil die Ziele zu hoch waren, wählen Sie Zwischenziele, um doch Erfolgserlebnisse zu haben.

 

Angstpatienten sehen die kleinen Fortschritte nicht, weil sie zu große Erwartungen haben.

 

Loben Sie sich und belohnen Sie sich dafür, wenn Sie einen kleinen Schritt vorangekommen sind. Schließlich ist das Erreichte für Sie nicht selbstverständlich.

 

 

Schwankungen sind normal – so überwindet man Tiefschläge

 

Üben Sie auch dann, wenn es Ihnen einmal nicht so gut geht, dann vielleicht etwas weniger lang.

 

Führen Sie Ihr Trainingsprogramm unabhängig von Ihrer Befindlichkeit durch.

 

Sie brauchen die Erfahrung, dass Sie Ihre Ängste auch dann bewältigen können, wenn diese nach vorübergehender Besserung in einem Stimmungstief wieder vermehrt auftreten sollten.

 

Für Angstbewältigungsübungen müssen Sie nicht topfit sein.

 

Rechnen Sie mit Rückschlägen, ohne dass Sie sich davor fürchten, und nutzen Sie diese als Chance, daraus etwas zu lernen.

 

Die stärksten Rückschläge erfolgen oft in Zusammenhang mit einer Panikattacke.

 

In diesem Fall sollten Sie erkennen, dass eine gestufte Angstbewältigung allein unzureichend ist, weil Sie dabei nicht lernen, mit starken Ängsten im Ausmaß einer Panikattacke umzugehen.

 

 

Den Angstabfall abwarten – so verschwindet die Angst

 

Packen Sie den Stier bei den Hörnern: suchen Sie alle angstbesetzten Situationen auf und bleiben Sie so lange darin, bis Ihre Angst nachlässt!

 

Was Ihnen jetzt als völlig unvorstellbar erscheint – eben dass Ihre Angst nachlässt, wird mit Sicherheit eintreten!

 

Es ist typisch, dass Ihre körperlichen Symptome vorübergehend stärker werden, aber im Laufe der Zeit werden Sie sich daran gewöhnen und die Alarmierung Ihres Körpers wird ganz von allein abnehmen.

 

Ihre Angst bleibt nur dann bestehen, wenn Sie sich ständig gegen das Aufkommen der Angst wehren und infolgedessen Ihre Stresshormone aktivieren.

 

Warten Sie in Angstsituationen ab, bis die körperlichen Angstsymptome von allein abnehmen. Sie brauchen oft nur 15, höchstens 30 Minuten durchzuhalten, bis die größte Angst vorbei ist und Ihr Körper sich an die Situation gewöhnt hat, so dass Sie die verbleibende Anspannung ertragen können.

 

Beobachten Sie, wie Ihre Angst von allein wieder abnimmt, wenn Sie aufhören, sich in Ihre Gedanken und Phantasien „Was wäre, wenn…“ weiter hineinzusteigern.

 

 

Keine Flucht aus Angstsituationen – so ist man stärker als die Angst

 

Stellen Sie sich allen Angstsituationen ohne auszuweichen.

 

Denn Sie wissen ja schon: Angst lebt von der Vermeidung!

 

Wenn Sie Angst machenden Situationen ausweichen, wird Ihre Angst verstärkt, Ihr Selbstvertrauen vermindert, Ihr Bewegungsspielraum eingeschränkt und Ihre Abhängigkeit von Menschen oder Medikamenten erhöht.

 

Verlassen Sie eine Angst machende Situationen erst dann, wenn Ihre Angst auf ein erträgliches Ausmaß abgesunken ist.

 

Verwenden Sie dazu ein subjektives „Angstthermometer“ mit einer Skala von 0-10, wobei 1-4 erträgliche, 5-8 schwer erträgliche und 9-10 fast unerträgliche Angst bedeutet.

 

Für eine erfolgreiche Angstreduktion reicht es aus, wenn Ihre Angst von 7-8 auf 3-4 zurückgeht.

 

Verzichten Sie auf jede reale und mentale Fluchtmöglichkeit und bestärken Sie sich darin immer wieder („Ich halte durch, was auch immer passiert!“), denn jeder Fluchtgedanke („Nichts wie weg!“) führt zu einer unnötigen körperlichen Aktivierung.

 

Lernen Sie das Gefühl auszuhalten, vorübergehend „in der Falle“ zu sitzen, denn Gedanken an Flucht aktivieren zur Flucht und bewirken eine dauernde Anspannung.

 

 

Nach kurzer Auszeit wieder in die Angstsituation – so wird die Übung doch ein Erfolg

 

Entfernen Sie sich bei übermäßiger Angst nur ein kleines Stück vom angstbesetzten Ort.

 

Vermeiden Sie jede Flucht und kehren Sie nach einer kurzen Erholungspause wieder in die Situation zurück, um auch diese Übung mit einem Erfolgserlebnis zu beenden.

 

Wenn Sie aus Angst eine Situation verlassen haben, führen Sie dieselbe Aufgabe möglichst noch am gleichen Tag erfolgreich durch.

 

Auf diese Weise überwinden Sie rasch Ihre Misserfolgserlebnisse.

 

 

„Angstfrei“ ist anfangs unrealistisch – so kann man sich der Angst trotz Angst stellen

 

Beginnen Sie Ihr Angstbewältigungstraining nicht damit, dass Sie sich vornehmen, keine Angst mehr zu haben, sondern damit, dass Sie die Entscheidung treffen, sich allen Angst machenden Situationen zu stellen.

 

Das ist ein sehr großer Unterschied. Und erkennen Sie: allein Ihre Bereitschaft, jede Angstvermeidung aufzugeben, ist schon der erste Schritt zur Angstüberwindung.

 

Sagen Sie sich: „Ich bin bereit, mich auf meine Angst einzulassen und alle unangenehmen körperlichen Zustände auszuhalten.“

 

Es kommt beim Üben nur darauf an, Ihre Angst zu bewältigen – nicht keine Angst zu haben oder gar sie zu vermeiden. Lernen Sie, mit Ihrer Angst umzugehen und nicht, sie zu umgehen.

 

Verzichten Sie auf das unrealistische Ziel eines angstfreien Lebens und nehmen Sie sich vor, trotz Ihrer Ängste alles anzugehen, was Ihnen wichtig erscheint.

 

„Angstfrei“ leben kann nur bedeuten, dass Sie mit den vorhandenen Ängsten gut zurechtkommen, weil Sie mutig genug sind, diese auszuhalten, damit sie nicht zu einer lebensbeeinträchtigenden Größe werden.

 

Mit dieser Einstellung werden Sie eine angenehme Überraschung erleben: weil Sie nicht mehr so sehr gegen Ihre Ängste kämpfen, werden Sie vieles bald ohne Angst tun können.

 

Was man nicht in den Mittelpunkt stellt, ist plötzlich verschwunden.

 

 

Mit der Angstwelle mitschwimmen – so erspart man sich unnötigen Stress

 

Bekämpfen Sie Ihre Angst nicht, weil dies nur unnötig viel Kraft kostet. Akzeptieren Sie diese und laufen Sie ihr nicht davon.

 

Sagen Sie sich: „Da bist du ja wieder, meine Angst. Ich kenne dich schon gut und weiß, dass du mir nichts anhaben kannst“.

 

Eine Panikattacke ist wie eine Meereswelle, die einen überflutet. Es ist besser, mit der Welle mitzuschwimmen, als gegen sie anzuschwimmen.

 

Wenn Sie Ihre Angst unterdrücken oder stoppen wollen anstatt sie zu akzeptieren und anzunehmen, bleiben Sie unnötig lange angespannt.

 

Der ständige Kampf gegen die Angst kostet Sie enorm viel Kraft und führt zu chronischer Erschöpfung.

 

Lassen Sie Ihre Angst zu wie Ihre Tränen in Phasen der Trauer.

 

Wenn Ihre Angst bei einer Konfrontation mit den gefürchteten Situationen oder Objekten nach spätestens einer halben Stunde nicht abklingt, ist dies oft dadurch bedingt, dass Sie gegen das Auftreten einer Panikattacke ständig aktiv ankämpfen.

 

Die Angst vor der Angst löst einen neuerlichen Adrenalinstoß aus.

 

 

Angst und Panik provozieren – so lässt sich die Erwartungsangst rascher überwinden

 

Schrittweises Üben führt kaum zu Panikattacken. Anstelle der Methode „Wasch’ mich, aber mach’ mich nicht nass“ können Sie auch direkt in das „kalte Wasser“ der Angst springen und eine massierte Konfrontation mit den gefürchteten Situationen allein oder mit Hilfe einer vertrauten Person beginnen.

 

Sie lernen dabei, Ihre stärksten Ängste zu provozieren und zu bewältigen.

 

Ihre Konfrontationstherapie ist dann am wirksamsten, wenn Sie bewusst gerade jene Situationen aufsuchen, die eine Panikattacke auslösen können.

 

Ihr unerschrockenes Verhalten wird Ihnen bald zeigen, dass es gar nicht so leicht ist, eine Panikattacke zu provozieren, wenn Sie bereit sind, diese voll zuzulassen.

 

Handeln Sie nach folgenden weisen Sprüchen: „Tu das, wovor du dich fürchtest, und die Furcht stirbt einen sicheren Tod“; „Sieh der Angst ins Antlitz, und der Tod der Angst ist gewiss.“

 

 

Sich selbst vertrauen – so sind Hilfsmittel und Entspannungsübungen überflüssig

 

Setzen Sie während der Konfrontationsphase keine Entspannungsübungen ein, denn nur, wenn Sie immer wieder die Erfahrung machen, dass die körperlichen Symptome ungefährlich sind, lernt Ihr Angstzentrum im Gehirn, den falschen Alarm abzuschalten.

 

Sie müssen ein gewisses erträgliches Ausmaß an Angst erleben, um Angst machende Situationen bewältigen zu lernen.

 

Nehmen Sie vor den Übungen weder Beruhigungsmittel (Tranquilizer, Alkohol) noch Aufputschmittel (Cola, Kaffee) zu sich. Tragen Sie während Ihres Übungsprogramms keine Tabletten und auch kein Handy wie einen Talisman bei sich.

 

Verlassen Sie sich von Beginn an einzig und alleine auf sich selbst.

 

Nur dann können Sie sich alle erreichten Erfolge selbst zuschreiben und damit gehörig an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein tanken.

 

Bevor Sie jedoch eine für Sie bedeutsame Situation vermeiden, verlassen Sie sich lieber auf ein Sicherheitszeichen (z.B. Handy, Mitnahme von Tabletten ohne Einnahme), denn schlussendlich zählt der Erfolg.

 

Je mehr Sie sich in Angst machenden Situationen auf sich selbst verlassen, umso schneller werden Sie Ihre Angst in den Griff bekommen.

 

Setzen Sie vor Beginn des Angstbewältigungstrainings in Absprache mit Ihrem Arzt alle Beruhigungsmittel langsam „ausschleichend“ ab, falls Sie solche regelmäßig einnehmen.

 

 

Keine Horrorphantasien – so bleibt man im Hier-und-Jetzt

 

Steigern Sie sich nicht unnötig in Angstsituationen hinein durch Gedanken wie „Gleich wird mir etwas passieren“, „Gleich falle ich um“, „Jetzt muss ich sterben“.

 

Ihre Angst wird schneller zurückgehen, wenn Sie nicht ständig lebhafte Vorstellungsbilder entwickeln, was Ihnen alles passieren kann.

 

Konzentrieren Sie sich nur auf das, was um Sie herum und mit Ihrem Körper wirklich geschieht, und nicht auf das, was in Ihrer Vorstellung noch alles geschehen könnte.

 

Bleiben Sie trotz Ihrer Angst- und Panikgefühle in der Realität, beobachten und beschreiben Sie innerlich haarscharf, was Sie momentan wirklich erleben.

 

Halten Sie die Zuwendung auf Ihren Körper aufrecht, ohne aus Angst davor zu Ablenkungsstrategien zu greifen.

 

Kommentieren Sie die auftretenden körperlichen Vorgänge etwa folgendermaßen: „Ich spüre, wie mein Herz schlägt, mein Blut in den Kopf steigt, mein Körper etwas zittert, ein flaues Gefühl im Magen entsteht, leichte Schwindelgefühle auftreten.

 

Ich weiß, diese Zustände sind ganz normal, so lange ich mich fürchte. Sie werden erträglicher, wenn ich mich an die Angst machende Situation gewöhnt habe.“

 

 

Hilfreiche Selbstgespräche – so ermutigt man sich selbst

 

Sie selbst sind Ihr stärkster, verlässlichster Partner. Treten Sie mit sich in einen inneren Dialog, führen Sie konstruktive Selbstgespräche und sagen Sie sich immer wieder: „Meine Angstgefühle und die damit verbundenen körperlichen Symptome sind nichts anderes als eine Übersteigerung der normalen Körperreaktionen bei großem Stress. Meine Angst alarmiert meinen Körper und bewirkt eine vermehrte Adrenalinausschüttung. Das ist aufgrund meiner großen Angst völlig normal und lässt nach 5-30 Minuten nach, wenn ich mich an die Situation gewöhnt habe. Schon nach einer Viertelstunde werden meine körperlichen Symptome nachlassen. Meine Angst und deren körperliche Begleitreaktionen sind zwar unangenehm, jedoch nicht gefährlich oder gesundheitsschädigend. Es kann mir wirklich nichts passieren.“

 

Oder sagen Sie sich: „Meine Angst ist immer vor gefürchteten Situationen am größten. Wenn ich doch durchgehalten habe, ist es mir stets gut gegangen und ich habe mich darüber gefreut. Ich lasse mich auch jetzt nicht von meiner Angst vertreiben.“

 

Ein Tipp: schreiben Sie einige Schlüsselsätze auf einen Zettel oder eine Karteikarte und tragen Sie diese immer bei sich! 

 

 

Platzangst ist letztlich Angst vor sich selbst – so entsteht eine neue Sichtweise

 

Halten Sie sich vor Augen, dass Sie letztlich nicht bestimmte Situationen fürchten wie z.B. öffentliche Verkehrsmittel, geschlossene Räume oder Prüfungssituationen, sondern den Umstand, Sie könnten in diesen Situationen die Kontrolle über Ihren Körper oder Ihren Verstand verlieren.

 

Sagen Sie sich: „Ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren.

 

Doch dies sind nur meine Gedanken und Gefühle. Tatsächlich wird nichts passieren.

 

Wenn ich die Angst vor meinem Körper aushalte, dann halte ich auch die Angst vor allen anderen Dingen aus.“

 

Diese Selbstinstruktion erleichtert Ihnen das Durchhalten in Angstsituationen.

 

Allerdings – „Gut Ding braucht Weile“: wenn Sie Gewohnheiten wie etwa ein chronisches Vermeidungsverhalten ändern wollen, brauchen Ihre Gefühle und körperlichen Zustände einige Zeit, Ihren geänderten Einstellungen zu folgen.

 

Es ist daher ganz normal, dass Sie sich in bestimmten Situationen, aus denen Sie früher angstvoll geflohen sind, eine Zeitlang noch etwas unwohl fühlen werden, weil Ihr Körper noch nicht zur Ruhe gekommen ist.

 

 

Positive Ziele verfolgen – so kämpft man für und nicht gegen etwas

 

Wir kämpfen letztlich immer für und nicht gegen etwas – so ist es auch bei Ängsten.

 

Achten Sie von Beginn Ihres Angstbewältigungstrainings an darauf, dass Sie nicht nur gegen Ihre Ängste kämpfen, sondern auch für Ihre Freiheit, tun und lassen zu können, was Sie wollen und was gut für Sie ist.

 

Lernen Sie nicht nur unangenehme Situationen aushalten, die auch weniger ängstliche Menschen ungern erleben, sondern setzen Sie Aktivitäten, die Sie gerne unternehmen möchten.

 

Das motiviert und setzt dem Angstbewältigungstraining eine positive Kraft gegenüber.

 

Was haben Sie früher gerne getan? Malen Sie sich in der Phantasie möglichst plastisch aus, wie Sie all diese herrlichen Situationen wieder erleben können, nachdem Sie den „Angst-Aspekt“ erst einmal hinter sich gelassen haben.

 

 

Allein sein können ohne Symptome – so wird man unabhängiger von anderen Menschen

 

Manche Agoraphobiker sind auch ohne Symptome ungern allein und nur zusammen mit dem Partner oder Bekannten unterwegs. Trifft das auch auf Sie zu?

 

Suchen Sie nach Aktivitäten, die Sie gerne ohne andere Menschen außerhalb Ihrer Wohnung unternehmen würden?

 

Möchten Sie in Zukunft überhaupt mehr Dinge allein unternehmen? Haben Sie vor Ihrer Agoraphobie kleinere Reisen allein unternommen?

 

Ist es nicht normal, dass Ihre Angstbereitschaft sofort steigt, sobald Sie etwas allein tun sollen, das Ihnen gar keinen Spaß macht?

 

Sie werden Ihre lebenseinengenden Ängste nur dann dauerhaft überwinden können, wenn Sie wirklich bereit sind, verschiedene Dinge auch allein zu unternehmen und Freude daran finden.

 

 

Nur im Notfall Atemtechniken verwenden – so kann man Krisen bewältigen

 

Wenn Ihre Angst in einer bestimmten Situation einmal fast unerträglich stark wird, können Sie eine bestimmte Atemtechnik einsetzen: atmen Sie bei geschlossenem Mund tief durch die Nase ein, wie wenn Sie Ihren Lieblingsgeruch oder den Duft einer Blume einatmen, und atmen Sie anschließend durch den Mund bei leicht geschlossenen Lippen möglichst langsam aus, wie wenn Sie einen Löffel mit heißer Suppe kühlen würden.

 

Nach dem Ausatmen können Sie den Atem noch etwas anhalten, bis der Einatmungsreflex von alleine einsetzt und Sie durch die Nase einatmen.

 

Ihre Ausatmungsphase sollte zwei- bis dreimal so lang sein wie Ihre Einatmungsphase.

 

Wenn Sie langsamer atmen, verlangsamt sich Ihr Herzschlag, entspannt sich Ihre Muskulatur und vermindert sich Ihr Stoffwechsel.

 

Wenn Sie sich bei einer heftigen Panikattacke bewegen, können Sie die vorhandene Anspannung rascher abbauen.

 

Schütteln Sie dabei Ihre Arme und Beine fest aus, während Sie ausatmen.

 

 

Angehörige als Helfer – so kann der Erfolg beschleunigt werden

 

Üben Sie schwierigere Situationen zuerst zusammen mit einem Angehörigen oder einer Vertrauensperson.

 

Die Anwesenheit einer vertrauten Person garantiert nicht nur eine rasche Hilfestellung im Bedarfsfall, sondern bewirkt auch eine Ablenkung von der eigenen Person und den auftretenden Symptomen.

 

Betrachten Sie jede aufgesuchte Situation jedoch erst dann als bewältigt, wenn Sie diese wiederholt auch allein und ohne weitere Hilfsmittel durchstehen können.

 

 

Die Grenzen akzeptieren – zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück

 

Eine Konfrontationstherapie wird oft als Wundermittel angesehen, seine lebenseinengenden Ängste für immer loszuwerden.

 

Dies mag beim Großteil der Betroffenen tatsächlich der Fall sein, zumindest im Laufe der Zeit.

 

Wenn dies auf Sie jedoch nicht zutrifft, lassen Sie sich nicht entmutigen, sondern gestehen Sie sich ein, dass Sie aufgrund verschiedener Umstände eine stärkere Angstbereitschaft haben als andere Leute.

 

Wer vielleicht eine Erschütterung des Urvertrauens erlebt hat, wird sich immer schwerer tun, sich auf neue Situationen einzulassen und Vertrauen in das Ungewisse und seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln als jemand, der im Leben das Glück hatte, von nichts und niemand enttäuscht zu werden und keine bösen Überraschungen zu erleben.

 

Denken Sie daran, dass es bei Ihnen dann nicht primär darum geht, keine Angst zu haben, sondern wieder mehr Vertrauen zu sich und zur Umwelt zu finden. Angstbewältigungsübungen sind in diesem Sinn vertrauensbildende Maßnahmen.

 

 

Übungsvorschläge bei Agoraphobie – Schritt für Schritt unabhängig werden

 

Die folgenden Übungsvorschläge sind Anregungen für Ihr persönliches Trainingsprogramm, das Sie unbedingt ohne vertraute Personen ausführen sollten:

Wenn Sie diese Aufgabenstellungen gut bewältigen können, steigern Sie den Schwierigkeitsgrad mit der Bereitschaft zu einer Panikattacke.

 

 

Wenn die Agoraphobie trotz Konfrontationstherapie bestehen bleibt

 

Wenn Sie keine anhaltenden Übungserfolge erzielen, jedoch in bester Absicht und „technisch“ richtiger Weise trainiert haben, sollten Sie nach den Gründen dafür suchen.

 

Wir stellen Ihnen dazu folgende Fragen – bitte beantworten Sie diese wirklich völlig ehrlich und offen!

 

 

Fehlt Ihre Bereitschaft zu einer heftigen Panikattacke?    

 

Natürlich ist die Vermeidungsstrategie absolut nachvollziehbar und verständlich – nur: wenn Sie Ihre agoraphobischen Ängste wirklich abbauen möchten, müssen Sie über Ihren Schatten springen!

 

Denn wenn Sie sich allen Situationen nur so stellen, dass Sie eine Panikattacke unbedingt vermeiden möchten, halten Sie eine Daueranspannung aufrecht und bleiben in einem Dauerstress, weil Sie ja ständig Vermeidungs- und Unterdrückungsmechanismen anwenden müssen.

 

Wenn Sie mental und real ständig auf der Flucht sind, werden Sie sich nie an die Situation gewöhnen.

 

Die Angst vor der Angst („Was wäre, wenn ...“) hält Ihre Erwartungsängste aufrecht. Es ist hart, aber wirksam: wenn Sie den Mut zu einer Panikattacke aufbringen, besteht die Chance auf rasche Heilung.

 

 

Wissen Sie um Ihre ärgste Angst?

 

Die wichtigste Frage bei einer Konfrontationstherapie lautet: was genau bzw. welche Symptome fürchten Sie am meisten und möchten Sie um jeden Preis vermeiden?

 

Der springende Punkt ist: nur was Sie kennen, können Sie besiegen!

 

Chronische Erwartungsängste können Sie erst dann überwinden, wenn Sie genau wissen, was Sie letztlich fürchten.

 

Haben Sie Angst davor, plötzlich an einem Herzinfarkt zu sterben, ohnmächtig umzufallen, verrückt zu werden oder vor anderen Menschen unangenehm aufzufallen?

 

Wenn Sie diesen Ängsten unbedingt ausweichen möchten, werden Sie durch eine Konfrontationstherapie zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Erfolg verbuchen.

 

Sie kennen doch den Spruch „Viele Wege führen nach Rom“. Sie sollten dann einfach einen anderen Einstieg in die Angstbewältigung finden.  

 

 

Gehen Sie bei der Angstbewältigung sehr perfektionistisch vor?

 

Perfektionismus ist eine Form, keine Angst haben zu müssen. Jeder übertriebene Perfektionismus („Wenn schon, dann muss ich alles super schaffen“ oder „120 Prozent ist mir noch viel zuwenig“) ist bei einer Konfrontationstherapie schädlich, weil er den Stress erhöht.

 

Wenn Sie Ihre positiven Erfahrungen nicht auf andere Situationen übertragen können, hat dies oft damit zu tun, dass Sie in perfektionistischer Manier jedes Restrisiko ausschalten möchten, was eben nicht möglich ist.

 

Typisch sind folgende Aussagen: „Es ist zwar schon zehnmal gut gegangen, doch wer garantiert mir, dass auch beim elften Mal nichts passiert?“

 

 

Wird Ihre Agoraphobie durch eine Sozialphobie verstärkt?

 

Sozialphobische Komponenten halten bei einer Konfrontationstherapie eine ständige Anspannung aufrecht: „Was werden sich die anderen denken, wenn sie meine Symptome bemerken?“; „Wenn ich tatsächlich auffalle, bin ich dann ‚nervenschwach’, ‚psychisch nicht belastbar’, ein Schwächling, weniger liebenswert, weil schwach?“

 

 

Verwenden Sie bestimmte Mittel, die Ihr Selbstvertrauen schwächen?

 

Brauchen Sie bestimmte „Krücken“, die letztendlich Ihr Selbstvertrauen untergraben? Sind Sie abhängig von Medikamenten oder anderen vermeintlichen Hilfsmitteln? 

 

Halten Sie sich in diesem Fall an folgende Ratschläge:

 

Lenken Sie sich ständig ab?

 

Versuchen Sie, sich ausschließlich auf das Hier-und-Jetzt zu konzentrieren.

 

Sie werden erleben, dass Sie eher ruhig werden, wenn Sie sich nicht pausenlos ablenken, sondern sich Ihren Symptomen zuwenden: Sätze wie „Ich spüre jetzt meinen Schwindel, mein Herzklopfen und meine weichen Knie, ich stelle mich aber dennoch der Situation und bleibe so lange wie ich will und nicht so lange wie mich die Symptome lassen“ können dabei helfen, „bei der Sache“ zu bleiben.

 

Ablenkung ist nur bei einer heftigen Panikattacke eine wirksame Hilfe.

 

 

Haben Sie durch Ihre Symptome auch einen Gewinn?

 

Wenn Sie sich ständig mit den scheinbar übermächtigen Problemen einer Agoraphobie mit Panikstörung beschäftigen, kann dies auch eine Vermeidungsstrategie sein.

 

Sie können sich damit kurzfristig von den eigentlichen privaten, familiären, partnerschaftlichen, sozialen, beruflichen oder ökonomischen Problemen ablenken.

 

Welche anderen Probleme vermeiden Sie durch Ihre Agoraphobie?

 

Wenn Sie die Ketten der Ängste gesprengt haben, warten vielleicht die Bürde der Verantwortung und der Freiheit sowie der Zwang zur Entscheidung zwischen verschiedenen Alternativen auf Sie.

 

Nach der Beseitigung der Ängste können Sie vielleicht vor der Situation stehen,

 

Leiden Sie gleichzeitig auch unter einer depressiven Symptomatik?

 

Eine depressive Symptomatik ist u.a. charakterisiert durch eine körperliche und psychische Energielosigkeit. Achtung – Sie sollten in einer depressiven Phase keine kraftaufwendige Konfrontationstherapie durchführen, um Ihr Selbstwertgefühl aufzubauen.

 

Es kann nur zu einem Misserfolg kommen, der Ihre depressive Symptomatik noch weiter verstärkt. Sie müssen zuerst Ihre depressive Symptomatik in den Griff bekommen, bevor Sie ein Angstbewältigungstraining angehen.

 

 

Haben Sie gleichzeitig auch eine Persönlichkeitsstörung?

 

Manche Angstpatienten haben „mehr“ als eine reine Angststörung, nämlich eine so genannte Persönlichkeitsstörung mit stark verfestigten Mustern des Verhaltens, Denkens und Fühlens.

 

Fragen Sie einen Fachmann, ob man bei Ihnen z.B. eine ängstliche oder abhängige Persönlichkeitsstörung bzw. eine so genannte Borderline-Persönlichkeitsstörung ausschließen kann.

 

Wer von seiner Persönlichkeitsstruktur her immer schon sehr ängstlich war oder ständig von anderen Menschen abhängig gelebt hat, wird durch eine reine Konfrontationstherapie seine Verhaltensweisen nicht schlagartig ändern können.

 

 

Haben Sie bestimmte psychosoziale Belastungssituationen (Probleme in der Ehe, Familie oder Arbeit)?

 

Stehen hinter Ihrer Agoraphobie mit Panikstörung latente oder offene Partnerprobleme, die Sie anfangs nicht in Zusammenhang mit Ihrer Angststörung gesehen haben?

 

Ist Ihre Platzangst im Rahmen von Konflikten mit den Eltern aufgetreten? Oder haben berufliche Probleme einen maßgeblichen Anteil?

 

Ihre Agoraphobie schafft dann eine Pattsituation! Das bedeutet, dass die Platzangst Ihre unbefriedigende Lebenssituation aufrechterhält und das Problem vorläufig nur auf der Symptomebene abgehandelt wird.

 

Dieser Zustand wird andauern, solange Sie noch keine Entscheidung darüber getroffen haben, wie es etwa mit Ihrer Partnerschaft weitergehen soll, wenn Sie Ihre Ängste überwunden haben.

 

Klären Sie also offen und ehrlich: welche Auswirkungen hätte die Bewältigung Ihrer Ängste auf Ihr Leben, insbesondere auf Ihre familiäre, soziale und berufliche Situation?

 

 

Fehlen Ihnen Veränderungsziele nach der Konfrontationstherapie?

 

Stellen Sie sich vor, Sie wachen frühmorgens auf und sind völlig gesund. Was würden Sie da tun?

 

Was würde sich in Ihrem Leben dann ändern?

 

Wie wichtig sind Ihnen wirklich alle Möglichkeiten, die Ihnen nach der Beseitigung Ihrer Ängste offen stehen?

 

Viele Angstpatienten haben vordergründig oft keine anderen Ziele, als ständig nur gegen ihre Ängste zu kämpfen.

 

Dies zeigt die inhaltliche Leere des Lebens auf, die es durch eine Sinnperspektive zu überwinden gilt.

 

Setzen Sie sich Ziele, auf die Sie sich freuen, suchen Sie sich neue Hobbys, spüren Sie nach, was Sie wirklich wollen im Leben!

 

 

Panikattacken wirksam begegnen – Keine Angst vor der Angst!

 

Wenn Sie das Wiederauftreten von Panikattacken fürchten, sollten Sie sich speziell mit Ihrem Körper und Ihrer Angst vor den körperlichen und psychischen Symptomen auseinandersetzen.

 

Oft erleichtert dies auch die Bewältigung einer agoraphobischen Folgesymptomatik.

 

Sie sollten anfangs damit zufrieden sein, wenn Sie Ihre Panikattacken besser als bisher ertragen und bewältigen können.

 

Wenn Sie ein gewisses Restrisiko nicht tolerieren können, haben Sie vermutlich starke Todesängste oder eine Angst vor sozialer Auffälligkeit.

 

Ihre Panikattacken weisen Sie vielleicht auf zentrale Fragen und Probleme Ihres Lebens hin, denen Sie sich stellen sollten.

 

Mit Hilfe der folgenden Ratschläge können Sie innerhalb einiger Wochen oder Monate mit Ihrer Paniksymptomatik ausreichend zurechtkommen lernen, wenngleich eine gewisse Angst vor der Angst vielleicht noch bis zu einem Jahr andauern kann, bis auch diese verschwunden ist.

 

 

Lassen Sie sich körperlich durchuntersuchen!

 

Wenn Sie Angst vor einer körperlichen Erkrankung haben, ersuchen Sie Ihren Arzt um eine organische Durchuntersuchung, jedoch nur einmal und nicht ständig.

 

Es wird Sie beruhigen zu wissen, dass Sie trotz der Heftigkeit der Paniksymptome körperlich gesund sind.

 

Akzeptieren Sie jedoch, dass Sie sich dennoch bei der nächsten Panikattacke wieder existenziell bedroht fühlen werden, denn sonst wäre es keine echte Panikattacke.

 

 

Analysieren Sie nach jedem Anfall Ihre Angst und Panik!

 

Lernen Sie durch eigenständige Analysen die Ursachen und Auslöser Ihrer Panikattacken zu identifizieren.

 

Unterscheiden Sie dazu zwischen den Ursachen, die sich in den letzten Wochen und Monaten finden lassen, und den Auslösern, die in den letzten Stunden und Tagen aufgetreten sind.

 

Werden Sie zum Experten für Ihre Panikattacken und führen Sie ein Angsttagebuch wie Epileptiker einen Anfallskalender führen.  

 

 

Bleiben Sie bei einer akuten Panikattacke nicht ruhig, sondern bewegen Sie sich!

 

Machen Sie auch dann intensive körperliche Bewegungen, wenn Sie meinen, Sie müssten sich aus Sicherheitsgründen ganz ruhig verhalten und schonen.

 

Vermehrt ausgeschüttete Stresshormone werden durch Bewegung rascher abgebaut als durch Ausruhen. Bewegung bietet Ihnen auch eine einfache Erklärung für die körperliche Aktivierung, die Ihnen bei einer Panikattacke in Ruhe oft unerklärlich erscheinen mag.

 

Bei niedrigem Blutdruck führt Bewegung zudem rasch zu einem Blutdruckanstieg und verhindert wirksam eine Ohnmachtsneigung, die viele Panikpatienten fürchten.

 

Umhergehen ist durchaus eine adäquate Reaktion, um die muskuläre Anspannung als Folge des Adrenalinstoßes abzureagieren, auch wenn Sie oder andere Menschen dies bisher als Zeichen von Nervosität gesehen haben.

 

 

Verwenden Sie bei einer Panikattacke Atemtechniken in Verbindung mit Bewegung!

 

Atmen im Rhythmus langsamer Bewegungen verhindert die negativen Folgen einer Hyperventilation.

 

Wenn Sie Ihre Panikattacken nicht widerstandslos hinnehmen wollen, atmen Sie langsam ein und aus in Verbindung mit Bewegung.

 

Bei einer Hyperventilationsneigung brauchen Sie nicht die viel gepriesene Papiertüte, um die ausgeatmete Luft mit dem Kohlendioxid wieder einzuatmen, denn durch Bewegung wird der zu viel eingeatmete Sauerstoff in Kohlendioxid umgewandelt und schon passt alles wieder.

 

 

Beobachten Sie bei einer Panikattacke nicht Ihren Körper, sondern die Umgebung!

 

Konzentrieren Sie sich auf etwas, das 5 Minuten lang Ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert. Damit fangen Sie oft bereits die ärgste Panik ab.

 

Beobachten Sie andere Menschen, Häuser, Pflanzen, Tiere, Autos, Nummernschilder, Plakate, Bilder, Schaufenster usw. und prägen Sie sich alles möglichst gut ein.

 

Was sehen und hören Sie jetzt gerade, wenn Sie sich auf die Umwelt konzentrieren?

 

Was riechen und schmecken Sie gegenwärtig, wenn Sie mehr darauf achten?

 

Was tasten und spüren Sie im Moment, wenn Sie den körperlichen Kontakt zur Umgebung suchen?

 

Mit wem könnten Sie gerade ein interessantes Gespräch oder Telefonat beginnen?

 

Was könnten Sie zu Hause oder auswärts tun, das Ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert?

 

Selbstbeobachtung und Konzentration auf die vorhandenen Symptome verstärken Ihre Angstbereitschaft, wodurch Ihre Beschwerden größer und eine Panikattacken wahrscheinlicher werden.

 

Wenn Sie mit Ihren Panikattacken bereits besser umgehen können, werden Sie eine Panikattacke auch durch Zuwendung auf Ihren Körper bewältigen lernen, indem Sie z.B. Atemtechniken anwenden.

 

 

Bleiben Sie bei einer Panikattacke im Hier und Jetzt, ohne negative Erwartungen!

 

Steigern Sie sich nicht in irreale Katastrophenfantasien hinein, sondern bleiben Sie in der Gegenwart und beobachten Sie, was momentan geschieht.

 

Sprechen Sie mit sich selbst, indem Sie kommentieren, was Sie jetzt spüren.

 

Sagen Sie sich wiederholt, dass Sie alle Zustände ertragen können und auch schon x-mal ausgehalten haben.

 

 

Motivieren Sie sich durch Ziele jenseits von Angst und Panik, um eine Panikattacke besser durchzustehen!

 

Wenn eine Panikattacke im Kommen ist, konzentrieren Sie sich auf Tätigkeiten, die Sie gerne ausführen oder unbedingt erledigen müssen, z.B. Hausarbeiten (Kochen, Bügeln, Staubsaugen, Reparaturarbeiten), Gartenarbeit, Briefschreiben, Fernsehfilm oder Video anschauen, Lieblingsmusik hören, Singen oder Tanzen, Buch oder Zeitung lesen, Computerspiel spielen, Fotos einordnen, Einkaufen gehen, Telefonieren mit Bekannten, Hausaufgaben der Kinder kontrollieren, Beschäftigung mit einem Haustier, Einnehmen einer Lieblingsmahlzeit, etwas Wohltuendes trinken, angenehmes Bad, Urlaubsplanung usw.

 

 

Lassen Sie die Panikattacke ohne Widerstand vorbeigehen!

 

Verzichten Sie auf jeden direkten Kampf gegen die Paniksymptome. Panikattacken bewältigen Sie am besten durch Zulassen, weil Ihr Kampf dagegen nur Ihre Anspannung erhöht.

 

Die Paniksymptome sind nicht gefährlich, daher müssen Sie sie auch nicht kontrollieren.

 

Warten Sie, bis die Angst von alleine nachlässt, wenn Sie nicht dagegen ankämpfen. Ihr Körper benötigt 3-5 Minuten, um die Folgen eines Adrenalinstoßes abzubauen.

 

 

Nehmen Sie eine Neubewertung Ihrer körperlichen Symptome vor!

 

Vergegenwärtigen Sie sich die Körper-Seele-Zusammenhänge bei Angst und entwickeln Sie eine weniger bedrohliche Sichtweise, indem Sie die Angstreaktion als Stressreaktion umdefinieren.

 

Halten Sie sich während einer Panikattacke vor Augen, dass Sie gesund sind und es auch bleiben und dass Ihre momentanen Todesängste nur Gedanken sind!

 

 

Stellen Sie sich Ihren größten Ängsten, die Sie in Panik versetzen!

 

Wenn Sie aus Angst vor Panikattacken bestimmte Situationen und Orte meiden, suchen Sie diese gezielt auf, um besser damit umgehen zu lernen.

 

Wenn Sie ständig Angst vor einer bestimmten Erfahrung haben, führen Sie diese bewusst herbei, um zu erleben, dass nichts Gefährliches passiert. Nehmen Sie anstelle von Fantasieren eine gezielte Realitätstestung vor.

 

 

Schonen Sie Ihren Körper nicht ständig, sondern trainieren Sie ihn!

 

Bereits durch eine mehrwöchige Schonung lässt bei Sportlern die körperliche Fitness nach.

 

Zu wenig auf den Beinen aus Angst vor dem Umfallen führt bald zu körperlichen Verunsicherung und ständigen Schwindelzuständen.

 

Empfehlenswert sind daher folgende körperliche Aktivitäten, die Ihren Gleichgewichtssinn trainieren: Ausdauersport (Radfahren, Schwimmen, Walking, Jogging, Hometrainer), Kniebeugen, Liegestütz, Rumpfkreisen, Schnurspringen, Stiegensteigen, körperlich arbeiten bis zur Ermüdung.

 

 

Nehmen Sie trotz Angst vor Panikattacken möglichst wenig Beruhigungsmittel!

 

Die Einnahme von Tranquilizern aus Erwartungsangst führt innerhalb weniger Monate zur Abhängigkeit von den Beruhigungsmitteln und ist nicht geeignet, das Selbstvertrauen in den eigenen Körper auf Dauer zu stärken.

 

Nehmen Sie einen Tranquilizer höchstens 2-3 Wochen regelmäßig, ansonsten so selten wie möglich oder am besten gar nicht.

 

Die mehrmonatige Einnahme bestimmter Antidepressiva ist eindeutig die bessere Alternative, sollte aber bei effektiver Anwendung dieses Programms ebenfalls überflüssig sein.

 

Wenn unser Programm und Ihre Bemühungen nicht reichen, sollten Sie eine Psychotherapie, am besten eine Verhaltenstherapie, machen.

 

 

Vermeiden Sie längere Krankenstände und zu lange Krankenhausaufenthalte!

 

Ein längerer Rückzug aus dem sozialen und beruflichen Leben ist bei Panikattacken –im Gegensatz zu einer Erschöpfungsdepression – oft als Fluchtverhalten anzusehen.

 

Unterbrechen Sie aus Angst vor Panikattacken Ihre berufliche Tätigkeit nur so kurz wie möglich – es sei denn, Sie haben bereits eine „Erschöpfungsdepression“, angesichts der eine Erholung gut tun kann.

 

 

Beschäftigen Sie sich in ruhigen Zeiten bewusst mit dem Tod!

 

Wenn Sie merken, dass Ihre Panikattacken immer mit Todesangst gekoppelt sind, sollten Sie sich der Endlichkeit Ihres Lebens stellen und besser damit umgehen lernen.

 

Was bedeutet der Tod für Sie, wenn er z.B. morgen eintreten würde? Hat Ihre Todesangst etwas mit religiösen Vorstellungen und Befürchtungen zu tun?

 

Warum dürfen Sie jetzt noch nicht sterben? Welche Mission müssen Sie noch erfüllen, welche Träume möchten Sie auf Fall noch verwirklichen, wer braucht Sie so dringend, dass Sie jetzt nicht dauerhaft fehlen dürfen?

 

 

Stellen Sie sich den zentralen Ängsten hinter Ihren Panikattacken!

 

Die Angst vor Panikattacken lenkt oft von anderen Ängsten und bestimmten Problemen ab, die unlösbar erscheinen.

 

Wenn Sie z.B. Angst vor dem Ende Ihrer Partnerschaft haben, tun Sie etwas, um die Beziehung zu verbessern, oder stellen Sie sich einmal ganz konkret vor, wie das Leben ohne Ihren Partner einigermaßen erträglich weitergehen könnte.

 

Wenn Sie Angst vor der Kündigung haben, lassen Sie diesen Gedanken und die aufkommenden Gefühle bewusst zu und überlegen Sie, was Sie dann tun könnten. Es geht immer um ein möglichst lösungsorientiertes Vorgehen.

 

 

Erkennen Sie die Gefühle, die Ihre Panikattacken auslösen!

 

Wenn Sie durch Unterdrückung von Ärger und Aggression Panikattacken bekommen, sprechen Sie Ihre Gefühle den Betroffenen gegenüber klar aus.

 

Nicht selten war die erste Panikattacke kein Angstanfall, sondern ein unterdrückter Wutanfall.

 

Haben Sie Angst davor, Ihre Gefühle offen zu zeigen, sodass Sie diese unterdrücken und sich dann aufgrund der körperlichen Anspannung plötzlich vor sich selbst fürchten?

 

 

Bewältigen Sie die psychosozialen Belastungssituationen, die Ihre Panikattacken begünstigen!

 

Wenn Sie erkennen, dass Ihre Paniksymptome mit Ihrem Partner oder mit Ihren Eltern bzw. Schwiegereltern zusammenzuhängen, widmen Sie sich der Lösung der anstehenden Probleme.

 

Wenn Sie merken, dass Ihre Angstzustände immer dann verstärkt auftreten, wenn die Probleme im Beruf besonders groß sind (z.B. Überforderung, Kränkung durch Vorgesetzte, unerträglicher Konkurrenzkampf mit Arbeitskollegen, wirtschaftlich schlechte Situation Ihres Betriebes), sollten Sie Ihre beruflichen Probleme klären, damit Sie letztlich nicht deswegen und nicht wegen Ihrer Panikattacken in den Krankenstand gehen.

 

 

Lernen Sie, mit Ihrer Angst durch eine Panikattacke negativ aufzufallen besser umzugehen!

 

Wenn Sie merken, dass Sie bei Panikattacken hauptsächlich Angst davor haben, unangenehm aufzufallen, sollten Sie sich Ihre positiven Seiten vor Augen halten, die auch andere kennen, damit Sie sich nicht so sehr vor Ablehnung fürchten.

 

Wenn Sie Angst vor Auffälligkeit durch bestimmte Symptome einer Panikattacke haben und den Beobachtern keinesfalls von Ihrer Störung erzählen wollen, legen Sie sich bestimmte Äußerungen zurecht, die etwas, aber nicht alles verraten (z.B. „Wenn ich zu viel arbeite und zu wenig schlafe, geht es mir immer so schlecht“).

 

 

 

Mentales Training bei Panikattacken, Platzangst und Phobien

 

Im Folgenden bieten wir Ihnen einige Übungsvorschläge zum mentalen Training bei Panikattacken, Platzangst und Phobien, die Sie je nach Bedarf individuell abwandeln können.

 

 

Eine real bewältigte Angstsituation vergegenwärtigen

 

Erinnern Sie sich an eine Situation, die Sie früher gefürchtet, aber dann bewältigt haben, weil Sie sie einige Male erfolgreich durchlebt haben. Denken Sie zurück – an das anfängliche Unbehagen, an das erfolgreiche Ende.

 

 

Eine noch nicht bewältigte Angstsituation erfolgreich visualisieren 

 

In einem wunderschönen Tagtraum malen Sie sich bis ins kleinste Detail aus, wie Sie eine bestimmte Angstsituation, die Sie in der Realität noch nicht bewältigt haben, erfolgreich durchleben. Was Sie sich konkret vorstellen können, wird in Zukunft leichter möglich sein.

 

 

Vorstellen der nächsten Panikattacke mit erträglichem Ausgang

 

Vorhandene Ängste werden dadurch panikartig gesteigert, dass gerade am dramatischen Höhepunkt der Film reißt – genau dann, wenn etwa der drohende Herzinfarkt oder die gefürchtete Ohnmacht zum Greifen nahe erscheinen, ist der Film zu Ende.

 

Was signalisiert dies dem Betroffenen? Dass es kein Entrinnen gibt, das der Film unweigerlich mit der Katastrophe enden muss.

 

Gehen Sie unbedingt einen Schritt weiter: lernen Sie, diesen „Film“ innerlich fortlaufen zu lassen, schreiben Sie das Drehbuch weiter, so dass es zu einem erträglichen Ausgang kommt.

 

Spielen Sie die Szene immer wieder durch und entwickeln Sie konkrete Alternativen und Überlebensvorstellungen.

 

Entwerfen Sie mindestens drei Varianten, wie Sie die für Sie bedrohliche Situation einigermaßen gut überstehen können. Ihre ständigen Erwartungsängste bezüglich Panikattacken ohne genaue Vorstellung dessen, was wirklich passieren könnte, bedeuten letztlich, die gefürchteten Situationen und Zustände unter Verzicht auf mentale Bewältigung zu meiden.

 

Oft verhindern Todesängste die mentale Bewältigung dessen, was passieren könnte, wenn man die betreffende Situation überleben sollte.

 

Positives Denken in unserem Sinne bedeutet nicht, das Negative zu leugnen oder auszublenden, sondern real mögliche Gefahren und Probleme für bewältigbar zu halten. 

 

 

Neuerliches Durchleben der letzten Panikattacke

 

Wenn Sie sich an eine heftige Panikattacke wiedererinnern, werden Sie von intensiven Gefühlen und körperlichen Zuständen überflutet.

 

Genau damit müssen Sie umgehen lernen. Schließen Sie Ihre Augen und stellen Sie sich die Situation rund um die letzte Panikattacke ganz konkret und in allen Details vor.

 

Erleben Sie die Panikattacke im Zeitlupentempo noch einmal mental durch, und zwar in der Ich-Form und in der Gegenwartsform, z.B. „Ich atme jetzt schneller, mein Herz beginnt zu rasen, mir wird leicht übel, ich zittere leicht.“ Wie fängt die Panikattacke an, was macht sie schlimmer? Was ist das Äußerste?

 

Erinnern Sie sich dabei auch, dass und wie Sie diesen Angstanfall überlebt haben. Wenn Sie vom gegenwärtigen Standpunkt aus auf die Panikattacke zurückblicken, stärken Sie Ihren Glauben an deren Bewältigbarkeit.

 

 

In eine Panikattacke hineinsteigern

 

Sprechen Sie den folgenden oder einen ähnlichen Text langsam und mit Pausen auf eine Kassette und hören Sie sich die Geschichte immer wieder an, bis Sie damit keine Probleme mehr haben:

„Mir wird ganz schwindlig, es schnürt mir den Brustkorb zusammen und ich bekomme kaum Luft, mir ist heiß und ich beginne zu schwitzen, mir wird übel, meine Knie werden ganz weich, es kribbelt in meinen Händen, mein Herz schlägt wie verrückt, gleich falle ich um, wahrscheinlich bekomme ich einen Herzinfarkt. Rundherum stehen Leute, die mich sehen, wie ich zu Boden sinke. Vielleicht drehe ich auch nur durch und lande in einer Nervenklinik. Dann bin ich für immer erledigt, auch wenn ich alles überlebe.“

 

Wenn Sie Angst vor derartigen mentalen Provokationsübungen haben, werden Sie unerwartete Panikattacken weiterhin so fürchten wie bisher.

 

Üben Sie derartige Vorstellungen mit geschlossenen Augen so lange, bis Sie besser damit umgehen können.

 

 

Eine Panikattacke im Bus oder in der Straßenbahn

 

Stellen Sie sich eine Panikattacke in einem öffentlichen Verkehrsmittel vor, um Ihre körperlichen und emotionalen Zustände besser kontrollieren zu können.

 

Imaginieren Sie folgende Situation: Sie bekommen bei geschlossenen Fenstern zuwenig Luft, spüren einen starken Druck auf der Brust und haben Angst zu ersticken.

 

Sie atmen verstärkt, spüren Ihren raschen Herzschlag und werden ganz angespannt. Es wird Ihnen übel und Sie haben Angst zu erbrechen. Sie fürchten sich davor aufzufallen.

 

Sie steigen jedoch nicht aus dem Verkehrsmittel aus, sondern verwenden Atemtechniken, wie diese bei Schritt 4 beschrieben sind.

 

Nach einiger Zeit erreichen Sie Ihr Ziel und Sie steigen erschöpft, jedoch mit einem Erfolgserlebnis aus.

 

 

Ohnmachtsangst in einem Geschäft

 

Sie fühlen sich im Supermarkt plötzlich schwindlig und der Ohnmacht nahe. Sie möchten mit Ihrem vollen Einkaufswagen flüchten, sehen jedoch die lange Warteschlange bei der Kasse, so dass Sie nicht hinauskommen.

 

Sie sind in der Falle, Ihre Angst steigt dadurch. Sie bekommen keine Luft mehr, Ihr Herz schlägt bis zum Hals, Sie beginnen zu schwitzen und zu zittern.

 

Sie erinnern sich an Ihre letzte Panikattacke, bei der Sie Angst hatten zu sterben. Sie möchten sich am liebsten am Einkaufswagen festhalten, tun dies jedoch bewusst nicht, sondern stehen frei und sind bereit umzufallen und dadurch aufzufallen.

 

Sie haben den Eindruck, dass jemand schon etwas bemerkt haben könnte, Sie lassen sich dadurch jedoch nicht irritieren. Sie schütteln Arme und Beine kräftig durch, atmen langsam ein und aus und gehen noch eine Viertelstunde im Geschäft umher, ohne der ständigen Fluchtbereitschaft Ihres Körpers nachzugeben und merken, dass Sie nicht umkippen. Abschließend loben Sie sich kräftig.

 

 

Ein mentaler Einkaufsbummel

 

Spielen Sie anhand eines Einkaufsbummels eine gestufte Konfrontationstherapie in der Vorstellung bei geschlossenen Augen möglichst lebendig durch.

 

Sie verlassen an einem Samstagvormittag Ihre Wohnung, spüren schon bald Ihre Erwartungsängste aufsteigen, gehen einige Minuten bei leichtem Schwindel dahin, steigen dann in den Bus ein, der Sie – voll mit Schulkindern und stickiger Luft – in 20 Minuten zum nächsten größeren Einkaufszentrum bringt.

 

Dort gehen Sie durch die überfüllten Gänge und betrachten vorerst einmal alle Geschäfte von außen, bis Sie schließlich hintereinander mindestens drei Geschäfte aufsuchen.

 

Im ersten Geschäft müssen Sie sich mit einigen Waren bei einer Schlange an der Kasse anstellen, so dass Sie etwas unruhig werden und Ihr Herz zu klopfen beginnt.

 

Im zweiten Geschäft gibt es kein Fenster, weshalb Sie sich beengt fühlen, Sie bleiben aber dennoch so lange, bis Sie sich von einer Verkäuferin haben beraten lassen ohne etwas zu kaufen.

 

Im dritten Geschäft probieren Sie längere Zeit einige Kleider an, nerven die Verkäuferin ein wenig, finden schließlich aber doch ein passendes.

 

Sie spüren, wie Sie langsam müde werden und auf dem Weg zum Bus wiederum leichter Schwindel aufkommt. Sie fahren – etwas erschöpft durch die Angst – mit dem Bus nach Hause und freuen sich, dass Sie diese kleine Shopping-Tour mental erfolgreich bewältigt haben.

 

 

Die Angst vor Kontrollverlust mental durchleben

 

Diese Vorstellungsübung zählt mittlerweile zu den Lieblingsübungen des Autors. Panikpatienten erkennen dabei oft erstmals, was sie wirklich fürchten, wenn sie bei einer Panikattacke keine Angst mehr vor dem Tod haben.

 

Die Betroffenen haben dann gewöhnlich Angst vor einem Kontrollverlust in Form des plötzlichen Verrücktwerdens, eines Blackouts (z.B. Selbstmordversuch aus Panik, „Amoklauf“) oder eines heftigen Gefühlsausbruchs (Um-sich-Schlagen, Schrei- oder Weinkrampf).

 

Schließen Sie die Augen und vergegenwärtigen Sie sich eine Situation, in der Sie mental einmal all das durchspielen, was Sie in einer bestimmten Extremsituation als Ärgstes außer dem Tod befürchten.

 

Wagen Sie es und stellen Sie sich Ihren Horrorvisionen. Welche Vorstellungen haben Sie vom „Durchdrehen“, „Nervenzusammenbruch“, „Ausflippen“?

 

Wo und wann haben Sie vielleicht schon einmal die Kontrolle über sich verloren, dass Sie sich vor einem neuerlichen Kontrollverlust bzw. Gefühlsausbruch fürchten?

 

Sagen Sie sich: „Ich habe intensive Gefühle und einen großen inneren Druck, meine Verstandesklarheit bleibt dabei erhalten. Daher wage ich es, meine ärgsten Phantasien zuzulassen. Das sind nur meine Vorstellungen, es wird jetzt nichts passieren.“

 

Wenn es Sie beruhigt, machen Sie diese Übung, während eine Vertrauensperson in einem anderen Raum anwesend ist.

 

 

Flugangst in der Vorstellung vergegenwärtigen

 

Eine Flugangst ist der Inbegriff einer Agoraphobie: man fürchtet nicht den Absturz, sondern das Fehlen jeden Fluchtwegs.

 

In dieser Eingeengtheit könnte man sich jedoch völlig unmöglich verhalten und daher unangenehm auffallen oder vielleicht sogar „durchdrehen“ – alles völlig unbegründete Ängste.

 

Fliegen Sie einmal „mental“: Sie sitzen im Flugzeug nach Griechenland.

 

Schon beim Start steigt die Furcht vor etwas Unbestimmtem auf, dem Sie nicht entkommen können. Sie erinnern sich an die letzte Panikattacke beim Fliegen, weshalb Sie seither in kein Flugzeug mehr gestiegen sind.

 

Sie gehen in der Vorstellung alles durch, was Ihnen passieren könnte.

 

Sie sitzen ganz angespannt da, möchten am liebsten davonlaufen, wagen sich jedoch kaum zu bewegen.

 

Sie erleben das beklemmende Gefühl: jede Flucht ist ausgeschlossen, es gibt kein Entkommen!

 

Sie möchten sich an die Stewardess um Hilfe wenden, haben jedoch Angst, unangenehm aufzufallen.

 

Was fürchten Sie jetzt am meisten?

 

Was wäre so schlimm, dass Sie trotz des Wissens um eine sichere Landung auch das nächste Mal am liebsten nicht mehr fliegen möchten?

 

Finden Sie mehrere Möglichkeiten, wie Sie sich in diesem Zustand auf die Realsituation besser vorbereiten können.

 

Was helfen könnte: Atemübungen, Reden mit dem Partner, an das Ziel der Reise denken, etwas lesen oder etwas trinken bzw. lutschen.

 

 

Denkmuster ändern bei Agoraphobie

 

Wenn Sie unter einer Agoraphobie leiden, haben Sie Angst vor einer Situation, in der Sie sich körperlich sehr unwohl fühlen und aus der Sie nicht flüchten können und auch keine hilfreiche Unterstützung erfahren.

 

Ändern Sie Ihre Sichtweise, dann schaut Ihr Problem gleich viel leichter lösbar aus!

 

Wenn Sie keine Angst mehr vor Ihren körperlichen Reaktionen haben, dann schwindet auch Ihre Angst vor allen möglichen Orten und Situationen.

 

Weil Sie Ihrem Körper nicht mehr trauen, egal ob Sie eine Panikattacke, Schwindel, Harn- oder Stuhldrang fürchten, haben Sie sich darauf verlegt zu prüfen, wie sicher verschiedene Orte für Sie sind.

 

Wenn Sie diese Überlegung verstanden und für sich akzeptiert haben, kann es sein, dass Sie eine Agoraphobie im Laufe der Zeit bewältigen können, ohne dass Sie eine stunden- und tagelange Konfrontationstherapie machen müssen.

 

Denn Sie haben erkannt, dass Ihre körperlichen Reaktionen letztlich die Folge einer überstandenen Belastungssituation sind und nichts zu tun haben mit den früher neutralen Orten, an denen Ihre heftigen Symptome erstmals aufgetreten sind.

 

Sagen Sie sich: „Wenn ich mich vor mir selbst nicht mehr fürchte, dann fürchte ich mich auch vor verschiedenen Orten und Situationen nicht mehr.“

 

Fragen Sie sich auch, ob Sie Angst davor haben, wegen Ihrer Symptome aufzufallen und von den anderen als nicht belastbar oder gar als „nervenkrank“ betrachtet zu werden.

 

Erinnern Sie sich an alle früheren Situationen, in denen Sie sich ohnmächtig, ausgeliefert oder verlassen gefühlt haben und überprüfen Sie, ob Sie Angst davor hatten, wegen Ihrer Symptome bestimmten Situationen sowie anderen Menschen hilflos ausgeliefert zu sein.

 

Finden Sie heraus, ob Sie sich wegen der vermeintlichen Gefährlichkeit Ihrer körperlichen Symptome fürchten oder weil Sie durch diese auffallen könnten.

 

Im ersten Fall müssen Sie lernen, mit Ihrem Körper besser umzugehen, im zweiten Fall sollten Sie lernen, von der Meinung anderer Menschen unabhängiger zu werden.

 

Nicht wenige Agoraphobiker sind auch ohne körperliche Symptome nicht gerne allein.

 

Überprüfen Sie daher, ob Ihre Symptome eine Möglichkeit sind, nicht allein sein zu müssen.

 

Es kommt also darauf an, Ihre Denkmuster zu erkennen und zu verändern, wie etwa:

 

Artikel für die deutsche Angstzeitschrift daz:

 

 

Agoraphobie – eine multiple Situationsphobie

 

 

Zusammenfassung

 

15,3 % der Erwachsenen leiden in Deutschland unter einer Angststörung.

 

Die Agoraphobie ist, abgesehen von der Gruppe der spezifischen Phobien, die häufigste Angststörung.

 

Der Artikel bietet einen Überblick über historische Aspekte, diagnostische Kriterien, Abgrenzungsmerkmale gegenüber anderen psychischen Störungen sowie Psychotherapie und Selbstbehandlungsmöglichkeiten der Agoraphobie.

 

 

Häufigkeit und Folgen

 

4 % der Deutschen leiden innerhalb der letzten 12 Monate unter einer Agoraphobie. Sie kommt damit häufiger vor als die Panikstörung (2,0 %), die generalisierte Angststörung (2,2 %) und die soziale Phobie (2,7 %).

 

Unbewältigt entstehen daraus oft Depressionen, Übergebrauch oder gar Abhängigkeit von Alkohol oder Beruhigungsmitteln, bis hin zur Unfähigkeit, einer Arbeit nachzugehen oder auf Urlaub zu fahren; im schlimmsten Fall der psychischen Mehrfacherkrankung droht sogar die Berentung.

 

Aus dem ursprünglichen Anspruch, in jeder Situation die Kontrolle über sich selbst und die Umwelt zu behalten, entwickelt sich im Laufe der Zeit eine totale Abhängigkeit von anderen Personen sowie von zahleichen Hilfsmitteln und Tricks. Die unkontrollierbare Angst vor Draußen kann zu einem bedauernswerten Leben im unsichtbaren Käfig der eigenen Wohnung führen.

 

 

Geschichtliche Aspekte

 

Die Agoraphobie wurde erstmals im Jahr 1871 vom Berliner Nervenarzt Carl F. O. Westphal beschrieben.

 

Sie wurde erstmals 1980 in das amerikanische psychiatrische Diagnoseschema DSM-III aufgenommen, allerdings nur als Folgestörung der Panikstörung, und zwar unter der Bezeichnung „Panikstörung mit Agoraphobie“.

 

Als eigenständige Störung gilt sie erst seit dem internationalen Diagnoseschema ICD-10, das 1992 veröffentlicht wurde und das seit dem Jahr 2000 in Deutschland verbindlich ist.

 

Schließlich wurde sie 2013 auch im neuen amerikanischen psychiatrischen Diagnoseschema DSM-5 als eigenständige Störung anerkannt.

 

 

Diagnostische Kriterien nach dem ICD-10

 

Die Bezeichnung Agoraphobie enthält das altgriechische Wort agora, das nicht nur einen Marktplatz, sondern alle öffentlichen Plätze bezeichnet, das heißt alle Orte, die von jedermann aufgesucht werden können.

 

Eine Agoraphobie umfasst somit sowohl die Furcht vor der Weite als auch die Furcht vor der Enge.

Es werden alle Situationen gemieden, in denen Flucht nicht jederzeit möglich ist oder keine Hilfe zur Verfügung steht.

 

Die Betroffenen fürchten meistens nicht äußere Situationen an sich, sondern vielmehr den Kontrollverlust über die eigene Person, soweit es ihre körperlichen Symptome, ihre Gefühle, Gedanken und Vorstellungen sowie ihre sichtbaren Verhaltensweisen betrifft. 

 

Das ICD-10 definiert eine Agoraphobie als eine deutliche und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei von vier Situationen:

·       Menschenmengen,

·       öffentliche Plätze,

·       allein Reisen,

·       Reisen, mit weiter Entfernung von Zuhause. 

 

Dabei traten mindestens einmal gleichzeitig mindestens zwei von 14 Angstsymptomen auf:

1.     Herzrasen oder störendes Herzklopfen

2.     Schweißausbrüche

3.     fein- oder grobschlägiges Zittern

4.     Mundtrockenheit

5.     Atembeschwerden

6.     Beklemmungsgefühl

7.     Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust

8.     Übelkeit oder sonstige Magenbeschwerden

9.     Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit

10.   Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation), oder man fühlt sich selbst weit entfernt oder „nicht wirklich hier“ (Depersonalisation)

11.   Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“

12.   Angst zu sterben (als Folge der als bedrohlich erlebten Symptome einer Panikattacke)

13.   Hitzewallungen oder Kälteschauer

14.   Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle

 

Das ICD-10 ermöglicht die Unterscheidung zwischen Agoraphobie ohne Panikstörung (F40.00) und Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01).

 

Letztere ist meist eine Einschränkung des Aktionsradius als Folge von Panikattacken in bislang neutralen Situationen.

 

 

Diagnostische Kriterien nach dem amerikanischen DSM-5

 

Das DSM-5 definiert eine Agoraphobie etwas umfassender – neben der Angst vor Panikattacken, panikähnlichen Symptomen oder sonstigen Formen von körperlichem Kontrollverlust – als eine ausgeprägte Furcht vor mindestens zwei von fünf Situationen:

 

Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (z.B. Autos, Busse, Züge, Schiffe, Flugzeuge),

·     Aufenthalt auf offenen Plätzen (z.B. Parkplätze, Marktplätze, Brücken),

·     Aufenthalt in geschlossenen Räumen (z.B. Geschäfte, Theater, Kino),

·     Stehen in einer Schlange oder Menschenmenge,

·     Aufenthalt allein außer Haus.

 

 

Abgrenzungsmerkmale gegenüber anderen psychischen Störungen

 

Eine Agoraphobie ist eine multiple Situationsphobie und daher abzugrenzen gegenüber einer spezifischen Phobie, Situativer Typ, das heißt vor einer einzigen Situation im Sinne einer Furcht vor Fahrstühlen, Tunneln, Flugzeugen oder anderen engen, geschlossenen Räumen.

 

Diese spezifische Phobie wurde früher als Klaustrophobie bezeichnet.

 

Eine Agoraphobie bedeutet eine Vermeidung von gefürchteten Orten und Situationen, die die Betroffenen ohne Angst und Furcht gerne aufsuchen würden.

 

Bei einer erheblichen Depression dominieren dagegen völlig andere Gefühle, und zwar alle „Losigkeiten“: Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, Interesselosigkeit, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Wertlosigkeit, in Verbindung mit sozialem Rückzug, körperlicher und geistiger Leistungsstörung.

 

Eine Agoraphobie lässt sich durch die Anwesenheit vertrauter Menschen oft relativ leicht überwinden, während eine soziale Phobie gerade darin besteht, dass man sich in Anwesenheit vertrauter oder auch unbekannter Personen aufgrund des sichtbaren Verhaltens blamieren könnte.

 

 

Behandlung – mehrere Wege können zielführend sein

 

Im Gegensatz zu anderen Auffassungen muss nach meiner jahrzehntelangen therapeutischen Erfahrung bei Agoraphobie mit oder ohne Panikstörung keinesfalls immer eine Konfrontationstherapie stattfinden.

 

Völlig unterschiedliche Vorgangsweisen können gleichermaßen erfolgreich sein:

 

Bewältigung interaktioneller Probleme in den Bereichen Partnerschaft, Familie und Beruf;

Bewältigung intrapsychischer Probleme angesichts unklarer oder widersprüchlicher Werte, Bedürfnisse und Ziele (z.B. Nähe-Distanz-Konflikt);  


Bewältigung gefürchteter körperlicher und/oder psychischer Symptome auf dem Hintergrund von unbewältigten Panikattacken, panikähnlichen Symptomen oder einzelnen Symptomen wie Ohnmachtsgefühlen, somatoformemSchwindel, phobischem Attackenschwindel, Harn- oder Stuhldrang, mentalem Kontrollverlust, Derealisations- oder Depersonalisationsgefühlen;

Bewältigung einer Mehrfacherkrankung bei gleichzeitig vorhandener Trennungsangststörung, sozialer Phobie, Depression, somatoformer Störung, posttraumatischer Belastungsstörung oder Alkohol- bzw. Tranquilizerabhängigkeit;

Bewältigung gefürchteter Situationen durch verschiedene Formen von Konfrontationstherapie (heutzutage oft Expositionstherapie genannt).

 

 

 

Konfrontationstherapie – vier unterschiedliche Methoden

 

Im Laufe der Zeit wurden in der Verhaltenstherapie vier verschiedene Methoden der Konfrontation mit gefürchteten Situationen entwickelt, die in meinem neuesten Patienten-Ratgeber „Wenn Platzangst das Leben einengt. Agoraphobie überwinden. Ein Selbsthilfeprogramm“ ausführlich dargestellt werden (darin werden auch verschiedene Erklärungsmodelle für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Agoraphobie dargestellt, die hier aus Platzgründen nicht beschrieben werden können):

 

1.  Gestufte Konfrontation – den Weg der kleinen Schritte zum Erfolg wählen

 

Aufgrund konkreter Ziele wird ein detaillierter Behandlungsplan erstellt, wie die Agoraphobie eigenständig, ohne Begleitung durch einen Psychotherapeuten, überwunden werden kann.

Bewährt haben sich folgende Ratschläge:


Machen Sie alle Konfrontationsübungen nach ansteigendem Schwierigkeitsgrad.

Gestalten Sie jede Konfrontation so, dass sie ein Erfolg wird. Wenn die Aufgabenstellung zu schwierig war, wählen Sie eine leichtere.

Üben Sie regelmäßig und wiederholen Sie alle Übungen mehrfach am Tag bzw. in der Woche, zuerst in ähnlichen, später in unterschiedlichen Situationen, um Ihre Erfolgserlebnisse zu festigen.


Üben Sie unabhängig von Ihrer Befindlichkeit und stellen Sie sich auf mögliche Rückschläge ein, lassen Sie sich dadurch jedoch nicht entmutigen.

Bleiben Sie so lange in der Angstsituation ohne Flucht und Vermeidung, bis die Angst deutlich nachgelassen hat. Wenn Sie Ihrem Fluchtimpuls nachgegeben haben, suchen Sie die Situation so bald wie möglich wieder auf.

Verzichten Sie möglichst von Anfang an auf alle Hilfsmittel bzw. schleichen Sie diese im Laufe der Zeit aus. Es kommt darauf an, dass Sie jeden Erfolg sich selbst und nicht den dabei eingesetzten „Krücken“ zuschreiben.


Nutzen Sie bei schwierigeren Aufgabenstellungen anfangs die Unterstützung durch eine Vertrauensperson, anstatt bestimmte für Sie bedeutsame Situationen zu vermeiden.

Bleiben Sie geistig mit allen Sinnen in der momentanen Situation, im Hier und Jetzt, ohne ständig Horrorszenarien zu entwickeln, was im schlimmsten Fall passieren könnte.

Lenken Sie bei großer Angst und Panik Ihre Aufmerksamkeit auf die Umwelt, auf das, was Sie tun und erleben möchten, und nicht einseitig auf das, was Sie gerade in Ihrem Inneren erleben.


Seien Sie stolz auf jeden kleinen Fortschritt und halten sich immer wieder Ihre bisherigen Erfolgserlebnisse vor Augen.

Coachen Sie sich selbst durch aufbauende Selbstgespräche und Selbstinstruktionen.

 

Im Gegensatz zu früheren Behauptungen können auch vorübergehende Fluchtreaktionen sowie die Mitnahme verschiedener Hilfsmittel langfristig zur erfolgreichen Bewältigung der Agoraphobie führen.

 

Zur gestuften Konfrontationsbehandlung gibt es seit Jahrzehnten ein ausgezeichnetes Selbsthilfeprogramm aus England, das für deutsche Verhältnisse adaptiert wurde (Mathews et al., 2003).

 

2.  Massierte Konfrontation – von Anfang an den größten agoraphobischen Ängsten ins Angesicht blicken

 

Die massierte Konfrontationstherapie beruht auf dem sprichwörtlichen Sprung ins kalte Wasser (der größten Angst), und zwar mit dem Ziel, möglichst rasch eine Gewöhnung (Habituation) daran zu erreichen. Ein derartiges Vergehen erfolgt gewöhnlich im Rahmen einer Verhaltenstherapie, anfangs öfter in Begleitung eines Therapeuten oder einer Gruppe, weil die meisten Betroffenen zumindest anfangs allein dazu nicht in der Lage sind.

 

Folgende Vorgangsweise ist bei einer massierten „Reizkonfrontation mit Reaktionsverhinderung“ (engl. Flooding), d.h. ohne Fluchtreaktion, üblich:


Konfrontieren Sie sich gleich von Beginn an intensiv, das heißt ohne jedes Flucht- und Vermeidungsverhalten, ohne Hilfsmittel wie Beruhigungstabletten, Handy oder Entspannungstechniken, und soweit als möglich auch ohne Vertrauensperson, mit den am meisten gefürchteten Situationen.


Bleiben Sie so lange in der gefürchteten Situation, bis die Angst nach einem Höhepunkt nach 5 bis 20 Minuten ganz von allein abfällt, sofern Sie nicht gegen Ihre Angst ankämpfen.

Der Angstabfall im Sinne einer Habituation gilt als entscheidender Therapieeffekt, sodass Ihnen zukünftige Konfrontationen aufgrund der positiven Erfahrungen trotz vorübergehender erhöhter Belastung leichter fallen.

Führen Sie intensive Konfrontationsübungen innerhalb kurzer Zeit an mehreren Tagen mit jeweils mehrstündiger Dauer durch, um rasch durchschlagende Erfolge zu erreichen.

 

3.  Konfrontation auf der Basis neuerer lerntheoretischer Konzepte – Umlernen durch neue und positive Erfahrungen in bislang gefürchteten Situationen

 

Entgegen älteren Studien, wonach die klassische Konfrontationstherapie bei 80 % erfolgreich sein soll, wird sie nach neueren Studien von 30 % verweigert, von 15–30 % abgebrochen, von 40–50 % ohne klinisch relevanten Behandlungserfolg absolviert, bei 19–62 % kehrt die behandlungsrelevante Symptomatik später wieder zurück.

 

Nach meiner therapeutischen Erfahrung ist die massierte Konfrontationstherapie in vielen Fällen nicht hilfreich, und zwar bei zu erwartendem Ausbleiben der Habituationserfahrung aufgrund von unverarbeiteten traumatisierenden Panikattacken, chronischen somatoformen Symptomen wie Schwindel, Harn- oder Stuhldrang, völlig neuen und ungewohnten Situationen, anhaltender ängstlicher Besorgtheit (ständige „Was wäre, wenn …?“-Gedanken), und zu geringer Eigenmotivation (Therapie nur auf Wunsch von anderen Personen).

 

Die amerikanische Verhaltenstherapeutin Michelle Craske und ihr Team haben in den letzten Jahren eine andere Form der Konfrontationstherapie entwickelt, die auf neueren lerntheoretischen Modellen beruht.

 

Es geht bei dieser neuen Methode nicht um den Sieg über die Angst, sondern vielmehr um das Erlernen von erfolgreichem Handeln in bislang gefürchteten Situationen.

 

Die zentrale Botschaft lautet: Handeln Sie unabhängig von Ihrer Furcht und machen Sie trotz Angst neue Erfahrungen in bisher fürchteten, für Sie jedoch wichtigen Situationen, sodass Ihr Erfolgsgedächtnis stärker wird als Ihr Angstgedächtnis.

 

Für den Therapierfolg ist es nicht wichtig, durch maximale Konfrontation ohne Vermeidung eine Habituation zu erreichen und die negativen, Angst machenden Konditionierungen abzubauen, es sollen vielmehr emotional positive Erfahrungen im Sinne von Um- und Neulernen von Verhaltensweisen in agoraphobischen Situationen ermöglicht werden.

 

Es handelt sich um ein „Inhibitionslernen“, d.h. neue Lernerfahrungen hemmen (inhibieren) die bisherigen Furchtreaktionen.  

 

Konfrontationsübungen sollen nicht primär einen Angstabfall bewirken, sondern eine Widerlegung Ihrer Befürchtungen durch neue Lernerfahrungen.

 

Im Gegensatz zur gestuften Konfrontationstherapie sollen Sie abwechselnd leichtere und schwierigere Situationen aufsuchen.

 

Mithilfe zahlreicher Strategien, die sich noch in der Phase der wissenschaftlichen Überprüfung befinden, jedoch in meinem Agoraphobie-Buch detailliert beschrieben sind, sollen Sie bessere und stabilere Therapieeffekte erreichen als nach der traditionellen Konfrontationstherapie.

 

4.  Konfrontation nach der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT – Handeln aufgrund von Werten und daraus abgeleiteten Zielen trotz und mit Angst 

 

Aus der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) als verhaltenstherapeutischer Weiterentwicklung des von buddhistischen Grundgedanken geprägten Konzepts der achtsamkeitsbasierten Stressbewältigung ergibt es sich eine vierte Form von Konfrontationstherapie.

 

Die zentrale Botschaft lautet: Ändern Sie Ihre Einstellungen gegenüber Angst, Furcht und Panik und handeln Sie auf der Basis Ihrer Werte und daraus abgeleiteten Ziele und damit unabhängig vom Ausmaß Ihrer Angst. Sie können auch mit Angst und Furcht erfolgreich handeln, wenn Ihnen eine Sache sehr wichtig ist.

 

Der andere Umgang mit Symptomen ist typisch für alle Richtungen der sogenannten „Dritten Welle“ der Verhaltenstherapie.

 

Trotz unterschiedlicher Grundkonzepte ergibt sich daraus eine ähnliche Strategie wie bei den innovativen, lerntheoretisch fundierten Ansätzen von Michelle Craske: Kämpfen Sie nicht gegen Angst und Furcht, sondern für ein sinnerfülltes Leben, Ihre Angst und Furcht werden später ganz von allein abnehmen.

 

 

Neurowissenschaftliche Kritik am Konzept der massierten Konfrontationstherapie

 

Der bekannte Neurowissenschafter Joseph LeDoux fällt in seinem neuesten Buch „Angst“ ein vernichtendes Urteil über die bislang praktizierte massierte Konfrontationstherapie und befürwortet die Vorgangsweisen von Michelle Craske, u.a. durch folgende Kritikpunkte:

 

Eine Hemmung der Fluchtreaktion als spontanem, vom Mandelkern (Amygdala) gesteuerten Impuls ist nicht gleichzusetzen mit erfolgreicher Bewältigung von Angst und Furcht.

Beides sind Gefühle, die auch mit Kognitionen, d.h. mit dem Großhirn, zusammenhängen.

Habituation als Abfall der körperlichen Erregung ist noch keine erfolgreiche Angstbewältigung und auch keine notwendige Voraussetzung dafür.


Die Maximierung von Angst und Furcht ohne Fluchtmöglichkeit führt zu keiner Änderung der Furchtstrukturen im Gehirn, denn es gibt gar keine einheitliche Furchtstruktur im Gehirn.

Konfrontationen über einen ganzen Tag sind weniger ergiebig als kleinere Übungseinheiten, weil die Erfolge im Gehirn ohne Erholungspausen gar nicht ausreichend gespeichert werden können.

Massive Angstüberflutung bis hin zu Panikattacken verhindert das Lernen in neuen Situationen. Unter zu großem Stress können neue Lernerfahrungen weder abgespeichert noch abgerufen werden.

Entspannung durch Atemtechniken, Meditation und Achtsamkeit senkt die Grundanspannung in agoraphobischen Situationen und fördert dadurch die Lernfähigkeit.

Die Grundkonzepte der klassischen Konfrontationstherapie beruhen auf tierexperimentellen Studien, deren Ergebnisse nicht auf Menschen übertragbar sind. 

Flucht kann bei Tier und Mensch vorübergehend durchaus eine hilfreiche Strategie sein und trägt nicht unbedingt zur Angstverstärkung bei.

 

 

Literatur

 

LeDoux, J. (2016). Angst. Wie wir Furcht und Angst begreifen und therapieren können, wenn wir das Gehirn verstehen. Wals bei Salzburg: Ecowin.

 

Mathews, A., Gelder, M. & Johnston, D. (2003). Platzangst: Ein Übungsprogramm für Betroffene und Angehörige. Deutsche Bearbeitung: I. Hand & C. Fisser. 4. Auflage. Basel: Karger.

 

Morschitzky, H. (2017). Wenn Platzangst das Leben einengt. Agoraphobie bewältigen. Ein Selbsthilfeprogramm. Ostfildern: Patmos. In diesem Buch befinden sich auch viele Literaturhinweise, die hier aus Platzgründen nicht angeführt werden.